Ukrainisch-russische Gasverträge: Pro et Contra
Am 19. Januar 2009 haben „Naftogas“ und „Gasprom“ einen Vertrag über den Kauf und den Verkauf von Erdgas für die Jahre 2009-2019 abgeschlossen (weiter Liefervertrag) und ebenfalls einen Vertrag über die Mengen und die Bedingungen des Transits von Erdgas über das Territorium der Ukraine im Zeitraum 2009 bis 2019 (weiter Transitvertrag), Texte die bald nach der Unterzeichnung veröffentlicht wurden. Beide Verträge wurden Gegenstand der Kritik in der Ukraine seitens einer Reihe von Politikern und Experten, die von ihrem diskriminierenden – in Bezug auf die Ukraine – Charakter und der Notwendigkeit ihrer kardinalen Revision sprachen. Diese Kritik ist teilweise begründet und gerechtfertigt, jedoch dem Blickfeld der Kritiker entgehen einige wichtige Nuancen, die bestimmte Möglichkeiten für die Ukraine eröffnen.
Andererseits hat sich mit der nahenden Winterperiode die Position der russischen Seite verhärtet, die autoritär am 11. November davon kündete, dass fehlende Gaszahlungen zu einer unverzüglichen Einstellung der Lieferungen für die Binnennutzung der Ukraine führen. Die Entnahme von Teilen des Transitgases durch „Naftogas“ wird als Folge eine Reduzierung der Lieferungen eben des Transitgases und infolge dessen einen Nichterhalt durch die europäischen Verbraucher haben. Dabei wird die Verantwortung für diese Situation im ganzen, vollständig und bereits vorher auf die ukrainische Seite geschoben. Vor diesem Hintergrund haben Russland und die EU an Memorandum über einen Vorwarnmechanismus im Energiebereich abgeschlossen. Wohlgemerkt, ohne Beteiligung der Ukraine …
In der europäischen und der russischen Presse spricht man immer häufiger von der Möglichkeit eines neuen Gaskrieges und darüber, dass das Gasabkommen vom 19. Januar 2009 gebrochen werden wird. Eine solche Entwicklung der Ereignisse erzwingt die Analyse der Situation um das Gasabkommen nicht nur durch das Prisma der Politik, sondern auch aus rechtlicher Sicht bei der Suche nach der Antwort auf die Frage darauf, ob die Ukraine in irgendeiner Form den herannahenden Herausforderungen im Gasbereich entgegen stehen können wird. Ein Gaskrieg bringt mehr Unglück, als der schlechteste Gasfrieden. Die Neuigkeiten aus Jalta zu den Ergebnissen der Gespräche zwischen den Premierministern der Ukraine und Russlands vom 19. November senken die Risiken für einen neuen ukrainisch-russischen Gaskonflikt, doch leider schließen sie diesen für den Fall nicht aus, wenn eine emotionale politische Entscheidung über das Rechtsverständnis und den gesunden Menschenverstand siegt.
In diesem Kontext könnten die Gasabkommen vom 19. Januar 2009, ungeachtet ihrer Widersprüche, für eine Verhinderung eines wenig wahrscheinliche, doch möglichen Hineinrutschens in einen Gaskrieg genutzt werden-
Die Gasabkommen: gut oder schlecht?
Die Gasabkommen vom 19. Januar 2009 sind ein Kompromiss, der im Resultat des zweiten Gaskrieges erzielt wurde. Daher ist eine eindeutige Antwort auf die Frage, ob sie gute oder schlechte Abkommen für die Ukraine sind, nicht möglich. Die genannten Gasabkommen haben sowohl positive, als auch negative Seiten, aus der Sicht der Interessen der Ukraine. Die Härte der Vertragspositionen (besonders im Teil der Zahlungsbedingungen und der Strafsanktionen) und ebenfalls die Unwahrscheinlichkeit ihrer Änderung in nächster Zeit, bringen die Ukraine in eine hinreichend schwierige Situation und gewähren der russischen Seite einige Grundlagen für scharfe Äußerungen und Handlungen an die Adresse der Ukraine. Nichtsdestotrotz, wie hart die Vertragspositionen in Bezug auf „Naftogas“ auch sein mögen, geben sie der ukrainischen Seite die Möglichkeit ihre Interessen zu schützen und die eigene Position zu vertreten. Die Hauptsache ist, die vorhandenen Möglichkeiten zu sehen und gekonnt zu nutzen.
Beispielsweise ist eines der Hauptargumente der Kritiker der Gasabkommen vom 19. Januar 2009 ihre Asymmetrie: der Vertrag sieht Lieferungen zur Bedingung „take or pay“ (Punkt 2.2.5) vor, wo zur gleichen Zeit im Transitvertrag eine analoge Position, in etwa „transportier oder zahle“, fehlt. In Anbetracht dessen sind eine Reihe von Politikern und Experten mit der Berechnung der Summe beschäftigt, die „Naftogas“ an „Gasprom“ für die Minderentnahmen der vertraglich festgelegten Jahresliefermengen zu zahlen hat. Gleichzeitig widmet in der Ukraine praktisch niemand der Tatsache Aufmerksamkeit, dass die Gasabkommen vom 19. Januar nicht in einem Rechtsvakuum existieren und nicht isoliert betrachtet werden können: sie werden vom schwedischen Recht geregelt. Das bedeutet, dass man Antworten auf die Fragen, die nicht in den Gasabkommen geregelt sind, im Recht Schwedens suchen muss und finden kann. Punkt 3.1.1 des Transitvertrages legt die klare Verpflichtung „Gasproms“ fest, an „Naftogas“ zum Ziel des Transits nach Europa 2009 eine konkret festgelegte (und nicht eine ungefähre oder Orientierungsmenge) Gasmenge – 120,083 Mrd. Kubikmeter zu übergeben. Ein geringerer Transit 2009 würde eine Nichtbefolgung der Verpflichtungen des Punktes 3.1.1 des Transitvertrages durch „Gasprom“ nach sich ziehen. Und obgleich es im Vertrag keine Position zur Verantwortung „Gasprom“ bei Nichtbeachtung der Transitmengen gibt, ist nichtsdestotrotz eine solche Verantwortung im schwedischen Recht vorgesehen und endet im Ersatz der Schäden, die „Naftogas“ infolge der Verringerung der Transitmengen erlitten hat, dabei auch der verpassten Vorteile. Auf diese Weise hat „Naftogas“ eine gesetzliche Grundlage für die Stellung der Frage des Schadensersatzes für die Reduzierung der Transitmengen gegenüber „Gasprom“. Dies gewährt „Naftogas“ und „Gasprom“ die Möglichkeit eine Kompromissentscheidung zum beiderseitigen Verzicht auf Ansprüche in Verbindung mit der Reduzierung der Transitmengen über das Territorium der Ukraine durch „Gasprom“ vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise.zu erreichen. Und dabei wird der Verzicht „Gasproms“ auf Strafsanktionen nicht wie eine Gnade gegenüber „Naftogas“ aussehen; und die ukrainische Seite befindet sich nicht in der Rolle des Bittstellers.
Sind Strafsanktionen für die Nichtabnahme von Gas anwendbar?
Der Liefervertrag sieht zwei Normen vor, welche die Minderabnahmen von Gas regeln: der Punkt 2.2.5 sieht vor, dass „Naftogas“ verpflichtet ist, nicht weniger als die Jahresgasliefermenge (32 Mrd. Kubikmeter 2009, 41,6 Mrd. Kubikmeter in den folgenden Jahren) abzunehmen und zu bezahlen – oder zu bezahlen, wenn die Menge von „Gasprom“ bereitgestellt, jedoch von „Naftogas“ nicht abgenommen wurde. Außerdem sieht der Punkt 6.6 vor, dass im Falle der Minderabnahme einer monatlichen Menge, die über 6% der monatlich abzunehmenden Menge beträgt, durch „Naftogas“, „Naftogas“ an „Gasprom“ (im Verlaufe von zehn Tagen nach Stellung der entsprechenden Rechnung durch „Gasprom“) eine Strafe von 300% des Werts des gesamten nicht abgenommenen Gases zahlt (wenn die Minderabnahme zwischen April und September stattfand) oder 150% des Werts (wenn die Minderabnahme zwischen Oktober und März stattfand). In Verbindung mit den genannten Positionen muss man folgenden Punkten Aufmerksamkeit widmen:
a.) Punkt 2.2.5 und Punkt 6.6 regeln von ihrer juristischen Natur her unterschiedliche Fragen: der erste stellt das Prinzip „take or pay“ dar, der zweite betrifft die Verantwortung für die Minderabnahme der vereinbarten monatlichen Abnahmemengen;
b.) Punkt 2.2.5 hat einen deklarativen Charakter: er legt weder die Preise fest, zu denen das nichtentnommene Gas bezahlt werden soll, noch Fristen oder Mechanismen dieser Zahlung. Zumal die Art, wie dieses Prinzip im Liefervertrag festgelegt wurde, nicht der europäischen Branchenpraxis entspricht und eben gemäß europäischen Gasverträgen können bezahlte, doch nicht abgenommene Gasmengen im weiteren dem Käufer gemäß dessen Forderungen und ohne Zusatzzahlungen geliefert werden. Eine analoge Position fehlt im Liefervertrag. Infolgedessen kann man bestätigen, dass der Punkt 2.2.5 nicht in der Realität angewendet werden kann, da er einerseits ungerecht ist und nicht den Praktiken der Gasindustrie entspricht und andererseits ein Mechanismus seiner praktischen Umsetzung fehlt, der zusätzlich von beiden Seiten abgestimmt werden muss;
c.) in Bezug auf die Strafsanktionen zum Punkt 6.6 existiert ebenfalls die Frage, inwieweit die Höhe dieser Sanktionen angemessen, proportional und gerecht ist und folglich ob der Punkt 6.6 dem Recht Schwedens entspricht und ob er nicht gemäß diesem Recht überhaupt aufgehoben werden kann;
d.) sogar wenn man von der Rechtmäßigkeit des Punktes 6.6 ausgeht (was hinreichend merkwürdig ist), existiert eine Grundlage für die Schlussfolgerung, dass „Gasprom“ nach dem Verhalten zu urteilen bereits auf die Anwendung von Strafsanktionen im Jahre 2009 gemäß Punkt 6.6 verzichtet hat und sogar ungeachtet dessen, dass ein direkter schriftlicher Verzicht von „Gasprom“ zu dieser Frage nicht unterzeichnet wurde. Insbesondere stellt „Gasprom“ „Naftogas“ nach Ablauf des Monats keine Rechnungen zu Zahlung von Strafsanktionen. Zumal in der auf der offiziellen Seite von „Gasprom“ platzierten Information direkt gezeigt ist, dass „Gasprom“ eine Entscheidung fällte, dem Unternehmen ‘Naftogas’ keine Strafen für die Nichtabnahme von Gas zu stellen. Diese Handlungen „Gasproms“ sind nach dem Recht Schwedens juristisch verpflichtend und zeugen von dem Verzicht „Gasproms“ auf das Sanktionsrecht gemäß Punkt 6.6. Falls in dieser Beziehung Zweifel irgendwelcher Art aufkommen könnten, dann nur in Verbindung mit den ständigen Erklärungen hochgestellter ukrainischer Staatsangestellter zur Möglichkeit der Anwendung von Sanktionen seitens „Gasprom“. Es ist zweckmäßig von ukrainischer Seite diese Rhetorik einzustellen, andernfalls könnte sie zu direkt entgegengesetzten juristischen Folgen führen.;
Führt eine Verzögerung der Zahlungen oder eine nur teilweise Bezahlung zu einer unverzüglichen Reduzierung der Lieferungen für den Binnenverbrauch der Ukraine?
Die härtesten Positionen des Liefervertrages sind diejenigen, welche die Zahlungsbedingungen regeln: eine 100-prozentige Bezahlung für das verbrauchte Gas soll bis zum 7. des nachfolgenden Monats realisiert werden; im Falle einer Verzögerung findet ein Übergang zu einer Vorauszahlung bei für „Gasprom“ gewährtem Recht die Gaslieferungen für den Binnenverbrauch der Ukraine zu unterbrechen oder zu stoppen (Artikel 5 des Vertrages). Die Eile, mit welcher der Liefervertrag abgeschlossen wurde, spiegelt sich im Artikel 5 wider: entsprechend des Punktes 5.1.5 ist im Falle beispielsweise einer Nichtzahlung oder nur teilweisen Zahlung des Gaspreises bis 7. Dezember, vom in der Ukraine im November verbrauchten Gas, eine Lieferung im Dezember nur bei Übergang zu Vorauszahlung möglich, was seinerseits nur unter der Bedingung einer von „Gasprom“ bis 16. November gestellten Vorrechnung und deren vorheriger Bezahlung durch „Naftogas“ nicht später als bis zum 30. November möglich ist, wie es in den Punkten 5.8.1 und 5.8.2 vorgesehen ist. Von der Sache her ergibt es sich so, dass „Naftogas“ und „Gasprom“ vorher die Zahlungsverzögerung prognostizieren müssen und unerfreuliche Folgen müssten für „Naftogas“ noch vor der Verletzung der Zahlungsbedingungen eintreten (das heißt von der Sache her trägt „Naftogas“ die Verantwortung bereits vorher und ohne Verletzung der Vertragsverpflichtungen und ohne Schuld von „Naftogas“, was juristisch unzulässig ist). Der Ausweg aus dieser Situation besteht darin, dass sogar im Falle einer Verzögerung der Gaszahlung durch „Naftogas“, sagen wir, für den November, die Lieferungen im Dezember weiter zu den alten Bedingungen laufen sollen (ohne Vorauszahlungen) und der Übergang zu einer Vorauszahlung ist erst im Januar möglich, falls es nicht gelingt die Situation zu korrigieren. „Naftogas“ kann in diesem Fall juristisch richtig seine Position argumentieren, dabei die juristische Konstruktion des „Verzugs des Kreditgebers“ bei der Stellung der Rechnung zur Vorauszahlung nutzend.
Auf diese Weise sollte eine Verzögerung bei der Zahlung (eine Nichtzahlung oder nur teilweise Zahlung) nicht zu einer unverzüglichen Einstellung der Gaslieferung für den Binnengebrauch in der Ukraine führen. „Naftogas“ hat wenigstens einen Monat Zeit für die Korrektur der Situation und die Führung von nicht einfachen, aber ergebnisreichen Verhandlungen mit „Gasprom“, unter Beibehaltung der Gaslieferungen für den Binnenverbrauch der Ukraine.
Kann „Gasprom“ den Gastransit nach Europa unterbrechen?
Eine Verzögerung „Naftogases“ bei der Bezahlung des Gases könnte zu einer Unterbrechung der Gaslieferungen von „Gasprom“ für den Binnenverbrauch der Ukraine führen. In dieser Beziehung hat die russische Seite bereits erklärt, dass “falls sie [die Ukraine] kein [Gas für den Binnenverbrauch] erhalten wird, bedeutet das höchstwahrscheinlich, dass es eine Entnahme aus der Exportleitung geben wird“. Weiter folgte eine Phrase, die eher eine emotionale, als eine juristische Grundlage hat: “sobald die Entnahme beginnt, werden wir die Lieferung reduzieren“. Doch die Sache ist die, dass es für die russische Seite keine juristische Grundlage für diese Reduzierung gibt. Das erklärt sich nachfolgend:
a.) der Transitvertrag gibt „Gasprom“ nicht das Recht das Liefervolumen von Transitgas in die Ukraine, im Falle einer Entnahme eines Teiles des Gases durch „Naftogas“ (im Transitvertrag fehlt eine Position, die analog zu Punkt 5.3 des Liefervertrages ist), zu reduzieren. Das Recht Schwedens sieht ebenfalls für „Gasprom“ kein Recht vor, in diesem Falle den Gastransit zu verringern;
b.) Punkt 13.12 der Transitvertrag legt die Pflicht von „Naftogas“ fest, den Transit im Falle eines beliebigen Streits (darunter die Entnahme von Transitgas betreffend) bis zum Abschluss einer Schlichtungsprozedur nicht zu unterbrechen. Obgleich dieser Punkt auch als einseitige Verpflichtung von „Naftogas“ formuliert wurde, ist nichtsdestotrotz dessen praktische Anwendung nur unter der Bedingung möglich, dass auch „Gasprom“ sich analog verhält, das heißt die Gaslieferung im Falle eines beliebigen Streits nicht einstellt. Auf diese Weise muss man den Punkt 13.12 auch als für „Gasprom“ bindend ansehen;
c.) Punkt 10.4 des Transitvertrages legt direkt fest, dass im Falle einer Entnahme eines Teiles des Transitgases die entnommenen Mengen gemäß dem Liefervertrag bewertet werden. Bemerkenswert ist, dass in diesem Falle nicht die Vorauszahlung für das entnommene Gas vorgesehen ist. Zumal die Positionen des Punktes 10.4 des Transitvertrages auf diese Weise begriffen werden können, dass vor den europäischen Käufern eben „Gasprom“ die Verantwortung für den Transit des Gases über das Territorium der Ukraine trägt (und das ist logisch: da die europäischen Verbraucher den ukrainischen Transit „Gasprom“ bezahlen und nicht an „Naftogas“; und entsprechend die Risiken, die mit dem Gastransit über das Territorium der Ukraine verbunden sind, gegenüber den Europäern „Gasprom“ und nicht „Naftogas“ trägt) und im Falle der Entnahme eines Teiles des Transitgases „Gasprom“ das Volumen des eingespeisten Transitgases um die Menge erhöhen muss, die von der Ukraine entnommen wurde.
Tatsächlich sollten die Positionen des Punktes 10.4 nicht als Ermunterung für die ukrainische Seite zur Entnahme von Transitgas verstanden werden. Die Entnahme eines Teiles des Transitgases sollte nicht Regel, sondern als Ausnahme von der Regel betrachtet werden. Nichtsdestotrotz: im Falle des Eintretens einer solchen extraordinaren Situation sollte ein klares Verständnis dessen realisiert werden, dass: erstens, „Gasprom“ kein Recht hat gesetzlich begründet die Transitgaslieferung (ausgehen von den unterzeichneten Verträgen) zu reduzieren und zweitens wird die Verantwortung für die Nichtlieferung des Gases an die europäischen Länder bei „Gasprom“ liegen. Die Verantwortung gegenüber den europäischen Verbrauchern für den Transit des Gases über die Ukraine kann „Gasprom“ nur in dem Falle ablegen, wenn dieser Transit gemäß den europäischen Prinzipien stattfindet, das heißt: falls der Transit über die Ukraine auf der Grundlage entsprechender Verträge zwischen „Naftogas“ und den europäischen Käufern stattfindet (diese Möglichkeit ist in der gemeinsamen Erklärung der Ukraine und der EU vom 23.03.2009 vorgesehen).
Andererseits ist es unmöglich der Tatsache keine Aufmerksamkeit zu widmen, dass der Preis des entnommenen Transitgases gemäß dem Punkt 4.3. des Liefervertrages bestimmt wird, da heißt der gleiche Preis über dem normalen in Höhe des 1,5-fachen des normalen Preises in der Zeit von April bis September und in Höhe des 3-fachen in der Zeit von Oktober bis März. Nichtsdestoweniger gibt es hier ebenfalls eine Alternative für die ukrainische Seite: entsprechend dem Internationalen Abkommen vom 22. Dezember 2000 (welches gültig ist und vor den Gasabkommen vom 19. Januar 2009 steht) wird ein Mechanismus der Zahlung von außervertraglichen Entnahmen für Transitgas in der Ukraine vorgesehen. Dieser Mechanismus sieht die Ausgabe von Euroanleihen durch die Ukraine zu einer Summe die nach einer speziellen Methodik, der ein Gaspreis von 80 Dollar für 1.000 Kubikmeter zugrunde liegt, berechnet wird vor. Die entsprechende Position des Regierungsabkommens vom 22. Dezember 2000 könnte von der ukrainischen Seite als eine der Varianten der Lösung der Frage zur Bezahlung möglicher Entnahmen von Transitgas stehen. Bleibt zu berücksichtigen, dass „Naftogas“ den genannten Mechanismus des Abkommens vom 22. Dezember 2000 nicht selbstständig nutzen kann. Dafür muss das Ministerkabinett der Ukraine eine entsprechende Entscheidung zur Prozedur der Anwendung des Abkommens vom 22. Dezember 2000 annehmen und rechtzeitig die entsprechenden Positionen zur Information der Regierung der Russischen Föderation auf diplomatischen Kanälen vorlegen.
Was ist das Resultat?
Sowohl „Naftogas“ als auch „Gasprom“ sollten verantwortungsbewusst an die Zusammenarbeit im Gasbereich gehen (die sich auch direkt auf die Gasversorgung der europäischen Länder auswirkt). Diese Verantwortung meint Redlichkeit bei der Nutzung der eigenen Vertragsrechte und -pflichten und eine Nichtzulassung eines ungerechtfertigten Drucks auf die andere Seite, darunter über die Schließung des Gasventils. Die Gasverträge, die am 19. Januar 2009 unterzeichnet wurde, setzen der ukrainischen Seite einen hinreichend strengen Rahmen. Nichtsdestotrotz, sogar deren harte Positionen erlauben es der ukrainischen Seite bei richtigem Herangang ihre Rechte und Interessen zu vertreten. Bei aller Uneindeutigkeit enthalten die Gasabkommen vom 19. Januar 2009 Positionen, die sogar bei Aufkommen einer Krisensituation (beispielsweise bei einer Verzögerung der Gaszahlung durch die ukrainische Seite) a.) eine taktmäßige Gaslieferung für die ukrainischen Verbraucher und b.) eine Vermeidung der Reduzierung der Transitgaslieferungen „Gasproms“ und eine Verhinderung der Nichtlieferung an die europäischen Verbraucher erlauben. Die Hauptaufgabe der ukrainischen Seite sollte darin bestehen, dass man die vorhandenen Möglichkeiten ausnutzt und die ukrainisch-russischen Beziehungen im Gasbereich entpolitisiert: eine Politisierung der problematischen Gasfragen im Falle ihres Auftretens und ebenfalls eine Sicherstellung der Regelung dieser Fragen auf der Basis des europäischen Prinzips der Hoheit des Rechts.
Der erste und der zweite Gaskrieg wurden über politische Regelungen beendet, die auf der Ignorierung von Rechtsnormen und -prinzipien beruhten. Die Gaskonflikte der Jahre 2006 und 2009 wurden über die Opferung des Rechts gegenüber der Politik gelöst, ohne Beachtung des existierenden Rechtsregimes der Zusammenarbeit im Gasbereich, welches auf den Regierungsabkommen der Jahre 1994, 2000 und 2001 beruht. Dieser Ansatz führt nur zur Einfrierung der Gaskonflikte und dem Beschluss intransparenter Lösungen, die keine langfristige Perspektiven haben. Nur die Oberhoheit des Rechts kann eine Exkalation verhüten und eine baldige Lösung eines möglichen Gaskonfliktes sicherstellen. Mit diesem Ziel müsste das offizielle Kiew:
- einen gewissenhaften, offenen, verantwortungsvollen und transparenten Dialog mit der russischen Seite auf der Grundlage des Prinzips der Oberhoheit des Rechts führen und die europäische Seite in diesen Dialog mit einbeziehen;
- Entwürfe für staatliche Lösungen im Falle möglicher Krisensituationen im Gasbereich ausarbeiten, dabei darunter von den geltenden Regierungsabkommen vom 18.02.1994, 22.12.2000 und vom 04.10.2001 ausgehend;
- aufmerksam die Gasverträge vom 19. Januar 2009 studieren und vor allem im Kontext der Anwendung findenden Rechts Schwedens; das kann der ukrainischen Seite neue Möglichkeiten eröffnen;
- eine ernsthafte und abgestimmte Aufklärungs- und Informationsarbeit betreiben (vor allem rechtzeitig und wenn möglich vorher die eigene Position der EU vorlegen);
- eine Strategie für das Verhalten im Falle des Auftretens eines dritten Gaskrieges ausarbeiten; diese Strategie sollte vor allem auf der juristischen Argumentation und den Prinzipien der Transparenz beruhen;
- ein Verhandlungsteam gründen, welches aus Experten besteht, die vorher vorbereitete und bestätigte Direktiven haben
Falls das Schlimmste eintritt und ein dritter Gaskrieg zum Ausbruch kommt, bedeutet das das Ende für die Gasabkommen vom 19. Januar 2009 und führt zu neuen Realitäten auf dem europäischen Gasmarkt. Dieses Szenario wird von den Autoren nicht begrüßt, doch die Entwicklung der Ereignisse schließen ein Eintreten nicht aus. Die Ukraine muss darüber nachdenken, wie die neue Ordnung auf dem Gasmarkt von Wladiwostok bis Lissabon aussieht und welchen Platz die Ukraine in dieser einnehmen wird.
Alexander Tschalyj – außerordentlich bevollmächtigter Botschafter der Ukraine
Alexander Malinowskij – Partner der Consultinggruppe „Legis“
Quelle: Serkalo Nedeli