„Wir sprechen über den Präsidenten eines kriegführenden Landes“. Wie sich der 500.000-Dollar-Urlaub auf den Malediven auf das Rating Poroschenkos auswirkt.
Der Skandal über die Malediven-Reise von Präsident Pjotr Poroschenko weitet sich aus. Die Medien finden immer neue Details über den Luxusurlaub des Staatsoberhauptes heraus. So hat „Strana“ die Wohnbedingungen Poroschenkos in dem Urlaubsort genau beschrieben sowie den ungefähren Speiseplan, für den er mehr als 18.000 Dollar bezahlt hat. Und insgesamt kostete der Urlaub weit entfernt des nicht ganz so glücklichen Landes in Europa (das sich zudem noch faktisch im Kriegszustand befindet) das Staatsoberhaupt eine halbe Million Dollar.
Die Mehrheit der größeren Fernsehsender, mithilfe deren Eigentümer der Regierungssitz „kommuniziert“, hat das ignoriert. Trotzdem hat sich die Nachricht über das Internet weit verbreitet. Und das heißt, sie ist zum Volk durchgedrungen. Daher stellten wir den führenden ukrainischen Politologen und Soziologen die logische Frage, wie sich diese Geschichte in der Bewertung Pjotr Alexejewitschs widerspiegelt.
Politologe Ruslan Bortnik: „Die Nachricht über die Malediven-Reise Poroschenkos hat definitiv Einfluss auf das Rating. Aber in welchem Ausmaß, das hängt alles davon ab, wie weit diese Information verbreitet wird.
Wenn sie weit verbreitet wird, kann ihn das einen Haufen Wähler kosten. Die riesigen Summen, die ausgegeben wurden, rufen wahrscheinlich Verärgerung im verarmten Land hervor. Plus der Grenzübertritt, bei dem nicht alle Formalitäten eingehalten wurden. Es ist ein bedeutender Schlag. Und es finden sich Freiwillige, die daraus Gewinn ziehen wollen…
Haben sie in der Präsidialverwaltung an die Folgen gedacht? Im Hinblick auf die letzte Auslandsreise dachten sie vielleicht, dass diese Reise auch nicht bemerkt wird oder sie „geschluckt“ wird. Aber das ging nicht auf…“
Politologe Kost Bondarenko: „Unsere Gesellschaft ist so übersättigt mit verschiedenen Arten von Skandalen, Verwerflichkeiten und überhaupt negativen Informationen, sodass wahrscheinlich auch der Präsidenten-Fall mit den Malediven vorübergeht. Nach einer Woche erinnert sich schon kaum noch jemand daran.
Warum der Präsident das so machte, muss man sich nicht fragen. Unsere Regierung handelt nach dem Prinzip, das Sorjan Schkirjak (Berater des Innenministers –Anm. Strana) treffend und ehrlich formulierte: „sich aufregen und wieder beruhigen“. Poroschenko fürchtet in dieser Beziehung nichts. Und nicht nur er, sondern absolut jeder in der Regierung. Weil sie sich sicher sind, dass von ihnen niemand nachfragt. Obwohl vom moralischen Standpunkt aus und von den Gesetzen her viele Fragen bestünden.“
Politologe Wadim Karassjow: „Diese Reise wird keinen Einfluss auf die Umfragewerte des Präsidenten haben. Er steht sowieso schon auf dem „Minimalpunkt“. Dass es mit solchen Geschehnissen schwierig ist, diese zu verbessern, ist eine andere Sache. Das heutige Popularitäts-Niveau Poroschenkos von 14 – 15 Prozent ist die Obergrenze. Darunter sind zehn Prozent Wähler, die immer für die Regierung stimmen und nur bis zu fünf Prozent seiner Sympathisanten. Eine andere Sache ist, dass es bisher keinen Hoffnungs-Kandidaten gibt, der die Stimmen aller anderen Kandidaten, einschließlich derer des Präsidenten, auf sich ziehen würde.
Ein großes Problem für Poroschenko ist die Methode des Umgangs mit Informationen über den Präsidenten. Es gibt Länder, in denen Wissen über die höchste Regierung geheim gehalten wird, wie in Russland. So war es, als Putin für ein paar Tage verschwand. Aber niemand weiß etwas. Und es gibt Demokratien in Westeuropa, in denen es wesentlich mehr Informationen gibt. Wir können uns nicht entscheiden, welche Variante wir vorziehen sollen. An geraden Tagen handeln wir wie die russische Regierung und an ungeraden wie in Europa. So entstehen Fehlschläge wie mit den Malediven. Aber unsere Politiker sind nicht bereit, alles offen zu legen: sofort tauchen Fragen auf, woher das Geld für den Luxusurlaub, die Flüge kommt usw. Und Journalisten haben heute mit technischen Mitteln die Möglichkeit, das aufzudecken, was früher unerreichbar war. Das heißt, wir erwarten weitere nicht weniger laute Skandale.“
Politologe Wladimir Fessenko: „Ich sehe in dieser Geschichte (des Urlaubs des Präsidenten auf den Malediven – Anm. Strana) ein ethisches Problem. Das Gleiche ist es mit der teuren Wohnung von Sergej Leschtschenko (Abgeordneter des Blocks Pjotr Poroschenkos – Anm. Strana) nur mit dem Unterschied der ausgegebenen Summe. Das wichtige Moment ist hier, Poroschenko ist nach, ich unterstreiche, offiziellen Angaben ein sehr reicher Mensch. Und er reiste von seinem eigenen Geld. Doch erlaubt sich ein gutes Drittel der Werchowna Rada das Gleiche! Wenn es nun ein Urlaub auf Staatskosten gewesen wäre, wäre das etwas Anderes. So darf der Präsident eines armen Landes nicht handeln. Vielleicht hat die Mannschaft des Präsidenten einen Image-Verlust befürchtet. Nicht umsonst steht bei uns im Land sogar das Denkmal der ukrainischen „Kröte“. Und nun bietet sich hier diese elegante Möglichkeit zu kritisieren, ja zu lästern. Das ist am Ende auch gelungen.
Aber ich denke nicht, dass sich die Situation bedeutend auf seine Umfragewerte auswirkt. Alle, die sich über Pjotr Alexejewitsch aufregen konnten, haben das bereits getan. Einen großen Teil seiner Wähler von 2014 hat er verloren. Doch wer, sagen wir vor einem Jahr, noch für ihn stimmen wollte, tut das auch jetzt. Obwohl es im letzten Jahr eine Reihe lauter Skandale gab, hat sein Rating keinen bedeutenden Schaden genommen. Es blieben ihm seine Kern-Wählerschaft und die Wähler, die ihn als kleineres Übel im Vergleich zu Julia Timoschenko (Führerin der Partei „Vaterland“ – Anm. Strana) und Oleg Ljaschko (Führer der Radikalen Partei – Anm. Strana) sahen. Für sie ist er ein vorhersagbarer Kandidat.
Jedoch formen diese Skandale ein Anti-Rating des Präsidenten. Und dies könnte ein großes Problem im zweiten Gang der Präsidentschaftswahl werden, wo gerade das Antirating eine entscheidende Rolle beim Stimmverhalten der Wähler spielt.“
Soziologe und Politologe Andrej Jermolajew: „Natürlich kann sich Pjotr Alexejewitsch wie jeder andere reiche Mensch einen Luxus-Urlaub erlauben. Aber wir sprechen von einem Präsidenten in einem Krieg führenden Land und dem Obersten Befehlshaber. Für uns ist es die Frage Nummer 1 seiner Sicherheit und derer anderer führender Personen, die Staatsgeheimnisse tragen. Sein Ausflug in ein anderes Land mit dem Privatflugzeug und mit wenig Begleitung erscheint etwas seltsam. Waren diese Reise und der Aufenthalt auf der Insel abgesichert nach den Bedürfnissen der Person des Präsidenten? Wer genau begleitete ihn auf die Insel? Er war zu dieser Zeit im Urlaub und wenn ja, wem oblag die operative Kontrolle der Situation im Land?
Fast jeden Tag hören wir Erklärungen der Regierung und der gesetzeshütenden Organe über eine ständig drohende Eskalation des bewaffneten Konflikts, mögliche Terroranschläge und Spione in Teilen der Regierung. Dabei sind der Präsident und andere Führungspersonen nicht in ihrer persönlichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt, wie wir sehen, ohne gebührende Bewachung, das heißt, sie befinden sich außer Kontrolle. Entweder betrügt man uns und die Lage im Land ist tatsächlich viel ruhiger, oder wir beobachten bei den obersten Politikern des Landes ein nachlässiges, sogar kriminelles Verhältnis zu sich selbst und der Sicherheit des gesamten Landes. Das ist ein Anlass für das Parlament, diese Fragen zu stellen. Man darf das Land nicht in der Abhängigkeit vom Privaturlaub des Präsidenten zurücklassen.“
Wie „Strana“ berichtet, flogen im Januar 2018 an einem der teuersten Urlaubsorte der Welt, der auf einer einzelnen Insel liegt, acht Erwachsene und zwei Kinder ein (der Hin- und Rückflug kosteten 188.000 Dollar). Wahrscheinlich waren die beiden Kinder die Enkelkinder des Garanten, Petja und Lisa.
Der Präsident fungierte in dem Urlaubsort auf den Malediven unter dem Namen Mr Incognito Petro Ukraine.
19. Januar 2018 // Dennis Rafalskij
Quelle: Strana