„TRUMPUNKT“ – ukrainische Politiker über den neuen Präsidenten der USA



Die Nachricht über die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA hat die Welt am 9. November in zwei Lager geteilt.

Die einen prahlten mit ihren „alten und freundschaftlichen“ Beziehungen zu Trump, posteten Fotos und versuchten, so schnell wie möglich „ihrem Freund“ zum Sieg gratulieren.

Die anderen taten mit schlecht versteckter Verzweiflung so, als ob nichts Schlimmes passiert wäre. Zeitgleich löschten die Vertreter dieses Lagers schnell die Tonnen von Gift und Beleidigungen von ihren Social-Network-Profilen, mit dem sie zuvor den nunmehr mächtigsten Mann der Welt übergossen hatten.

Dieses Fieber ist auch an der Ukraine nicht vorübergegangen. Während in der russischen Staatsduma eine Atmosphäre des Sieges und der Euphorie herrschte, und Putin ein Glückwunschtelegramm an Trump diktierte, wurde in den ukrainischen Regierungskreisen an der Frage „Was tun?“ gerätselt.

Und Gründe für Sorge gibt es mehr als genug. Während der Wahlkampagne in den USA hatten sich die ukrainischen Politiker so viel über Trump geäußert, dass er allein für das Lesen des Ganzen zwei Amtsperioden brauchen würde. Mehr noch, diese Wahlen waren nahezu die ersten, wo die Ukraine nicht nur das Thema, sondern auch einer der Mitspieler war. Und sie steht wieder nicht an der Seite des Siegers.

Die Geschichte mit dem „Schwarzgeld von Janukowytsch“ kostete dem Leiter des Stabs von Trump, Paul Manafort, seinen Posten und der Ukraine wahrscheinlich einen Teil der Zuneigung des künftigen Präsidenten der USA. Die „Ukrajinska Prawda“ möchte hier daran erinnern, wer von den ukrainischen Politikern was über Trump sagte, und klären, wer zu ihm Kontakte hat und wie das die künftigen Beziehungen zwischen Kyjiw und Washington beeinflussen wird.

Poroschenko und Trump – „Terminkalender, die nicht zusammenpassen“

Über einen wie Trump sagt man in der Ukraine, ohne dabei beleidigen zu wollen, dass er seine Worte nicht extra aus der Tasche holen muss. Während der Wahlkampagne wurde der künftige Präsident der USA durch seine provokativen Äußerungen über Migranten, Russland, Syrien und andere für Amerikaner heikle Themen berühmt-berüchtigt. Auch die Ukraine hat er nicht vergessen. Bei seinen Auftritten erklärte Trump mehrmals, wenn er Präsident sein werde, werde er sich die Frage nach der „russischen Krim“ genauer anschauen. Wenn die Bewohner der Krim zu Russland gehören wollen, solle man ihnen diese Möglichkeit geben und die Annexion akzeptieren. In der Ukraine riefen solche Aussagen einen Sturm von Reaktionen hervor. Sogar Präsident Poroschenko musste sie kommentieren. In einem Interview mit CNN erklärte der Garant der territorialen Integrität der Ukraine Petro Poroschenko, dass solche Aussagen von Trump nur reine Wahlkampagne-Taktik seien.

„Das ist ein Teil der Wahlkampfrhetorik. Der künftige Präsident, gleich wer das sein wird, wird ein verantwortungsvoller Mensch sein”, erklärte Poroschenko.

In seinem letzten Auftritt prahlte der ukrainische Präsident damit, dass alle Kandidaten auf den Stuhl im Weißen Haus “die Ukraine lieben müssen”. “Schauen Sie sich den Lauf der Ereignisse während der Wahlkampagne in den USA an. Die Kandidaten wetteiferten in ihrer Liebe zur Ukraine. Wie kam es dazu? Wenn du die Ukraine nicht liebst, bist du zum Scheitern verurteilt”, erzählte Poroshekno den Studenten der Ostroger Akademie.

Aber auch wenn die amerikanischen Führungsschichten die Ukraine lieben sollten, heißt es dann aber nicht, dass sie auch die ukrainische Regierung lieben werden. Das bewies auch das Treffen Poroschenkos mit Trump. Nein, genauer gesagt sein Nicht-Zustandekommen. Ende September besuchte Poroschenko die USA und nahm an einer UNO-Tagung teil. Sein Team wollte ihm ein Treffen mit den beiden möglichen künftigen Präsidenten organisieren. Aber während sich Hillary Clinton gerne mit Poroschenko traf, fand man bei Trump keine Zeit für ihn. Der ukrainische Präsident versuchte das später mit der Aussage zu kaschieren, “die Terminkalender überlappten sich“.

Ob die Terminkalender der beiden jetzt zusammenpassen werden, wenn Trump der offizielle Präsident der USA ist, ist eine sehr aktuelle Frage. Eine gewisse Kälte in den Beziehungen zwischen beiden war schon von Anfang an spürbar. Während Trump das Glückwunschtelegramm von Putin schon in Händen hielt, waren die Glückwünsche von Poroschenko immer noch nicht gekommen. Obgleich auch Ministerpräsident Hrojsman eine Minute fand, das amerikanische Volk zu beglückwünschen und auch der Vorsitzende der Werchowna Rada Andrij Parubij äußerte Hoffnungen auf die „neuen Möglichkeiten der Zusammenarbeit“. Sogar das Außenministerium erklärte, dass Trump nur um des Sieges willen im Wahlkampf provoziert habe.

„Keine so großen Feinde“

Im Sommer dieses Jahres stellte man Trump die Frage, ob er die Krim-Annexion anerkennen würde, falls er Präsident werde. „Wir werden uns das näher anschauen. Ja, näher anschauen.“, antwortete Trump. Diese Worte verursachten jede Menge Kritik von den Leuten, die die Ukraine unterstützen. Der Innenminister der Ukraine Arsen Awakow reagierte wütend. Er widmete Trump einen ganzen Beitrag auf seiner Facebook-Seite. „Die unverschämte Aussage von Trump über die mögliche Anerkennung der Krim als russisch ist die Diagnose eines gefährlichen Wichts “, schrieb Awakow damals, ohne Trump ernst zu nehmen.

„Und gefährlich ist er sowohl für die Ukraine als auch für die USA selbst. Ein Wicht, der mit Putins Diktatur sympathisiert, kann nicht zum Garanten der demokratischen Werte in den USA und der Welt werden“, empörte sich der Minister. Nichtsdestotrotz milderte Awakow seine Wortwahl am Tag des Sieges. Natürlich konnte der Minister den 9. Oktober bei Facebook nicht unkommentiert lassen. Allerdings zitiert er an dem Tag nur Buddha. „Solche Zeiten sind gekommen, Bruder. Aber das ist immer noch deine Zeit! Mach deine Aufgaben. Ruhig und sicher. Die Eitelkeit wird verschwinden. Das von dir Geleistete wird bleiben“, postete Awakow. Klarer äußerte sich sein Berater und guter Freund, das Mitglied der Partei „Narodnyj front“ („Volksfront“) Anton Heraschtschenko. „Der Sieg Donald Trumps wird Putin nicht helfen, seine aggressive Politik gegenüber der Ukraine und anderen Ländern weiterzubetreiben“, schrieb der Abgeordnete. Unter anderem wies er darauf hin, dass die Wirtschaftssanktionen gegen Russland weiterhin in Kraft bleiben werden, da daran das Interesse des amerikanischen Volks und der Elite liegt. Die Niederlage von Hillary Clinton überraschte auch den Vorsitzenden der Radikalen Partei der Ukraine, Oleh Ljaschko. Mehr noch, diese Niederlage zwang ihn mehrmals seine Erklärungen in seinen Facebook-Postings zu ändern.

Zuerst nannte Ljaschko Trumps Sieg eine „Katastrophe“. Bald rückte die Katastrophe in den Hintergrund und Ljaschko bearbeitete seinen Post. „Ich hoffe, dass alle Ehrerbietungen in Richtung Putin, nicht mehr waren als nur Wahlkampfrhetorik“, schrieb Ljaschko.

Die Fraktionsvorsitzende der Partei „Batkiwschtschyna“ (Vaterlandspartei), Julia Tymoschenko, dagegen machte keine scharfen Äußerungen über Trump, trotz der Geschichte mit dem ehemaligen Wahlkampfstab-Leiter von Trump Paul Manafort. Zu erwähnen wäre, dass Manafort früher als politischer Berater für die Partei der Regionen tätig war und Lobbyarbeit für die Partei im Washington betrieb, unter anderen auch im Bezug auf den Fall Tymoschenko, die damals im Gefängnis saß. Am Tag der Verkündung der Ergebnisse gratulierte Tymoschenko Trump zum Sieg, ohne darauf einzugehen.

„Seit Beginn des Krieges in der Ukraine unterstützte die USA unsere Integrität, die Unantastbarkeit unserer Grenzen und führte die Sanktionen gegen Russland ein. Sie waren immer bei uns als unser großer Freund. Ich habe keine Zweifel daran, dass der neue Präsident diese Politik fortsetzen wird. Unsere Partnerbeziehungen werden noch stärker werden“, erklärte Tymoschenko Journalisten.

Wer aber von der Niederlage Hillary Clintons sicher enttäuscht war, ist der Oligarch Wiktor Pintschuk. Pintschuk und Clinton sind gut miteinander bekannt, mindestens. 2013 nahm die Präsidentschaftskandidatin am YES-Forum in der Ukraine teil, das jedes Jahr von dem Oligarchen organisiert wird. Im Unterschied zu den meisten ukrainischen Politikern unterstützte er Clinton nicht nur mit Worten. Wie die Ukrajinska Prawda schon früher schrieb, ist die Pintschuk-Stiftung als Gönner der Clinton Foundation aufgelistet. Laut den Jahresabrechnungen überwies der ukrainische Geschäftsmann Clinton 8,1 Millionen US-Dollar und setzte wahrscheinlich viel auf ihren Sieg.

„Die guten Freunde“ von Trump

Es gab aber auch diejenigen, die sich wirklich über Trumps Sieg gefreut haben. Es hat sich herausgestellt, dass es in der ukrainischen Politik nicht wenige „alte Freunde“ des frisch gewählten Präsidenten gibt. Der bekannteste von ihnen ist der noch nicht vom Posten des Gouverneurs des Oblast Odessa entlassene Micheil Saakaschwili. Die Nachricht über die Wahl Trumps zum Präsidenten hatte ihn in Kyjiw erreicht. Saakaschwili wollte gerade vor dem Ministerrat auftreten, der seinen Rücktritt diskutierte.

Solange niemand auf der Hruschewskoho (Regierungssitz) sich beeilte, Saakaschwili zuzuhören, hatte er Zeit, seinen Followern bei Facebook zu erzählen, wie lange und wie tief er mit Trump befreundet wäre. „Ich kenne ihn schon über 20 Jahre. Wir sind befreundet. Ich habe es genau vorhergesehen. Eine starke Persönlichkeit mit unberechenbarer Politik. Wir müssen vorsichtig und geeint sein wie nie zuvor“, schrieb Saakaschwili bei Facebook.

Im Gegensatz zur Mehrheit der ukrainischen Politiker, die mit Trump nie gesprochen haben, hat Saakaschwili noch seit der Zeit seiner Präsidentschaft in Georgien Fotos und Videos des Treffens mit dem neuen Führer der USA. Mehr noch, Saakaschwili sah den Sieg seines Freundes voraus. In seinem Buch „Die Erweckung der Kraft“, das er vor ein paar Monaten geschrieben hatte, sagte Saakaschwili vorsichtig, dass Trump siegen werde. Und er siegte. Allerdings halfen dem Ex-Präsidenten und baldigen Ex-Gouverneur seine wahrsagerischen Fähigkeiten nicht. Die Regierung Hrojsman nahm still, ohne Saakaschwili gehört zu haben, seinen Rücktritt an. Auf die Frage der Journalisten, was die Ukraine von Trump zu erwarten habe, antwortete er, wir sollten nicht so weit vorausgehen. „Wir sollten uns zuerst fragen, was die Ukraine von Poroschenko und der ukrainischen Regierung zu erwarten hat? Wir schauen die ganze Zeit auf die anderen. Wir sollten uns lieber mit unserem eigenen Land beschäftigen… Wenn wir so verletzlich bleiben, wenn wir das ärmste Land in Europa bleiben, wenn wir diesselbe Korruption haben werden – dann könnte uns der allerehrlichste Bandera-Anhänger im Weißen Haus nicht helfen“, erklärte Saakaschwili.

Als ein anderer „alter Freund“ von Trump stellte sich der flüchtige Abgeordnetenoligarch Oleksander Onischtschenko heraus. Über seine warmen Beziehungen zum amerikanischen Milliardär erzählte der ukrainische Oligarch vorsichtig, aber immer gerne. Zum Beispiel im Interview mit der Ukrajinska Prawda nach dem „Gas-Fall“. Onischtschenko erklärte, er habe „normale, gute Beziehungen“ und ihre Terminkalender sind aufeinander abgestimmt. Im Gegensatz zu Poroschenko. „Wir sehen uns, wenn ich in Amerika bin. Zuletzt, glaube ich, im Juli (letzten Jahres)“, erzählte er im Juni, noch vor der Flucht aus der Ukraine. Allerdings zweifelte er damals am Sieg seines Freundes. Er sagte, es werde schwierig für Trump sein, Clinton zu überholen. Am Tag des Sieges von Trump gratulierte ihm Onischtschenko und hatte vor, ihn zu besuchen. „Ich bin sehr froh. Habe ihm auch schon gratuliert. Wir sprechen mit ihm über die Ukraine. Ich glaube, er wird alle Kriege beenden. Er ist kein aggressiver Mensch. Er kann mit allen reden“, erzählte der flüchtige Angeordnete in einem Kommentar gegenüber der Ukrajinska Prawda am 9. November.

Onischtschenko habe nicht vor, durch den neuen einflussreichen Bekannten seine Probleme in der Ukraine zu lösen. Aber einen Termin für Poroschenko könne er besorgen.

Währenddessen wächst in der Ukraine mit der geometrischen Progression die Zahl der Freunde und Anhänger des neugewählten amerikanischen Präsidenten. Nachdem Natalia Witrenko, die man in der Ukraine schon vergessen hat, ihm persönlich gratulierte, wurde klar, dass die Idee, mit Trump eine „Freundschaft einzugehen“ auch die unteren Ebenen der ukrainischen Politik erreicht hatte.

Das ist aber auch gut so. Einen anderen Präsidenten der USA kann die Ukraine sich nicht erhoffen, mindestens für die nächsten vier Jahre. Wir müssen mit ihm zusammenarbeiten. Spaß beiseite, denn von dem Wechsel des Chefs im Oval Office wird sich die Zahl der russischen Panzer im Donbass nicht ändern. Genauso wenig, wie die Zahl der tödlichen Waffen in ukrainischen Depots. Die Hauptaufgabe ist es jetzt, zu lernen, die Terminkalender einander anzupassen. Eine andere Wahl haben wir nicht.

9. November 2016 // Roman Romanjuk, Roman Krawez

Quelle: Ukrajinska Prawda

Die Überschrift „Trumpunkt“ ist ein Wortspiel, das auf das ukrainische Kurzwort „travmpunkt“ (trawmatolohitschnyj punkt) (dt. Notaufnahme) anspielt.

Übersetzerin:   Tatjana Reshchynska-Praschl  — Wörter: 1912

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