Werchowna Rada diskutiert Zollerhöhung als Abwehrmaßnahme gegen die Wirtschaftskrise
In Verbindung mit der ökonomischen Krise beabsichtigt die Ukraine die Zölle für den Import von Fleisch, Butter und Pflanzenöle und ebenfalls für Alkohol, Kleidung und Automobile um 12% zu erhöhen. Gestern wurde der entsprechende Gesetzesentwurf in der Werchowna Rada registriert und das Präsidialamt erklärte seine volle Unterstützung. Die Staatsangestellten und die Abgeordneten sind sich sicher, dass eine zeitweilige – für ein halbes oder ganzes Jahr – Erhöhung der Zolltarife nicht den Normen der WTO widerspricht und unterstützt dafür die ukrainischen Produzenten. Derweil gehen Experten davon aus, dass solche Maßnahmen zu einem Anstieg der Inflation führen können.
Der Leiter des Ausschusses der Werchowna Rada zu Fragen der Steuer- und Zollpolitik, Sergej Terjochin (Block Julia Timoschenko, BJuT), registrierte gestern den Gesetzesentwurf #3379 “Zur Eintragung von Änderungen in das Gesetz ‘Zum Zolltarif’ mit dem Ziel der Verbesserung des Zustandes des Leistungsbilanz der Ukraine unter den Bedingungen der weltweiten Finanzkrise”. Das Dokument (eine Kopie liegt dem “Kommersant-Ukraine“ vor) führt “zeitweilige gezielte Zuschläge zu den geltenden Tarifen in konservativer Höhe von 12%” für eine Reihe von Verbraucherwaren ein.
Es wird vorgeschlagen die Zölle für eine Reihe von Waren aus den Gruppen des UKTWED (Ukrainische Klassifikation von Waren für Außenhandelstätigkeiten) zu erhöhen, bei denen das höchste Importtempo von Januar bis Februar 2008 festgestellt wurde: Fleisch und Fleischprodukte (Gruppe 2), Fette und Öle tierischen und pflanzlichen Ursprungs (15), Nahrungsmittel aus Fleisch, Fisch, Weichtieren, Krebstieren (15), alkoholische und nichtalkoholische Getränke (22; die Zölle werden nur für den Import von Wermuten und Ethanolen erhöht), Teppiche (57), Textilien, Kleidung und Kopfbedeckungen (61-65), Automobile (87). Anzumerken bleibt, dass das Ministerium für Industriepolitik die Importtarife für Autotransporte von 10% auf 25% erhöhen möchte, die im Moment des WTO Beitritts der Ukraine galten.
Die Erhöhung der Importzölle um 12% soll es gestatten die Budgeteinnahmen in 2009 um 1,27 Mrd. Hrywnja (bei Preisen zum Kurs von 5,7888 UAH/USD zum 1. November zu erhöhen, ca. 174 Mio. Euro) und “beim prognostizierten Verhalten des Währungskurses” um 1,665 Mrd. Hrywnja (ca. 228 Mio. Euro). Terjochin erzählte dem “Kommersant-Ukraine“, dass man plant diese Einschränkungen für sechs Monate mit einer möglichen Verlängerung um den gleichen Zeitraum einzuführen. “Das wird ausschließlich vom Zustand der Leistungsbilanz abhängen”, erläuterte er. Seinen Worten nach, kann in der zweiten Lesung in den Gesetzesentwurf auch eine Erhöhung der Exportzölle aufgenommen werden. “Wir haben bislang nicht entschieden, was wir mit der Kohle und dem Walzgut machen werden”. Terjochin präzisierte, dass sein Gesetzesentwurf bereits ins Sekretariat der WTO in Genf gesandt wurde. “Ich habe heute (am 18. November) ihn dorthin gesendet und eine Antwort sollte innerhalb von zwei bis drei Tagen erfolgen”, erzählte er. “Doch wenn sie den erläuternden Anhang gesehen hätten, dann wäre es offensichtlich, dass nichts unerwartetes geschehen wird – alle unsere Initiativen entsprechen den WTO Normen”.
Diese Initiative wird auch vom Präsidialamt unterstützt. Den Worten des Ersten Stellvertreters des Präsidialamtsleiters, Alexander Schlapak, war es anfänglich geplant die Tarife für Waren der Gruppen 1-24 des UKTWED zum Niveau vom 1. Januar 2008 zurückzuführen. “Doch bei einigen Waren überstieg der Tarif die 100% und das ist augenscheinlich bereits eine Sperrmaßnahme”, merkte er an. “Die neuen Tarife müssen die Konkurrenz zwischen den Waren der einheimischen und der Importproduktion beibehalten. Daher kamen wir zu der Schlussfolgerung, dass die optimale Entscheidung eine Erhöhung um 10-12% ist”. Zu diesen Waren zählt man beim Präsidialamt Nahrungsmittel und Autos. Dem Ersten Stellvertreter des Wirtschaftsministers, Anatolij Maksjuta, ist übrigens die Initiative zur Erhöhung der Zölle unbekannt.
Das Dokument wird auch im Parlament unterstützt. “Das ist ein sehr zeitgemäßes Gesetzesprojekt und wir werden dies fraglos unterstützen”, erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Partei der Regionen Anatolij Kinach. “Das einzige, worauf wir bestehen werden ist, dass für den Schutz der Konsumenten Maßnahmen zur Ausweitung der Finanzierung der Unterstützungsprogramme für die Viehzucht und den Automobilindustriekomplex ergriffen werden”. “Wir sind bereit die Änderung der Tarife für Nahrungsmittel zu unterstützen, doch planen wir Konsultationen bezüglich der neuen Tarife für den Import von Kleidung und Autos ein. Das sind offensichtliche lobbyistische Schritte”, denkt die Parlamentsabgeordnete Xenia Ljapina (“Unsere Ukraine – Nationale Selbstverteidigung”). “Ein solcher Schritt muss die einheimischen Produzenten unterstützen – wir können mehr herstellen und mehr verkaufen”, betonte der Generaldirektor des Unternehmens “Komplex ‘Agromars’”, Alexej Martschenko, mit Optimismus.
Derweil legen Experten nahe, dass die Annahme des vorliegenden Gesetzesentwurfes eine Beschleunigung des Anstiegs der Verbraucherpreise hervorruft. “In die Inflationsstruktur geht nur ein Teil der Waren ein, für die man die Zolltarife erhöhen möchte. Aber der Preisanstieg für Fleisch, Fette und Kleidung beschleunigt das Inflationstempo um 1%”, berechnete die Analystin der Investmentfirma Dragon Capital, Jelena Belan.
Jurij Pantschenko
Quelle: Kommersant-Ukraine