Juschtschenko feierte gestern den Tag der Mitarbeiter des diplomatischen Diensts


Gestern nahm Präsident Wiktor Juschtschenko an den Feierlichkeiten anlässlich des Tages der Mitarbeiter des diplomatischen Dienstes teil. Er erklärte, dass die Probleme in den gegenseitigen Beziehungen zwischen Kiew und Moskau durch die unzureichende Demokratisierung Russlands hervorgerufen wurden und große Erfolge im Bereich der europäischen Integration wurden durch die „verschlossenen Türen der Europäischen Union“ verhindert. Nicht wenig Zeit widmete Juschtschenko der Agitation für seine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen.

In seiner Zeit auf dem Posten des Staatsoberhauptes hat Wiktor Juschtschenko nicht einmal an den Feiern zum Tag der Mitarbeiter des diplomatischen Dienstes teilgenommen. Das Maximum, was sich der Präsident an diesem Tage erlaubte, waren schriftliche Gratulationen für die Diplomaten. In diesem Jahr entschied sich Juschtschenko diese Tradition zu brechen und widmete einen halben Tag den Veranstaltungen der Diplomaten. Am Morgen hielt er eine Vorlesung für die Studenten des Institutes für internationale Beziehungen an der Kiewer Schewtschenko-Universität und gegen Mittag begab er sich an die Diplomatische Akademie am Außenministerium, wo er vor der Führung der außenpolitischen Behörde auftrat.

Eines der Motive, aus denen heraus Wiktor Juschtschenko so viel Aufmerksamkeit dem Berufsfeiertag der Diplomaten widmete, war die Vereinbarung mit dem Staatlichen Fernsehen und dem „Fünften Kanal“ zur Direktübertragung des Auftritts des Präsidenten. Das prägte auch die Rhetorik des Staatsoberhauptes, der einen großen Teil seiner Rede vor den Studenten nicht den Leistungen der Diplomaten widmete, sondern der politischen Agitation.

Insbesondere erklärte Juschtschenko, dass er „unbedingt bei den Wahlen gewinnen wird“. Im Falle des Sieges von Premierministerin Julia Timoschenko oder des Vorsitzenden der Partei der Regionen, Wiktor Janukowitsch, wird die Ukraine seinen Worten nach dazu gezwungen sein, ihren außenpolitischen Kurs zu ändern. „Ein Fehler im Januar 2010 könnte die Ukraine nicht nur eine Änderung des Kurses kosten. Der Preis könnte der Verlust unserer Souveränität sein“, überzeugte der Präsident die Studenten und die Fernsehzuschauer.

Das Staatsoberhaupt berührte in seiner Rede auch die Leistungen der Ukraine in der außenpolitischen Arena, dabei widmete er den Problemen der gegenseitigen Beziehungen zwischen Kiew und Moskau besondere Aufmerksamkeit. Dabei erklärte er zu aller erst, dass er demokratische Werte nach Russland exportieren möchte.

„Das Hauptproblem der Beziehungen (zwischen den Staaten) liegt auf der Ebene der Demokratisierung Russlands. Die Ukraine ist ein gutes Beispiel dafür, wie nötig eine Modernisierung des Landes und der Werte ist. Offensichtlich ist, dass dies die Führung Russlands nicht passt“, klagte Wiktor Juschtschenko. Er betonte, dass er die Schwierigkeiten in den Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine für „zeitweilig“ hält (wozu er auch die Abwesenheit des Botschafters der Russischen Föderation zählt) und er drückte ebenfalls seine Überzeugung dafür aus, dass der „gesunde Menschenverstand siegen wird“ und Russland seine Politik in Bezug auf die Ukraine ändern wird.

Das Fehlen des erwarteten Fortschritts in den Beziehungen der Ukraine zur EU war Wiktor Juschtschenko ebenfalls geneigt mit äußeren Faktoren zu erklären. „Ob du anklopfst oder nicht, die Türen zur Europäischen Union sind derzeit geschlossen … Für eine Integration ist wahrscheinlich gerade nicht die beste Zeit. Doch das bedeutet nicht, dass wir keine Ambitionen für diesen Weg haben sollten“, betonte Juschtschenko.

Beim nächsten Treffen – mit der Führung des Außenministeriums – redete der Präsident von den Leistungen der ukrainischen Diplomatie. Die Vorwahlrhetorik reduzierte er dabei auf ein Minimum, lediglich unterstreichend, dass seine Wahl es erlauben wird, den europäischen Vektor der Entwicklung des Landes beizubehalten. Dabei kam Juschtschenko nicht ohne Vorwürfe an die Adresse der Diplomaten aus. Am Anfang des Treffens wurde gemäß des Protokolls die Hymne gespielt. Die Vertreter des Außenministeriums sangen mit, doch dem Präsidenten schien es, als ob sie dies nicht aktiv genug täten.

„Kennen Sie die Worte etwa nicht?“, fragte er in den Saal und erst nach einer kurzen Pause erlaubte er den verblüfften Diplomaten sich auf ihre Plätze zu setzen.

In der zweiten Tageshälfte kehrte das Staatsoberhaupt zur Frage der unzulänglichen Hymnendarbietung durch Bürger, die zu offiziellen Veranstaltungen geladen wurden, zurück. Dies fand beim Treffen von Wiktor Juschtschenko mit begabten Jugendlichen und jungen Akademikern im Präsidialamt statt.

„Die Hymne muss man singen. Das ist eine Regel jeder Nation. Lernen Sie sich selbst zu respektieren und dann werden Sie andere respektieren“, erklärte Juschtschenko den Teilnehmern des Treffens.

Sergej Sidorenko

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 677

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