Krieg der Stereotype


Kardinal Ljubomyr Husar, einer der weisesten Menschen unseres Vaterlands, schrieb heute einen sehr wahren Text, in dem es darum ging, dass wir alle – die schon zu lange Mächtigen, die Gesellschaft, wir alle in der entstandenen Situation aufhören müssen uns und Andere zu belügen. „Wenn alle Menschen, vom hochgestellten Beamten bis zu den einfachen Leuten, Lügen vermieden und der Wahrheit dienten, gäbe es keine Kriege“, ist er sich sicher.

Tatsächlich lassen Sie uns die Vorgänge beim Namen nennen. Eine falsche Diagnose zieht eine falsche Behandlung nach sich, mit der Gefahr des tödlichen Ausgangs.

Es gibt gar keinen „russischen Frühling“ in der Ukraine, keine Protestaktionen von Befürwortern einer Föderation. Es gibt eine bewaffnete Invasion Russlands, durchgeführt mit Unterstützung örtlicher Kollaborateure.

Deshalb ist es dumm, „anti-terroristische Operationen“ durchzuführen. Genauer, nicht durchzuführen – anzukündigen, wenn die Frist der vorangegangenen Operation abgelaufen ist.

Es ist unverantwortlich, sich mit den Spezialeinheiten der Hauptverwaltung für Aufklärung beim Generalstab der Streitkräfte der Russischen Föderation als Miliz messen zu wollen. Die kriegerische Aggression des Nachbarstaates sollte die ukrainische Armee stoppen.

Ich merke an, genauso seltsam ist es, um ein internationales Friedenskontingent auf dem Territorium der Ukraine zu bitten unter der Bedingung, dass unsere Streitkräfte der Verteidigung des Staates vor Aggressoren von außen ausweichen.

Die ukrainischen Machthaber müssen unbedingt aufhören zu lügen. Sie muss keine stürmische Betriebsamkeit vortäuschen, sich nicht über „entschlossene Maßnahmen“ und „Spezialoperationen“ äußern, genau wissend, dass dies nur leere Worte sind.

Arbeit gibt es viel, aber, ich wiederhole, um die Behandlung zu beginnen, ist eine genaue Diagnose notwendig. Allem voran der Handlungsfähigkeit und Angemessenheit der ukrainischen Führung.

Im Übrigen, unsere progressive Öffentlichkeit denkt in Schablonen und Stereotypen. Und versucht, das Geschehen ausschließlich im Rahmen dieser Stereotype zu verstehen.

Das erste und wichtigste davon: „Die Führung aus Timoschenko und Turtschinow vergibt das Land“. Das sagen tatsächlich viele Leute. Aber sagten nicht eben diese Leute vor einem halben Jahr, dass ihre Mitstreiter Timoschenko verrieten indem sie sie im Gefängnis ließen und mit Janukowitsch verhandelten? Schrien nicht eben diese Leute vor ein paar Monaten als sie die Hilflosigkeit der Majdan-Führer erkannten, dass die „impotent“ seien und den Majdan „vertun“ und dass, wenn anstelle der „vier Recken“ Julia da wäre, alles anders liefe? Man redet, es hätte kein Unverständnis gegeben, nicht Verhandlungen mit Janukowitsch am Rande des Verrats und der Majdan wäre entschiedener aufgetreten…

Jetzt gehören die besagten „vier Recken“ auch zur ukrainischen Führung. Das ist nicht das Monopol Batkiwschtschyna, nicht Timoschenko und Turtschinow. Eher ist es eine ziemlich schwierige Sammlung von Kompromissen zwischen vier politischen Spielern, von denen zwei eine Einigung untereinander trafen.

Diese Teilhaber der bedingten „Bühne Majdan“: Batkiwschtschyna in der Person von Turtschinow und Jazenjuk, Udar Vitali Klitschkos, Swoboda Oleg Tjagniboks und Pjotr Poroschenko sind Sportsfreunde. Eben diese teilten unter sich die Macht, sowohl im Zentrum, als auch vor Ort.

Selbst der abgemachte „Kräfte-Block“, der heute, per Idee, ein Monolith in der Verteidigung des Landes gegen den Feind von außen sein sollte, ist gerade mal eine „koalitionäre Soljanka“. Der Vize-Premier der Kräfte Witalij Jarema ist ein Mensch, der sich an Poroschenko orientiert, wie auch der aus der Bewegung Udar stammende Vorsitzende des Geheimdienstes Walentin Naliwajtschenko. Der Verteidigungsminister Michail Kowal und der Generalstaatsanwalt Oleg Machnizkij sind Günstlinge von Swoboda (Freiheit). Der Innenminister Arsen Awakow gehört zu Batkiwschtschyna.

Ein aus meiner Sicht wichtiger Moment; Angenommen, man sieht Turtschinow, Timoschenko und sogar Jazenjuk als einige Gesamtheit: Im Übrigen unterschieden sich schon zu Zeiten der „Festsetzung“ Julia Wladimirownas (Timoschenko) die Ziele und Interessen der Führer von Batkiwschtschyna grundlegend voneinander. Die in Freiheit verbliebenen Führer bemühten sich nicht besonders um ihre Freilassung, zu recht annehmend, dass wenn diese erreicht ist, sie in die zweite Reihe zurück treten. Man kann sich erinnern, wie die Partei mit der Stimme von Turtschinow und Jazenjuk demonstrativ und übrigens nicht nur ein Mal die Appelle und Nachrichten Timoschenkos aus dem Gefängnis ignorierte, die die Taktik und Strategie des Widerstands gegen Janukowitsch betrafen. Zum Beispiel die Verhandlungen mit dem damaligen Präsidenten wurden gegen ihren Willen geführt. Genauso wenig wurde Timoschenko erhört, als die erschreckte Dreierspitze der „Führer der Majdanbühne“ plus der im Schatten bleibende Poroschenko die ??„friedliche Einigung“? mit Janukowitsch unterzeichneten.

Aber anders kam es nicht. Turtschinow und Jazenjuk wurden Aktionäre der neuen Regierung, aber auf Timoschenko, so scheint es, hören und folgen sie noch immer nicht. Ihr Antritt bei den Präsidentenwahlen erzeugte bei den „Mitstreitern“ ausschließlich Unbehagen.

Der zweite Teil des Stereotyps – „sie geben das Land preis“. Ich bin sicher, man sollte besser nicht vom bewussten „vergeben“ sprechen bei so viel Ohnmacht der ukrainischen Regierung sowohl in der Kraft der oben beschriebenen Aktienanteile als auch wegen der totalen Degradierung staatlicher Mechanismen. Die Armee, nicht mal in der Lage sich selbst zu verteidigen, Spezialeinheiten, die Bedingungen stellen, unter denen sie bereit sind zu handeln – das ist nur der sichtbare Teil des Eisbergs. In Wirklichkeit ist alles noch viel schlimmer und hoffnungsloser. Übrigens, jeder der die Nachrichten verfolgt, sieht und versteht alles selbst.

Gibt es einen Ausweg?

Ich wiederhole: der erste notwendige Schritt ist das Stellen der richtigen Diagnose.

Ehrlichkeit gegenüber seinem Volk ist unter den heutigen Bedingungen die bessere Politik.

Weiter: es lohnt sich nicht, sich vor der Erkenntnis der eigenen Hilflosigkeit zu fürchten. Besser als die Wangen aufzublasen, sicher, dass alles unter Kontrolle ist, ist es, den um Hilfe zu bitten, der es besser weiß und besser versteht.

Einen „Veteranen“-Aufruf starten zu den Zeiten der Führung und Machtstrukturen von Strategen auf dem Niveau von Gorbulin und Martschuk zurückkehrend.

Leonid Kutschma zum Dienst rufen – warum auch nicht? Er weiß genau, mit wem man in Russland sprechen kann, um wenigstens irgendwie auf Wladimir Putin einzuwirken.

Generäle mit echten Kampferfahrungen wenigstens in der Rolle des Beraters einladen, wir haben solche. Zur Ordnung der autoritären Veteranen der Spezialdienste und Spezialeinheiten des Innenministeriums zurückkehren, die in der Lage sind, schnell staatsschützende Organe dort zu errichten, wo sie durch Zerfall und Verrat vernichtet wurden…

Eine Krise der Wahrheit, das ist die Situation, in der wir heute leben. Die Regierung und die Politiker haben verlernt, ehrlich und offen zu sein. Besonders in Situationen, in denen man seine Hilflosigkeit, Schwäche und das Fehlen von Antworten auf Schlüsselfragen eingestehen muss. Besonders, wenn Präsidentenwahlen anstehen, ist es scheinbar gefährlich für das Rating und die Perspektiven auf die Präsidentschaft, seinem Volk die Wahrheit zu sagen.

17. April 2014 // Natalja Prichodko

Quelle: Lb.ua

Übersetzerin:   Anja Blume  — Wörter: 1049

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