Interview des russischen Botschafters löst Skandal aus
Gestern hat das Ministerium für äußere Angelegenheiten seinen Protest gegenüber dem Botschafter der Russischen Föderation in der Ukraine, Wiktor Tschernomyrdin, ausgedrückt, diesen der “unfreundlichen und äußerst undiplomatischen” Äußerungen an die Adresse der Ukraine und die Leitung des Landes beschuldigend. Das Außenministerium drohte damit den Botschafter – und ebenfalls andere Vertreter des russischen diplomatischen Korps, die in der Ukraine akkreditiert sind – zu Persona Non Grata zu erklären. Beim russischen Außenministerium sieht man den Protest als Ausdruck der allgemeinen Verhaltenslinie, die auf die Erzeugung von Spannungen in den ukrainische-russischen Beziehungen abzielt.
Gestern tauchte auf der Seite des Außenministeriums eine Information darüber auf, dass in das Ministerium der außerordentliche und bevollmächtigte Botschafter der Russischen Föderation in der Ukraine, Wiktor Tschernomyrdin, eingeladen wurde. “Während des Treffens mit dem russischen Diplomaten drückte der Minister für äußere Angelegenheiten, Wladimir Ogrysko, seinen Protest bezüglich der unfreundlichen und äußerst undiplomatischen Einschätzungen, Kommentare und Äußerungen an die Adresse der Ukraine und deren Leitung aus”, heißt es in der Mitteilung. Diese Handlungen des Botschafters widersprechen den Positionen des Wiener Übereinkommens zu diplomatischen Beziehungen, erscheinen als grobe Verletzungen der Normen der diplomatischen Ethik und des internationalen Rechts und ebenfalls als unvereinbar mit dem Status eines Leiters der diplomatischen Vertretung im Aufenthaltsland”??. Aus der Mitteilung der außenpolitischen Behörde folgt, dass der Protest sich nicht nur auf die Äußerungen Tschernomyrdins erstreckt, sondern auch auf die Äußerungen der Generalkonsuln der Russischen Föderation in Charkow und Odessa.
Auf die einfache Feststellung des Faktes der unfreundlichen Äußerungen beschränkte man sich beim Außenministerium nicht. In der Zeit des Treffens mit Tschernomyrdin, warnte Wladimir Ogrysko den russischen Diplomaten, dass derartige Handlungen “zum Anlass der Anwendung der Position des Artikels 9 des Wiener Übereinkommens zu den diplomatischen Beziehungen vom 18. April 1961 werden können”. “Der Empfangsstaat kann jederzeit, ohne Angabe von Gründen, den Entsendestaat davon in Kenntnis setzen, dass der Leiter der Vertretung oder irgendeines der Mitglieder des diplomatischen Personals der Vertretung eine Persona non grata oder das irgendein anderes Mitglied des Personals der Vertretung nicht annehmbar ist”, heißt es im Artikel, auf den sich das Außenministerium beruft.
Grund für diese scharfen Erklärungen des Außenministeriums könnte das kürzliche Interview Wiktor Tschernomyrdins in der Zeitung “Komsomolskaja Prawda w Ukraine” sein, welches am 11. Februar veröffentlicht wurde. In diesem hatte der Botschafter Russlands ukrainische Politiker unhöflich charakterisiert, insbesondere hatte er erklärt, dass Präsident Wiktor Juschtschenko und Premierin Julia Timoschenko “sich gegenseitig ankläffen und beschimpfen”.
“Er sieht wie ein normaler Kerl aus”, charakterisierte Wiktor Tschernomyrdin im Interview Präsident Wiktor Juschtschenko. “Er ist von diesem Schlag – die malen, Scherben sammeln. Vielleicht geht er drei Stunden um irgendeinen Hanf/irgendein Kraut herum, betrachtet dieses, fantasiert. Zu Hause hat er dann solche Dinge zusammengeklaubt – Mühlen, Mühlsteine! Windmühlen hat er in Kiew aufgestellt.”
Die Absicht den russischen Botschafter zur Persona non grata zu erklären, rief uneindeutige Reaktionen unter ukrainischen Politikern hervor. “Das beweist ein weiteres Mal die Unfähigkeit unseres Außenministeriums die ihm auferlegten Positionen zu erfüllen”, sagte dem “Kommersant-Ukraine“ der Sekretär des Parlamentsauschusses für auswärtige Angelegenheiten, Igor Alexejew (Kommunistische Partei der Ukraine). “Die letzten Versprecher, welche Wladimir Ogrysko zuließ, beweisen dies”.
Ein weiteres Mitglied des Parlamentsausschusses für auswärtige Angelegenheiten, der Parlamentsabgeordnete Andrej Schkil (BJuT) vertritt eine entgegengesetzte Meinung. “Falls der Botschafter eines ausländischen Staates tatsächlich die Positionen der Wiener Übereinkunft verletzt hat, dann kann er theoretisch des Landes verwiesen werden”, erklärte Schkil dem “Kommersant-Ukraine“. Dabei fügte er hinzu, dass “zum heutigen Tage es nicht zuverlässig bekannt ist”, wodurch diese Reaktion des Außenministeriums hervorgerufen wurde.
Der Erste Sekretär der russischen Botschaft in der Ukraine, Wladimir Jegenenko, konnte gestern diese Situation nicht kommentieren. “Leider, verfüge ich nicht über Informationen zu diesem Treffen und weiß nicht einmal, ob es eine Reaktion der Botschaft auf die veröffentlichte Information (den Protest von Seiten des ukrainischen Außenministeriums) geben wird”, sagte er dem “Kommersant-Ukraine“, unterstreichend, dass es derartige Erklärungen zur Möglichkeit der Deklaration von russischen Diplomaten zu Persona non grata bereits früher gab. “Wir kommentieren nicht jede Erklärung des ukrainischen Außenministeriums”.
Derweil hatte man beim Außenministerium der Russischen Föderation in dem Interview des Botschafters nichts umstürzlerisches gesehen. “Das Interview, welches Wiktor Tschernomyrdin gab, ist keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine. Und das, was er dort gesagt hat, spiegelt die Situation auf den höheren Ebenen der Macht wider”, betonte der Gesprächspartner des “Kommersant-Ukraine“ in der Informationsabteilung des russischen Außenministeriums. “Möglich ist, dass er etwas grob war, doch gab er eine richtige Einschätzung zur politischen Situation in der Ukraine und der Beziehungen zwischen den (politischen) Kräften ab”.
Und die Reaktion der Ukraine wurde in der russischen außenpolitischen Behörde als inadäquat angesehen. “Die Handlungen Kiews fügen sich in die Linie der ukrainischen Führung ein, die nicht auf eine Verbesserung der beiderseitigen Beziehungen abzielen, sondern auf die Erzeugung von Spannungen in diesen. Und die Reaktion Ogryskos bestätigt lediglich die Richtigkeit der Bewertungen, die unser Botschafter gab”, erklärte der Mitarbeiter der Informationsabteilung. Der Gesprächspartner des “Kommersant-Ukraine“ versprach, dass die offizielle Antwort Moskaus bereits heute veröffentlicht wird. Dabei wird, seinen Worten nach, falls der Artikel 9 des Wiener Übereinkommens Anwendung in Bezug auf den russische Botschafter findet,, Moskau in jedem Fall regieren und entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Walerij Kutscherk, Wladimir Solowjow
Quelle: Kommersant-Ukraine
Das erwähnte Interview in der Komsomolskaja Prawda findet sich hier