Wahlkampfabschluss mit Skandälchen
Gestern wurde in der Ukraine von den Top-Kandidaten noch einmal alles gegeben.
Am gestrigen Freitag fanden in der Ukraine die letzten Veranstaltungen und Fernsehsendungen des Wahlkampfes vor dem ersten Wahlgang am Sonntag statt und dies nicht ohne Skandälchen.
Janukowytschs Partei der Regionen schloss den Wahlkampf auf dem Platz vor der Sophienkathedrale in Kiew ab. Diese Veranstaltung wurde live im Pjatyj Kanal von Außenminister Poroschenko übertragen. Neben den üblichen Auftritten von Schlagerstars gab es Liveschaltungen zu “begeisterten” Anhängern in der gesamten Ukraine, wobei hier Städte in den westlichen Regionen nicht dazu zählten. Der Kandidat selbst versuchte in seiner hölzernen Art Begeisterung und Siegesgewissheit zu verbreiten.
Im Fernsehen selbst kamen noch einmal alle Hauptprotagonisten zu Wort und dies unter unterschiedlichen Umständen. 1+1 (gehört Ihor Kolomojskij) gab um 19:00 Uhr Arsenij Jazenjuk das Wort und um 19:45 Uhr folgte mit etwas Verspätung Wolodymyr Lytwyn. Anschließend musste sich Serhij Tihipko noch einmal im Presseklub vier wirklich kritischen Journalisten stellen, deren Fragen er weitestgehend souverän beantworten konnte, doch bereiteten ihm Fragen zu den Beziehungen zu Russland offensichtlich Schwierigkeiten. Eine klare Abgrenzung zu Russland war von ihm nicht zu bekommen.
Um 21:30 Uhr waren dann Julia Tymoschenko auf ICTV (Wiktor Pintschuk) und Wiktor Janukowytsch auf Inter (Walerij Choroschkowskij und der 1. russische Kanal) parallel auf Sendung. Wobei Tymoschenko nur 30 min Redezeit in der Sendung “Kraschtschyj Kandidat” (der beste Kandidat hatte) hatte, die sie weit überzog und in der sie so gut wie nicht unterbrochen wurde. In ihrem Monolog appellierte die vom Wahlkampf heisere Tymoschenko erneut dramatisch und mit Pathos an die Ukrainer das Schicksal des Landes nicht von ukrainefeindlichen Kräften bestimmen zu lassen. Dabei versprach sie ihren Wählern erneut die bereits kurz vor dem Abschluss stehende EU-Assoziierung der Ukraine und die Einrichtung der Freihandelszone noch in diesem Jahr. Dies würde dann unter ihrer Präsidentschaft im nächsten Jahr von der Visafreiheit gekrönt werden. Eine Aussage die aufs Wort genau mit dem Interview von Außenminister Poroschenko im gestern erschienenen “Korrespondent” übereinstimmte.
Zudem verstieg sie sich noch zu dem bereits vorher gemachten Versprechen den vollwertigen EU-Beitritt in ihrer Präsidentschaftszeit zu erreichen und die Ukraine zum Flaggschiff der Europäischen Union zu machen. Ihr Auftritt vermochte die anwesenden, “kritischen” Journalisten und Politologen und das Publikum im Studio zu begeistern. Der Diasporaukrainer Taras Kusio widmete seine Frage ausschließlich der Kritik an Janukowytsch und stellte seine kritische Distanz durch begeistertes Klatschen unter Beweis. Tymoschenko wurde unter “Juliarufen” aus dem Publikum verabschiedet.
Janukowytsch hatte es bei Inter etwas schwerer, da sein Studiopublikum nicht nur aus Fans bestand. So musste er sich von der Komsomolskaja Prawda fragen lassen, ob Juschtschenko in seiner Abschlusspressekonferenz nicht Materialien zu den eingestellten Gerichtsverfahren gegen Tymoschenko in Russland von Janukowytschs Team zugespielt bekam, worauf er antwortete, dass Schmutzkampagnen ein Zeichen der Schwäche seien und der russische Sender NTW fragte nach den Plänen zur Revision der Gasverträge und der Verträge zur Miete der Basis der russischen Schwarzmeerflotte. Insgesamt versuchte Janukowytsch dabei den Eindruck zu erwecken, Präsident für alle Ukrainer werden zu wollen – das Land zu einen. Zum anderen stellte er in Aussicht, gegenüber Russland einen pragmatischen, doch die Interessen der Ukraine wahrenden Kurs, einzuschlagen. So hält er die jetzigen Gaspreise für überzogen und nicht den Marktbedingungen entsprechend, dabei nannte er jedoch einen zu hohen Preis (360$ statt 305$ pro tausend Kubikmeter Erdgas). Jewgenij Kisseljow, der Moderator, hakte mehrfach nach, doch war ihm anzumerken, dass er sich in vielen Situationen zurückhielt. Insgesamt erweckte die Sendung den Eindruck, dass man nicht alles dem Zufall überließ, doch in gewissem Rahmen den anwesenden Journalisten und dem Moderator ihre Freiheit ließ.
Am längsten musste Noch-Präsident Wiktor Juschtschenko auf dem Sender Ukrajina (Rinat Achmetow) kämpfen. Zuerst gab es ein Skandälchen. Der Abgeordnete des Blockes Julia Tymoschenko, Oleh Ljaschko, war bei Beginn der Sendung im Studio und verlangte Rederecht. Derweil weigerte sich Wiktor Juschtschenko gleichzeitig mit Oleh Ljaschko in einem Studio aufzutreten, so dass die Sendung nur mit einer zwanzigminütigen Verspätung anfangen konnte. Sawik Schuster wurde dem selbstgesteckten Ziel, das freieste Programm in der Ukraine zu sein, am ehesten von den drei parallelen Livesendungen gerecht.
Juschtschenko, auch wenn er wieder sehr lange Monologe zu seinem Kampf um die europäischen Werte hielt, musste sich wirklich jede Frage gefallen lassen und er wirkte auch nicht immer souverän. Insbesondere bei der Frage danach, ob er es einsieht, dass die Leute von ihm enttäuscht sind, da er genauso wie “die anderen” wurde, wobei auf die Skandale mit seinem Sohn und seiner Tochter angespielt wurde, wich er aus. Wiederholt äußerte er, dass seine Politik nicht antirussisch ist und war, sondern eine Politik für Werte, die europäischen, ist. Zudem sprach er sich für eine Stärkung der Präsidialmacht, damit er seine Versprechen umsetzen kann, und Gesetze zum Schutz strategischer Unternehmen, es kam das Beispiel des kürzlichen Verkaufs der Industrialnyj Sojus Donbass, analog den Vorbildern Deutschland und Frankreich aus.
Wiktor Juschtschenko, und das muss ihm zugute gehalten werden, kämpfte bis auf die letzte Sekunde, denn aufgrund des verspäteten Anfangs, zog sich sein Auftritt bis kurz vor Mitternacht, wonach er sich mit den Worten “Slawa Ukrajini” verabschiedete.
Am heutigen Sonnabend ist weitere Wahlwerbung gesetzlich untersagt.
Quellen:
Ukrajinska Prawda und die im Artikel erwähnten Fernsehsendungen.