Präsident Juschtschenko lässt staatliche Gebäude durch die ihm unterstellten Inneren Streitkräfte schützen
Auf der Karte der politischen Krise tauchten gestern neue heiße Punkte auf. Präsident Wiktor Juschtschenko entschied sich die Inneren Streitkräfte zum Schutz von staatlichen Einrichtungen einzusetzen, der auch ohne dies bereits von Mitarbeitern der Verwaltung des Staatlichen Wachschutzes und Kämpfern der Spezialabteilung des Ministeriums des Innerns “Berkut” verstärkt wurde. Die Anordnung des Präsidenten zur Neuunterstellung der Inneren Streitkräfte (IS) erschien nach dem gestrigen Zusammenstoß von Parlamentsabgeordneten des Blockes Julia Timoschenko (BJuT) und der Wachmannschaft der Zentralen Wahlkommission in der Zentralen Wahlkommission. Experten sind sich sicher, dass die Entscheidung des Präsidenten keinen praktischen Nutzen hat und seine Anordnung kann lediglich einen Zusammenstoß zwischen den Machtorganen provozieren.
Der Innenminister, Jurij Luzenko, informierte gestern auf einer Pressekonferenz darüber, dass Präsident Wiktor Juschtschenko die IS per Anordnung dem Leiter der Verwaltung des Staatlichen Wachschutzes (UGO), Walerij Geletej, unterstellt hat. “Mir wurde die Anordnung des Präsidenten bekannt. die er dem Kommandierenden der IS (Alexander Kichtenko) gab, mit der er Unterabteilungen der IS zur Verstärkung der Bewachung von Einrichtungen überstellte.”, sagte der Leiter des Innenministeriums. Die Anwesenheit der Journalisten nutzend, wandte sich Luzenko an den Präsidenten mit der Bitte “Zurückhaltung an den Tag zu legen und die Eskalation und Hineinziehung der Machtstrukturen in die Konfrontation im Laufe der Vorbereitungen zu den außerordentlichen Wahlen nicht fortzusetzen.”
Vom Moment der Gründung 1992 bis zum 25. Mai 2007 gehörten die Truppen des Innenministeriums zum Bestand des Ministeriums des Innern und unterstanden dem Innenminister persönlich. Diese Armeeformation ist für die Aufrechterhaltung des Rechtssystems im Kriegszustand, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und für Gegenmaßnahmen bei Terror- und Sabotageakten vorgesehen. Am Tage nach der Besetzung der Generalstaatsanwaltschaft durch Spezialabteilungen des Innenministeriums, die der damalige Leiter des Innenministeriums, Wassilij Zuschko, befehligte, unterzeichnete Wiktor Juschtschenko einen Erlass, mit dem er anordnete “die Truppen des Innenministeriums aus dem Innenministerium herauszulösen” und “diese dem Präsidenten der Ukraine zu unterstellen” (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“ vom 29. Mai 2007).
Die erwähnte Anordnung Wiktor Juschtschenkos wurde nicht auf der Seite des Präsidenten veröffentlicht und die Pressesprecherin des Kommandos der Inneren Streitkräfte, Swetlana Pawlowskaja, antwortete nicht auf Telefonanrufe. Übrigens, ein hochgestellter Mitarbeiter der IS präzisierte gegenüber dem “Kommersant-Ukraine“ inoffiziell, dass die präsidiale Anordnung unter der Nummer #292 herausgegeben wurde: “Dies ist ein Mobilisierungsbefehl, der dem Armeegeneral Alexander Kichtenko persönlich übergeben wurde”.
Wenn man die Konfrontation der Parlamentsabgeordneten von BJuT und der Vertreter der Machtorgane chronologisch zurückverfolgt, wo der Anlass zuerst in der Entscheidung des Kreisverwaltungsgerichts von Kiew lag und danach in der Beschwerde beim Kiewer Berufungs-Verwaltungsgericht, dann hat sich als erstes in den Kampf zwischen BJuT und dem Präsidialamt das Innenministerium eingemischt.
Am Montag um 17.45 Uhr verteilte sich ein Trupp der Spezialabteilung des Innenministeriums der “Berkut” im Gebäude des Kiewer Berufungs-Verwaltungsgerichts, wo die Angelegenheit der Aufhebung des Präsidentenerlasses zu dem vorgezogenen Entzug der Vollmachten der Werchowna Rada der ZI. Legislaturperiode untersucht wurde. Später ging der Staatliche Wachschutz zu einem verstärkten Arbeitregime über. “In Verbindung mit der Blockade aller Gericht arbeiten wir im verstärkten Regime.”, verkündete um 21:00 Uhr des selben Tages Walerij Geletej dem “Kommersant-Ukraine“. “Ich betone, dass ‘eine verstärkte Bewachung’ – einfach etwas mehr Leute sind, als gewöhnlich.”. Derweil, wie die Praxis zeigte, erwiesen sich die verstärkten Maßnahmen der Bewachung der Verwaltungsgebäude als ineffektiv.
Gestern morgen fand im Gebäude der Zentralen Wahlkommission ein Zusammenstoß zwischen Parlamentsabgeordneten von BJuT und Mitarbeitern des Staatlichen Wachschutzes statt. Darüber, dass letztere den Mitstreitern von Julia Timoschenko körperliche Schäden zufügten, informierte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von BJuT, Andrej Koshemjakin, als erster. Seinen Worten nach, plant der Sicherheitsdienst der Ukraine gemeinsam mit dem Staatlichen Wachsschutz die Umsetzung eines Gewaltszenarios, das Ziel dessen ist die Errichtung einer direkten Präsidialherrschaft in der Ukraine.
Die Leitung des Staatlichen Wachschutzes beeilte sich die Information der Vertreter von BJuT zurückzuweisen. “Diese Abgeordneten verprügelten sechs Mitarbeiter-Wehrdienstleistende des Staatlichen Wachschutzes und beschädigten Eigentum!”, erklärte Walerij Geletej. Seinen Worten nach, wurde der Versuch der Abgeordneten in das Zimmer einzudringen, wo der Wachhabende der Zentralen Wahlkommission die Standardwaffen aufbewahrt, zum Anlass der Konfrontation. “Jetzt arbeitet in der Zentralen Wahlkommission, in der Kommandantur, im Zimmer für die Aufbewahrung der Waffen eine Untersuchungsgruppe und ich denke, dass in der nächsten Zeit die Generalstaatsanwaltschaft entscheidet, nach welchem Artikel ein Strafverfahren eingeleitet wird.”, sagte er. Beim Pressedienst des Sicherheitsdienstes der Ukraine versicherte man, dass man mit den Ereignissen bei der Zentralen Wahlkommission nichts zu tun hat.
Die Warnung der Leitung des Staatlichen Wachsschutzes zur Eröffnung eines Strafverfahrens gegen die Abgeordneten, hat wahrscheinlich keinerlei Folgen. Wie bekannt ist, wurden vier Strafverfahren, welche die Generalstaatsanwaltschaft 2007 gegen Parlamentsabgeordnete aufgrund der Besetzung des Gebäudes der Generalstaatsanwaltschaft einleitete, vom Petschersker Kreisgericht in Kiew geschlossen (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“ vom 26. Juni 2007).
Die Erklärung des Leiters des Staatlichen Wachschutzes nahm man bei BJuT ironisch auf.
“Dieser Wächter (Walerij Geleteij) sagte, dass er ein Strafverfahren einleiten/Anzeige erstatten wird?”, fragte der Stellvertreter des Vorsitzenden der Fraktion des BJuT, Andrej Portnow, zurück. “Er könnte mit dem gleichen Erfolg sagen, dass er in den Weltraum fliegt! Alle diese Erklärungen haben die gleichen Rechtsfolgen und wir werden diese nicht kommentieren.”
Portnow betonte ebenfalls, dass in der letzten Zeit die Generalstaatsanwaltschaft nicht ein Strafverfahren zu Ende führen konnte. “Alle Strafverfahren isst der Generalstaatsanwalt zum Mittag.”, scherzte er.
Der Meinung des Vorsitzenden der Verwaltung des Zentrums für Politische Forschungen “Penta”, Wladimir Fesenko, nach, kann die Verstärkung der Bewachung von staatlichen Einrichtungen durch Mitarbeiter der Spezialabteilungen lediglich psychologischen Druck auf die Konfliktseiten ausüben. “Bislang gilt die Abgeordnetenimmunität und solange es die Möglichkeit der Einflussnahme auf richterliche Entscheidungen gibt, bringen die Handlungen der Leitung des Innenministeriums und des Staatlichen Wachschutzes keine Resultate.”, denkt der Politologe. Das einzige, was garantiert ist kann man über Verordnungen erreichen, ähnlich der des Präsidenten, doch führt dies zu weiteren Zusammenstößen zwischen den Machtorganen.
Quelle: Kommersant-Ukraine