Ukrainische Metallindustrie vor Stillstand
Am Freitag hat das Ministerium für Industriepolitik den Beginn einer Krise der Metallurgie in großem Ausmaße verkündet. In Verbindung mit dem Absinken der Weltmarktpreise können ukrainische Metallkombinate weiter nicht mehr mit chinesischen und russischen Herstellern konkurrieren. In den Lagern der Unternehmen haben sich aufgrund der Absatzprobleme die Erzeugnisse eines ganzen Monats angesammelt. Bereits jetzt sind 17 von 36 ukrainischen Hochöfen gestoppt worden und die Metallurgen ziehen die Möglichkeit des vollständigen Produktionsstopps in ihren Unternehmen in Betracht. Falls die Regierung keine außerordentlichen Maßnahmen zur Unterstützung des Metallsektors ergreift, werden die Folgen zu beklagen sein: von Steuerausfällen und Massenentlassungen bis zur Krise der gesamten ukrainischen Wirtschaft, betonen Experten.
In der Ukraine sind 16 metallurgische Kombinate und Betriebe tätig. 2007 betrug die Produktion von Roheisen 35,6 Mio. t, Stahl 42,8 Mio. t, fertiges Walzgut 36,2 Mio. t. Den Angaben des Ausschusses der Werchowna Rada zu Fragen der Industrie- und Regulierungspolitik nach betrug der Anteil der Unternehmen des Metall- und Verhüttungskomplexes am BIP 27%. Den Angaben des Staatlichen Statistikamtes nach, betrug die Menge der umgesetzten Produktion in der Metallbranche in 2007 148,28 Mrd. Hrywnja (ca. 21,2 Mrd. €) oder 9,2% des Marktpreises aller Waren und Dienstleistungen, die im Lande in diesem Jahr hergestellt wurden. Allgemein betrug das Volumen der Valutaeinkünfte aus dem Export von Metallprodukten 39,9%. In den Unternehmen der Branche arbeiten mehr als 500.000 Menschen.
Wie dem “Kommersant-Ukraine“ der Direktor der Abteilung der Metallindustrie beim Industrieministerium, Nikolaj Ambrosimow, erzählte, fiel im September das Outputvolumen der Metallproduktion in den ukrainischen Kombinaten sehr heftig. Gerade ist das geringste Produktionsvolumen der letzten vier Jahre erreicht worden. Den Worten von Ambrosimow nach, haben 17 von 36 Hochöfen in ukrainischen Hochöfen ihre Arbeit eingestellt und der Vorrat an Produkten in den Lagern der Werke erreichte die Höhe einer Monatsproduktion. Die Krisensituation in der Metallurgie wird heute in einer Konferenz der Herstellervereinigung “Metallurgprom” untersucht. Teilnehmen werden das Ministerium für Industriepolitik und die größten Metallkombinate.
Der Stellvertreter des Generaldirektor des Mariupoler Metallkombinates namens Iljitsch, Sergej Matwijenkow, bestätigt, dass wenn auf dem Markt keine generelle Änderung eintritt, dann muss innerhalb von zwei bis drei Wochen die Mehrheit der Metallkombinate ihre Tätigkeit vollständig einstellen. Beim Pressedienst von “Saporoshstal” erklärt man, dass wegen des extremen Aufwandes eines vollständigen Stopps der Hochöfen, die Funktion des Unternehmens im Modus des “Schleichgangs” aufrechterhalten wird. “Die Pläne werden auf solche Weise überarbeitet, dass der Ressourcenverbrauch maximal begrenzt wird. Das bedeutet, dass die verbrauchsintensive Stahlschmelze maximal verringert wird. Bevorzugt wird die Walzgutherstellung, Stahl kann man billiger in China und Russland kaufen.”, sagte der Direktor der Hochöfnervereinigung Wladimir Tereschtschenko. Der Direktor der Föderation der Metallurgen der Ukraine, Sergej Pritomanow, prognostiziert, dass die Unternehmen gezwungen sein werden ihre Ausgaben für soziale und ökologische Programme zu verringern und ebenfalls ihren Plan für die Produktionsentwicklung zu überarbeiten. Beim Pressedienst des Jenaijewer Metallkombinates nannte man als Hauptgrund für die Verringerung der Produktionsmengen die Verschlechterung der Konjunktur des Weltmarktes für Metallprodukte, ein heftiger Sprung bei den Preisen für Rohstoffe und Energieträger, die beständige Erhöhung der Eisenbahntarife und der Kosten für Transportdienstleistungen.
Sergej Matwijenkow sagt, dass “unter den Bedingungen, wenn sich die Nachfrage nach Metallprodukten stark absenkt, kann nur der auf dem Markt bleiben, der den niedrigsten Preis bietet. Die Kosten des ukrainischen Walzguts liegen um 20-25% über dem russischen und dem chinesischen, welche bei einzelnen Produktarten uns vollständig aus dem Markt gedrängt haben.” Maxim Schein, Analyst der Investmentfirma “BrokerKreditService”, erzählte, dass die Produktion der russischen Metallhersteller – “Sewerstal” und das Magnitogorsker Metallkombinat – sich auf den Außenmärkten dank dessen hält, dass die “Russischen Eisenbahnen” die Kosten für den Transport der Produkte um 40% senkten. Den Worten des unabhängigen Experten Kirill Tschujko nach, haben auch die chinesischen Metallurgen, denen die Landesregierung spürbare Steuervergünstigungen eingeräumt hatte, den Preis für ihre Produktion gesenkt. Die “UkrSalisnyzja” gab den Metallurgen nur eine 10-prozentige Ermäßigung für den Transport von Metallprodukten. Gleichzeitig weigerte sich das Kabinett die Kosten für Erdgas für die Metallkombinate zu senken, ungeachtet der Versprechen Anfang des Monats (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“ vom 11. September).
Die Leiterin des Parlamentsausschusses für Fragen der Industrie- und Regulierungspolitik, Natalja Korolewskaja, geht davon aus, dass der Fall der Metallurgie zu Steuerausfällen im Oktober-Dezember führen kann und ebenfalls im Jahresvergleich. Sie erinnert daran, dass die Metallurgie 12% der Steuereinnahmen des Landes bringt. Der Meinung der Analystin der Investmentfirma Dragon Capital, Jelena Belan, nach, wird ein möglicher Stopp der Produktion der Metallunternehmen, sich auf die ganze Wirtschaft auswirken. “Man kann eine Kettenreaktion erwarten und dabei eine allgemeine Absenkung der Löhne, einen Rückgang im Handel und im Transport.”, sagt sie. Und Walerij Nesterow, Analyst der Investmentfirma “Trojka Dialog”, betont, dass für ausländische Investoren die ukrainische Metallurgie eine Schlüsselbranche und die interessanteste war: “Ein Produktionsstopp der Metallkombinate wird bedeuten, dass man schnell die Investitionen aus dem Lande abziehen muss. Infolge dessen, tritt ein Geldmangel auf und eine globale Liquiditätskrise.”
Durchschnittliche Tagesproduktion an Stahl der größten Metallkombinate, in Tausend Tonnen
Unternehmen | Januar | Februar | März | April | Mai | Juni | Juli | August | September | Oktober |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Jenakijewoer Metallkombinat | 8,5 | 8,1 | 8,9 | 8,6 | 8,1 | 7,2 | 8,5 | 8 | 6,8 | 5,6 |
“Asowstal” | 17,9 | 15,5 | 17,2 | 17,8 | 17,6 | 18,4 | 16,9 | 16,1 | 16 | 14,7 |
Mariupoler Metallkombinat namens Iljitsch | 18,8 | 19,8 | 20,3 | 19,8 | 20 | 19 | 17,8 | 15,2 | 10 | 7,9 |
Altschewsker Metallkombinat | 11,7 | 14 | 15 | 14,2 | 16,6 | 15,3 | 15,0 | 3,4 | 9,7 | 6,5 |
Dnepr-Metallkombinat namens Dzierżyński | 10,7 | 11 | 10,5 | 10,4 | 11,3 | 11 | 11,1 | 7 | 3,9 | 3,4 |
“ArcellorMittal-Kriwoj Rog” | 20,7 | 21,4 | 22,5 | 21,7 | 22 | 20,7 | 19,5 | 17,1 | 13,9 | 8,6 |
Angaben vom Ministerium für Industriepolitik
Quelle: Kommersant-Ukraine