Janukowitsch konnte Merkel nicht von der europäischen Perspektive der Ukraine überzeugen


Gestern traf sich Präsident Wiktor Janukowitsch im Rahmen seines Besuches in Deutschland mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Hauptthema der Gespräche waren die bilateralen Beziehungen zwischen der Ukraine und der EU, darunter die Vorbereitung des Assoziierungsabkommens und der Dialog zur Visafreiheit. Deutschland ist, den Informationen des “Kommersant-Ukraine“ nach, nicht auf Zugeständnisse in den Schlüsselfragen eingestellt. Auf dem Treffen wurde ebenfalls das Thema der Meinungsfreiheit angesprochen. In Berlin meint man übrigens, dass die Situation in diesem Bereich in der Ukraine bei weitem keine kritische ist.

Der eintägige offizielle Besuch von Wiktor Janukowitsch in Deutschland begann mit einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bereits vor dem Beginn der Gespräche wurde bekannt, dass das Hauptthema die Entwicklung der bilateralen Beziehungen zwischen der Ukraine und der EU wird; dies hatte in der letzten Woche der Botschafter Deutschlands in der Ukraine, Hans-Jürgen Heimsoeth, (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“ vom 27. August) erklärt. Gestern bestätigte Janukowitsch, dass er Deutschland als „strategischen Partner der Ukraine in der EU“ sieht.

Wiktor Janukowitsch hob einige Richtungen in den Verhandlungen mit der EU hervor, in denen die ukrainische Seite die Unterstützung Berlins benötigt. Dazu zählen die Vorbereitung des Assoziierungsabkommens und die Schaffung einer Freihandelszone zwischen der Ukraine und der EU und ebenfalls der Dialog über die Visafreiheit. „Eine der Fragen, die derzeit auf der Tagesordnung steht, ist die Visafreiheit. Ich meine, dass dies eine Frage der nahen Zukunft ist“, erklärte Janukowitsch gegenüber Journalisten.

Später, als er auf dem Treffen mit Vertretern der deutschen Wirtschaft auftrat, fügte der Präsident hinzu, dass er daneben die Bundeskanzlerin darum bat, das Bestreben der Ukraine nach dem Erhalt einer formellen europäischen Perspektive zu unterstützen. „Sehr wichtig ist, dass im neuen Assoziierungsabkommen sich die Perspektive der Ukraine bezüglich der Mitgliedschaft in der Europäischen Union widerspiegelt. Diese Position ist äußerst wichtig für das ukrainische Volk“, erläuterte Wiktor Janukowitsch.

Merkel kommentierte die Erwartungen ihres Gesprächspartners nicht, doch betrachtete sie es als notwendig hervorzuheben, dass die bilateralen Beziehungen Kiews und Brüssels sich nicht auf Kosten der bilateralen Beziehungen Kiews und Moskaus entwickeln sollen. „Für uns in der Europäischen Union ist es notwendig die Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland zu enthärten“, erläuterte die Bundeskanzlerin. „Wir würden uns wünschen, dass sich über die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens der Ukraine mit der EU die Position der ukrainischen Seite stärken würde. Zur gleichen Zeit ist es notwendig, dass sich die Beziehungen mit Russland entwickeln, denn das hat auch eine Bedeutung für die Energiekooperation“.

Dem Energiethema widmete Wiktor Janukowitsch besondere Aufmerksamkeit. „Wir betrachten Deutschland als Partner bei der zukünftigen Sanierung des ukrainischen Gastransportsystems“, erklärte er. Bekanntlich wird die Frage der Modernisierung des ukrainischen Gastransportsystems als gesamteuropäische betrachtet; Kiew hatte Verhandlungen darüber mit Brüssel und nicht mit einzelnen Ländern der EU geführt.

Gesprächspartner des “Kommersant-Ukraine“ in diplomatischen Kreisen bewerten die Perspektiven der Umsetzung der in Berlin geäußerten Ideen skeptisch. „Die Verhandlungen, die auf EU-Ebene geführt werden, können nicht auf bilateraler Ebene geführt werden. Das ist jetzt eine gesamteuropäische Angelegenheit“, erläuterte dem “Kommersant-Ukraine“ einer der Diplomaten.

Die Erwartungen Kiews zur Unterstützung Berlins in der Frage der politischen Annäherung der Ukraine und der EU erweisen sich wahrscheinlich ebenfalls als vergeblich. Heimsoeth hatte vorher offiziell erklärt, dass Berlin sogar die Diskussion einer möglichen Mitgliedschaftsperspektive der Ukraine in der Europäischen Union als vorzeitig ansieht.

Eine analoge Situation herrscht, wie ein informierte Gesprächspartner des “Kommersant-Ukraine“ in der Europäischen Kommission bestätigt, auch beim Dialog zur Visafreiheit. Brüssel hat endgültig die Entscheidung bestätigt, auf die Wortgruppe „Roadmap“ als Bezeichnung für das Dokument, welches zur Unterzeichnung auf dem Novembergipfel zwischen der Ukraine und der EU vorbereitet wird, zu verzichten. Diese Bezeichnung würde eine Analogie zwischen der Ukraine und den Balkanstaaten hervorrufen, die eine Mitgliedsperspektive haben. Außerdem ist es in „Roadmaps“ üblich, Orientierungsfristen für die Vereinfachung des Visaregimes festzuhalten. Eine Reihe von Mitgliedsstaaten der EU, darunter Deutschland, hat die Gewährung dieser Privilegien für Kiew blockiert. Im Ergebnis wird das zukünftige Dokument „Maßnahmenplan/Handlungsplan“ genannt werden, was dessen politische Bedeutung senkt.

Angela Merkels Worten nach, wurde im Rahmen der Verhandlungen das Niveau der demokratischen Freiheiten in der Ukraine diskutiert. „Wir haben diese Fragen sehr offen diskutiert … Ich habe unterstrichen, dass wir fraglos an der Entwicklung der demokratischen Prozesse interessiert sind“, teilte sie mit. Bei ihren Antworten auf die Fragen der Journalisten hat die Bundeskanzlerin übrigens nicht erwähnt, dass es in der Ukraine irgendwelche Probleme in diesem Bereich gibt. „Wir haben vereinbart, dass falls es zukünftig irgendwelche Fragen, Probleme gibt, dann werden wir offen darüber sprechen“, erklärte die Kanzlerin.

Eine wichtige Veranstaltung im Besuchsprogramm von Wiktor Janukowitsch in Berlin wurden seine Gespräche mit Vertretern der deutschen Wirtschaft. „Das Investitionsvolumen (kumuliert in den Jahren der Unabhängigkeit) welches wir haben, beträgt etwas mehr als 6 Mrd. Dollar. Das ist wenig für die Ukraine“, erklärte der Präsident, dabei hervorhebend, dass in der gleichen Zeit in Russland „zehnmal mehr“ investiert wurde. Er erzählte den deutschen Unternehmern von der politischen Spezialisierung im Land und versicherte, dass die neuen ukrainischen Machthaber aktiv die Korruption bekämpfen. Neue Investitionsprojekte wurden auf dem Treffen übrigens nicht angekündigt. „Wir wissen, dass es in der Ukraine die Tradition der Unterzeichnung von Investitionsabkommen im Rahmen von Auslandsvisiten des Präsidenten gibt. Ich denke, dass es während des Besuchs in China so kommt. Doch in Deutschland spielt bei der Investitionsanwerbung die Wirtschaft und nicht der Staat die Hauptrolle“, erläuterte dem “Kommersant-Ukraine“ einer der Diplomaten, der an der Vorbereitung des Besuchs beteiligt war.

Sergej Sidorenko

Quelle: Kommersant-Ukraine

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 904

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