Polesien der Ukraine: Warum es sich lohnt, in den Norden zu fahren und was man dort probieren sollte
In der Morgendämmerung Graureiher sehen, auf ökologischen Pfaden zwischen blühenden Sümpfen wandern, Wasser direkt aus dem Fluss trinken und dann in die Kühle eines Sees mit Glyzerinwasser eintauchen – so etwas ist nur im Norden der Ukraine möglich.
„Die bequemste und günstige Variante durch Polesien (Polissja, Waldgegend) zu wandern ist, zum Dorf Swalowytschi in den Nationalpark „Prypjat-Stochid“ zu reisen. Leider ist dieser Ort mehr unter Ausländern – Polen, Deutschen, Slowaken als unter Ukrainern beliebt“, – sagt Ökologe und Wanderer Petro Tjestow.
Swalowytschi ist ein verlorenes Dorf zwischen Wäldern und Sümpfen, welches vom Fluss Prypjat umspült wird. Gerade wegen seiner Abgelegenheit von der Zivilisation ist in diesem Dorf eine einzigartige Atmosphäre erhalten. Hier ist es, als ob man sich ein paar Jahrhunderte zurück versetzen würde: Rund herum sind Flechtzäune, alte geneigte Pforten, und in den Fenstern – bestickte Handtücher.
Das Dorf befindet sich im Kreis Ljubeschiwskyj in der Oblast Wolhynien. Man muss von Luzk (Hauptstadt der Oblast Wolhynien, A.d.Ü.) bis zur Kreisstadt fahren. Dann kann man entweder zwei Stunden mit dem Motorboot von Ljubjas oder acht Kilometer durch malerisches Gelände fahren.
Übernachten kann man entweder in einem Zelt oder im Erholungszentrum des Nationalparks. Dort gibt es Häuschen mit Betten und Annehmlichkeiten draußen. „Man kann in den Nationalpark fahren, Kajaks mieten und damit durch den überfluteten Wald fahren, der dem Dschungel Amazonas ähnelt, Sanddünen zwischen versumpftem Terrain sehen“, empfiehlt der Ökologe.
Als Souvenir lohnt es sich, Fisch nach Hause mitzubringen – einzigartig im Geschmack und geräuchert im Ofen. Auch den lokalen Jamón – Mazyk, rohgedörrtes Schweinefleisch, das nur dort in Polesien zubereitet wird.
In den Flüssen und Seen Polesiens darf man nicht nur einfach schwimmen, sondern man muss sogar! „Der Fluss Prypjat ist sauber in den Oberläufen, von welchen man sogar Wasser trinken kann. Der Fluss Stochid ist mehr vom Schilf bewachsen, ist aber ideal fürs Rafting. Man kann mitten im Fluss anhalten, vom Kajak ins Wasser springen, dann weiter fahren und dabei die Landschaft genießen. In der Oblast Riwne gibt es den See Nobel – perfekt fürs Angeln, dieser hat aber zu Alfred Nobel keinen Bezug. Doch an seinem Ufer wird das Festival des Humors „Gewinner des Nobelpreises“ durchgeführt.“Außerdem gibt es den absolut wundervollen See Omet mit Glyzerinwasser, das den Körper mit einem dünnen fetten Film bedeckt. Er ist einzigartig durchsichtig mit therapeutischer Wirkung“, empfiehlt der Ökologe.
An der Grenze zwischen den Oblasten Schytomyr und Riwne gibt es den Fluss Slutsch. Entlang dieser kann man eine Fußgänger-, Wasser- oder Fahrradroute von Nowohrad-Wolynskyj bis zur Stadt Beresne organisieren.
Am Ufer des Slutsch gibt es wunderschöne Gehöfte des grünen Tourismus, die für Familien mit Kindern und Feriengäste mit Zelten geeignet sind.
„Am Ufer des Flusses gibt es felsige Vorsprünge, dort kann man Ruinen von Schlössern und alten Wallburgen sehen. Absolut fantastisch sieht auch das Tal von Slutsch selbst aus, es ist schmal wie eine Schlucht. In der Nähe des Dorfes Horodnyzja gibt es eine Landschaft, wo Lärchen wachsen. Diese Bäume sind nicht typisch für die Ukraine, sie wurden künstlich in das Gebiet gebracht, aber sie machen dank ihrer Größe einen wundervollen Eindruck. Auch blühen am Anfang des Sommers entlang der Ufer gelbe Azaleen – große Blumen, die sich wie ein ganzer Teppich ausbreiten und ein berauschendes Aroma haben. Dieses Bild sieht vom Wasser fantastisch aus“, erzählt Tjestow von seinen Eindrücken.
Auf die Reise durch das unbekannte Gebiet der Oblast Tschernihiw muss man sich frühzeitig vorbereiten. In der Nähe des Städtchens Oster gibt es den größten regionalen Landschaftspark in der Ukraine „Mischritschynskyj“. In der Hochsaison, und zwar im Frühling und im Herbst, sind die Exkursionen in den Park für zwei Monate im Voraus ausgebucht.
Der Reiseleiter ist der Direktor des Parks selbst. Er erzählt gerne über die Bräuche der Waldbewohner und begleitet die Touristen auf den ökologischen Wegen, wo man den Entstehungsprozess von Flüssen, Sümpfen und Wäldern beobachten kann.
Im Park kann man eine Foto-Beobachtung von Vögeln und Wildtieren arrangieren. Diejenigen, die etwas Glück haben, treffen im Park Füchse, Wölfe und Elche und in der Abenddämmerung kann man sogar hören, wie Luchse rufen.
Es gibt jedoch auch weniger angenehme Geräusche, der Park grenzt an eine Garnison und Schießplätze, deswegen sind dort manchmal Schüsse und Explosionen zu hören.
„Nicht weniger interessant ist die Stadt Oster. Heute ist das ein kleines Dorf, doch zur Zeit der Kyjiwer Rus war das eine der größten Städte der Ukraine und dort ist noch immer eine der ältesten Steinkirchen erhalten. Sehenswert ist die Kathedrale in Koselez, sie ist von der Tschernihiwer Landstraße sichtbar. Man sagt, dass man bei klarem Wetter vom Glockenturm der Koselezker Kathedrale den Widerschein des Glockenturms des Kyjiwer Höhlenklosters sehen kann.“
In die Region der Bernsteingewinnung zu fahren empfiehlt der Ökologe Dmytro Tjestow jedoch nicht: „In die Regionen Rokytjansnkyj und Sarnenskyj der Oblast Riwne sollte man besser nicht fahren. Obwohl es dort ganz einzigartige Orte wie die Jusenfinsker Eiche (botanisches Naturdenkmal, das sich auf dem Territorium der Landschaft „Jusefynska Datscha“ in der Nähe des Dorfes Hlynne, Oblast Riwne befindet, A.d.Ü.) und alte Wälder des Naturschutzgebietes Pojaskiwskyj (in der Nähe des Dorfes Pojasky, Oblast Schytomyr, A.d.Ü) gibt, sind die Bernsteingräber, die Bernstein illegal gewinnen, gegenüber Touristen feindselig und sogar aggressiv.“
Außer den Bernsteingräbern sollten im Norden der Ukraine Orte der Anhäufung von Hornissen vermieden werden. Der Stich von drei Hornissen kann sogar für einen erwachsenen Menschen fatal werden. Doch sich vor den Zornnattern zu fürchten und sie zu töten braucht man nicht, sogar die Ottern stellen keine Gefahr für Menschenleben dar.
Das Material wurde im Rahmen des Programms „Putiwnyk“ (Reiseführer) bei Hromadske Radio vorbereitet.
6. Juli 2018 // Iryna Kondratenko, Walentyna Trojan
Quelle: Ukrajinska Prawda – Schyttja