Venedig-Kommission kritisiert diskutierten Entwurf für das Versammlungsgesetz
Gestern wurde die Schlussfolgerung der Venedig-Kommission zum Gesetzesentwurf zur Durchführung von friedlichen Versammlungen bekannt, der sich derzeit zur Prüfung in der Werchowna Rada befindet. Gegen die Annahme des Gesetzes treten viele Menschenrechtler und gesellschaftliche Organisationen auf, die meine, dass er die Rechte der Bürger auf Versammlungsfreiheit einschränkt. Bei der Venedig-Kommission glaubt man ebenfalls, dass der Entwurf einer Nacharbeit bedarf. Im Fachausschuss des Parlaments versprach man den Schlussfolgerungen der Kommission Folge zu leisten.
Die Schlussfolgerungen der Venedig-Kommission veröffentlichte gestern der Leiter der Organisation „Institut ‘Respublika‘“, Wladimir Tschemeris. Zur Erinnerung: der Gesetzesentwurf Nr. 2450 „Über die Reihenfolge der Organisation und Durchführung friedlicher Versammlungen“ wurde am 3. Juni 2009 in der ersten Lesung beschlossen (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“ vom 4. Juni 2009). Das Dokument verpflichtet die Organisatoren der Versammlung über die Durchführung die Organe der Lokalregierung nicht später als fünf Kalendertage vorher zu informieren. In einer Reihe von Organisationen meint man, dass diese Norm Grund für ein Verbot der Aktion gibt und nicht der europäischen Praxis entspricht, welche die Durchführung von „Spontandemonstrationen“ gestattet.
Bei der Vorbereitung des Dokuments zur zweiten Lesung wurde der Begriff „??Spontandemonstration“?? in den Text aufgenommen, doch auch die neue Redaktion hat Vertreter von 30 gesellschaftlichen Organisationen nicht zufriedengestellt. Sie wandten sich an den Vorsitzenden der Werchowna Rada, Wladimir Litwin, mit der Bitte den Text mit der Venedig-Kommission abzustimmen (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“ vom 10. Juni).
In der Schlussfolgerung der Kommission wird vorgeschlagen in das Dokument eine Position darüber einzubringen, dass eine nicht rechtzeitige Meldung über die Durchführung einer Versammlung nicht automatisch deren Verbot bedeuten soll. Als unvollendet wurde auch der §9 des Gesetzentwurfs bezeichnet, der eine viel zu breite Grundlage für ein Versammlungsverbot gewährt. Insbesondere sieht er ein Verbot bei Verwendung von Lautsprechern zu bestimmten Zeiten und bei Aktionen vor, wenn vorher bereits ein Versammlungsantrag von einer anderen Organisation am gleichen Platz eingereicht wurde. Bei der Kommission glaubt man, dass die Regierung eine klare Liste der Plätze ausarbeiten soll, wo die Durchführung von Aktionen verboten ist und die gerichtlichen Prozeduren sollen hinreichend schnell sein, damit die Organisatoren rechtzeitig von den getroffenen Beschlüsse erfahren.
Menschenrechtler haben sich positiv auf die Schlüsse der Kommission bezogen. Einer der Gegner des Gesetzentwurfes Nr. 2450, Wladimir Tschemeris, unterstrich, dass er gemeinsam mit Kollegen weiter gegen den Beschluss in der vorliegenden Form auftreten wird. „Wenn vorher Aktionen aufgrund erdachter Vorwände verboten wurden, so können im Fall der Verabschiedung des Entwurfs gemäß diesem Gesetz Verbote erteilt werden. Unsere Forderungen bleiben bestehen – das Fehlen einer Meldung kann kein Grund für deren Verbot sein und die Meldungsprozedur sollte nicht erschwert werden“, erläuterte dem “Kommersant-Ukraine“ Tschemeris seine Position.
Beim Parlamentsausschuss für Fragen der Menschenrechte, der nationalen Minderheiten und zwischennationalen Beziehungen verspricht man die Schlüsse der Venedig-Kommission zu berücksichtigen. „Wir sind bereit auf alle nüchternen und vernünftigen Vorschläge zu hören. Natürlich werden wir nicht blind alle ihre Schlüsse kopieren, doch positive Momente berücksichtigen wir bei der Prüfung des Gesetzentwurfes“, versprach dem “Kommersant-Ukraine“ der Ausschussvorsitzende, Oleg Sarubinskij (Block Litwin).
Übrigens glaubt der Führer der Allukrainischen Vereinigung „Swoboda“, Oleg Tjagnybok (die Aktivisten von „Swoboda“ waren in der letzten Zeit nicht nur einmal mit Verboten und Einschränkungen für die Durchführung von Aktionen konfrontiert), dass die Schlussfolgerungen der Kommissionen sich nicht auf die Handlungen der Machthaber bezüglich von Versammlungsverboten auswirken. „Unabhängig davon, ob die Anmerkungen der Venedig-Kommission verboten werden, wird die Regierung trotzdem das tun, was für sie von Vorteil ist, dabei denkend, dass man das derzeitige stinkende Regime mit Verboten schützen kann“, erklärte Tjagnybok dem “Kommersant-Ukraine“.
Artjom Skoropadskij
Quelle: Kommersant-Ukraine