Das eigene "Land" (Strana.ua): Was ist bekannt über das Verfahren gegen Ihor Huschwa (Igor Guschwa)



Am Donnerstagabend nahm die Polizei den Chefredakteur der Internetzeitung Strana.ua, Ihor Huschwa, (russisch Igor Guschwa, A.d.Ü.) fest.

Die Festnahme basierte auf Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft und des Staatlichen Fiskaldienst (Steuerbehörde).

Die Ermittler beschuldigen Huschwa der Forderung und des Erhalts von 10.000 Dollar vom Parlamentsabgeordneten der Radikalen Partei, Dmytro Linko, für die Nichtverbreitung kompromittierenden Materials.

Außerdem nahmen die Rechtschützer am Freitag, den 22. Juni, eine Hausdurchsuchung in der Redaktion von Strana vor.

Die Journalisten der Seite und ihre Verteidiger erklärten, dass dies ein präzedenzloser Angriff auf die Meinungsfreiheit ist, das Verfahren gefälscht sei und es keinerlei Beweise geben kann.

Dagegen zeigte Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko am Freitagabend auf einer Pressekonferenz in Schytomyr zum ersten Mal ein operatives Video, in dem eine Person, die Ihor Huschwa ähnelt, mit seinem „Assistenten“ einen detaillierten Plan und einen Kostenüberschlag für eine „Zusammenarbeit“ mit Linko und dem Führer der Radikalen, Oleh Ljaschko, bespricht.

„Ich denke, das ‚Verschweigen‘ wird 35 (000 Dollar, Ukrajinska Prawda) im Monat mit Vorauszahlung kosten. Und sollen sie ruhig handeln“, sagt die Person, die Huschwa ähnlich sieht.

Die Ukrajinska Prawda hatte alle bislang bekannten Details der aufsehenerregenden Angelegenheit gesammelt.

Unerwartete Gäste

Am Abend des 22. Juni schrieb die Stellvertreterin des Chefredakteurs der Internetseite Strana.ua, Switlana Krjukowa, auf Facebook, dass in ihrer Redaktion auf der Wolodymyr-Straße eine Durchsuchung stattfindet.

„Unser Newsroom wurde von Mitarbeitern des SBU (Geheimdienst, A.d.Ü.) besetzt. Etwa 15-20 Personen. Der Eingang des Gebäudes des Businesszentrums wurde geschlossen. Drinnen sind drei Redaktionsmitarbeiter und der Hase, darunter Chefredakteur Ihor Huschwa“, schrieb sie.

Krjukowa schrieb ebenfalls, dass einer der Polizisten erwähnte, dass die Ermittlungshandlungen im Büro von der Nationalen Polizei durchgeführt werden.

In einem Kommentar unter ihrem Facebookeintrag dementierte Innenminister Arsen Awakow die Beteiligung der Nationalen Polizei an diesem Fall.

„Die Nationale Polizei führt diesen Fall nicht. Die Staatsanwaltschaft ist vor Ort, die operativen Materialien sind vom SBU, in die Gruppe wurden Polizeiermittler aufgenommen“, kommentierte der Minister.

Die Situation klärte dann bereits Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko.

In seinem Facebook erläuterte er, dass Huschwa 10.000 Dollar für die Nichtverbreitung von kompromittierendem Material über einen Politiker forderte und erhielt, als der sich später der Parlamentsabgeordnete der Fraktion Ljaschko, Dmytro Linko, herausstellte.

Der Generalstaatsanwalt betonte, dass die Ermittler Video- und Audiobeweise haben.

„Er hat sich, zu guter Letzt, zur Wahrheit gelogen“, schrieb Luzenko.

Später nahm Huschwa Verbindung mit seinen Kollegen auf und erzählte seine Version der Vorgänge.

Den Worten des Redakteurs von Strana.ua nach wurde ihm Ende April angeboten für eine große Summe von der Seite mehrere Artikel über Ljaschko herunterzunehmen. Später im Mai wurde ihm erneut angeboten einen Artikel über den Konflikt zwischen dem Berater des Innenministers, Illja Kiwa, mit dem Parlamentsabgeordneten Linko zu löschen.

„Als Summe wurden 20.000 Dollar geboten. Ich habe es erneut ausgeschlagen“, bekräftigte Huschwa.

„Insgesamt ist diese Geschichte eine lange geplante Provokation gegen mich und gegen Strana. Wie jede andere Provokation ist sie zum Scheitern verurteilt“, fügte er hinzu.

Die Anschuldigungen

Im Gespräch mit der Ukrajinska Prawda widersprach Dmytro Linko den Worten Huschwas kategorisch.

„Ich bin nicht so dumm, um irgendjemandem Geld für die Löschung eines Artikels anzubieten“, entrüstete sich Linko.

Er hob hervor, dass die Forderungen von Strana bereits im März begannen, wonach der Abgeordnete sich an die Rechtsschutzorgane wandte.

„Ich kann gerade nicht sagen, wer konkret zu mir kam, da zuerst die Ermittlungen abgeschlossen sein müssen. Auf diese Weise versuchen die Agenten des Kremls ukrainische Politiker an den Haken zu nehmen und über Druck und Erpressung Absprachen zu erzielen“, sagte der Parlamentsabgeordnete.

Gleichzeitig weigerte sich Linko mitzuteilen, an welche Rechtsschutzorgane er sich konkret wandte und auf welche Weise die Ermittlungen geführt wurden.

Den Worte des Chefredakteurs von Strana.ua widersprach auch der Führer der Radikalen Partei Oleh Ljaschko.

„Huschwa sagte dort, dass ihm irgendwelches Geld von Ljaschko angeboten wurde – das ist Quatsch. Was Dmytro anbelangt, so kam – soweit ich weiß – irgendjemand von Huschwa mit der Forderung auf ihn zu, dass er Geld für irgendein kompromittierendes Material bezahlt. Sie sagten, dass sie die Artikel nicht veröffentlichen, wenn er 20.000 zahlt. Ich sagte ihm: ‚Schick sie fort und mache eine Anzeige bei den Rechtsschutzorganen‘. So tat er es auch“, sagte der Hauptradikale der Ukrajinska Prawda.

Die Pressesekretärin des Generalstaatsanwalts, Laryssa Sarhan, teilte in ihrem Facebook mit, dass Huschwa aufgrund des Verdachts einer verübten Straftat festgenommen wurde, die in Absatz 3 Paragraf 189 des Strafgesetzbuchs der Ukraine (Erpressung) vorgesehen ist. Gemeinsam mit ihm wurde sein Mittelsmann festgenommen, mit dem er damals in Absprache trat.

Sarhans Worten nach wurden der Mittelsmann und der Redakteur von Strana.ua sofort nach der Übergabe der 10.000 Dollar von Linko festgenommen, die wiederum in der Aktentasche Huschwas gefunden wurden.

Freitagabend demonstrierte Luzenko selbst auf der Pressekonferenz in Schytomyr ein Video, in dem eine Person die Huschwa ähnelt gemeinsam mit seinem „Assistenten“ die Möglichkeit und Bewertungen für die Nichtveröffentlichung und Löschung von kritischen Artikeln über die Radikalen Ljaschkos, Linko und Olexij Lenskyj, besprechen.

Assistent: Diesen und diese beiden. Linko, Lenskyj und Ljaschko. Nun das heißt für jeden 20, sie sagen mir ‚lasst uns handeln‘. Was in ihrem Verständnis ‚handeln‘ heißt, ist mir nicht klar … Kohle ist da, die Kohle ist fremd … Das ist nicht ihr Geld.

Huschwa: Lass es uns so machen: Ich schaue, was wir über diese beiden hatten und sage (unverständlich) bei dem nehmen wir drei Artikel für 30.

Assistent: Drei Artikel für 30?

Huschwa: Zu billig?

Assistent: Ich weiß nicht, ich gebe es weiter, wie du es gesagt hast. Weiß der Kuckuck, wenn für einen 20 abgehen, ja? Was macht das für einen Sinn? Du hast ja noch nicht alles gehört.

Huschwa: Ja?

Assistent: Hör weiter zu. Sie fragen „und wie viel wird es kosten, wenn komplett über uns geschwiegen wird?“. Ich sage: „Wie das?“ Ich sage: „100.“

Huschwa: So hast du es gesagt?

Assistent: Ja. Bis Ende des Jahres.

Huschwa: (unverständlich)…

Assistent: Ich hab ihnen einfach 100 in den Raum gestellt. (unverständlich) „bis Ende des Jahres“

Huschwa: Nein, bis Ende des Jahres, in solchen Kategorien …

Assistent: Denkst du nicht?

Huschwa: Bis Ende des Jahres verbleiben … (unverständlich).

Assistent: Und bezüglich dessen „zu handeln“, was denkst du?

Huschwa: Das muss geklärt werden.

Assistent: Hast du fertige Artikel? Nun solche die „rausflutschen“, doch noch nicht veröffentlicht sind.

Huschwa: Worüber?

Assistent: Nun, über diese drei.

Huschwa: Nun ja. Einen solchen gibt es.
Assistent: Höre, lass sie uns mit diesem Artikel bedrohen? Damit sie weniger und schneller denken.

Huschwa: Nun, also nicht das, dass wir …

Assistent: Lass es uns so machen! Dass wir das hier haben.

Huschwa: Ich denke, dass wir da reingeraten können, dass sie dort … Ljaschko geht ans Parlamentspult und sagt (unverständlich) … Das ist gefährlich.

Huschwa: Als und was (unverständlich).

Assistent: Also das ist über Dritte…

Huschwa: Mehr noch … Was kann man tun? Wir können zwei Artikel … (unverständlich) … mit Vorauszahlung … (unverständlich) …

Assistent: Und das ist alles auf Wiedersehen. Und für diesen Schwulenkram, worüber wir redeten – 20. Sie sind bereit 20 zu geben.

Huschwa: Für einen?

Assistent: Ja.

Huschwa: Gut. Und danach für diese beiden.

Assistent: Lass uns handeln?

Huschwa: Ok, lass uns …. (unverständlich) …

Assistent: Doch falls sie dennoch unter Druck gesetzt und gezwungen werden müssen?

Huschwa: 35

Assistent: Ihnen 35 sagen?

Huschwa: Pro Monat …

Assistent: Für das „Verschweigen“?

Huschwa: Ja.

Assistent: Für das „Verschweigen“ 35? Sie lieben es doch zu handeln. Sollen sie doch für die notwendige (Summe) handeln.

Huschwa: Dabei haben wir noch einen Monat … Welches Datum haben wir heute? Den 16.? Also vom 17. bis zum 17. Juni …

Assistent: Wie viel Zeit ist notwendig, um einen Artikel runter zu nehmen?

Huschwa: Fünf Minuten …

Assistent: Also vom Moment an, an dem ich das übergebe, dann also im Laufe einer Stunde … Kann ich das so sagen?

Huschwa: Ja. Doch so, dass nicht sowas passiert, dass es „nicht die“ Materialien waren. Dass ich die Artikel runter nehme und er sagt, dass es nicht die waren.

Assistent: Muss das vorher vereinbart werden?

Huschwa: Ich denke ja.

Assistent: Morgen gehen wir das in der ersten Tageshälfte an.

Huschwa: Gut. Dann übergebe ich dir morgen die Artikel.

Assistent: Schau mal, was du machen kannst und ich „biete“ es ihnen an.

Huschwa: Nun für den Monat, das sind, 35 – das ist (quasi) kostenlos.

Assistent: Das heißt, handeln macht keinen Sinn?

Huschwa: Entweder sie sind einverstanden oder nicht …

Assistent: Im Monat?

Huschwa: Ja.

Assistent: Mir scheint, dass das zu viel ist …

Huschwa: Ja?

Assistent: Nun ich denke, dass sie auch selbst etwas von dem Geld ziehen wollen.

Huschwa: Das letzte Stück Brot? Nun, dann sagen wir 35, doch das wird …

Außerdem eröffnete der Generalstaatsanwalt noch Details der Operation selbst, im Verlaufe derer Huschwa festgenommen wurde.

Luzenkos Worten nach zuerst wurden der Chefredakteur von Strana und sein „Assistent“ mehrere Monate überwacht. Die Videos, die von der Generalstaatsanwaltschaft veröffentlicht wurden, sind gerade auf Mitte Mai datiert. Und am 22. Juni, erzählte Luzenko, wurde das erwähnte Geld vom Abgeordneten Linko über den Mittelsmann an Ihor Huschwa in einem Sack mit einem Sender übergeben.

Als der Sender anzeigte, dass das Geld in die Redaktion von Strana gebracht wurde, dann griffen die Ermittler zu, erzählte Luzenko.

Das Verteidigerteam

Bereits als in der Redaktion der Internetzeitung die Durchsuchung lief, tauchte bei Huschwa bereits ein ganzes Team von Juristen auf.

Als Anwalt des Chefredakteurs der Website stellte sich Andrij Smirnow heraus, der vor Gericht den Ex-Regionalen Olexander Jefremow und Ex-Justizministerin Olena Lukasch verteidigte. Außerdem traf Lukasch selbst gegen 22 Uhr ein, um Huschwa zu verteidigen.

Sie selbst versuchte mit den Zeugen zu reden, welche die Tatsache der bei Huschwa beschlagnahmten erwähnten Gelder bezeugten, und später gab sie Kommentare für die Presse, als gegen vier Uhr morgens am Freitag die Durchsuchung der Redaktion endete und der Chefredakteur von Strana von der Polizei mitgenommen wurde.

Bereits am Morgen begann sich für Huschwa massenhaft Abgeordnete einzusetzen, hauptsächlich aus den Reihen des Oppositionsblocks. Insbesondere erklärten sich die Abgeordneten Olexander Wilkul, Mychajlo Dobkin und Jurij Miroschnytschenko vom Oppositionsblock bereit für ihn zu bürgen.

Außerdem versprach der fraktionslose Jewhen Murajew, der Eigentümer des Fernsehsenders NewsOne, ebenso für die Freilassung Huschwas zu kämpfen.

Die nächtlichen Vorgänge in der Redaktion von Strana entrüsteten nicht nur die „oppositionellen“ Abgeordneten, sondern auch die Nationale Journalistengewerkschaft.

„Die Durchsuchung einer Redaktion eines Pressemediums und die Festnahme des Chefredakteurs ist eine außerordentliche Situation! Besonders, wenn man bedenkt, dass Strana.ua sehr beliebt ist und sich erlaubt, systematisch hochgestellte Persönlichkeiten zu kritisieren“, schrieb der Chef der Gewerkschaft, Serhij Tomilenko, bei Facebook.

Am Freitagmorgen, am 23. Juni wurde bekannt, wo Huschwa festgehalten wird. Die Generalstaatsanwalt teilte mit, dass die Nationale Polizei ihn und seinen Assistenten für Absatz 3 Paragraf 189 des Strafgesetzbuches der Ukraine (Erpressung) festnahm. Der Name des Assistenten wurde von der Staatsanwaltschaft nicht mitgeteilt.

Zur gleichen Zeit teilte Lukasch mit, dass das Festnahmeprotokoll für Huschwa ausgestellt wurde und seit dem Morgen sein Verhör in der Hauptverwaltung der Polizei von Kiew stattfindet.

Von da aus wurde er in das Untersuchungsgefängnis in der Kosohirnyj-Gasse in Kiew verlegt. Weiter wartet auf ihn die Festlegung der Vorbeugemaßnahme (am Samstag wurde zwei Monate Untersuchungshaft gegen ihn verhängt und die Kautionssumme auf umgerechnet 18760 Euro festgelegt, A.d.Ü.).

Am Freitag sprach Luzenko auf der erwähnten Pressekonferenz von noch einem weiteren Verfahren gegen Huschwa.

Der Leiter der Generalstaatsanwaltschaft erzählte, dass der Chefredakteur in einem Verfahren des Staatlichen Fiskaldienstes figuriert, in dem ihm Steuerhinterziehung in Höhe von 94 Millionen Hrywnja (ca. 3,2 Millionen Euro) vorgeworfen wird.

„Der Version der Ermittlung nach erhielt Huschwa 2013 als Manager der Vesti-Massmedia GmbH rettende Finanzhilfe in Höhe von 94 Millionen Hrywnja von dem fiktiven Unternehmen MPP Ledis. Als Quelle der angegebenen Geldmittel trat eine Unternehmensgruppe des gut bekannten Kurtschenko in Erscheinung“, sagte Luzenko (Die Westi-Mediengruppe des im Moskauer Exil lebenden Ex-Finanzministers Olexander Klimenko trat zuerst im Mai 2013 mit einer wochentäglichen Gratiszeitung in Erscheinung. Neben der Website und dem Wochenjournal Reportjor gehörten ein Talkradio- und ein Fernsehsender dazu. Huschwa leitete die Mediengruppe bis Juli 2015, die sich vor allem nach dem Maidan wegen angeblicher „prorussischer Positionen“ immer wieder Angriffen von Nationalisten und staatlichen Organen ausgesetzt sah. Nachdem Huschwa bei Westi unfreiwillig ausstieg, gründete er im Februar 2016 die Website Strana.ua, die inzwischen zu den Top-5-Seiten der Ukraine gehört. A.d.Ü.)

Der Generalstaatsanwalt verkündete, dass diese Gelder für die Finanzierung der Media-Holding verwendet wurden. Kurz zuvor erklärte die Redaktion von Strana, dass die Festnahme des Chefredakteurs noch nicht das Ende ihrer Probleme ist.

Mit Verweis auf eigene Quellen in den Rechtsschutzorganen schrieb die Redaktion, dass man versucht das „Steuer“-Verfahren gegen Huschwa für die Aneignung der Domain von Strana zu nutzen.

„Die Domain wird ‚abgepresst‘ über die Beschlagnahmung der Unternehmen, die mit Strana über das Verfahren zur Steuerhinterziehung in besonders hohem Maße verbunden sind. Hauptziel dieses Spektakels ist eben der Erhalt der Kontrolle über die Handelsmarke und die Domain“, heißt es in einer Nachricht auf der Website.

Und nach dem abendlichen Video der Generalstaatsanwaltschaft sieht es so aus, als ob die Probleme für Strana erst beginnen.

Roman Romanjuk, Roman Krawez

Quelle: Ukrajinska Prawda

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 2157

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