Julia Timoschenko verklagt Firtasch und RosUkrEnergo in New York


Die ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko hat an einem Gericht in New York eine Klage gegen das Unternehmen RosUkrEnergo und dessen Teilhaber Dmitrij Firtasch eingereicht. Sie fordert die Tatsache einer Absprache zwischen dem Gashändler und „Naftogas“ im Verlaufe der Gerichtsverhandlungen vor dem Stockholmer Schiedsgericht anzuerkennen, in deren Ergebnis RUE 12,1 Mrd. Kubikmeter Gas zurückgegeben wurden. Auf dieser Basis eine Aufhebung der Entscheidung des Schiedsgerichts zu erreichen, ist unrealistisch, meinen Juristen. Doch die Oppositionsführerin könnte das Gerichtsverfahren für politische Ziele nutzen, vermuten Experten.

Gestern verkündete die Führerin der Partei „Batkiwschtschyna“, Julia Timoschenko, dass ein New Yorker Gericht ihre Klage gegen RosUkrEnergo und Dmitrij Firtasch angenommen hat. In dieser beschuldigt die Ex-Ministerpräsidentin den Geschäftsmann in Handlungen, die zu schweren Folgen für das Land geführt haben. „Das Urteil des Stockholmer Schiedsgerichts zum Vorteil des Unternehmens von Dmitrij Firtasch wurde als Mittel zum Erhalt großer Summen genutzt. Mit diesen Mitteln werden der Geschäftsmann und dessen Partner auch weiter die Korruption verbreiten können, die alle Regierungsebenen ergriffen hat, und politisch Andersdenkende einschüchtern“, zitiert die Agentur Bloomberg die Klageschrift.

Die Rede geht von dem Urteil des Stockholmer Schiedsgerichts, mit der es die NAK (Nationale Aktiengesellschaft) „Naftogas Ukrainy“ verpflichtete RosUkrEnergo 12,1 Mrd. Kubikmeter Erdgas zurückzugeben. Anfang 2009 hatte „Naftogas“ auf Anordnung von Ministerpräsidentin Julia Timoschenko aus den ukrainischen Untertagespeichern Gas entnommen, welches RosUkrEnergo gehörte. Grundlage dafür waren Schuldforderungen gegenüber dem Gashändler in Höhe von 1,7 Mrd. $, die „Naftogas“ von der russischen „Gasprom“ abgetreten wurden. Dank diesem Schema betrug der Gaspreis für die Ukraine damals 154$ pro tausend Kubikmeter bei einem Marktpreis von 250$. Doch nach dem Urteil des Stockholmer Schiedsgerichts musste der Brennstoff an RosUkrEnergo zurückgegeben werden, die Menge 2010-2011 bei „Gasprom“ zu 270-290$ pro tausend Kubikmeter kaufend.

Der Partner an der Anwaltskanzlei „Magister & Partner“, Sergej Wlassenko, der an der Vorbereitung der Klage beteiligt war, präzisierte, dass diese am Distriktsgericht des Süddistrikts in New York am letzten Dienstag eingereicht wurde. Seinen Worten nach wurde die Klage auf der Grundlage des Alien Tort Statute, der es Ausländern gestattet Klagen vor amerikanischen Gerichten einzureichen, angenommen. Timoschenko möchte die Anerkennung dessen erreichen, dass „Naftogas“ und RUE vor dem Stockholmer Schiedsgericht in Übereinstimmung handelten und die NAK dem Schweizer Händler unter unmittelbarer Einmischung von Firtasch „zuspielte“. Außerdem ist die ehemalige Ministerpräsidentin überzeugt davon, dass der ukrainische Monopolist kein Recht hatte RosUkrEnergo das Gas zurückzuegeben, für das „Naftogas“ „Gasprom“ bereits 2009 gezahlt hat. Auf dieser Grundlage muss das Urteil des Stockholmer Gerichts revidiert werden und die 12,1 Mrd. Kubikmeter Gas an die NAK zurückgegeben werden.

Theoretisch könnte eine positive Entscheidung des Gerichts zu einer Revision des Rückgabeschemas gegenüber RosUkrEnergo führen, sagt ein hochgestellter Informant des “Kommersant-Ukraine” im Ministerium für Energiewirtschaft und Kohleindustrie. „Doch dafür, um das zu erreichen, muss Julia Timoschenko praktisch zuerst an die Macht zurückkehren und der Leitung von ‘Naftogas’ eine entsprechende Anweisung geben, den Brennstoff zurückzuholen“, meint der Gesprächspartner des “Kommersant-Ukraine”. „Tatsächlich gab es keine Absprachen zwischen den Unternehmen“. Bei „Naftogas“ und RosUkrEnergo kommentierte man die Klage gestern nicht.

Timoschenko ist überzeugt davon, dass das Gerichtsurteil auf dem Territorium der Ukraine bindend sein wird. „Dieses Urteil ist absolut gesetzmäßig für jedes Land, genauer gesagt für jede juristische oder physische Person, gegen die dieses Urteil gesprochen wird. Es ist eine rechtmäßige Entscheidung, der nachgekommen werden muss“, erklärte die Ex-Ministerpräsidentin.

Jedoch ist zwischen der Ukraine und den USA kein spezieller Vertrag zur Anerkennung von Gerichtsurteilen geschlossen worden, hebt der Seniorpartner der Anwaltskanzlei „Iljaschew und Partner“, Roman Martschenko, hervor. „Präzedenzfälle der Anerkennung von Urteilen amerikanischer Gericht gibt es in der Ukraine. Doch das sind keine öffentlichkeitswirksamen Fälle, sondern Erbe, Ehe und Scheidung“, sagt der Anwalt. Seinen Worten nach erkennt der Staat den Gerichtsentscheid entsprechend dem so genannten Prinzip der „internationalen Höflichkeit“ an. Die Entscheidung wird durch die Einreichung einer Erklärung zur Anerkennung des Urteils und seiner Umsetzung auf dem Territorium der Ukraine von der interessierten Seite anerkannt.

Vertreter des Parlamentsausschusses für Fragen der Rechtsprechung habe unterschiedliche Meinungen darüber, wie Julia Timoschenko das Urteil des New Yorker Gerichts in der Ukraine nutzen kann. „Die amerikanische Rechtsprechung steht in keinerlei Beziehung zu unseren Problemen“, meint der Parlamentsabgeordnete Walerij Bondyk (Partei der Regionen). „Vielleicht irgendwo, irgendwie wird ein Gewinn anerkannt. Doch Julia Wladimirowna (Timoschenko) muss ihr Recht in der Ukraine suchen“. Derweil hält sein Kollege Swjatoslaw Olijnyk (fraktionslos) den Vorstoß von Julia Timoschenko für „vollständig richtig“. „Wenn der Gegenstand der Klage mit dem Gegenstand der Ermittlungen der gegen sie eingeleiteten Ermittlungsverfahren verbunden ist (die Generalstaatsanwaltschaft beschuldigt Julia Timoschenko der Amtsüberschreitung und des Missbrauchs der Dienstvollmachten bei der Unterzeichung der Verträge über die Lieferungen russischen Gases im Januar 2009), dann werden alle Umstände, die in der anderen Gerichtsbarkeit festgestellt werden, direkt oder indirekt auf die juristischen Prozesse in der Ukraine wirken“, meint Olijnyk. Seiner Meinung nach wird sogar falls das Urteil zur Klage von Timoschenko von den Justizorganen der Ukraine nicht beachtet wird, dieses im Ausland wahrgenommen werden, da Urteile amerikanischer Gerichte in vielen Ländern umgesetzt werden.

Der Direktor des Zentrums politischer Forschungen “Penta”, Wladimir Fessenko, vermutet, dass dieses Gerichtsverfahren für Julia Timoschenko überhaupt keine juristische Bedeutung hat. „Ich denke, dass in diesem Fall der politische Hintergrund dominiert“, meint Fessenko. „Sich an ein amerikanisches Gericht wendend, hat Timoschenko einen langwährenden Informationsvorwand geschaffen. Derart zeigt sie sich selbst in der Ukraine und in der Welt als Kämpferin für die Rückgabe des Gases vom Oligarchen Dmitrij Firtasch an das ukrainische Volk“.

Oleg Gawrisch, Alexander Swiridenko

Quelle: Kommersant-Ukraine

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 909

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