Zur Frage der Kriegskosten in der Ukraine


Von 1993 bis einschließlich 2014 hat die Ukraine für militärische Zwecke 580,5 Milliarden Hrywnja (derzeit etwa 23 Milliarden Euro) ausgegeben (zu Preisen von 2010). Dank dieser hatten wir zu Beginn des Krieges eine Armee, die sich – unter großer Unterstützung durch die Bürger – als fähig erwiesen hat, die russische Aggression zu stoppen (Nach Bewertung ausländischer Militärattachés betrug der Umfang freiwilliger Hilfe vom Frühjahr 2014 bis Frühjahr 2015 ca. 25 Prozent des Militärbudgets, d.h. 10-11 Milliarden Hrywnja). Versuchen wir zu zählen, welche Verluste wir vermieden haben und wie diese potenziellen Verluste im Verhältnis stehen zu den aufgelaufenen Militärausgaben.

Die Deckung der Militärausgaben in der Ukraine

Unser Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrug 2014 1062,8 Milliarden Hrywnja (in Preisen von 2010, heute etwa 42,5 Milliarden Euro). Betrachten wir die folgenden möglichen Szenarien der Besetzung ukrainischen Territoriums für den Fall, dass der ukrainische Widerstand zu schwach ist, um den Aggressor zu stoppen:

Auf die südlichen und östlichen Regionen entfallen 43 Prozent des BIP, ohne Berücksichtigung der okkupierten Gebiete auf der Krim und im Donbass. 2014 entsprach dies 457 Milliarden Hrywnja zu Preisen von 2010, oder 80 Prozent der Militärausgaben seit Beginn der Existenz der Ukraine. Streng genommen läuft der Militärkonflikt nicht seit Beginn des Jahres, außerdem kann das Timing der hypothetischen Besetzung durch Russland unterschiedlich ausfallen.

Wenn man annimmt, dass beim Fehlen eines effektiven Widerstands die Russen die südlichen und östlichen Regionen zum Sommer 2014 besetzt hätten, dann hätten sich bei der tatsächlichen Entwicklung der Ereignisse zum jetzigen Zeitpunkt alle Militärausgaben in den Jahren der Existenz der Ukraine innerhalb eines Jahres zu 80 Prozent bezahlt gemacht.

Beim zweiten Szenario erhöht sich der Preis auf 81,5 Prozent des BIP, d.h. auf 866 Milliarden Hrywnja, oder 150 Prozent der kumulierten Militärausgaben. In diesem nicht eingetretenen Szenario hätte sich unsere Armee schon zu Ende Februar 2015 rentiert und wir hätten noch ein Plus von 50 Prozent der kumulierten Ausgaben erzielt.

Beim dritten nichteingetretenen Szenario wäre der Preis der Frage das gesamte BIP, d.h. 183 Prozent der kumulierten Militärausgaben. Dann hätten sich alle Militärausgaben bereits im Januar 2015 rentiert.

Die weitere Rechnung zeigt, dass das Aufkommen einer existenziellen Gefahr (hier die offensichtliche Erscheinungsform) die kumulierten Militärausgaben zu einer sehr lohnenden Anlage gemacht hat – vielleicht zur lohnendsten aller Ausgaben des ukrainischen Staates. In Anbetracht des Umstands, dass die existenzielle Bedrohung nicht verschwinden wird, werden Militärausgaben noch lange eine gute Art und Weise sein, Haushaltsgelder anzulegen.

Erfahrungen anderer Länder mit Militärausgaben


Um vergleichen zu können, wie groß die Militärausgaben der Ukraine im Vergleich zu anderen, sich unter ähnlichen Bedingungen befindenden, Ländern sind, habe ich einige Daten zusammengestellt (Quellen sind SIPRI und das israelische Statistikamt).

Sich orientierend an der überaus schwierigen Typologie des Konflikts in der Ukraine habe ich mich bemüht, Daten zu vier Konfliktkategorien zu sammeln:

Eigentümlicherweise lässt sich der Krieg im Donbass in jede der vier o.g. Kategorien einordnen: die rein hybride Phase der Kriegshandlungen gewann die Ukraine und nötigte damit Russland zur direkten Einmischung, nach der man den Konflikt sowohl als hybrid als auch als konventionell einstufen kann. Das Vorhandensein einer existenziellen Bedrohung hängt von den Plänen der Bewohner des Kremls ab, die uns unbekannt sind (es ist überaus wahrscheinlich, dass die nicht einmal dem Kreml selbst bekannt sind). Im Übrigen können wir mit höherer Wahrscheinlichkeit den Krieg im Donbass als hybriden mit Bedrohung der staatlichen Existenz der Ukraine annehmen. Ich merke an, dass die gegebene Typologie höchst relativ ist und sich nicht auf irgendeine seriöse Forschung stützt, ebenso ist sie kein Versuch einer qualifizierten Klassifizierung. Die Gliederung wurde einfach dafür gemacht, um die Daten besser zu analysieren.

Die Militärausgaben betrugen in der Ukraine 2014 3,1 Prozent des BIP (Daten von SIPRI), für 2015 sind 2,8 Prozent des BIP geplant (Ausgaben für Verteidigungsministerium, Nationalgarde, Grenzschutz; das erwartete BIP stammt aus der Schätzung des Finanzministeriums von April 2015). Wie wir sehen, ist dies weniger als das mittlere Niveau aller oben aufgeführten Konfliktarten. Ausgehend von den Erfahrungen mit den militärischen Konflikten der zweiten Hälfte des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts müssen unsere Militärausgaben vergrößert werden, um mindestens 1-2 Prozent des BIP (oder um ein mehrfaches, wenn wir uns schnell auf einen konventionellen Krieg mit der Russischen Föderation in größerem Maßstab vorbereiten wollen).

Damit können wir die nächste Schlussfolgerung ziehen – das gegenwärtige Niveau der Militärausgaben in der Ukraine ist zu niedrig im Vergleich zu Ländern, welche in den letzten Jahrzehnten gezwungen waren, Kriege ähnlich dem im Donbass zu führen.

Die Struktur der Militärausgaben

Solange das hohe Bedrohungsniveau aufrecht erhalten wird, ist die Kostendeckung der Militärausgaben sehr hoch. Wenn man zum Beispiel annimmt, dass das unter der Bedrohung militärischer Besetzung stehende Territorium 40 Prozent des BIP des Landes produziert (die gesamten südlichen und noch nicht besetzten östlichen Gebiete) und dass eine zusätzliche Erhöhung des Militärhaushalts um 1 Prozent des BIP die Wahrscheinlichkeit der Realisierung dieses Szenarios sich nur um 0,01 verringert, dann werden sich diese zusätzlichen Ausgaben nach 2,5 Jahren bezahlt machen (1/(40*0,01)). Die Bewertung ist relativ konservativ, die Ausgabendeckung trotzdem hoch.

Es ist offensichtlich, dass die Militärausgaben in dieser Situation unbedingt auf ein Niveau erhöht werden müssen, unter denen eine der folgenden Bedingungen realisiert werden kann:

Wir wollen nun prüfen, wie das Beschriebene in Beziehung steht zum gegenwärtigen Stand der Dinge. Den Informationen aus offenen Quellen nach zu urteilen, gibt es auf nur einem Gebiet der Modernisierung der ukrainischen Streitkräfte eine große Nische für die Anwendung zusätzlicher finanzieller Mittel. Ein bedeutender Teil unserer militärischen Bestellungen umfasst Reparatur und Bau alter, nichtmodernisierter Technik für neu aufgestellte Einheiten (allein in den Landstreitkräften müssen vier motorisierte Infanteriebrigaden allmählich umorganisiert werden in mechanisierte Einheiten, das gleiche mit neuen motorisierten Bataillonen, ebenso müssen Artilleriebrigaden vervollständigt werden), d.h. aus Sicht der militärischen Leistungsfähigkeit würde es einen großen Effekt bringen, mit größeren Mitteln könnte man auch den Prozess der Umrüstung beschleunigen.

Dmitrij Tymtschuk (Parlamentsabgeordneter und selbst ernannter Militärexperte, A.d.R.) nannte seinerzeit die Zahl von 500 000 Soldaten, die notwendig wären für den zuverlässigen Schutz der Ukraine vor Russland, dies bedeutet, dass wir mehr neue Einheiten aufstellen müssen. Dabei erklärte Jurij Birjukow (Berater des Präsidenten, A.d.R.), dass im Bereich der materiellen Versorgung ein Finanzdefizit existiert, wobei dieses von Beginn an im Haushalt eingeplant war.

Auf diese Weise ist bei zusätzlichen Ausgaben von mindestens 1-2 Prozent des BIP ein maximaler Deckungsbeitrag absolut möglich (bei einer Verringerung der Wahrscheinlichkeit der Besetzung südlicher und östlicher Regionen durch die Russische Föderation um 0,01).

Die Überprüfung der zweiten Bedingung ist noch einfacher. Nach Bewertungen von Experten verringert schon allein die vollständige Einführung eines elektronischen Systems staatlicher Einkäufe die Staatsausgaben um 10-20 Prozent (etwa 40-70 Milliarden Hrywnja im Jahre 2015) über die Verminderung der Korruptionsbestandteile, was bereits 2-3,5 Prozent des BIP ausmacht. Darüber hinaus gibt es noch eine Menge ineffektiver Ausgaben, es gibt das “schwarze Loch” der Rentenversicherung, deren Revision eine Verringerung der Ausgaben um ca. 25 Milliarden Hrywnja (etwa 1 Milliarde Euro) einbringen könnte. Es gibt darüber hinaus die Erwartung einer Verringerung der Ausgaben für die Zahlung der Auslandsschulden an Privatgläubiger infolge der Umstrukturisierung oder eines Zahlungsmoratoriums.

Damit gibt es im Staatshaushalt einen finanziellen Spielraum von 1-2 Prozent des BIP zugunsten des Verteidigungshaushalts, wobei dies keine Erhöhung der Staatsquote erfordert, lediglich eine Umverteilung des derzeitigen (oder sogar sich verringernden) Staatsanteils am BIP. Eine Erhöhung um mehr als 2 Prozent des BIP erfordert eine tiefere Analyse, aber in diesen Grenzen gibt es unbenötigte Ressourcen.

Fazit

Die Ergebnisse zusammenfassend, kann man folgende Schlussfolgerungen ziehen:

  1. Die Militärausgaben der Ukraine haben im Nachhinein gezeigt, dass sie die effektivste Form der Verwendung von Haushaltsmitteln sind; alle seit Bestehen der Unabhängigkeit der Ukraine dafür aufgewendeten Ressourcen haben sich bereits rentiert oder tun dies bald.
  2. Das gegenwärtige Niveau der Militärausgaben in der Ukraine ist noch niedrig im Vergleich zu Ländern, welche in den letzten Jahrzehnten gezwungen waren, Kriege zu führen, ähnlich dem im Donbass.
  3. In den Grenzen der Erhöhung der Militärausgaben um 1-2 Prozent des BIP ist der Deckungsbeitrag der Militärausgaben sehr hoch und die Mittel zu ihrer Erhöhung ohne ernste soziale und ökonomische Folgen sind vorhanden.

Davon ausgehend kann man sich die Kühnheit nehmen zu behaupten, dass es möglich und notwendig ist, die Militärausgaben in der Ukraine um 1-2 Prozent des BIP zu erhöhen. Dies muss erfolgen über den Weg der Umverteilung von Ressourcen im Staat auf Kosten von ineffektiven und korruptionsgeprägten Ausgabenposten. Je schneller diese Umverteilung von Ressourcen von sich geht, umso besser ist dies für die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine und umso höher sind die Chancen, den Krieg zu gewinnen.

17.07.2015 // Pawel Kuchta

Quelle: Lewyj Bereg

Übersetzer:   Andre Müller  — Wörter: 1714

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