Ein verheerendes Jahr für die Banken


Das vergangene Jahr stellte eines der schwierigsten für das ukrainische Bankensystem seit seinem Bestehen dar. Die starke Abwertung der Hrywnja, der substanzielle Verlust bedeutender Aktiva in den besetzen Gebieten sowie der Vertrauensverlust seitens der Anleger erschütterten die ukrainischen Finanzinstitutionen. Und die Situation wird sich nicht in absehbarer Zeit zum Besseren wandeln.

Krim und Donbass

Die Krim ist zurzeit von Russland besetzt, im Donbass finden mittlerweile mehr als ein halbes Jahr Kampfhandlungen statt. Die Situation hat sich unmittelbar auf die Banken ausgewirkt, denn diese verloren einen bedeutenden Teil ihrer Aktiva in diesen Gebieten. Während die Großbanken auf der Krim nicht mehr als drei Prozent ihres Kreditportfolios verloren haben, stellt der Verlust im Osten einen schweren Schlag für das System dar.

„Für jede Großbank machen die Aktiva in den östlichen Gebieten (Oblaste Lugansk und Donezk) zwischen 25 und 33 Prozent ihres Kreditportfolios aus“, sagt Andrej Onistrat, Aufsichtsratsvorsitzender der Bank Nazionalnoj Kredit, während des Forums „Reform des Finanzsektors“ in Kiew.

Seine Bank verfügt mittlerweile in Donezk nur noch über eine Filiale auf der Uliza Artjoma, die für eine Million US-Dollar erworben wurde. Zudem über eine Geflügelfabrik unweit von Maripol, die immer noch in Betrieb ist. Sowie weitere Aktiva, die insgesamt bis zu zwei Million US-Dollar wert sind. Auch andere Banken verfügen in den Oblasten Donezk und Lugansk über bedeutende Aktiva. Als Onistrat bei der Ukrsozbank tätig war (2004-2008), hatte die Bank etwa 30 Prozent ihrer Aktiva in der Oblast Donezk, zum großen Teil Großkunden.

Viele Kreditnehmer auf der Krim weigern sich, ihre Kredite zu bedienen, während die Bankkunden in den Oblasten Donezk und Lugansk dazu gar nicht in der Lage sind.

Die auf der Krim betroffenen Kredite umfassen insgesamt 24,2 Milliarden Hrywnja. Der genaue Umfang der betroffenen Kredite in der ATO-Zone ist bislang nicht bekannt, da nicht in allen Gebieten der Oblaste Donezk und Lugansk Kampfhandlungen stattfinden. Das Gesamtkreditportfolio in der Region ist aber mit 43,7 Milliarden Hrywnja vergleichsweise groß. Das gesamtukrainische Kreditportfolio beträgt 966 Milliarden Hrywnja (derzeit etwa 48 Milliarden Euro).

Momentan räumen die Banker den Kreditnehmern in der ATO-Zone vor allem eine Zahlpause ein. Die SBU geht derweil davon aus, dass sich die Situation in dem Gebiet in den nächsten vier bis fünf Jahren kaum verbessern wird. Deshalb bereiten sich die Kreditgeber auf eine Verschlechterung ihrer Situation vor.

„Das belastet die Banken zusätzlich. Bereits jetzt wird ein Großteil des Kreditbestands in der ATO-Zone nicht bedient. Letztendlich wird das Gleiche wie auf der Krim passieren, der gesamte Kreditbestand wird als problematisch eingestuft. Wir werden um eine umfassende, das gesamte Bankensystem einschließende Lösung für diese problematischen Aktiva auf der Krim und in der ATO-Zone nicht herumkommen“, sagt Sergej Naumow, Vorstandvorsitzender der Piräus Bank MKB.

Die Banken tragen die Verluste. Entsprechend fordert die Nationalbank eine Aufstockung des Eigenkapitals, um die Anfälligkeit der Finanzinstitute zu reduzieren. Allerdings wollen die Banker nicht die alleinige Verantwortung für die jetzigen politischen Geschehnisse tragen.

„Die Regierung geht davon aus, dass die Banken selbst die Verantwortung tragen sollten, da diese auf eigenes Risiko arbeiten. Aber gemäß der Verfassung trägt der Staat die Verantwortung für die territoriale Integrität der Ukraine. Der Staat ist dieser Aufgabe nicht nachgekommen. Deshalb denken wir, dass es nicht richtig wäre, die gesamte Verantwortung allein auf die Banker abzuwälzen“, ärgert sich Elena Popowa, Vorstandsvorsitzende der Delta Bank.

Der nicht aufzuhaltende Kurs

Innerhalb eines Jahres hat sich der Dollar im Vergleich zur Hrywnja um mehr als das Doppelte verteuert – von acht auf mehr als 16 Hrywnja. Kreditnehmer mit Femdwährungskrediten befinden sich in einer besonders schwierigen Situation. Gemäß den Zahlen der Nationalbank beträgt der Umfang der privaten Fremdwährungskredite momentan 6,5 Milliarden US-Dollar. Das Parlament wollte noch im Sommer ein Gesetz zur Konvertierungspflicht dieser Kredite in Hrywnja beschließen, was es aber dann doch nicht realisierte. Jetzt sind die Kurse weiter gestiegen, weshalb eine Konvertierung nach dem offiziellen Kurs lediglich vor einer weiteren Abwertung schützt, die Bürger aber nicht von der Schuldenlast befreit.

„Die Lage verschlechtert sich jetzt bedeutend für private Fremdwährungshypotheken, die bislang irgendwie bedient oder umstrukturiert wurden. Selbst bei sehr verhaltenen Berechnungen sind 50 Prozent dieser Kredite gefährdet unbedienbar zu werden. Für diese müssen erneut irgendwie Reserven aufgebaut werden“, sagt Tamasz Chak-Kowatsch, Vorstandsvorsitzender der OTP Bank.

In seiner Bank wird jeder Kunde individuell beraten. Das Portfolio der Unternehmerkredite in Fremdwährung ist entsprechend äußerst heterogen: es gibt welche, die zahlen, welche, die aufgehört haben zu zahlen oder in naher Zukunft aufhören werden. „Der Dollarkurs ist hier maßgebend … und eine psychologische Komponente“, erklärt Tamasz Chak-Kowatsch.

Die Bedienung der Fremdwährungskredite kann außer Kontrolle geraten. Bei einem derart hohen Kurs können viele Kreditnehmer einfach nicht zahlen. Daher riskieren die Banken, auf einem Haufen wertloser Sicherheiten sitzenzubleiben.

„Die Situation ähnelt der von 2008-2009, allerdings betrifft die Krise 2014 nicht nur das Bankensystem, sondern die gesamte Wirtschaft des Landes“, sagt Wjatscheslaw Jutkin, Vize-Vorstandsvorsitzender der Prominvestbank.

Viele Kreditnehmer nehmen die Krise auch zum Vorwand, um ihre Kredite nicht bedienen zu müssen, obgleich sie es könnten. „Unserer Einschätzung nach könnten 30-35 Prozent der Fremdwährungskredite zum Jahresabschluss als problematisch eingestuft werden“, schließt Jutkin.

Die Nationalbank hat sich vom festen Wechselkurs verabschiedet, momentan bestimmt der jeweils tagesaktuelle Hrywnja-Kurs den Markt. Dieser markwirtschaftliche Ansatz kann an sich gut sein, gäbe es nicht den Wunsch einiger Marktteilnehmer, durch Spekulationen noch etwas dazuzuverdienen. Die Exporteure, die im Interbankenmarkt ihre Deviseneinnahmen verkaufen, halten diese bereits zurück, da sie davon ausgehen, dass der Kurs weiterhin steigen wird und sie durch die Differenz zusätzlich verdienen können.

Die Nationalbank kennt das Problem, kann aber nichts machen. Sie hat noch nicht einmal mehr Restriktionen für Unternehmen eingeführt, die nach wie vor volle 90 Tage haben, um 75 Prozent ihrer Deviseneinnahmen zu verkaufen.

„Es besteht das Risiko, dass bei einem schnelleren Verkauf der Devisen einige Unternehmen aufgrund anderer Vertragsfristen dazu nicht in der Lage sein könnten“, erklärt Sergej Ponomarenko, Leiter der Abteilung für Devisenoperationen und Finanzmarktanalysen der NBU.

Verlust der Zahlungsfähigkeit

Innerhalb eines Jahres haben mehr als 30 Banken ihre Zahlungsunfähigkeit bekanntgegeben. Einlagen von bis zu 200.000 Hrywnja werden aus dem Einlagensicherungsfonds an Anleger der insolventen Banken zurückerstattet. Insgesamt müssen mehr als 28 Milliarden Hrywnja gezahlt werden. Zum Vergleich: Seit seinem Bestehen hat der Fonds insgesamt 19 Milliarden Hrywnja ausgezahlt.

Die bedeutendsten Insolvenzen: Brokbusinessbank von Sergej Kurtschenko, die Bank „Forum“ von Wadim Nowinskij und „VAB Bank“ von Oleg Bachmatjuk. Allein für die Anleger dieser drei Banken müsste der Fonds 12,9 Milliarden Hrywnja aufbringen. Aber damit wird die von der Nationalbank angestoßene Marktbereinigung noch nicht abgeschlossen sein.

„Momentan sind etwa zehn Banken gefährdet. Ein Teil könnte noch 2014 seine Zahlungsunfähigkeit bekanntgeben“, sagt Andrej Olentschik, stellvertretender Geschäftsführer des Einlagensicherungsfonds.

Der Banker Andrej Onistrat rechnet damit, dass nach Abschluss des gesamten „Abbaus“ auf dem Markt nicht mehr als 50 Banken übrigbleiben werden. Davon zehn mit ausländischem Kapital, zehn staatliche, alle übrigen mit ukrainischem Kapital. Die Ausländer können sich nicht einfach aus der Ukraine zurückziehen – das wird die NBU zu verhindern suchen. Die Zahl der staatlichen Banken wird infolge der Verstaatlichung der kriselnden Finanzinstitute ansteigen, wie dies bereits mit der Ukrgasbank geschehen ist. Die übrigen Banken werden entweder abgewickelt oder zu größeren Institutionen vereint.

Vertrauensverweigerung

Das Vertrauen in das ukrainische Bankensystem nimmt zunehmend ab. Die Erklärung der Nationalbank, den vorfristigen Abzug von Geldeinlagen verbieten zu wollen, die Einführung strengerer Restriktionen für Geldentnahmen sowie der Bankenbankrott wirkte sich negativ auf die Attraktivität von Bankeinlagen aus. Letztendlich hat der Bankensektor seit Jahresbeginn 59 Milliarden Hrywnja und neun Milliarden US-Dollar verloren.

Um dennoch Kapital anzuziehen, erhöhen die Banken immer stärker die Zinsen. Momentan beträgt der Jahreszins für Bankeinlagen in Hrywnja mehr als 20 Prozent . Auf dem Markt sind vereinzelte Banken bereit 25-27 Prozent p. a. zu zahlen. Die Banker selbst halten diese Lage für untragbar, können allerdings auch nichts tun.

„Die Banken benötigen Kapital, um in Aktiva investieren zu können. Sind die Zinsen hoch, kann die Bank mit diesen Einlagen nicht arbeiten. Einlagen sind wichtig, um die nationale Wirtschaft, die Kreditvergabe anzukurbeln. Momentan sind die Einlagenzinsen sehr hoch. Bei 20 Prozent und höher in die Wirtschaft zu investieren, rentiert sich nicht und die Wirtschaft selbst kann diese Zinssätze nicht bedienen. Daher werden die Einlagenzinsen sicherlich wieder sinken – höchstwahrscheinlich schon bald“, verspricht Sergej Mamedow, Vorstandsvorsitzender der staatlichen Ukrgasbank.

Bislang steigen die Zinssätze, die Hrywnja wertet weiter ab und die Zahl der Banken sinkt. Und die Banker selbst können nichts tun. Die Regierung und die Nationalbank sollten so schnell wie möglich Reformen auf den Weg bringen, um neue Investitionen ins Land zu locken. Aber das wird selbst nach den optimistischsten Annahmen mindestens noch zwei Jahre dauern.

13. Dezember 2014 // Jelena Gubar

Quelle: Lewyj Bereg

Übersetzerin:    — Wörter: 1430

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