Julia Timoschenko verliert die Oblast Ternopil
Gestern fanden vorgezogene Wahlen für den Ternopiler Oblastrat statt. Am Vortag der Abstimmung weilte Präsident Wiktor Juschtschenko im Oblastzentrum und bezeichnete diese Wahlen als “Test für die Demokratie”. Kategorisch gegen Neuwahlen trat der Block Julia Timoschenko auf, der die Abstimmung zu torpedieren versuchte und im Endeffekt erklärte, nicht zu beabsichtigen an diesen teilzunehmen. Übrigen, die Einwohner der Oblast Ternopil hatten auch die Möglichkeit für diese Kraft zu stimmen. Vor dem Hintergrund das erst heute vorläufige Ergebnisse der Wahlen verkündet werden, kann man bereits jetzt bestätigen, dass BJuT (Block Julia Timoschenko), der in der Oblast bei den vorgezogenen Parlamentswahlen 2007 51% erhalten hatte, dieses Mal bei den Wahlen für den Ternopiler Oblastrat verloren hat.
Parade der Gerichte
Am letzten Freitag hatte unerwartet für alle Präsident Wiktor Juschtschenko Ternopil besucht. Dieser Besuch des Staatsoberhauptes, welcher vorher nicht in dessen Tagesplan war, wurde am Vortag begannt. Im Rahmen seines Aufenthaltes im Oblastzentrum traf sich Juschtschenko mit Studenten und Lehrern der Ternopiler Nationalen Wirtschaftsuniversität, auf dem, neben den Fragen von Bildungsreformen, die Notwendigkeit von Wahlen für den Oblastrat diskutiert wurde. Die Position des Präsidenten war eindeutig – die Wahlen sollen stattfinden und “niemand hat das Recht diese aufzuhalten”, darunter das Parlament. “Diese Zurschaustellung von gerichtlichem Nihilismus, der mit dem Thema der Ternopiler Wahlen zu spekulieren fortsetzt, ist ein Mittel uns die Freiheit und das Recht der Wahl zu nehmen”, erklärte Wiktor Juschtschenko.
Mit der Bitte außerordentliche Wahlen der Abgeordneten des Ternopiler Oblastrates wandte sich der Vorsitzende der Ternopiler Oblastverwaltung, Jurij Tschishmar, im November 2008 an die Werchowna Rada. Seinen Worten nach, ignorierte der Oblastrat die Entscheidung der Oblastkonferenz der Partei “Unsere Ukraine”, die im August 2007 angenommen wurde, zum Entzug der Vollmachten von zehn Abgeordneten des Kongresses der ukrainischen Nationalisten, die nicht zum Bestand der Fraktion gehörten und die Zuerkennung der Vollmachten an neue Abgeordnete. Am 18. Dezember 2008 fasste die Werchowna Rada den Beschluss zur Durchführung außerordentlicher Wahlen zum Ternopiler Oblastrat am 15. März. Doch am 3. März stimmten 292 Parlamentsabgeordnete (vornehmlich von der Partei der Regionen und vom Block Julia Timoschenko) für die Rücknahme des Beschlusses (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“ vom 4. März).
Bislang hatte der Präsident auf dem Recht der Bürger auf Wahlen bestanden, deren Perspektive auf Durchführung sehr unklar erschien. Am Vorabend hatte das Ternopiler Kreisverwaltungsgericht angeordnet, dass die Wahlkommission der Oblast den Prozess der Vorbereitungen zu den Wahlen erneuern und die Abstimmung am 15. März durchführen soll (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“ vom 12. März), doch diese Entscheidung wurde vor dem Lwiwer Verwaltungsgericht für Berufungen angefochten. Außerdem, verbot am 12. März das Kreisverwaltungsgericht Kiew der Staatskasse die Wahlen zu finanzieren und dem lokalen Wahlausschuss jegliche Maßnahmen durchzuführen, die auf die Durchführung der Wahlen ausgerichtet sind (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“ vom 13- März).
Die Wahlen in Ternopil “einen Test der Demokratie” nennend, rief Wiktor Juschtschenko das Ministerium für Justiz und die Rechtsschutzorgane der Oblast dazu auf, “alles für den Triumph der Demokratie” zu tun. “Das ist mein Befehl an sie und das ist das, wonach ich sie fragen werde”, warnte Juschtschenko.
Das letzte Tüpfelchen auf das “i” setzend (vermutlich ein Spiel mit dem ukrainischen ji “ї” – Пытаясь расставить все точки над i), wandte sich der Präsident an das Verfassungsgericht mit einer Eingabe bezüglich der Verfassungswidrigkeit des Beschlusses der Werchowna Rada zur Rücknahme der Wahlen zum Ternopiler Oblastrat, der eine Welle an Gerichtsprozessen und Konflikten im Oblastzentrum hervorrief. Die Position des Staatsoberhauptes beruht darauf, dass gemäß dem Grundgesetz/der Verfassung, das Parlament Wahlen zu den Organen der lokalen Selbstverwaltung ansetzen kann, doch es kein Recht hat diese zurückzunehmen. “Den Wahlprozess zurückzunehmen hat nicht nur das Parlament nicht das recht, sondern auch jedes andere Organ der Staatsmacht und der Gerichte”, unterstrich der Justizminister Mikola Onischtschuk.
Unbekannt ist, wieweit der Besuch des Präsidenten und seine Drohungen auf die Entscheidung der Gerichte Einfluss ausübten, doch bereits am Sonnabend zog das Kiewer Kreisverwaltungsgericht seine Entscheidung bezüglich der Wahlen zum Ternopiler Oblastrat zurück und danach sprach das Lwiwer Verwaltungsgericht für Berufungen sein Wort. Um 16:00 Uhr verkündete der Vorsitzende des Richtkollegiums, Sergej Bagatschenko, dass das Gericht die Entscheidung des Gerichts aus der ersten Instanz in Kraft belässt und anordnet, die Wahlen zum Ternopiler Oblastrat am 15. März durchzuführen. Danach wurde klar, dass es keinerlei rechtliche Hindernisse für die Neuwahl der Abgeordneten des Oblastrates mehr gibt.
Mit den Wahlzetteln zum Ausgang
In Erwartung der Entscheidung des Lwiwer Berufungsgerichtes am 13. März abends begannen Vertreter von BJuT aktive Maßnahmen zur Verteidigung des damals noch geltenden Entscheids des Kiewer Kreisverwaltungsgerichts zu unternehmen. Gegen 20:30 Uhr trafen Abgeordnete des Oblastrates und Parlamentsabgeordnete von BJuT am Gebäude des polygraphischen Kombinates “Sbrutsch” ein, in dessen Lagern die Mitglieder des Wahlausschusses zu dieser Zeit die Wahlzettel erhielten und blockierten die Ausfahrt, dabei von der Leiterin des Ternopiler Wahlausschusses, Natalja Tschujko Erklärungen fordernd, wer die Sicherheit garantiert und wer die Autos mit den Wahlzetteln begleitet.
“Obgleich sich diese Leute anfänglich nicht vorstellten, versicherte ich ihnen, dass alle zehn Autos mit Wahlzetteln von der Miliz begleitet werden. In ein spezielles Heft schrieb ich ihre Familiennamen und die Antragsdaten, um keine Provokationen zuzulassen. Daher ist das Gerede von den Verletzungen des Wahlgesetzes durch den Ternopiler Wahlausschuss eine Lüge”, erklärte Tschujko entrüstet dem “Kommersant-Ukraine“.
“Die Wahlzettel sollten drei Vertreter des Ausschusses von verschiedenen politischen Kräften nehmen. Doch niemand hatte dies überprüft!”, empörte sich der Fraktionsvorsitzende von “Batkywschtschyna/Vaterland” (führende Partei bei BJuT) im Ternopiler Stadtrat, Ihor Romankiw, dessen Informationen nach die Wahlzettel “in die Kreisverwaltungen gefahren wurden und danach auf die Wahlkreisen ohne Begleitung durch Milizionäre verteilt wurden.”
Die Mitglieder der Partei “Pora” und der Allukrainischen Vereinigung “Swoboda”, von der Ansammlung der Vertreter von BJuT neben dem typographischen Kombinat erfahrend, begaben sich dorthin mit der Forderung an die Anhänger der Premierin das Territorium zu verlassen. Jedoch wurden sie ignoriert und es begann ein Handgemenge. “Sofort wurden dorthin vier Mitarbeiter der Miliz geschickt. Da dort viele Menschen anwesend waren, haben wir später für die Aufrechterhaltung der Ordnung an den Platz des Vorfalls weitere zehn unserer Mitarbeiter geschickt”, erzählte dem “Kommersant-Ukraine“ der Leiter des Zentrums für Öffentlichkeitsarbeit der Verwaltung des Innenministeriums der Ukraine in der Ternopiler Oblast, Serhij Schwornikow. Den Angaben der Rechtsschutzorgane nach, beteiligten sich an den Zusammenstößen etwa 100 Menschen.
Solange sich die Politiker zankten, schweißten Arbeiter des typographischen Kombinates die Notausgangstore auf, die auf den Hof führten und ließen die Autos mit den Wahlzetteln heraus. Sehend, dass die Maschinen entschwinden, beruhigten sich die Vertreter der entgegengesetzten Seiten. “Ernsthafte Zusammenstöße fanden beim typgraphischen Kombinat nicht statt”, versicherte Schwornikow dem “Kommersant-Ukraine“. “Aber, berücksichtigend, dass es einen Versuch gab die Wahlen zu torpedieren, führen die Rechtsschutzorgane eine Überprüfung durch, um eine entsprechende Entscheidung zu treffen”.
Die Abwesenheit für BJuT vorteilhafter Gerichtsentscheidungen und der gescheiterte Versuch die Ausgabe der Wahlzettel an die Mitglieder der Wahlkommissionen zu blockieren, ließ den Anhängern der Rücknahme der Wahlen nur einen Ausweg aus der Situation – einen politischen. Am Sonnabend Abend fand
in dringender Form eine überparteiliche Konferenz von BJuT statt, auf der zwei Entscheidungen gefällt wurden – zum Verzicht auf die Teilnahme an den Wahlen zum Ternopiler Oblastrat und des Abrufes ihrer Mitglieder aus den Kommissionen für die Wahlkreise. Bei der Ternopiler Oblast-Wahlkommission ging die Entscheidung der überparteilichen Konferenz von BJuT gegen 23:45 Uhr ein, doch weigerte sich die Kommission BJuT von der Registrierung zu entfernen. “Die Vertreter des Blockes beriefen sich in ihrem Schreiben auf den Artikel 48 des Gesetzes zu den Wahlen der lokalen Räte, welcher die Fälle regelt, wo die Wahlkommission die Registrierung zurücknehmen kann. Doch nicht ein Punkt der Entscheidung der Konferenz enthält die Umstände, welche eine Grundlage für die Rücknahme der Registrierung von BJuT zu den Wahlen bietet”, erklärte die Leiterin der Ternopiler Wahlkommission, Natalja Tschujko, dem “Kommersant-Ukraine“.
Gemäß dem Gesetz, kann eine Registrierung in dem Fall der gerichtlichen Feststellung des Faktes des Wählerkaufes, der nichtsanktionierten Finanzierung des Wahlkampfes, der Übersteigung des Limits des Wahlfonds und ebenfalls der Liquidierung der lokalen Organisation der Partei zurückgenommen werden. Am Ende fehlte der Stempel “ausgeschieden” gegenüber der Spalte “Block Julia Timoschenko” auf den Wahlzetteln, die in den Wahllokalen eintrafen. “Entsprechend konnten die Leute auch für BJuT stimmen”, resümierte Tschujko. Doch hinderte dies die Anhänger von Julia Timoschenko nicht daran, maximale Anstrengungen zu unternehmen, damit die Wähler nicht zu den Wahlen gehen. “Wir rufen alle unsere Anhänger und alle auf, denen das Schicksal der Ternopiler Oblast nicht egal ist, nicht an dieser Farce unter der Bezeichnung ‘Ternopiler Wahlen’ teilzunehmen”, heißt es in der Mitteilung des Pressedienstes von BJuT, welche am Sonnabend Abend veröffentlicht wurde.
Anweisung darüber hinaus
Am Sonntag öffneten in der Ternopiler Oblast alle 1.163 Wahllokale. Die erste Neuigkeit über den Gang der Abstimmung erwies sich als tragisch. “Wir hatten uns bereits versammelt um das Wahllokal zu eröffnen, als der Sekretär unserer Kommission, Michail H., plötzlich aufstöhnte und sich ans Herz griff. Wir riefen sofort einen Arzt und lieferten ihn ins Krankenhaus ein”, erzählte dem “Kommersant-Ukraine“ der Vorsitzende der Kommission im Wahlkreis #61, Jurij Petryk. Innerhalb von 40 Minuten starb der 61-jährige Sekretär der Kommission, ein Vertreter der Partei der Regionen, an einem Herzinfarkt.
Den Angaben der Ternopiler Wahlkommisssion von 12:00 Uhr nach, nahmen an der Abstimmung etwa 10% der Wähler teil. Am aktivsten stimmte man nicht in Ternopil (6-7%), sondern in den Kreiszentren (10%) und den Dörfern (15%) ab.
“Man muss die Mentalität unserer Leute kennen – sobald der Gottesdienst in den Kirchen endet, gehen sie sofort in die Wahllokale abstimmen”, erläuterte dem “Kommersant-Ukraine“ der Vertreter der Ternopiler Oblastorganisation von “Unsere Ukraine”, Petro Mandsij. Und tatsächlich, in der zweiten Tageshälfte änderte sich die Situation: den Angaben von 16:00 Uhr nach, stimmten in Ternopil 12-15% der Wähler ab, in den Kreiszentren etwa 30% und in den Dörfern 40%.
Den offiziellen Angaben nach, gingen die Wahlen ruhig vonstatten, ernsthafte Rechtsverletzungen gab es nicht. Wie dem “Kommersant-Ukraine“ die Pressesprecherin des Staatsanwaltes der Ternopiler Oblast, Lesja Dolischnjaja, mitteilte, trafen bei den Rechtsschutzorganen nur einige Beschwerden ein und alle diese betrafen die Agitation am Tage der Abstimmung. Zu dieser Zeit teilte der Vorsitzende der Ternopiler Oblastorganisation der Ukrainischen Volkspartei (UVP), Jaroslaw Dshodshik, dem “Kommersant-Ukraine“ mit, dass die Beobachter der UVP Verwirrungen mit der Zahl der Wahlzettel beobachtet haben. “Unsere Beobachter bemerkten, dass in vielen Wahllokalen die Zahl der herantransportierten Wahlzettel nicht mit der Zahl in den Wählerverzeichnissen übereinstimmt”, erklärte er.
“Die Manipulation der Resultate der Wahlen begann in der Druckerei “Sbrutsch”, als die Wahlscheine ohne Milizbegleitung ausgefahren wurden”, erklärte der Fraktionsvorsitzende von “Batkiwschtschina” im Oblastrat, Ihor Romankiw (BJuT). “Unseren Daten nach, wurden in die Oblast 200.000 bereits ‘abgestimmte’ Wahlscheine gefahren, die man zur rechten Zeit für die Abstimmung in die Urne wirft, da die Wahlbeteiligung sehr niedrig ist”.
Jedoch bestätigten unabhängige Beobachter diese Information nicht. “Die Situation ist ruhig, die Lokale haben pünktlich geöffnet, die Beteiligung, denke ich, wird nicht weniger als 40% betragen. Natürlich ist die Situation etwa nervös, doch ernsthafte Regelverletzungen wurden bislang nicht festgestellt. Das einzige sind die Aufrufe zum Wahlboykott”, teilte dem “Kommersant-Ukraine“ der Leiter der Verwaltung des Ausschusses der Wähler der Ukraine, Ihor Popow. Zum Moment der Drucklegung der Ausgabe betrug die Beteiligung an den Wahlen zum Ternopiler Oblastrat 53%.
Shanna Popowitsch, Weronika Sawtschenko, Jelena Geda
Quelle: Kommersant-Ukraine