Zum Tod von Oles Busina: ein unbequemer, aber aufrichtiger Mensch



Es hat sich so ergeben, dass ich mit dem Ermordeten persönlich bekannt war. Ich sage nicht, dass Oles und seine Veröffentlichungen mich in Begeisterung versetzten und ich in allem mit ihnen einverstanden war, jedoch rief er eindeutig Achtung hervor. Im Gespräch war Busina äußerst, ja äußerst kantig. Er konnte seinen Gesprächspartner auslachen, wenn dieser eine offenkundig aussichtslose Position einnahm, schlecht mit Fakten umging oder den Gesprächsfaden verlor. Doch konnte er bisweilen auch der Position des Gegners zustimmen.

Ebenso unbequeme war er in seinen Büchern und Artikeln. Nicht nur unbequem für die ukrainische nationale Idee, sondern überhaupt. Einfach deswegen, da er sich immer seiner Sache sicher war, sich nicht verstellte, keine Aufträge ausführte.

Er er war ein sehr aufrichtiger Mensch, doch war er auch ein Fanatiker. Eigentlich ist sein rekordhaft kurzer Aufenthalt auf dem Posten des Chefredakteurs von «Segodnja» sehr bezeichnend. Ein Mensch, der das Geld liebt, hält sich an seinem Sessel fest. Ein Mensch, der buchstäblich seine Idee lebt, trennt sich leicht von Posten, Geld, Privilegien. Und manchmal auch vom Leben …

Er liebte es zu provozieren und zu überhöhen, offensichtlich träumte er davon zum ukrainischen Wiktor Suworow zu werden – zum Stürzer von Autoritäten und Aufdecker von Mythen. In vielem wurde er dazu. Ich hab sein Buch «Die geheime Geschichte der Ukraine-Rus» in den Händen vieler Menschen unterschiedlichen Alters und verschiedener Überzeugungen gesehen. Bei weitem nicht alle unterstützen jetzt die russische Sicht unseres Daseins, doch haben ihn alle mit Begeisterung gelesen. Denn Busina war talentiert und aufrichtig. Aufrichtig sogar in seinen Irrungen. Obgleich es wohl nicht an mir liegt, zu urteilen, worin er sich irrte. Ich kann es nicht ertragen, wenn nach dem tragischen Tod eines bekannten Menschen damit begonnen wird, haltlose Versionen darüber zu errichten, wer von den Weltgrößen an seinem Tod beteiligt war.

Mehr noch mag ich keine Menschen, die mit Vergnügen Dreck über den Verstorbenen auskübeln. Ihr eigenartiges Tabu haben dafür schon die Römer verhängt – Aut bene, aut nihil! Leider Gottes vergisst man bei uns in der Hitze des Gefechts ab und zu auch das … Das schrecklichste am Geschehenen ist, dass Busina niemanden besonders störte. Er hat keine Korruptionsschemen aufgedeckt, hat nicht auf die Rolle eines Ideologen Anspruch erhoben, keine Karriere auf fremden Blut aufgebaut. Nicht einmal in der Zone der Antiterroroperation war er. Er sagte und schrieb einfach nur das, was er dachte.

Ich weiß nicht, was das wirkliche Motiv seiner Mörder war, doch vieles spricht dafür, dass Oles nur für Worte erschossen wurde. Irgendeinem Schuft erschien das von ihm ausgesprochene oder geschriebene als hinreichender Grund dafür, um dieses schreckliche Verbrechen zu planen und auszuführen, dabei einen kantigen, fanatischen, doch ehrlichen Menschen umbringend.

Eigentlich ist das eine Herausforderung. Eine Herausforderung nicht nur für den ukrainischen Staat, der die Meinungsfreiheit als einen Grundstein der Herrschaft des Volkes deklariert, sondern für alle von uns, unabhängig davon, welchen Ideen wir anhängen: «Ich bin nicht einverstanden mit nicht einem der Worte, die Sie sagen, doch ich bin bereit für Ihr Recht das zu sagen zu sterben.» Mögest du in Frieden ruhen, Oles!

17. April 2015 // Oleg Konstantinow, Chefredakteur der Odessaer Nachrichtenseite Dumskaja

Quelle: Westi

Der provokative und offen prorussisch auftretende Schriftsteller und Journalist Oles Busina wurde am 16. April in Kiew von Unbekannten vor seinem Haus erschossen. Er wurde 45 Jahre alt und hinterlässt Frau und Tochter.
Sein letztes Interview am 13. April beim Kiewer Radio Westi.

Eine Collage als Nachruf:

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 563

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