Gesundheitsreform vom interdisziplinären “Profiteam”


Der Bolschewismus ist keine Politik, er ist eine Krankheit. Der Bolschewismus ist kein Credo, er ist eine Seuche. Und wie jede Seuche, entsteht er unerwartet und verbreitet sich mit halsbrecherischer Geschwindigkeit. Er ist furchtbar ansteckend. Die Krankheit verläuft sehr schmerzhaft und endet mit dem Tod. Jedoch wenn der Bolschewismus, wie jede Krankheit, endlich abklingt, können die Menschen noch lange nicht zu Besinnung kommen. Noch viel Zeit vergeht, bevor sie vernünftig werden. Winston Churchill

In der Sendung „Welyka Politika/Große Politik mit Jewgenij Kisseljow“ wurde vor kurzem das langersehnte Reformkonzept für das System der medizinischen Hilfeleistung vorgestellt. Den Angaben des Sozialforschungszentrums „SOZIS“ nach machen sich mehr als 50% der ukrainischen Bürger Sorgen über ihren Gesundheitsstand. Das ist dreimal mehr, als die Zahl der Bürger, die Angst vor dem Verlust der Eigenstaatlichkeit oder der Gefahr des Autoritarismus haben. Dementsprechend erwartet 70% der Bevölkerung entschlossene Reformschritte von der Regierung.

Die Ergebnisse der interaktiven Umfrage besagen, dass die Mehrheit der Zuschauer mit dem Preis der medizinischen Leistungen nicht zufrieden ist. Frau Akimowa hat wiederum zwei Hauptprobleme im System des Gesundheitswesens genannt: abwesende Motivation zur Arbeit seitens der Ärzte und Verantwortungsmangel.

Es ist sehr seltsam, dass die Menschen im System der kostenlosen Medizin in erster Linie durch den Preis der medizinischen Leistungen beunruhigt sind. Es ist genau so, als wären die Verkehrsteilnehmer in erster Linie vom Preis der Leistungen der Verkehrspolizei beunruhigt.

In diesem Fall sehen die „drei Säulen“ des Reformkonzepts nicht weniger seltsam aus:

Wenn die Reformatoren kein Preisproblem im Gesundheitswesen sehen, muss man dann unter der Zugänglichkeit der medizinischen Leistungen ihre Entfernung von der Bevölkerung verstehen? Wahrscheinlich eben deswegen muss die Hälfte der Kreiskrankenhäuser in den Testgebieten geschlossen werden. Der Patiententransport zum Krankenhaus darf aber nicht länger als 20 Minuten sein und für Stadtbewohner nicht länger als 10 Minuten.

Diese Fristen rufen sogar bei den heutigen Bedingungen nur ein Lächeln hervor.

Wie es sich später herausgestellt hat, haben wir auch andere Probleme außer „Anreizmängel“ und „Verantwortung“. Und zwar: Wir haben sehr wenig Familienärzte, und die Zahl der stationären Plätze liegt um die Hälfte über dem Bedarf. Beispielsweise in solchen Städten wie Dnipropetrowsk, Kiew, Lemberg gibt es etwa 90 Ärzte pro 10.000 Personen. Das ist 3-4-Mal mehr als in Europa, wo die Zahlungsfähigkeit der Bevölkerung viel höher als in der Ukraine ist.

Frau Akimowa glaubt, dass man einen Schritt in die Richtung der sogenannten Familienmedizin machen muss. Denn mehr als 90% der Hilfe wird in den als Beispiel genommenen entwickelten Ländern auf der primären Ebene geleistet. Wahrscheinlich eben deswegen findet bei uns die größte Konzentration der öffentlichen (!) Mittel auf der sekundären und tertiären Ebene der medizinischen Hilfe statt.
In unserem Land werden 4% des „riesigen“ ukrainischen BIPs für die Finanzierung des Gesundheitswesens ausgegeben. Und wie es sich herausgestellt hat, ist das nicht so wenig. Und das Wichtigste ist, dass die Mehrzahl der Diskussionsteilnehmer die „Reformen“ bemerkt haben, die schon längst angefangen haben, und zwar von „unten“.

Einfache Dinge für große Leute

Das System der medizinischen Hilfeleistung entwickelte sich in den europäischen Ländern auf dem natürlichen Wege: marktwirtschaftlich und ohne Verwaltungseingriffe. Der Preis wurde vom Markt bestimmt. Der Staat übernahm jedoch mit der Zeit die Vollmacht, die Ausgaben für medizinische Dienstleistungen völlig oder teilweise zu entschädigen. Die öffentlichen Mittel wurden ausschließlich für eine bestimmte medizinische Dienstleistung ausgegeben.

Der Begriff „medizinische Dienstleistung“ ist ein Marktprodukt. Ihr Preis ist ein Integralwert, der ausschließlich durch die Angebots-Nachfrage-Relation gebildet wird. Er beinhaltet sehr viel, unter anderem auch die Mietausgaben, Kosten für die Ausrüstungen, die potentiellen Kosten für Gerichtsverhandlungen und materielle Entschädigung für die Patienten.

Die Versicherung in diesen Ländern ist auch das Ergebnis der Traditionen, Kultur und Marktentwicklung. Sie ist freiwillig entstanden und wurde auf Selbstaufopferung und Ehrlichkeit begründet.

Die moderne Krankenversicherung besteht darin, dass eine Person, die direkt oder indirekt, freiwillig oder zwangsläufig, die Kosten für die medizinische Betreuung bezahlt hat, diese Kosten zugunsten derjenigen spendet, die diese Betreuung momentan benötigen.

In der Regel wird die Entschädigung der für die medizinische Behandlung ausgegebenen Gelder nicht direkt vom Staat, sondern durch Versicherungsunternehmen und quasistaatliche Institutionen durchgeführt. Diese Vermittler spielen die Rolle von Experten und Schiedsrichtern im Beziehungstriangel „Patienten-Arzt-Staat“.

Der Familienarzt ist eine weitere Folge der Marktentwicklung.

Er wurde nicht in den gemütlichen Büros der Stadtverwaltung ausgedacht, und auch nicht aus den Kreolen des mexikanischen Plateaus übernommen. Der Familienarzt ist unter den Bedingungen der notwendigen und harten Sparmaßnahmen seitens Bürger entstanden. Der Markt brauchte einen Fachmann, der alles oder fast alles machen könnte, was entsprechend weniger qualitativ und deswegen auch billiger war.

Mit der Steigerung der Kaufkraft der Bevölkerung und der Beseitigung des Transportproblems ist auch die Notwendigkeit von solchen Fachleuten verschwunden.

Europa, USA, Kanada, Australien und Neuseeland verzichten langsam auf die Familienmedizin. Immer weniger junge Leute sehen sich in der Zukunft als Familienärzte. Und diese Tatsache ist unbestreitbar.

Deswegen müssen unsere Reformatoren entscheiden, wie sich das System der medizinischen Hilfeleistung entwickeln wird: marktwirtschaftlich oder administrativ.

Wenn der marktwirtschaftliche Weg gewählt wird, dann muss der Markt geschaffen und demonopolisiert werden. Dafür ist die gründliche Privatisierung des Medizinsektors nicht ausreichend. Es muss auch kontrolliert werden, dass das Eigentum des Medizinsektors nicht wieder verstaatlicht wird. Dann wird der Preis von medizinischen Dienstleistungen durch den Markt bestimmt. Und anschließend entscheidet der Staat, in welchem Ausmaß und auf welche Weise die Entschädigung der für die medizinische Behandlung ausgegebenen Kosten durchgeführt wird.

Bei einem solchen Verlauf der Ereignisse wird klar: Die Mehrheit der medizinischen Dienstleistungen wird eher billiger, als teurer.

Die Patienten fangen dann selber an, sich um ihre Gesundheit zu kümmern. Und während sie in den Supermarkt gehen, um Zigaretten und Bier anzuschaffen, werden sie parallel das Geld für Thrombenauflösung und Stent-Implantationen zurücklegen.

Zusammen mit dem Eigentum bekommen die Ärzte wirtschaftliche Unabhängigkeit, juristische Subjektivität und die damit verbundene Verantwortung, um die Irina Akimowa so besorgt ist. Dann werden sie gezwungen sein Ärzteverbände zu organisieren, und können sich als Freiberufler bezeichnen.

Jedoch wenn die Bürger den Wunsch oder das Bedürfnis bekommen, bei einem „Alleskönner“ behandelt zu werden, dann erscheinen bei uns die Familienärzte.

Wenn wir uns aber für den administrativen Entwicklungsweg entscheiden und das Gehalt unserer Ärzte vom Staatsbudget finanziert wird, ist es sinnlos vom Begriff der medizinischen Dienstleistung zu sprechen. Warum geht dann die Rede von ihrem Preis? Und warum wird dann die These aufgestellt, dass der Preis der medizinischen Hilfeleistung auf der primären Ebene niedriger ist?

Wie unterscheidet sich das Gehalt eines Kreisstaatsanwalts vom Gehalt eines Generalstaatsanwalts? Das Gehalt wird so sein, wie es administrativ bestimmt wird.

Warum ist dann die Rede von der Konkurrenz und vom Kampf um die Patienten? Gibt es etwa bei den Polizisten die Konkurrenz um die Verbrecher? Oder konkurrieren die Feuerlöscher um die Brände?

Welche Rolle erfüllt dann der §49 der Verfassung? Da ist eindeutig geschrieben: „In den Anstalten der kommunalen und staatlichen Eigentumsform wird die medizinische Hilfe kostenlos geleistet, denn sie ist schon mit öffentlichen Mitteln bezahlt“. Metaphorisch ausgedrückt besagt der §49, dass im Land mit einem Rechtsfahrgebot auf der rechten Seite gefahren wird. Und im Land mit einer kostenlosen Medizin wird die Hilfe kostenlos geleistet. Denn das Gehalt der Ärzte wird von den öffentlichen Mitteln finanziert und der Staat besitzt die medizinischen Anstalten.

Das in der Verfassung festzuhalten, ist nicht nötig. Denn es ist ohnehin jedem Menschen klar. Wenn die Stadt durch Staus verstopft ist, darf man trotzdem nicht auf der linken Seite fahren – da gibt es Gegenverkehr.

Und wenn das vom Staat bezahlte Gehalt einem Arzt nicht für den Lebensunterhalt ausreicht, dann darf er trotzdem den Patienten nicht ausbeuten.

Genauso darf ein Wirtschaftsprüfer nicht das fehlende Geld bei einem Unternehmer gewinnen.

Während es bei einem Wirtschaftsprüfer oder Staatsanwalt nicht so viele Lösungswege gibt, kann man einen Arzt ruhig auf den freien Markt schicken. So wie es im Dienstleistungssektor passiert ist, wozu zu UdSSR Zeiten auch die Ärzte gehörten.

Was passiert und womit alles endet

Die Probleme, die Frau Akimowa im Gesundheitssystem genannt hat (abwesende Motivation seitens der Ärzte und Verantwortungsmangel), betreffen nicht nur den medizinischen Sektor, wo die informale Vergütung seitens der Patienten fehlt. Da dieses Segment der medizinischen Hilfeleistung immer wieder reduziert wird und kontinuierlich auf Null sinkt, ist es falsch und nicht fair es als Grundlage zu nehmen. Dazu gehören Bereichskinderärzte, Therapeuten, Laborfachärzte etc.

Man muss bedenken: Wenn sie vom Staat nicht motiviert werden, werden sie von niemandem motiviert.

Der Marktsektor hat keine Probleme mit der Motivation. Der Preis der Arbeitsanstellung schwankt da von ein paar Tausend bis 10.000 Dollar. Dieser Sektor leidet unter dem Verwaltungseingriff in die Marktbeziehungen seitens der höheren medizinischen Leitung.

Zum Beispiel unter der unmotivierten und verantwortungslosen Sättigung des Markts mit Ärzten. Die Mehrheit der im Marktsektor arbeitenden Ärzte meint, dass sie die privaten Finanzinteressen ihrer unmittelbaren Leitung bedienen während sie gerne selbständig arbeiten würden.

De facto ist im Budgetsektor ein Markt eingebaut

Leider schickt sich die höhere politische Macht nicht an aus der sozialen Medizin die Marktbeziehungen herauszunehmen, mit denen Gewinn erzielt wird, und unter dem Schirm der Auftrennung in primäre, sekundäre und tertiäre Hilfe, setzt sie damit fort einen Markt in der sozialen Medizin zu errichten, dabei Monopolist bleibend.

Es ist ein weltweites Phänomen im sozialen Bereich einen Markt zu errichten. Dafür sollen die entsprechenden Gesetze vorbereitet werden, wie Frau Akimowa den Zuschauern von „Inter“ mitgeteilt hat.

Ganz bald werden die ukrainischen Bürger die Folgen einer solchen „Reform“ spüren.

Sie werden sich kaum von den Reformen in der Gasverbundwirtschaft unterscheiden, wo nur die Bevölkerung mit den Ausgaben für das Haushaltsgas belastet wurde während die Industrie Vergünstigungen bekommen hat. Diese Ergebnisse werden sich kaum von der Steuerreform unterscheiden, wo die Großunternehmen die versprochenen „Ferien“ bekommen haben, während die Kleinunternehmen unterdrückt wurde.

Im System der medizinischen Hilfeleistung werden die Ergebnisse genauso sein.

Die Reichen werden aus öffentlichen Mitteln behandelt werden. Und der Transport von Anna Hermann ins Krankenhaus „Feofanija“ wird tatsächlich nicht länger als 10 Minuten dauern.

Jedoch die Mehrheit der Bevölkerung wird trotz gezahlten Steuern tief in die Tasche greifen müssen. Und der Weg ins Krankenhaus wird für sie bis zu einem halben Tag dauern können.

In der Zwischenzeit wird aktive Reformierungstätigkeit vorgetäuscht.

Die Beamten werden in ihren gemütlichen Büros den Preis von Blutdruckmessung und Nasenspiegelung bestimmen, dabei die Augen verdrehend. Die Ortsverwaltungen werden die Kreiskrankenhäuser auflösen. Die höhere medizinische Verwaltung wird mit dem medizinischen Personal alles machen, was sie will: entlassen, versetzen, zu Familienärzten umqualifizieren usw.

Die Ärzte werden die Chefärzte „beschenken“. Die Chefärzte wiederum ihre Verwaltung. Und die Verwaltung „beschenkt“ dann die höher stehende Verwaltung usw.

Die Patienten übernehmen noch größere finanzielle Verbindlichkeiten, und die Ärzte werden nicht mehr mitbestimmen können.

Im Großen und Ganzen bekommt jeder das Seine.

8. Dezember 2010 // Anatolij Jakymenko, unabhängiger Fachberater für die Reformierung des Gesundheitssystems

Quelle: Ukrajinska Prawda

Übersetzerin:    — Wörter: 1781

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