"Gasprom" soll draußen bleiben
Das Europaparlament hat gestern das so genannte “Dritte Energiepaket” verabschiedet – den Plan zur Liberalisierung des europäischen Energiemarktes. Er stimmt vollständig mit der Brüsseler Deklaration zur Modernisierung des ukrainischen Gastransportsystems überein, deren Realisierung dazu führt, dass “Gasprom” sein Gas an der Grenze zur Ukraine verkaufen muss.
Das Europaparlament hat auf der gestrigen Sitzung in Straßburg mit einer absoluten Mehrheit in der zweiten Lesung das von der Europäischen Kommission vorgeschlagen “Dritte Energiepaket” verabschiedet. Jetzt ist für ein Inkrafttreten nur noch die Zustimmung des Ministerrates der EU notwendig. Den Informationen eines Informanten des “Kommersant-Ukraine“ bei der Europäischen Kommission nach, ist die Wahrscheinlichkeit hierfür sehr hoch. In diesem Falle wird eine dritte Lesung bereits nicht mehr notwendig sein.
Das “Dritte Paket”, welches von der Europäischen Kommission bereits im Jahr 2007 vorgeschlagen wurde, schlägt vor, dass die Unternehmen, welche Gas und Strom verkaufen, die Transportnetze nicht besitzen sollen, da dies zu einer künstlichen Erhöhung der Preise führt. Initiator der Forderung waren kleinere Energiehandelsunternehmen, die erklärten, dass die großen Energiekonzerne ihnen den Zugang zu den Verteilungsnetzen erschweren. Daraufhin forderten die Antimonopolorgane von den deutschen Energieunternehmen RWE und E.ON ihre Verteilungsnetze zu verkaufen. Doch Paris und Berlin traten kategorisch dagegen auf, woraufhin die restlichen EU-Staaten einem Kompromiss zustimmten – die Netze und Handelsstrukturen können im Eigentum eines Besitzers bleiben, doch unter Beobachtung eines unabhängigen Regulierers.
Das gestern beschlossene Dokument beschreibt die neuen Spielregeln auf dem europäischen Gasmarkt. Jedem der EU Länder wird eines von drei Schemen zur Wahl gestellt. Die erste Variante schlägt eine zwangsweise Aufteilung des Eigentums in vertikal integrierte Holdings vor: die Energieunternehmen sollen ihre Transportnetze einem unabhängigen Betreiber verkaufen und dürfen keine Kontrollpakete besitzen. Die zweite Variante erlaubt es den Förderunternehmen Besitzer der Transportnetze zu bleiben. Doch die Verwaltung des Netzes soll in diesem Fall ein speziell geschaffener “unabhängiger Betreiber des Systems” übernehmen. Die dritte Variante schlägt ebenfalls die Beibehaltung einer integrierten Gesellschaft vor, doch ihre Tätigkeit wird von einem speziellen “Aufsichtsorgan” kontrolliert. Für die Einführung dieser Regeln werden den europäischen Staaten 3,5 Jahre gewährt.
Gesondert ist im Dokument vorgeschrieben, dass diese Regeln nicht nur auf europäische Unternehmen angewendet werden, sondern auch auf Firmen von Drittländern, die mit der EU zusammenarbeiten. Im “Dritten Paket” wird hervorgehoben, dass die Regierungen jedes der europäischen Länder Unternehmen das Recht zum Eintritt auf den Binnenmarkt in zwei Fällen entziehen können: falls das Unternehmen nicht der Trennung von Förderung und Transport zustimmt und falls das Auftauchen des Unternehmens auf dem Markt die Energiesicherheit der Mitglieder der EU gefährdet. Die von der EU geplante Liberalisierung wurde bei der russischen “Gasprom” immer fast als Katastrophe beschrieben – der stellvertretende Vorstandsvorsitzende, Alexander Medwedjew, sagte nicht nur einmal, dass diese das geltende Liefersystem zerstört. Gestern gelang es nicht bei “Gasprom” Kommentare einzuholen.
Offensichtlich ist, dass die Ukraine zum ersten Platz wird, wo das neue europäische System zur Anwendung gelangt. Die Brüsseler Deklaration zur Modernisierung des ukrainischen Gastransportsystems, die von Premierin Julia Timoschenko und dem Chef der Europakommission Jose Manuel Barroso unterzeichnet wurde, entspricht vollständig dem Geist und den Buchstaben des “Dritten Paktes”. Falls das Gastransportsystem einer der europäischen Firmen übergeben wird – diese Möglichkeit wurde in dem Abkommen vorgesehen -, dann muss “Gasprom” sein gesamtes Gas an der Grenze von Russland an die Ukraine verkaufen und kann die weitere Bewegung des Gases nicht mehr kontrollieren. “Jedoch, was das Europarlament oder die Ukraine beschlossen hat, ist nicht entscheidend, die Hauptfrage ist: Was wird Russland tun?”, betont der Berater der Premierministerin bei Energiefragen, Alexander Gudyma. “Derzeit gibt es zu ‘Gasprom’ keinen alternativen Gaslieferanten für Europa”.
Natalja Grib, Michail Sybar, Seda Jegikjan
Quelle: Kommersant-Ukraine