Wie Russland in die Ostukraine einmarschiert ist und seine Invasionskräfte steuert


Von einem Feld bei Kusminka im Oktober 2013 bis zum Kessel von Illowajsk und dem Einmarsch in das Donezker und Luhansker Gebiet mit regulären Verbänden der russischen Streitkräfte bis zum Aufbau einer Invasionsstreitmacht im Donbass.

Russland leugnet weiter seine eigentliche Rolle und verkauft sich im Prinzip als Vermittler. In Wahrheit kann man Russland mit Hilfe von Google Earth am eigenen PC innerhalb von 15 Minuten als den Aggressor klar identifizieren.

Begeben wir uns dabei auf eine Zeitreise in sechs Etappen:

1) Vorbereitungsphase 2004-2013 – Einsetzen von sogenannter „Soft Power“, politischen und ökonomischen Mitteln

Russland organisiert und finanziert gezielt pro-russische Bewegungen, um eine euroatlantische Integration zu verhindern. Dabei wird Ende November 2004 in Sewerodonezk (Luhansker Gebiet) eine Versammlung aller Abgeordneten der südöstlichen Ukraine organisiert. Exakt die gleiche Veranstaltung zaubert man am 20.02.2014 in Charkiw aus der Mottenkiste. Zwischenzeitlich gelingt es, die europäische und euroatlantische Integration der Ukraine effektiv zu verhindern. Über eigene politische Bewegungen, Polittechnologen und von 2010-2013 über den Einfluss auf einzelne Ministerien in der Zeit des Präsidenten Wiktor Janukowytsch. So wird zum Beispiel das Verteidigungsministerium der Ukraine mit einer Person besetzt, die es 1991 abgelehnt hatte, den Eid auf die Ukraine schwören und aus dem Armeedienst ausgetreten war. Der spätere Minister war einer der Ersten, der dann sehr schnell rein „zufällig“ auf der anderen Seite der Front war und im Stabsquartier der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol die russische Invasion unterstützte. Vorher hatte er mit einigen Anordnungen die ukrainische Armee in Teilen ihrer Verteidigungsfähigkeit beraubt. So wurde vorsorglich im November 2013 die Krim vom zentralen Luftverteidigungssystem der Ukraine herausgenommen. Einige Brigaden der Luftverteidigung sowie der Artillerie wurden aufgelöst.

Derweil hatte die Vorbereitungsphase auf den Krieg schon längst begonnen.

Im Sommer 2013 probt Russland die Invasion in der Ostukraine im Rahmen der Militärmanöver „Sachad-Sapad“ in Belarus.

Nach Angaben der ukrainischen Militäraufklärung ist der Aufbau der Truppen beim Manöver 2013 praktisch identisch mit der Situation 2014.

2) Beginn der heißen Vorbereitungsphase und des hybriden Kriegs gegen die Ukraine im Sommer/ Herbst 2013

Die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und EU wird immer wahrscheinlicher- trotz der inhaftierten Tymoschenko. Russland beginnt mit einer Handelsblockade an der Grenze. Im russischen TV beginnt einer anti-ukrainische Hysterie. Parallel finden in Belarus große Militärmanöver unter dem Namen “Sapad 2013” statt. Die ukrainische Militäraufklärung zeigt, dass hier bereits der Einmarsch in die Ukraine (in den Donbass) geprobt wurde. (Siehe die Schaubilder am Ende). Auf den Einmarsch in die Ostukraine hat sich Russland mit militärischen und nicht-militärischen Mitteln bereits seit 2004 vorbereitet. Die Vorbereitungen auf die Annexion der Krim gehen sogar bis ins Jahr 1992 zurück.

3) Militärische Vorbereitung der Invasion

Auf dem Bild sehen Sie ein großes Feld in der Nähe einer kleinen Siedlung Namens “Kusminka”. Von militärischen Vorbereitungen gibt es unmittelbar im Umkreis von 60 Kilometer zur ukrainischen Grenze zwischen der Oblast Rostow (Russland) und der Oblast Donezk (Ukraine) keine Spur.

Eine Militärbasis mit Truppenübungsplatz mit einer Fläche von rund 50 Quadratkilometer ist entstanden, viermal größer als der größte Flughafen in Europa. Dies muss im Zeitraum Winter 2013/14-Frühjahr 2014 geschehen sein. Die Militärbasis liegt strategisch günstig. Alle späteren Orte im Frontbereich der erschaffenen “DVR” sind in zwei bis drei Stunden per Transportpanzer (BTR) zu erreichen. Die kürzeste Route verläuft über den Grenzübergang bei Uspenka und führt über Amwosijiwka direkt in Richtung Illowajsk.

Zur Vorbereitung der Invasion gibt es mit „Kadamowskij“ noch eine weitere große Militärbasis mit Truppenübungsplatz im Rostower Gebiet, die sich in der Nähe von Nowotscherkassk befindet. Von dort aus werden über das Zentrum der Territorialstreitkräfte im südrussischen Militärbezirk die Invasionskräfte gesteuert.

“Kadamowskij” befindet sich dabei unmittelbar an einer direkten Eisenbahnanbindung in die Ukraine und liegt unmittelbar an der Hauptverkehrsroute in Richtung ukrainischer Grenze. Jede aktuelle Frontstellung im Luhansker Gebiet kann mit schnellen Eingreiftruppen per Transport- und Schützenpanzer (BTR, Radpanzer) in zwei bis drei Stunden erreicht werden. Zudem konnte eine Verlegung von Panzer- und Artillerieeinheiten per Eisenbahntransport bis unmittelbar an die Grenze zur Ukraine erfolgen, wo dann im Bereich von fünf bis fünfzehn Kilometer Feldlager und Feuerstellungen (für die Artillerie zum Beschuss ukrainischen Positionen an der Grenze) geschaffen wurden.

Sie sehen 3 Militärlager dicht zusammen. Über Feldwege erreicht man die Grenze zur Ukraine. Während am 15.08.2014 diese Feldwege noch nicht sichtbar sind, sehen Sie auf dem Bild am 05.09.2014 diese Feldwege ganz deutlich. Reguläre russische Truppen sind an diesem Abschnitt am 24.08.2014 zum Unabhängigkeitstag in die Ukraine eingedrungen. Ihre operative Aufgabe: Einkesselung der ukrainischen Streitkräfte bei Illowajsk. In Illowajsk selbst konnte ein Journalist der ARD die Anwesenheit der regulären russischen Truppen als Augenzeuge schildern. Nach der Analyse des ukrainischen Generalstabs waren bis zu 10.000 reguläre russische Soldaten in diesem Frontbereich einmarschiert und Putin höchstpersönlich muss an der Planung dieser Operation beteiligt sein, die mehrere Komponenten besaß. Die ukrainische Gesellschaft sollte demoralisiert werden, die Front weit aufgerissen werden und eine größere Gruppierung der ukrainischen Streitkräfte vernichtet werden. Nachdem man einen Rückzugskorridor vereinbart hatte, wurde diese seitens der regulären russischen Armee von zwei Seiten beschossen. Es wurde ein Massaker, die Tragödie von Illowajsk. Dank dem Mut weniger besonders kampffähiger ukrainischer Einheiten der schnellen Eingreiftruppen konnte ein totaler Zusammenbruch der Front verhindert werden. Folgend wurde die Frontlinie stabilisiert.

4) Invasion mit regulären Streitkräften

20-26.August 2014 Grenzdurchbruch und Invasion bei Uspenka und Maryniwka

Die Grenze zur Ukraine 01.08-24.08.2014. Vorbereitungen zum Grenzdurchbruch. Starker Artilleriebeschuss der Grenzstellungen bei Uspenka. Besonders deutlich wird der Unterschied zwischen dem 01.08.2014 und dem 15.08.2014. Krater um Krater reiht sich um die Hauptverkehrsstraße, wo am 16.07.2014 noch kaum Einschläge zu sehen sind. Am 05.09.2014 wird dann bereits die gesamte Grenze zwischen Krasnodon bis nach Nowoasowsk von Russland kontrolliert – ca. 450 Kilometer. Die Aufnahme vom 05.09.2014 von den ehemaligen ukrainischen Grenzstellungen bei Uspenka zeigt das Ausmaß der Artillerieschläge vom russischen Boden, welche dem Einmarsch vorausgegangen sind.

Am 24.08.2014, dem Unabhängigkeitstag der Ukraine, fand in diesen beiden Frontabschnitten eine Invasion von vier taktischen Gruppen der russischen Streitkräfte statt. Nach über einem Monat andauerndem Artilleriebeschuss vom russischen Territorium, der von EU, NATO und Co. praktisch unbeantwortet blieb, wurden die ukrainischen Grenzstellungen überrannt und nach einem Vorstoß nach Nowoasowsk und dessen Einnahme von regulären russischen Armeeeinheiten wurde damit die Kontrolle über die rund 500 Kilometer Grenze von Krasnodon im Luhansker Gebiet bis ans Asowsche Meer komplett gemacht. Die russischen Invasionstruppen konnten schnell eine Pufferzone zur Grenze von circa 30 Kilometer erobern, da sich die ukrainischen Truppen aus dem Gebiet des Artillerie- und Raketenbeschusses (mit Grad, Uragan und Smertsch) zurückziehen mussten.

5) Versuchte Vorstöße in das nördliche Gebiet im Oblast Luhansk

Über Google-Earth finden sich auch Beweise für russischen Artilleriebeschuss im Luhansker Gebiet im Bereich der Stanyzja Luhanska vom russischen Territorium.

Ende August/ Anfang September 2014 führen reguläre russische Truppen aktive Kriegshandlungen im Luhansker Gebiet, u.a. mit dem Einsatz von Panzerverbänden. Dabei werden auch T-90A Kampfpanzer eingesetzt. Unterstützt werden die Angriffe per Artillerie.

Per Google Earth finden Sie für den 06.09.2014 (Tag des 1. Minsker Abkommens) eine russische 2S 19 Msta S-Feuerstellung mit fünf Panzerhaubitzen die offensichtlich die ukrainischen Stellungen um die Stanyzja Luhanska angreifen. 2S 19 Msta S ist eine Panzerhaubitze mit einem Kaliber von 152 mm,, die 1989 zum ersten Mal in den Streitkräften der Sowjetunion zum Einsatz gekommen ist. Ihre Reichweite beträgt 25 Kilometer.

Die Feuerstellung befindet sich nach meiner Messung mit Google Earth circa 1,4 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Russische Artillerie schießt vom russischen Territorium auf ukrainische Stellungen. Das Zielgebiet mit den entsprechenden ukrainischen Stellungen befindet sich circa 18 Kilometer entfernt. In dieser Zeit (unmittelbar vor und zu Beginn von Minsk I) fanden gerade um Stanyzja Luhanska heftige Kämpfe statt. Die russischen Truppen wollten in den Nordteil des Oblasts Luhansk vordringen. Hindernis dabei war der Fluss Siwerskyj Donez und die entsprechenden ukrainischen Stellungen.

Kurz zur Taktik der Kriegsführung

  1. Spezialkräfte und organisierte Söldner nehmen in der 2. Aprilhälfte wichtige Verwaltungsgebäude und Städte in Beschlag. Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt immer noch auf einen Angriff aus dem Westen ausgerichteten ukrainischen Militärdoktrin und dem zu diesem Zeitpunkt schlechten logistischen und versorgungstechnischen Zustand der ukrainischen Armee ist eine entsprechende sofortige Reaktion nicht möglich. Als im Juni-August die ukrainische Armee mit Unterstützung der neuformierten Nationalgarde und Freiwilligenverbänden zu Beginn der Anti-Terror-Operation große Gebiete zurückgewinnen kann, bis an die Grenze vorrückt und wichtige Kommunikations- und Verkehrswege unterbricht und die Söldnerverbände praktisch eingeschlossen sind und militärisch praktisch vor der sicheren Niederlage stehen, setzt die 2. Phase sein.
  2. Seit Juli 2014 werden ukrainische Stellungen in Grenznähe gezielt vom russischen Territorium mit Artillerie- und Raketenwerfern (Grad, Uragan und Smertsch) beschossen. Die russische Armee hat so im Bereich Juli/ August 2014 rund 450 Kilometer Grenze erbeutet, weil die ukrainische Armee sich zurückziehen musste.
  3. Für definierte Militäroperationen dringen schnelle Eingreiftruppen unterstützt von Artillerie- und Panzerverbänden nachts außer Sichtweite von OSZE und Co. über Feldwege auf das Gebiet der Ukraine vor. Sie übermalen alle Nummern und Hoheitsabzeichen und tauchen dann am Tage im russischen TV bei Kriegshandlungen als “Volksmilizionäre” auf. Sie sind mit bloßem Auge nicht zu unterscheiden. Sie tragen grüne Uniformen, aber haben keinerlei Hoheitsabzeichen. Identifizierbar sind sie trotzdem, da sie Militärtechnik mitführen, die sie weder im “Wojentorg” kaufen können noch in der Ukraine erbeuten können, weil es:
    1. diese Modifikationen bestimmter Kampfpanzer, Artilleriesysteme, Raktenwerfer, Luftabwehr und Funkstörtechnik in der Ukraine nicht gibt und (!)
    2. diese Modifikationen von Russland nie exportiert wurden.

Drei ausgewählte Beispiele dafür:

  1. Kampfpanzer T-72 B3 – der besonders bei Aufnahmen bei den Kampfhandlungen um Debalzewe im Jan. und Feb. 2015 zum Vorschein kam.
  2. Modernisiertes Grad-K (Raketenwerfer auf Basis eines Kamas-Chassis)
  3. Panzir Luftabwehr – erst seit 2012 bei den russischen Streitkräften im Einsatz

Vorstöße in Gebiete, wo sich die ukrainischen Stellungen in Grenznähe befinden, werden durch Artilleriestellungen vom russischen Territorium direkt unter Feuer genommen. Die Ukrainer können damit nicht zurückschießen, um einen “großen Krieg” mit Russland zu vermeiden.

Wie können Sie russische Einheiten und Technik im Donbass trotz der fehlenden Hoheitsabzeichen erkennen?

  1. Jede Einheit benutzt als Erkennungszeichen kleine Symbole (Vierecke, Kreise, ausgefüllt, umrandet…etc.), damit sich die Einheiten untereinander erkennen.
  2. In der Debalzewe-Operation haben die russischen Soldaten zur Unterscheidung weiße Armbinden getragen.

Aber kehren wir zur Situation Anfang August 2014 zurück. Russland bereitet sich auf die Invasion im Donezker Gebiet mit regulären Einheiten vor. Feldlager entstehen unmittelbar an der ukrainischen Grenze Dies lässt sich auch sehr gut mit Hilfe von Google Earth nachvollziehen.

6) Schaffung einer russischen Invasionsarmee im Donbass

Am 06.09.2014 wurde schließlich das 1. Minsker Abkommen verabschiedet. Die darin vorgesehene „Waffenruhe“ wurde seither praktisch keinen einzigen Tag seitens der russischen Invasionskräfte wirklich eingehalten. Die Minsker Abkommen haben jedoch insgesamt zu einem Rückgang der Intensität der Kämpfe geführt- mit Ausnahme der Monate Januar, Februar 2015 (Donezker Flughafen, Debalzewe) sowie August 2014 und im Bereich März-April 2016 (besonders intensive Angriffe der russischen Invasionskräfte im Bereich Awdijiwka-Jasynuwata). Allein im 1. Quartal 2016 sind jedoch nach Erkenntnissen der ukrainischen Militäraufklärung mindestens 103 weitere min reguläre russische Militärangehörige gefallen. Nach unvollständigen Teilangaben sind bis März 2016 rund 1.600 russische Soldaten aus 26 Einheiten gefallen. Eine ausführliche Datenbank zu den Verlusten der russischen Armee finden Sie unter dem folgenden Link: http://uacrisis.org/de/41729-die-russische-armee-im-donbass-und-ihre-verluste

In der Zeit von den ersten Minsker Vereinbarungen bis November 2015 hat Russland eine eigene Invasionsarmee, bestehend aus zwei Armeekorps (1. Armeekorps – Donezker Gebiet, 2. Armeekorps – Luhansker Gebiet) in den besetzten Gebieten im Donbass aufgebaut. Die beiden Armeekorps unterstehen dem Zentrum der Territorialstreitkräfte im südrussischen Militärbezirk und das ist wiederum dem russischen Generalstab weisungsgebunden.

70 Prozent der Militärangehörigen des 1. und 2. Armeekorps (1. und 2. AK) der Invasionskräfte sind Staatsbürger der Russischen Föderation. Ihnen möchte die russische Staatsduma den offiziellen Status von „Freiwilligen“ zuerkennen. „Den Beweis dafür liefert das am 1. November 2014 abgehörte Gespräch des russischen General-Leutnant Andrej Gurulow mit seinem Kollegen aus der russischen Armee, Generalmajor Sergej Kusowlow – Befehlshaber des 2. Armeekorps, der in dieser Zeit als Teil des 12. Oberkommandos der Reserve des südrussischen Militärbezirks der russischen Streitkräfte geformt wurde“, präsentierte Wadym Skibizkyj von der Hauptabteilung der Militäraufklärung im ukrainischen Verteidigungsministerium auf seiner Pressekonferenz am 28.04.2016 im Ukraine Media Crisis-Center neuste Erkenntnisse der ukrainischen Militäraufklärung.

Nach den Angaben der ukrainischen Militäraufklärung befinden sich in den Reihen des 1. Armeekorps, das in Donezk stationiert ist, fünf Brigaden, zwei Regimenter sowie gesonderte Bataillone und Versorgungseinheiten. Insgesamt umfasst das 1. Armeekorps eine Stärke von 20.000 Mann. Das 2. Armeekorps ist wiederum in Luhansk stationiert und umfasst vier Brigaden, ein Regiment und ebenfalls gesonderte Bataillone und Versorgungseinheiten, wobei die Mann-Stärke 14.600 beträgt. Zusätzlich werden Sondereinheiten zum Zwecke der Erstürmung geschaffen.

Die ukrainische Militäraufklärung ist in Besitz von wichtigen Dokumenten aus den Stäben des 1. und 2. Armeekorps gelangt, darunter auch der täglichen Rapports an den Leiter der operativen Abteilung des 1. und 2. Armeekorps bezüglich der Positionen und des Zustands der einzelnen Einheiten und Truppenteile der Armeekorps.

Außerdem befanden sich darunter auch Auszüge aus den Kampfunterlagen der Kommandoführung des 1. Armeekorps. Diese Dokumente werden in Stäben des 1. und 2. Armeekorps für die operative Planung und zwecks Berichtwesens vor dem Oberkommando erstellt. Die Dokumente sind von regulären Militärangehörigen der russischen Streitkräfte erstellt worden, die über ein entsprechendes Ausbildungsniveau in Sachen operative und strategische Planung sowie über Erfahrung aus der Arbeit in Stäben verfügen.

Wadym Skibizkyj betonte auf der Pressekonferenz, dass der Generalstab der Russischen Föderation das Oberkommando über die (pro-) russischen Militärverbände der Invasionskräfte über das Zentrum der Territorialstreitkräfte und andere Kommandoorgane des südrussischen Militärbezirks der russischen Streitkräfte führe. Das direkte Kommando über die einzelnen Truppenteile des 1. und 2. Armeekorps liege dabei in den Händen von regulären Kadern der russischen Streitkräfte, welche sämtliche Kommando- und Stabsposten bis zur Kompanie innehätten.

Skibizkyj berichtete am Schluss seiner Pressekonferenz, dass die aktuellen Militärübungen zur Kampfvorbereitung der Brigaden und Regimenter des 1. und 2. Armeekorps vor dem Abschluss stünden. «Im Zuge der Manöver wird u.a. auch das Überwinden von Wasserhindernissen und Minenfeldern trainiert, welches von Kampfvorbereitungen der Invasionskräfte zeugt, die klar auf Angriff ausgerichtet sind», – betonte Skibizkyj. Die Truppenübungen und Manöver des 1. und 2. Armeekorps sind dabei in das einheitliche System der Truppenvorbereitung im südrussischen Militärbezirk der russischen Streitkräfte eingegliedert.

Munitionsreserve, Benzin und andere Kampf- und logistische Mittel werden von Russland in solchen Mengen regelmäßig verlegt, dass die Vorräte zur Führung von Kampfhandlungen für 14-15 Tage ausreichen. Alleine im ersten Quartal 2016 wurden weitere 132 Kampfpanzer und 67 Artilleriesysteme in den Donbass für die beiden Armeekorps verlegt.

Fazit

Die Organisationsstruktur der russischen Invasionskräfte im Donbass ist immer kleinteiliger bekannt. Es ist absolut falsch zu behaupten, Russland würde im Donbass sogenannte „pro-russische Separatisten“ nur unterstützen und könnte seinen Einfluss geltend machen. Vielmehr hat Russland selbst mit seinen regulären Streitkräften eine Invasion im Donbass vorgenommen, wobei die militärischen Operationen spätestens im Sommer 2013 detailliert geplant wurden. Die Vorbereitungen durch den Einsatz von sogenannter „Soft-Power“, wie es die Gerassimow-Doktrin vorsieht, haben weit vor 2013 begonnen. Die Möglichkeiten des Internets sind stärker als jede versuchte Vertuschung und Lüge. Informnapalm, eine Gruppe von Volontären, die sich der Analyse von sozialen Netzwerken verschrieben hat, konnte anhand ihrer Auswertungen eine ausführliche Datenbank über Einheiten der russischen Streitkräfte im Donbass erstellen. Die erste Eintragung findet sich zum Ende Juni 2014. Anfang Juli 2014 ist eine russische Panzer-Einheit bei Snischne-Tores eingedrungen. Zu ihrem Schutz (gemäß der Militärdoktrin) vor Angriffen aus der Luft wurde eine Teileinheit der 53. Luftabwehrbrigade aus Kursk stationiert, die als Bewaffnung mit dem Buk M-1-System ausgestattet wurde, dessen Rakete die MH-17 zum Absturz brachte. 298 Menschen könnten heute noch leben, wenn man spätestens Anfang Juli die Dinge beim Namen genannt hätte. Man hat nach der Tragödie von MH-17 weiter zu den Artillerieangriffen vom russischen Territorium geschwiegen. Man hat zu der Invasion im August 2014 geschwiegen. Die Serie des Schweigens hat sich danach fortgesetzt. Man wollte Russland die Chance geben, sein Gesicht zu wahren. Was eine einfache Formel im diplomatischen Geschäft ist, funktioniert aber anscheinend überhaupt nicht. Russland ist in den Minsker Vereinbarungen de-jure nicht als Kriegspartei anerkannt. Die Anzahl der Verstöße (die in die 100.000 gehen) spricht dafür, dass dies die falsche Strategie ist. Vorsätzlich wird der Öffentlichkeit verschwiegen, wie es denn sein könne, dass die beiden Armeekorps im Donbass, die im deutschen TV einfach „pro-russische Separatisten“ genannt werden, über eine Panzerflotte verfügen, die wesentlich größer ist, als die einsatzbereite Panzerflotte der Bundeswehr. Allein in der letzten Woche haben die russischen Invasionskräfte aus Russland laut gesicherten Erkenntnissen der ukrainischen Militäraufklärung weitere 38 Kampfpanzer, 14 gepanzerte Kampffahrzeuge, 12 Artilleriesysteme, 1750 Tonnen Treibstoff und über 560 Tonnen Munition erhalten. Anmerkung zum Vergleich: Auf seiner Pressekonferenz am 28. April im Ukraine Crisis Media-Center präsentierte Skibizkyj folgende Zahl: Seit Jahresanfang seien 142 Panzer für die Invasionskräfte aus Russland in die besetzten Gebiete des Donbass geliefert worden, d.h. in vier Monaten 142 Panzer. Jetzt wurden in nur einer Woche weitere 38 Kampfpanzer verlegt. Bei gleichbleibendem Tempo wären dies rund 140-160 Panzer in nur einem Monat! Laut dem Global Fire Power Index von 2016 verfügt die Bundeswehr über 408 einsatzbereite Kampfpanzer. Russland hat sich im Donbass eine eigene Armee geschaffen, die vollständig in die Befehlsstrukturen des südlichen Militärbezirks der russischen Streitkräfte eingebunden ist. Die Befehlsgewalt wird ausschließlich von Generälen und Offizieren der russischen Armee ausgeführt. Zusätzlich stehen im Rostower Gebiet weitere Einheiten bereit, die ständig in Gefechtsbereitschaft gehalten werden. Dabei beschränken sich die russischen Angriffsziele nicht nur auf den Donbass.

Am 08.04.2016 berichtete die ukrainische Militäraufklärung in ihrem Wochenbericht, dass seit Jahresanfang sechs großangelegte Truppenübungen im südrussischen Militärbezirk stattgefunden hätten. Dies schloss vor allem Luftlandetruppen mit ein, wobei bei den Militärmanövern die einzelnen Einheiten auf die entsprechenden Truppenübungsgelände verlegt wurden, die Landung von Truppenteilen der schnellen Eingreiftruppen und entsprechende Feuergefechte per Schusstraining geübt wurden. Die letzten großangelegten Truppenmanöver fanden auf der besetzten Krim am 04. April statt. Dabei sei die Eroberung von strategischen Objekten trainiert worden, die sich im Gebiet Cherson befinden.

Eine Woche später berichtete die ukrainische Militäraufklärung in ihrem Bericht über die gezielte Verstärkung der Militärverbände im westlichen Militärbezirk. Im Zuge einer früheren Kostenoptimierung aufgelöste Militärverbände werden wiederbelebt und neue Verbände, Einheiten und Truppenteile geschaffen, sowohl im eigenen Land als auch auf der besetzten Halbinsel Krim. Im Rahmen der Verstärkung der Militärverbände wurden im westrussischen Militärbezirk die 1. Panzerarmee im Moskauer Gebiet und die 20. Feldarmee in Woronesch geschaffen, welche 1999 respektive 2009 aufgelöst wurden. In nur 18 Kilometer Entfernung zur Grenze mit der Ukraine (Gebiet Charkiw) entsteht im Eiltempo eine neue große Militärbasis. Es wäre an der Zeit, mit einer klaren Sprache zu sprechen. Es gibt keinen inneren Konflikt in der Ukraine und auch keine imaginären Separatisten. Von Anfang an war es eine russische Operation. Zuerst mit GRU-Spezialkräften, Polittechnologen und der neuen Nuklearwaffe, dem russischen TV, später mit einer Invasion ganzer Truppenteile der russischen Streitkräfte, bis schließlich auf ukrainischem Staatsgebiet eine gesonderte Invasionsstreitmacht aufgebaut wurde, die voll und ganz dem Oberkommando des russischen Generalstabs und der weiteren Befehlsstrukturen des südrussischen Militärbezirks untersteht. Russland ist Kriegspartei, Besatzer und Aggressor. Instrumente für bürgerkriegsähnliche Konflikte sind demnach ungeeignet, um diesen Zustand zu verändern. Minsk I und II sind nicht tragfähig und nicht umsetzbar. Die Voraussetzung für dauerhaften Frieden im Donbass ist relativ einfach, aber die Instrumente zur Durchsetzung dieser Voraussetzung werden bisher nicht angewandt. Russland muss klar international als Kriegspartei anerkannt werden. Grundlage für alle weiteren Prozesse ist der Abzug von allen Einheiten der russischen Armee und allen Söldnern mit der gesamten Militär- und Waffentechnik. Danach können die Hoheit der Ukraine über ihr Staatsgebiet und die Kontrolle über die Grenze wiederhergestellt werden. Das ist der wichtigste Schritt zur Wiederherstellung von Ordnung und Sicherheit. Wahlen unter OSZE-Aufsicht ohne einen kompletten russischen Abzug, Wiederherstellung einer ukrainischen Verwaltung und einer Beteiligungsmöglichkeit für die rund 1,5 Millionen Binnenflüchtlinge löst überhaupt nichts. Die Minsker Vereinbarungen können nicht funktionieren, wenn die Konflikt- bzw. Kriegsparteien nicht klar benannt werden. Als zusätzliche Instrumente sollten neben dauerhaften Sanktionen auch gezielt Mittel der Abschreckung eingesetzt werden, dazu gehört auch gezielte militärische Hilfe für die Ukraine.

Jan Schönfelder — Der Autor ist interdisziplinärer Ukraine- sowie Mittel- und Osteuropa-Spezialist.

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Vielleicht sollten Sie eine Spende in Betracht ziehen.
Diskussionen zu diesem Artikel und anderen Themen finden Sie auch im Forum.

Benachrichtigungen über neue Beiträge gibt es per Facebook, Google News, Mastodon, Telegram, X (ehemals Twitter), VK, RSS und per täglicher oder wöchentlicher E-Mail.