Investoren befürchten Staatspleite der Ukraine
Die Ukraine wird mit den Problemländern Venezuela und Argentinien verglichen, wobei das letztere eine Staatspleite zuließ. Investoren haben kein Vertrauen in die Ukraine.
Die Zahlungsausfallsversicherung für ukrainische Staatsanleihen hat sich auf das höchste Niveau seit 2013 verteuert. So haben nach Angaben der Deutschen Bank die Kreditausfall-Swaps (eine Zahlungsausfallsversicherung) für die Ukraine am 17. Oktober 1402 Punkte erreicht, was ein Maximum für fünfjährige Eurobonds darstellt.
Auf gut Deutsch: Kauft ein Investor ukrainische Staatsanleihen in Wert von zehn Millionen Dollar, so wird ihn die Versicherung souveräner Risiken (gegen eine mögliche Staatspleite) jährlich 1,4 Millionen Dollar kosten. Noch vor einem Jahr hätte eine solche Versicherung 909.000 Dollar für die gleiche Summe gekostet.
Unter den „Top-50“-Ländern, am Risiko bemessen, nehmen ukrainische Staatsanleihen im Moment den dritten Ranglistenplatz ein.
Auf dem zweiten Platz befindet sich Venezuela, das in diesem und nächstem Jahr 17 Milliarden Dollar zurückzahlen soll, die es im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2012 aufgenommen hatte. Die Gold- und Devisenreserven des Landes belaufen sich zugleich auf ungefähr 20 Milliarden Dollar. Die Situation verschlechtert sich durch rückläufige Preise für das Hauptexportgut Venezuelas – Erdöl. „Zudem ist die Regierung Venezuelas nicht bereit, unpopuläre Schritte wie eine Abwertung der staatlichen Währung zu unternehmen“, schrieb die Zeitschrift „The Economist“ Anfang Oktober. Die Zahlungsausfallversicherung für Staatsanleihen Venezuelas kostet bei einer Laufzeit von fünf Jahren 2067 Punkte.
Und nun zum Spitzenreiter des Negativ-Rankings, Argentinien, welches Ende Juli eine Staatspleite zuließ, obwohl die Regierung dies bis jetzt nicht zugibt. Das ist die zweite Staatspleite des südamerikanischen Staates in den letzten 13 Jahren. Im Jahre 2001 hatte Argentiniens Regierung Sparkonten der Bürger eingefroren. Dies hatte zu Massendemonstrationen und Zusammenstößen mit der Polizei geführt, bei denen mehrere Personen ums Leben gekommen waren.
Die Kosten für Auslandsanleihen für die Ukraine sind heute höher als beispielsweise für Ägypten oder Kasachstan.
„Die Kosten für Anleihen sind für die Ukraine besonders hoch, denn sie wird von internationalen Rankingagenturen als ein Land eingestuft, das am Rande einer Pleite steht. Die Wahrscheinlichkeit einer Staatspleite der Ukraine wird heute am Weltmarkt auf 15 Prozent geschätzt“, so der Projektleiter der „Liga für Finanzentwicklung“ Andrej Blinow. „Generell nähert sich die Rentabilität der ukrainischen Staatsanleihen einem Jahreszinssatz von 20 Prozent, was ein sehr hoher Wert für ein europäisches Land ist.“
Nach Ansicht des Spezialisten der Abteilung für Wertpapiervertrieb in der Kapitalanlagegesellschaft „Dragon Capital“ Sergej Fursa, glauben die Investoren aufgrund der hohen Risiken nicht an die Ukraine.
Seit Jahresbeginn gab es in der Ukraine den Euromaidan, die Flucht von Wiktor Janukowitsch und seiner Mannschaft, die Besetzung der Krim durch Russland und separatistische Bewegungen im Donezbecken, was einen Krieg der Ukraine gegen Terroristen und russische Truppen, eine zerschlagene Industrie und eine 60-prozentige Abwertung der Hrywnja gegenüber dem US-Dollar zur Folge hatte.
Zum Jahresende werden in der Ukraine ein Rückgang des BIP um 8,3 Prozent und eine Inflation von über 20 Prozent erwartet. „Sehen Sie sich unsere Rankings an, sie sind sehr niedrig“, so Fursa.
2014 stufte die Rating-Agentur Fitch die Bonitätsnote für die Ukraine auf ein Ramschniveau herab. Und die Agentur Moody’s senkte das ukrainische Rating auf ein Niveau von Griechenland, Zypern und Jamaika, wobei der Ausblick „negativ“ ist.
Schuldverschreibungen der ukrainischen Unternehmen werden zurzeit mit einem erheblichen Preisabschlag notiert. Wie Fursa es sagt, werden Anleihen der „Ukrlandfarming“ von Oleg Bachmatjuk heutzutage zu einem Preis verkauft, der bei 65 Prozent des Nennwerts liegt, mit einem Rabatt von 35 Prozent also. Das Disagio für Wertpapiere der größten Bergbau- und Metallveratbeitungs-Holding „Metinvest“ von Rinat Achmetow und Wadim Nowinskij beläuft sich auf 30 Prozent, für die „DTEK“ (gehört ebenfalls Achmetow) liegt der Wert bei 40 Prozent.
Mehrere Unternehmen, wie zum Beispiel die Agrarholding „Mrija“ und das staatliche Flugzeugindustrieunternehmen in Charkow, haben eine technische Pleite zugelassen. Vor kurzem hat „Metinvest“ seine Gläubiger um eine Restrukturierung der Schulden in Höhe von 500 Millionen Dollar bis zum November 2017 gebeten.
Seinem Beispiel werden auch andere Unternehmen folgen, die ihre Schulden Ende 2014-2015 zurückzahlen müssten. Bis jetzt wahrt die ukrainische Regierung Stillschweigen über das Vorhaben, zumindest einen Teil seiner Schulden umzustrukturieren und beteuert, die Ukraine werde eine Staatspleite nicht zulassen.
Finanziers sind da weniger sicher. „Ich wäre nicht so sicher, dass sich die Ukraine nicht pleitegehen lässt. Natürlich wäre es die schlechteste Variante. Das ist keine Heilung der Wirtschaft, sondern eher ihre Verstümmelung“, sagt der geschäftsführende Partner des Unternehmens „Capital Times“ Erik Najman. „Wiederum ist eine selektive Schuldenrestrukturierung möglich.“
Ende 2013, nach einem Treffen von Janukowitsch mit Wladimir Putin, hatte die Ukraine Russland Eurobonds in Wert von drei Milliarden Dollar mit einer Rückzahlungsfrist im Dezember 2015 verkauft. Der Vertrag beinhaltet folgenden Punkt: Sollte die Höhe der Staatsverschuldung 60 Prozent des ukrainischen Jahres-BIP (Wert zum Jahresende 2014) überschreiten, darf Russland eine vorfristige Auszahlung des Werts der Papiere fordern.
Anfang September betrug die Staatsverschuldungsquote 61,8 Prozent des BIP von 2013, während zu Jahresbeginn dieser Indikator auf einem Niveau von 43 Prozent lag. Laut Prognosen des IWF wird die souveräne Verschuldung der Ukraine 2014 bei 67,6 Prozent, 2015 hingegen bei 73,4 Prozent liegen.
„Alle erwarten, dass Russland die Forderung geltend macht, die Eurobonds im Wert von drei Milliarden vorfristig zurückzahlen zu lassen, und dies einen Beschluss der Ukraine auslöst, ihre Auszahlungen einzustellen“, so Najman.
Insgesamt wird die Ukraine im Jahr 2015 ihren Gläubigern neun Milliarden Dollar zurückzahlen müssen. Weitere fünf Milliarden werden im Jahr 2016 fällig, danach acht Milliarden im Jahr 2017.
Die Ukraine hat vor, die Schulden aus den Mitteln des IWF zu tilgen. Im Jahr 2014 wurden bisher 4,4 Milliarden von den 17 Milliarden Dollar, welche in einem zweijährigen Programm vorgesehen werden, 4,4 Milliarden Dollar ausbezahlt.
24.Oktober 2014 // Jurij Winnitschuk
Quelle: The Insider