Contra spem spero¹
Uns wird erneut Geld angeboten. Viel Geld. Zum wiederholten Mal! Die US-Regierung ist offensichtlich besorgt über die Höhe der Korruption im befreundeten Land. Es gibt nur eine Frage, die der Frage Hamlet´s ähnelt: Ist die Regierung der Ukraine besorgt? Fraglich. Ich gehe vom Offensichtlichen aus. Der erste Schritt zur Verringerung der Korruption ist die Transparenz der Regierung und ihrer Entscheidungen. Dadurch unterscheidet sich die Regierung Juschtschenkos wenig vom „gangsterhaften Regime Kutschmas“.
Vor einigen Jahren habe ich, als damaliges Vorstandsmitglied der Open Society Foundations (OSF) in der Ukraine, mit einem naiven Brief auf derartige Mitteilung der United States Agency for International Development (USAID) in einer der Kiewer englischsprachigen Zeitungen reagiert. Naiv war der Brief vor allem deswegen, weil ich glaubte, dass meine Vorstandsmitgliedschaft mir das Recht erteilt, sich an der Leitung der Stiftung zu beteiligen, und auch weil ich naiv glaubte, die United States Agency for International Development plant wirklich Antikorruptionstätigkeit in meinem Land auszuüben.
Ich habe eine höfliche Antwort bekommen. Man sei dankbar für meine Mitteilung, ich solle warten. Ich warte bis heute. Ob es wirklich dazu kommen wird, dass so viel Geld zur hellen korruptionsfreien Zukunft meines Landes beitragen wird?
Ich bin bereit, daran zu glauben. Nur wenn man mir den Generalplan für Bekämpfung der Korruption vorstellen wird. Wenn mir bestimmte Kennziffern, Familiennamen und Behörden genannt werden. Und so weiter und so fort.
Vor sieben-acht Jahren kam meine gute Bekannte, eine amerikanische Juristin, nach Kiew, um zu arbeiten. Die Situation in postsowjetischem Raum war ihr sehr gut bekannt. Zur gleichen Zeit begann die USAID, in der Ukraine zu arbeiten. Meine Bekannte konnte die Sprache und war über die komplizierte Situation im Klaren. Sie beabsichtigte nicht, Geld zu verdienen oder Karriere zu machen. Sie wollte nur helfen. Sie hatte große Pläne und zahlreiche Ideen. Aber vom Anfang an stieß man auf Probleme, die nicht mit uns, Ukrainern, verbunden waren, sondern mit ihren Landmännern. Sie hat mir einiges erzählt, und noch etwas habe ich selbst ohne Erklärungen verstanden. Bald war sie wieder weg, sie verließ nicht uns, sondern USAID. Schade, sehr schade. Ihre Klugheit und Erfahrung wurden hier sehr gebraucht.
Dies sind keine Erinnerungen eines von der Vergangenheit enttäuschten Pessimisten. Dies sind der Zukunft gewidmete Reflexionen. Wie viele Kämpfer gegen Korruption gibt es in meinem Land? Viele. Wie viele Dissertationen zu diesem Thema sind schon geschrieben worden? Viele. Wie viele Simulatoren und Opportunisten werden noch vom amerikanischen Steuerzahler gefüttert, der uns aufrichtig helfen möchte?
Erinnern Sie sich an den Wörtern des russischen Regisseurs Konstantin Stanislawskij: «Das glaube ich nicht». Genauso glaube ich es auch nicht. Ich will so sehr, ich wünsche mir, dass ich mich für meinen Unglaube schämen muss. Ich möchte so sehr in einer normalen, zivilisierten Ukraine leben. Helfen Sie uns, Damen und Herren! Helfen Sie uns und nicht dem Präsidenten oder dem Parlament. Die brauchen Ihre Hilfe nicht. Sie fürchten sich davor.
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Ich habe diesen Text am 5. August 2006 geschrieben. Jetzt, nach acht Jahren, habe ich ihn in meinem Archiv gefunden, und mich entschieden, ihn zu veröffentlichen. Hat sich etwas geändert? Nach wie gibt man uns Geld zur Korruptionsbekämpfung. Und wir nehmen es. Es wäre Sünde es nicht zu tun. Wenn wir es zu Friedenszeiten genommen haben, wie können wir es in Kriegszeiten nicht tun.
Also was ist anders geworden? Das ist eine Frage an Sie, liebe Leserinnen und Leser…
1 Contra spem spero, Gedicht von Lessja Ukrajinka – in etwa “Wider die Hoffnung hoffe ich” oder “Gegen die Hoffnung hoffe ich”
18. August 2014 // Semjon Glusman, Arzt, Mitglied des Gremiums des Strafvollzugsdiensts der Ukraine
Quelle: Lewyj Bereg