Kiew geht ans Eingemachte
Gestern ist der Kiewer Stadtrat zu einem beispiellosen Schritt übergegangen – um die Schulden gegenüber “Kiewenergo” zu tilgen, entschieden sie sich 157 Verwaltungsgebäude der Hauptstadt, in denen Museen, Ministerien, Gerichte und Steuerkommissionen sitzen, zu verpfänden. Dies ist notwendig für den Erhalt eines Kredites von 1,2 Mrd. Hrywnja (ca. 106 Mio. €) bei der Bank “Chreschtschatyk”, um zukünftig Abschaltungen der Heizungen in Kiew zu vermeiden. Die hohen Risiken des Einnahmerückgangs im Budget berücksichtigend, bezweifeln Banker, dass Kiew in der Lage sein wird, innerhalb von zwei Jahren die hohen Schulden zurückzuzahlen und daher gehen sie davon aus, dass der Stadtrat den Kredit zielgerichtet verwenden wird – für den Wechsel der Eigentümer der Verwaltungsgebäude.
Gestern haben die Abgeordneten des Kiewer Stadtrates mit 92 Stimmen die Entscheidung getroffen, einen Kredit von 1,2 Mrd. Hrywnja (ca. 106 Mio. €) über zwei Jahre zur Bezahlung der Schulden für die kommunalen Dienstleistungen aufzunehmen. Die Hauptfinanzverwaltung der Kiewer Stadtadministration entschied sich diesen bei der Bank “Chreschtschatyk” aufzunehmen, wo die Regierung von Kiew bereits im Jahr 2006 die Kontrolle verloren hat. Der Kredit geht in die Deckung der Differenz in den Energietarifen der AEK (Aktionernaja Elektrotechnitscheskaja Kompanija) “Kiewenergo” und die “Lösung anderer wichtiger Probleme in Kiew”.
Als Sicherheit für den Kredit entschieden sich die Abgeordneten 157 Objekte des kommunalen Eigentums der territorialen Gemeinde Kiew in “einer Höhe, die ausreichend für die Garantie der Kredite ist, ausgehend vom Schätzwert des Eigentums” zu geben. Der Sekretär des Kiewer Stadtrates Oles Dowgij bewertete diese mit 1,952 Mrd. Hrywnja (ca. 172 Mio. €), wo der Wert in der Bilanz mit 865 Mio. Hrywnja (ca. 76,5 Mio. €) angegeben wird. Den Informationen des Blockes Klitschko nach, haben die Abgeordneten sich entschieden als Sicherheit Gebäude von Theatern, Museen, Kriegskommissariaten, Ministerien, Gerichten, Steuerinspektionen, des Sicherheitsdienstes und der Generalstaatsanwaltschaft zu geben. “Aufgrund der Schulden für den Ausgleich der Tarife wurden wir bereits mit der Abschaltung des Warmwassers konfrontiert. Damit Wärme und Warmwasser in die Häuser kommen, müssen wir unbedingt bei ‘Kiewenergo’ unsere Rechnungen begleichen”, erklärte der Erste Stellvertreter des Vorsitzenden der Kiewer Stadtverwaltung, Anatolij Golubenko. “Wir sehen keine andere Möglichkeiten aus dieser Situation herauszugelangen, außer darüber die Mittel von außen aufzunehmen”. Seinen Worten nach, wird der Kredit in den Jahren 2010-2011 mit einem Aufschubsrecht zurückgezahlt werden. Den Abgeordneten versprach Golubtschenko aus der Liste Theatergebäude auszuschließen.
Damit stimmt man beim Block Klitschko nicht überein. “Die Schulden der Kiewer Stadtadministration gegenüber ‘Kiewenergo’ erscheinen zweifelhaft, da niemand deren Grundlage gesehen hat. Dies betrifft auch die ‘ökonomische Grundlage’ der Tarife, die man bequem manipulieren kann”, erklärte der Abgeordnete Walerij Karpunzow. “Wir kennen die Zinshöhe nicht, zu welcher der Kredit vergeben wird, und wissen auch nicht in welche Höhe Eigentum versetzt wird”, fügte der Abgeordnete Iwan Platschkow hinzu.
Bei “Kiewenergo” hat man berechnet, dass beginnend vom Jahr 2000 die Kiewer Stadtadministration dem Unternehmen 976,5 Mio. Hrywnja (ca. 86,4 Mio. €) schuldet, weswegen das Unternehmen nicht für das Gas zahlen kann, was es bei “Naftogas Ukrainy” gekauft hat. Am 10. Dezember hatte “Naftogas” die Gaslieferungen eingeschränkt und “Kiewenergo” unterbrach die Warmwasserversorgung in 5.000 Häusern – fast der Hälfte von Kiew.
“Uns liegen keine Kreditanträge vor, wir haben keine Kenntnis, welche Pfand vorgeschlagen werden könnte und daher gibt es keine Konkreta zu dieser Frage”, sagte der Vorstandsvorsitzende von “Chreschtschatyk”, Dmitrij Gridshuk. “Wir verstehen die Probleme der Stadt und da Kiew zu unseren Aktionären gehört, werden wir diese Frage prüfen”. Er unterstrich, dass die Bank einen solchen großen Kredit nicht ausgeben kann, ohne die Normative N7 – das maximale Kreditrisiko für einen Kreditnehmer darf 25% des Eigenkapitales nicht übersteigen (bei der “Chreschtschatyk” Bank sind das bis zu 189 Mio. Hrywnja; ca. 16,72 Mio. €) – und die Normative N9 – die Maximalhöhe von Krediten für Insider darf 5% des Kapitales nicht übersteigen (37,8 Mio. Hrywnja; ca. 3,3 Mio. €) – zu verletzen. Die NBU (Nationalbank der Ukraine) kann eine Verletzung der Normative zulassen, wie es bei der Oschtschadbank war, der es erlaubt wurde 53% des Kreditportfolios an “Naftogas” zu vergeben. Dabei kann “Chreschtschatyk” diesen Kredit nur nach einer Refinanzierung durch die NBU vergeben.
Experten bezweifeln, dass unter Berücksichtigung des Rückgangs der Steuereinnahmen im Stadtbudget, es gelingen wird, die notwendige Summe aufzutreiben. “Es ist nicht richtig die Probleme der Stadt mit Kredite zu lösen, indem man kommunales Eigentum versetzt. Auf diese Weise bleibt der Stadt innerhalb weniger Jahre nichts übrig”, betonte das Vorstandsmitglied der Index-Bank, Alexej Woltschkow. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Kiewer Stadtrat erneut versucht einen Kredit zu bekommen, doch Mittel zu erhalten wird schwierig sein. “Wir vergeben niemals Kredite um andere Schulden zu tilgen. Unsere Kreditprojekte sollen mit etwas Nützlichem in Verbindung stehen”, unterstrich der Presseattache der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, Anton Ussow.
Banker gehen davon aus, dass im nächsten Jahr die Krise nicht beendet sein wird, daher wird Kiew nur von Banken Kredite erhalten, die an dem Erhalt der städtischen Objekte interessiert sind. “Die Banker jeden Landes unterstützen immer ihre Hauptstädte, wenn diese ihre Wirtschaft richtig führen. Andernfalls wird eine solche Kreditvergabe als Schema der Änderung der Eigentumsform genutzt”, erläutert Alexej Woltschkow.
Ruslan Tschornyj, Alexander Sworskij
Quelle: Kommersant-Ukraine