Der Tod eines Demonstranten in Donezk: Eine menschliche Tragödie und eine blutige Werbeaktion
Einen Menschen zu verlieren, ist immer eine Tragödie. Der Tod eines Menschen, auch der eines Unbekannten, ernüchtert einen und treibt einen dazu an, anders auf geschehende Ereignisse zu schauen. Der eine empfindet beim Ableben eines Menschen Mitleid und den Wunsch, zu helfen, ein andere nutzt es, um daraus Gewinn zu schlagen. Am 27. November starb einer der Teilnehmer der Protestaktion der Tschernobyl-Opfer in Donezk, Gennadij Konopljow. Der 70-jährige invalide Bergarbeiter verstarb noch im Rettungswagen nach dem Abbau des Standes des Katastrophenschutzministeriums durch die Donezker Polizei. Reanimierungsmaßnahmen haben dem chronisch kranken, von den Protestaktionen ermüdeten Mann nicht mehr geholfen. Am 29. November wurde er in seiner Heimatstadt Rodinskoje in der Donezker Oblast beigesetzt.
Diese menschliche Tragödie, die politischen Manipulatoren gelegen kam, wurde von Anfang an durch die parteiliche Bindung vertieft. Es stellte sich heraus, dass Gennadij Konopljow eine aktive Person des öffentlichen Lebens seiner Heimatstadt war. Er war Vorsitzender der städtischen Organisation der Kriegsveteranen, Arbeit und Kinder des Krieges, und außerdem Mitglied von „Batkiwschtschyna“ (Allukrainische Vereinigung „Vaterland“). In dieser Tatsache sahen die Polittechnologen des Zentralen Büros vom „Block Julija Timoschenko“ offensichtlich einen glücklichen Zufall, der letztlich erlauben würde, die Tschernobyl-Aktionen in ihre Arbeit einzubinden. Die politische Aktivität Konopljows war ehrlich. Gennadij Iwanowitsch gehörte zu dem für die Ukraine besonderen Schlag von Menschen, dem es absolut nicht gleichgültig ist, was um sie herum vorgeht – auf der Arbeit, in der Stadt, im Land. Solche Menschen haben deutliche und unumstößliche Prinzipien und versuchen, die Welt zu verändern, indem sie sich nach diesen orientieren. „Das war seine Wahl. Er organisierte eine unabhängige Gewerkschaft der Bergarbeiter im dem Rodinskojer Bergwerk, er führte die Bergarbeiter zu sich, er war zu so etwas fähig“, erklärt die Witwe Genadij Konopljows, Alla Georgijewna. Außerdem erklärt sie, dass sie gegen seine Teilnahme am Hungerstreik der Donezker Tschernobylopfer war und sich Sorgen um seine Gesundheit gemacht hat. „Er musste dort eigentlich gar nicht hinfahren, aber das konnte er auch wieder nicht. So war er eben – er hat alles für die Menschen getan, alles, um ihnen zu helfen“, erzählte seine Frau. Es bleibt eine weitere Frage offen – was hat ein 70-jähriger, chronisch kranker Mensch bei einem Hungerstreik zu suchen? Haben ihm die Organisatoren der Aktion und seine Parteigenossen von dieser folgenschweren Entscheidung abgeraten? Jetzt kann man das schon nicht mehr herausfinden, aber Fakt bleibt Fakt – die Bedingungen einer solchen Aktion und das Fehlen normaler Nahrung bringen einen Menschen um.
Praktisch am Tag der Tragödie haben natürlich die regionalen Parteimitglieder von „Batkiwschtschyna“ und Sprecher aus Kiew über den Tod Konopljows geredet. Insbesondere die Position der Sprecher des Blocks Julija Timoschenko, eine der bekannteren Handlungen der politischen Kräfte in dieser Situation, ist bestürzend in ihrer Unbeholfenheit und ihrem Zynismus.
So hat Alexander Turtschinow, Mitglied des Blocks, bei einem Treffen mit dem Präsidenten von Polen, Bronisław Komorowski, wissentlich alle möglichen Fakten verdreht und gemeldet, dass in Donezk ihr Parteigenosse ermordet wurde. Der Tod des älteren, sozialen Aktivisten bei der Protestaktion war der Anschlag auf die „vielleidende“ Opposition.
Ein anderer Sprecher des Blocks, der Regionalabgeordnete Michail Wolynez, sagte den Donezker Journalisten, dass der Abbau des Standes des Katastrophenschutzministeriums von der Miliz zusammen mit einigen „Personen kriminellen Aussehens“ durchgeführt wurde. Die Rechtsschützer selbst, die das Zelt einsammelten, traten auf den liegenden Tschernobyl-Opfern herum. Ein Video des Zeltabbaus, das von den Rechtshütern selbst aufgenommen und bereitgestellt wurde, entkräftet diese Version vollständig – jeder kann sich davon selbst überzeugen. Hier erinnern wir uns an die Geschichte von Wolynez, die sie 2010 im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen noch betonten. Da wurde eine kurze Verriegelung im Haus der Aktivisten des regionalen Blocks wie ein Brandanschlag und ein Mordattentat behandelt. Von allen Erklärungen von Experten und der Ratlosigkeit der Betroffenen selbst mal abgesehen.
Insgesamt hat ein solcher Denkansatz der Block-Anhänger keinen gewundert. Denn sogar die Donezker „Batkiwschtschyna“ wurde bis jetzt von dem maßgeblichen Unternehmer aus Dneprpetrovsk, Garegen Arutjunow, angeführt. Er ist ein Mensch, der in weiten Kreisen wegen seines bewegten Lebens in den neunziger Jahren bekannt ist, außerdem wegen seiner ambivalenten Business-Geschichten in der Gegenwart. Was für die Menschen seines Kreises das Leben anderer bedeutet, ist nur eine rhetorische Frage. Die Kriterien seines Denkens sind die Dollarzeichen oder die Stimmenanzahl, aber nicht der einzelne Mensch mit seinen Problemen. Der Zynismus der Donezker Weggefährten Timoschenkos spiegelt sich darin wieder, dass sie die Finanzierung aller Ausgaben, die mit dem Begräbnis ihres Parteigenossens zusammenhängen, verkündeten.
In Wirklichkeit übernehmen die Aufgaben der Organisation des Begräbnisses vollständig die regionalen Räte aus Krasnoarmejsk und Rodinskoje. Das geht u.a. aus den Kommentaren der geschäftsführenden Bürgermeisterin Galina Gawriltschenko und Alla Konopljowa hervor.
Im Endergebnis ist die Inszenierung einer Kundgebung mit leeren Särgen und Kränzen im Zentrum Donezks das einzige, wozu die regionale Opposition fähig war. Das Resultat – zehn Neuigkeiten, Fotoreportagen und keine Hilfe für die Witwe ihres Weggefährten. Insgesamt sind Gekünsteltheit, Unbeholfenheit und Zynismus das einzige, wozu die Opposition fähig war, als die Gesellschaft eine objektive Information über die Tragödie forderte.
Die Wahrheit besteht darin, dass alles, was passiert ist, nicht die Tragödie der Politiker und auch nicht der Gesellschaft ist. Es ist eine Tragödie der realen und ganz konkreten Menschen: Der Familie Konopljow. Sie haben das geliebte und fürsorgliche Familienoberhaupt verloren. Und ihre Einbeziehung in die Politik ist das unmoralischste von allem, was man mit diesen Menschen in ihrer derzeitigen Lebenssituation tun kann. Schon allein deswegen, weil die selbst das wirklich überhaupt nicht wollen, sie jeglichen Kontakt vermeiden und Politiker und Journalisten bitten, sie in Ruhe zu lassen.
5. Dezember 2011 // Jorge Popow
Quelle: Lewyj Bereg