Zahlungsausfall: Vor- und Nachteile
Der Präsident hat ein Gesetz unterzeichnet, dass der Regierung Jazenjuk erlaubt, die Rückzahlung der Auslandsschulden mit einem Moratorium zu belegen. Die Ukraine hat damit de facto zugegeben, dass sie ein Aussetzungsverfahren eingeleitet hat. In den ausländischen Medien wird das Gesetz auch entsprechend bezeichnet: „Gesetz über den Zahlungsausfall in der Ukraine“. Daher scheint es angebracht, ein paar Worte darüber zu verlieren, was unter einem Zahlungsausfall zu verstehen ist, denn es herrscht hier große Irritation. Und eine der Ursachen für diese ist die Regierung Jazenjuk und ihre Berater.
Zahlungsausfall bedeutet Staatspleite. Wenn die Regierung Jazenjuk die Rückzahlung von Eurobonds oder Zinsen mit einem Moratorium belegt, wird dies gemäß internationaler Terminologie als „Zahlungsausfall“ bezeichnet. Selbst wenn dies in der Ukraine als „Moratorium“ bezeichnet wird, werden die internationalen Gläubiger dies als Zahlungsausfall interpretieren. Wenn nicht gezahlt wird, ist dies ein Zahlungsausfall. Wie das in der Ukraine bezeichnet wird, interessiert hingegen niemanden.
An dieser Stelle möchte ich betonen, dass eine Aussetzung der Zahlungen nicht mit einem Schuldenschnitt bzw. -erlass gleichzusetzen ist. Die Schulden der Regierung werden im Falle eines Zahlungsausfalls dieselben wie vorher sein. Man wird sich lediglich anschließend mit den Gläubigern an einen Tisch setzen müssen, um eine Umstrukturierung auszuhandeln. Genau dies geschah mit den Eurobonds der UKREXIM-Bank , die bereits am 24. April 2015 die Aussetzung der Zahlungen meldete und über deren Umstrukturierung sich erst jetzt geeinigt wurde. Dies ist ein echter Zahlungsausfall und kein Schuldenschnitt bzw. Schuldenerlass, wie es Jazenjuk und seine ganze Schar sogenannter Experten verspricht.
Vorteile eines Zahlungsausfalls
Die Umstrukturierung der Auslandsschulden impliziert in aller Regel eine Verlängerung der Tilgungsfrist. Die Investorengruppe, die Euroobligationen im Umfang von etwa neun Milliarden US-Dollar hält, hat bereits einer Fristverlängerung auf zehn Jahre zugestimmt. Die ukrainische Regierung hat mit anderen Worten zehnjährige „Kreditferien“ bekommen. Die Zinsen müssen dennoch gezahlt werden, aber eine Rückzahlung der Euroobligationen ist zunächst nicht erforderlich. Das sind erhebliche Einsparungen, insbesondere an Devisen. Denn die Euroobligationen sind in Fremdwährung zu zahlen und an diesen fehlt es uns eben.
Indirekt sollte sich dadurch auch die Haushaltslage verbessern. Der Haushalt ist in ukrainischer Währung und zur Bedienung der Auslandschulden muss die Regierung ukrainisches Geld aus dem Haushalt nehmen und zur Begleichung der Euroobligationen Devisen aufkaufen. Wird die Tilgungsfrist verlängert, kann dieses Geld für andere Zwecke verwendet werden. Unter anderem für die Erhöhung der Renten oder Löhne. Wenngleich eine Erhöhung der Löhne und Renten auch ohne eine Umstrukturierung der Auslandsverschuldung möglich ist. Bei uns werden die Löhne und Renten in Hrywnja ausgezahlt, so dass über eine zielgerichtete Geldmengenerhöhung auch die Löhne und Renten angehoben werden können. Aber das ginge auch ohne eine Geldmengenerhöhung, denn gemäß dem Finanzministerium haben wir einen Überschuss von 18 Milliarden Hrywnja (etwa 750 Millionen Euro) im Staatshaushalt. Aus irgendeinem Grund wird dieses Geld nicht verwendet.
Es gibt also eigentlich lediglich einen positiven Effekt im Falle eines Zahlungsausfalls bzw. einer Umstrukturierung der Auslandsverschuldung: Diese eröffnet die Möglichkeit, zunächst weniger Geld aus dem Haushalt für die Tilgung der Auslandsschulden zu verwenden. Zudem wird davon ausgegangen, dass es der ukrainischen Wirtschaft in zehn Jahren besser gehen wird und diese dann keine Probleme haben wird, ihre Schulden zu begleichen, da sich die Staatseinnahmen um ein Vielfaches erhöhen werden. Und das Wichtigste: Die Bevölkerung trägt ihre gesamten Devisen zur Bank und in der Ukraine wird es kein Fremdwährungsdefizit mehr geben.
Nachteile einer Zahlungsaussetzung
Eine Zahlungsaussetzung signalisiert allen internationalen Geldgebern, dass dem betreffenden Land kein Geld geliehen werden sollte, da dieses die Schulden nicht zurückzahlen wird. Letztendlich wird die Ukraine in den nächsten zehn Jahren – so lange, wie die alten Schulden nicht beglichen sind – keine ausländischen Investitionen oder Privatkredite erhalten. Erst wenn durch die Begleichung der alten Schulden signalisiert wird, dass man Wort hält, werden ausländische Investoren wieder bereit sein, in die Ukraine zu investieren.
Und es gibt noch ein Problem, ein sehr konkretes. Ausländische Banken werden – auch wenn sie die „Mutterbanken“ unserer ukrainischen „Töchter“ sind – verpflichtet, Reserven im Umfang von 100 Prozent sämtlicher Kredite, die an die ukrainischen Töchter vergeben wurden oder vergeben werden, aufzubauen. Selbst kleine Kredite an ukrainische „Töchter“ von europäischen „Müttern“ können somit problematisch werden. Zudem wird es auch mit Bankgarantien, Kreditbriefen und Wechselbürgschaften Probleme geben. Dies alles wird als Unsicherheitsfaktor interpretiert und es wird kein zusätzliches Geld fließen. Und dies wiederum wird den Import und Export ukrainischer Unternehmen bedeutend erschweren – selbst derer, die ausländische Investoren haben.
Daher müssen diejenigen, die befürchten, dass ein Zahlungsausfall eine neue Abwertungsspirale der Hrywnja hervorrufen kann, zudem befürchten, dass eine Aussetzung der Zahlungen zu einem Ansteigen der Arbeitslosigkeit und Rückgang der Geschäftstätigkeit führen wird. Viele vom Außenhandel abhängige Unternehmen (und davon gibt es bei uns eine Menge) werden entweder schließen oder einen bedeutenden Umsatzeinbruch hinnehmen müssen. Für diese werden selbst einfache Außenhandelsgeschäfte problematisch.
Und es besteht ein weiteres Risiko. Sollte sich die ukrainische Regierung weigern, sich mit den Kreditgebern über eine Umstrukturierung der Schulden zu einigen oder absurde Forderungen stellen, könnten sich diese an ein internationales Schiedsgericht wenden. Und ein solches Schiedsgericht könnte die Korrespondenzkonten der NBU (Zentralbank) in den USA und der EU sowie Aktiva ukrainischer Unternehmen einfrieren oder sogar beschlagnahmen oder die Kreditkarten ukrainischer Banken im Ausland sperren bzw. deren Nutzung restringieren. Und dies ist nicht nur ein sehr konkretes Problem, sondern könnte eine neue Abwertung der Hrywnja bewirken.
In jedem Fall ist eine Aussetzung der Zahlungen immer schlimmer als eine Umstrukturierung der Schulden vor Ablauf der Tilgungsfrist. Hätte die Regierung nämlich rechtzeitig vor Ablauf der Tilgungsfrist eine Umstrukturierung der Euroobligationen angestrebt, wäre dies auf dem internationalen Finanzparkett vollkommen unbemerkt geblieben. Denn die Umstrukturierung von Eurobonds ist weltweit eine vollkommen normale Praxis. Wichtig ist, dass alles rechtmäßig, ehrlich und rechtzeitig realisiert wird. Den internationalen Investoren ist – unabhängig davon, ob sie die Ukraine lieben oder nicht – egal, wie das Land heißt, dass die Eurobonds platziert. Sie lieben vor allem Geld und zuverlässige Kreditnehmer.
2. Juni 2015 // Alexander Ochrimenko
Quelle: Westi