Janukowitsch stieg am Sonntag aus den Koalitionsverhandlungen aus
Die Partei der Regionen und BJuT (Block Julia Timoschenko) haben offiziell die Unmöglichkeit der Bildung einer Koalition in der aktuellen Etappe verkündet. In vielem steht dies in Zusammenhang mit der Überzeugung des Vorsitzenden der Partei der Regionen, Wiktor Janukowitsch, bei allgemeinen Präsidentschaftswahlen siegen zu können, wobei es keine Notwendigkeit zu einer Änderung der Verfassung gibt. Julia Timoschenko ist überzeugt, dass Präsident Wiktor Juschtschenko den Führer der Opposition stark beeinflusst hat. Doch, ungeachtet des demonstrativen Abbruchs der Beziehungen, ist man bei der Partei der Regionen und BJuT überzeugt, dass man nicht endgültig die Unmöglichkeit einer zukünftigen Union verkünden kann.
Eine Erklärung als Ausweg
Darüber, dass das Projekt der Bildung einer breiten Koalition zwischen der Partei der Regionen und dem Block Julia Timoschenko beerdigt wurde, informierte am Sonntag der Vorsitzende der Partei der Regionen, Wiktor Janukowitsch. Als Ort für diese Erklärung wählte er die Kiewer Petschersker Lawra/Höhlenkloster, wohin er sich am Pfingstsonntag begab. Im Refektorium betend, erklärte Janukowitsch vor Fernsehkameras, dass er die Entscheidung getroffen hat, weitere Verhandlungen über eine Vereinigung mit BJuT in einer Koalition einzustellen.
Wiktor Janukowitsch erinnerte daran, dass eben er seit 2005 “mehrfach seine Bereitschaft zur Vereinigung demonstrierte” und im Ergebnis der Verhandlungen mit BJuT “begannen diese”. Außerdem dementierte er nicht, das eben die Partei der Regionen die Verfassungsänderungen einleiten wollte, die eine Wahl des Präsidenten im Parlament und die Erhöhung der Geltungsfrist der Vollmachten der aktuellen Werchowna Rada und der lokalen Regierungsorgane.
Jedoch wurde die Beschreibung des eigenen Anteils am Projekt der Koalitionsbildung durch Wiktor Janukowitsch erforderlich, um den Verzicht auf den weiteren Verhandlungsprozess zu begründen. “Im Laufe der Verhandlungen wurde für mich offensichtlich, dass sogar bei der Bereitschaft aller Beteiligten zu ernsthaften Kompromissen die breite Koalition mit einer Reihe von Konflikten konfrontiert wird, die nicht schnell gelöst werden können”, erklärte er. Der Führer der “Regionalen” hat einen Schlusspunkt hinter die Frage der Verfassungsänderungen gesetzt, mitteilend, dass er persönlich, im Unterschied zu einer Reihe von Parteigenossen, gegen die Wahl des Staatsoberhauptes im Parlament auftritt. “Das Herz sagt mir: die Wahl des Präsidenten vom ganzen Volk, in direkten Wahlen – ist die einzig richtige Wahl. Ich mache diese. Möge Gott uns helfen!”, sagte Wiktor Janukowitsch.
Die Bildung einer großen Koalition sollte in dieser Woche abgeschlossen werden, wofür die Entscheidung getroffen wurde, diese Woche zur Arbeit in der Werchowna Rada genutzt werden sollte. Die Verhandlungen der Partei der Regionen mit BJuT gingen fast ein Jahr, doch niemals waren diese beiden Kräfte so kurz vor einer Vereinigung. Im Dezember letzten Jahres (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“ vom 8. Dezember 2008) lag dem “Kommersant-Ukraine“ der Entwurf einer Koalitionsvereinbarung vor, in der unterstrichen wurde, dass die Teilnehmer der zukünftigen Koalition auf die Lösung ideologischer Fragen verzichten und sich auf die Probleme ökonomischen Charakters konzentrieren. Jetzt sind BJuT und die Partei der Regionen bei den Vorbereitungen von Änderungen im “Grundgesetz” angelangt, die Präsident Wiktor Juschtschenko als Versuch eines Verfassungsstreiches benannte.
Diesen Schlag von Seiten Janukowitschs erwartete Julia Timoschenko nicht. Um auf dessen Erklärung zu reagieren, benötigte die Premierministerin einige Stunden. Am Sonntagabend gab es in den Informationsnetzen der zentralen Fernsehsender Änderungen – es wurde eine außerordentliche Ansprache Julia Timoschenkos an das Volk der Ukraine angekündigt.
Wie auch Wiktor Janukowitsch, erzählte Timoschenko, dass sie alle Anstrengungen zur Einigung des Landes im Angesicht der ökonomischen Krise unternommen habe und die letzte Hoffnung diese zu bewältigen waren die Verhandlungen mit der Opposition. “Leider hat Wiktor Janukowitsch hinter diese einen Schlusspunkt gesetzt”, teilte Julia Timoschenko tragisch mit. “Er ist einseitig, niemanden vorwarnend, aus dem Verhandlungsprozess ausgestiegen, machte eine laute politische Erklärung, damit beendete er die Vereinigung und nahm der Ukraine die Chance”.
Viele Ich`s
Das Scheitern der Koalitionsbildung erklärt sich schließlich aus einem Grund – der persönlichen Entscheidung Wiktor Janukowitschs als Präsident zu kandidieren und seine Überzeugung, dass er Staatsoberhaupt über eine allgemeine Abstimmung werden kann. In dieser Entscheidung bestärkt wurde der Führer der Partei der Regionen durch die Ereignisse der letzten zwei Tage vor seiner Erklärung. Am Freitag, wo bereit für niemanden mehr der Änderungsentwurf für die Verfassung, an dem BJuT und die Partei der Regionen arbeiteten (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“ vom 5. Juni) ein Geheimnis war, fanden mehrere geschlossene Fraktionssitzungen statt. Am Morgen führten Abgeordnete des Blockes Litwin eine Sitzung durch, auf der sie die Entscheidung trafen auf eine Beteiligung an einer großen Koalition im Falle einer Bildung zu verzichten. “Wir haben entschieden, dass wir nicht daran teilnehmen werden und dies ist unsere harte Position, die nach einiger Zeit der Partei der Regionen bekannt wurde. In dieser Koalition ist weder für uns, noch für Litwin Platz”, erzählte dem “Kommersant-Ukraine“ ein Informant in der Fraktion. “Er hätte sich sicher den Posten des Parlamentssprechers bewahrt, doch seine Beteiligung hätte dazu geführt, die für BJuT und die Partei der Regionen nötigen Gesetzesentwürfe zur Abstimmung zu stellen und danach diese zu unterschreiben”.
Gleichzeitig bestätigt ein Informant, dass Wladimir Litwin am 5. Juni in einigen privaten Gesprächen erklärte, dass, falls die Koalition der Partei der Regionen und von BJuT zustande kommt, er freiwillig die Vollmachten des Vorsitzenden der Werchowna Rada niederlegt, sich, den Worten des Informanten nach, von “moralischen Gründen” leiten lässt. Davor hat, den Informationen des “Kommersant-Ukraine“ nach, Litwin sogar die Vertreter der Partei der Regionen, insbesondere die Parlamentsabgeordneten Sergej Ljowotschkin und Jurij Bojko, gewarnt, die am Freitag den Sprecher um ein Treffen baten. Am gleichen Tag führte Wiktor Juschtschenko ein Treffen mit den Botschaftern der “G7”, Polens, der Slowakei, Ungarns, Tschechiens, der Schweiz und dem Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission durchgeführt, im Verlaufe dessen er diese von der Ungesetzlichkeit der Umsetzung des Szenarios, welches von der Partei der Regionen und BJuT erdacht wurde, überzeugte, dieses einen “Verfassungsstreich” nennend.
Von allen diesen Ereignissen in Kiew erfuhr Wiktor Janukowitsch von seinen vertrauten Leuten, da er selbst nicht im Lande war, was später die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Anna German bestätigte. Den Informationen des “Kommersant-Ukraine“ nach, war der Vorsitzende der Partei der Regionen am 5. Juni in Sankt-Petersburg, wo ein Wirtschaftsforum stattfand, welches der Präsident der Russischen Föderation Dmitrij Medwedjew eröffnete. Informanten bestätigen, dass Wiktor Janukowitsch und Dmitrij Medwedjew ein informelles Treffen durchführten und eben bei Beendigung desselben wurde der Führer der Partei der Regionen im Gedanken bestätigt, dass die Union mit Julia Timoschenko nicht zweckmäßig ist.
Timoschenko selbst vermied gestern eine direkte Antwort auf die Frage des “Kommersant-Ukraine“ danach, ob sie den Einfluss äußerer Faktoren auf das Fassen des Beschlusses durch Wiktor Janukowitsch zum Austritt aus dem Verhandlungsprozess in Betracht zieht. “Er ist aus dem Verhandlungsprozess ausgetreten, weil er sich fürchtete die Verantwortung für die Krise vor den offenen Präsidentschaftswahlen auf sich zu nehmen”, erklärte die Premierin auf der Pressekonferenz. Derweil wurde dem “Kommersant-Ukraine“ bekannt, dass Julia Timoschenko gestern Abend bereits nach Moskau fuhr. Dabei haben Informanten bei BJuT, welche diese Information verbreiteten, auf die Präzisierung des Ziels des Besuchs verzichtet.
Ungeachtet des Scheiterns der Vereinbarungen, vermochte es Timoschenko gestern sich mit einer scharfen Kritik an die Adresse ihres nicht zustande gekommenen Partners zurückzuhalten. Mehr noch, gab sie deutlich zu verstehen, dass sie offen für weitere Verhandlungen ist: “Das es zu keiner Vereinigung kam, ist schlecht. Aber ich stelle die Arbeit nicht ein, damit es früher oder später dazu kommt”. Bemerkenswert ist, dass die gleiche Meinung auch bei der Partei der Regionen vertreten wird. “Nach den Wahlen gleichen wir unsere Positionen an. Dann wird die Partei der Regionen nicht die zweite Geige spielen. Denn in den jetzigen Verhandlungen mit BJuT war ihr Wunsch spürbar, uns in den Hintergrund zu drängen”, erzählte dem “Kommersant-Ukraine“ ein Gesprächspartner aus der Leitung der Partei der Regionen.
Der Präsident vergisst nicht
Aus den gestrigen Erklärungen der Premierin folgt, dass am Scheitern der Verhandlungen nicht Dmitrij Medwedjew und nicht einmal Wiktor Janukowitsch, sondern Präsident Wiktor Juschtschenko schuld ist. Ausgerechnet auf Forderungen an dessen Adresse konzentrierte sich Julia Timoschenko gestern. “Wenn es keine Hysterie gäbe, die der Präsident des Landes einleitete und es seine destruktive Tätigkeit gäbe, denke ich, hätten wir uns trotzdem um die wichtigen Verfassungsänderungen und um den Schutz des Landes vor der Krise geeint”, erklärte sie. Worin genau die Beteiligung des Präsidenten an der Zerstörung der Abmachungen zwischen der Partei der Regionen und BJuT bestand, konkretisierte die Premierin nicht, jedoch erinnerte sie einige Male an “die Schmutzkampagne”, die vor dem Hintergrund eines “normalen Verhandlungsprozesses” eingeleitet wurde. “Es tut mir sehr leid, dass die ‘orange Revolution’ einen solchen Führer an die Macht brachte”, resümierte Julia Timoschenko.
Wahrscheinlich haben die Beschuldigungen der Premierin tatsächlich eine Grundlage. Wie dem “Kommersant-Ukraine“ bekannt wurde, fanden die Hauptverhandlungsrunden, nach deren Ergebnissen Wiktor Janukowitsch die Entscheidung zum Verzicht auf die Bildung einer großen Koalition fasste, am Sonnabend statt. Insbesondere an diesem Tag traf sich der Vorsitzende der Partei der Regionen mit dem Ex-Präsidialamtschef Wiktor Baloha und führte eine Telefongespräch mit Wiktor Juschtschenko. Baloha bot dem Führer der Partei der Regionen, den Informationen der Informanten des “Kommersant-Ukraine“ nach, eine rechtliche, organisatorische und Wählerunterstützung (insbesondere im Hinblick auf die Wähler in Transkarpatien) in dem Falle an, wenn Janukowitsch aus dem Verhandlungsprozess austritt.
Wiktor Juschtschenko versuchte ebenfalls den Führer der Partei der Regionen davon zu überzeugen, dass ihm der Sieg bei den allgemeinen Wahlen garantiert sei. Gestern bestätigte das Staatsoberhaupt auf einer Pressekonferenz, dass er sich mit Wiktor Janukowitsch unterhalten habe, diesen von der Möglichkeit einer “legitimen Wahl” auf den Präsidentenposten unter Nutzung der geltenden Prozedur überzeugend. Außerdem erklärte der Präsident, dass er über einen gewissen “seiner Vertreter” beide Seiten, die an den Verhandlungen beteiligt waren, über ein existierendes Szenario informierte, mit dem er das Scheitern des Prozesses der Einbringung von Änderungen in die Verfassung garantiert. Den Namen des Unterhändlers zu nennen, der seine Position vertrat, weigerte sich Juschtschenko. “Ich wünschte mir, dass sie erführen, dass der Weg, den sie gewählt haben, nicht vertrauenswürdig ist. Bei jeglicher Abstimmung des Parlaments bliebe mir eine klare Möglichkeit die Wahlen zu blockieren”, teilte der Präsident mit, seine Überzeugung ausdrückend, dass seine Argumente der Hauptgrund für die Überzeugung Janukowitschs zum Austritt aus den Verhandlungen waren.
Jelena Geda, Ljudmila Dolgopolowa, Sergej Sidorenko
Quelle: Kommersant-Ukraine