Der jüdische Zug der Himmelshundertschaft


Die auf dem Maidan Gefallenen nennt man in der Ukraine die „Himmelshundertschaft“, da die Selbstverteidigungstruppen des Maidans in „Hundertschaften“ gegliedert sind. Das ist eine symbolische Bezeichnung, denn bei weitem nicht alle vom wahnsinnigen verbrecherischen Regime getöteten Menschen waren tatsächlich aktive Mitglieder der Strukturen, die sich im Laufe der drei Protestmonate herausbildeten. Aber diese Bezeichnung hat sich durchgesetzt. Es gibt den Vorschlag, die Institutska-Straße, die am Tag des Blutbades am 20. Februar voller Blut war, zu Ehren der Himmelshundertschaft umzubenennen. Ich bin sicher, dass ich irgendwann auf dem vom Ruß befreiten und nach den Kämpfen wiederhergestellten Maidan meinen Kindern das Denkmal für die Himmelshundertschaft zeige. Ich werde auf seinen Sockel Blumen und einen kleinen Stein legen, wie es nach der jüdischen Tradition üblich ist, und eine Weile schweigen, denn zu beten habe ich nicht gelernt.

Im Himmel sind alle gleich. Die alten und die jungen, Uni-Intellektuelle und einfache Arbeiter. Der Junge, der heimlich zum ersten Mal auf den Maidan rannte und schon zwei Stunden später von einem Scharfschützen erschossen wurde. Der Aktivist der UNA-UNSO (Ukrainische Nationalversammlung–Ukrainische Nationale Selbstverteidigung – nationalistische Vereinigung, A.d.R.) aus Weißrussland. Ukrainer, Russen, Armenier, Georgier, Juden.

Josef Schilling war in der jüdischen Gemeinde von Drohobytsch (Gebiet Lwiw) wohl bekannt. Er war 61 Jahre alt. Zusammen mit seiner Gattin Anna zog er zwei Töchter groß, hatte vier Enkelinnen. Ein Bauarbeiter vom Beruf reiste er in den letzten Jahren als Gastarbeiter nach Italien, dort arbeitete auch seine Frau.

Ein Scharfschütze tötete ihn in der Nähe des Oktober-Palastes mit einem präzisen Schuss in den Kopf.

Olexander Schtscherbanjuk wurde in seiner Heimatstadt Tscherniwzi in einem bestickten ukrainischen Hemd beerdigt. In den Sarg legte man ihm Gasmaske, Helm und Kippa. Er war Mitglied der Gemeinde „Beit Simcha“. Orthodoxe Priester, die von seiner Konfession nicht wussten, waren bereit, die Beerdigungszeremonie abzuhalten, aber er wurde mit dem Gebet eines Rabbiners beigesetzt.

Tausende Menschen kamen, um sich von ihm zu verabschieden. Wegen des Trauerzuges wurde das ganze Stadtzentrum gesperrt. Am Grab des Helden spielte das Militärorchester, uniformierte Offiziere und maskierte Kämpfer des „Rechten Sektors“ schossen eine Abschiedssalve.

Die Gattin (meine Hand weigert sich noch immer Witwe zu schreiben) des Gefallenen erzählt, dass sie versucht hat, ihn zurückzuhalten, und zwar mit dem Argument, auf dem Maidan kämen Leute um. Worauf er erwiderte, das sei nicht der schlechteste Tod.

Er war 46. In der Sowjetzeit ging Olexander durch den Afghanistan-Krieg durch, ohne verletzt zu werden. Er hinterließ drei Kinder. Sein Sohn geht in die jüdische Schule.

Seit 2004 war Olexander ein politischer Aktivist, Vorstand der lokalen Parteiorganisation von Batkiwschtschyna. Er war ein professioneller Bauarbeiter. Seine Firma „Sodtschij“ bot Renovierungs- und Erneuerungsarbeiten jeglichen Schwierigkeitsgrades. Bis heute hängen Anzeigen mit seiner Handy-Nummer in der ganzen Stadt. Er wird aber nicht mehr herangehen können.

Die erste Kugel traf ihn ins Bein, als er am Zelt der Bukowina-Sektion von Batkiwschtschyna auf dem Maidan stand. Er ließ den Schild fallen und die nächste Kugel traf ihn direkt ins Herz.

Der Charkower Jewgenij Kotljar war 33 Jahre alt. Er war unter linken Aktivisten und Umweltschützern bekannt, denn er kämpfte gegen die Vernichtung der Parks durch die Banditen-Stadtverwaltung. Beruflich war er im Bereich der Industriekletterer tätig.

Ein Scharfschütze tötete ihn in auf der Institutska-Straße.

Rechte und Linke, Junge und Alte, „Wessis“ und „Ossis“. Keiner von ihnen hatte Waffen dabei. Sie alle wurden durch professionelle Schüsse der Scharfschützen getötet, die sehr gut sehen konnten, auf wen sie schossen.

Die zynische Regierung, die in dem Moment den Kampf gegen das eigene Volk schon verloren hatte, tötete diese Menschen, sinnlos und erbarmungslos. Ethnische Herkunft und konfessionelle Zugehörigkeit der Gefallenen spielen keine Rolle. Genauso unwichtig sind Alter, Geschlecht, politische Ansichten, alles ist unwichtig, außer der Tatsache, dass sie Ukrainer waren und Helden, die im Kampf gegen das Böse und die Ungerechtigkeit gefallen sind. Aber die bezahlten Kreml-Propagandisten und die Propaganda-Konsumenten sind zu stark auf ihre Klischees fixiert, um die Augen aufzumachen und die Realität zu sehen. Deshalb wiederholen sie ihr rituelles Gejaule über den „Antisemitismus der Bandera-Leute, die Juden im Babij Jar töteten und nun die Macht in Kiew erobert hätten“. Halten Sie ihnen bitte diesen Text vor die Nase.

Helden sterben nicht
Ehre der Himmlischen Hundertschaft
Ehre der Ukraine
Ehre den Helden

09. März 2014 // Wjatscheslaw Lichatschow

Quelle: Forum Nazij

Übersetzung: Olha Sydor

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