Die Welt gerät langsam weiter in die Krise. Manche nennen das Geschehen die zweite Welle, andere bezeichnen dies als die neue Welle. Die Prognosen der meisten Experten zeichnen sich nicht durch Optimismus aus.
An diesen Tagen hat die OECD ihre Wachstumsprognose des BIPs in der EU für das kommende Jahr veröffentlicht. Es ist ein rasanter Abfall von 1,6% Zuwachs in diesem Jahr auf einen erbärmlichen Zuwachs von 0,2% für 2012 zu erwarten. Jetzt werden in der EU verzweifelte Versuche unternommen, die herannahende Rezessionswelle mit Geld zu neutralisieren. Dabei ist allerdings zu bezweifeln, dass diese Maßnahmen einen positiven Effekt bringen werden.
Ohnehin steckt die EU bis über die Ohren in der Schuldenkrise. Für das nächste Jahr wird erwartet, dass die Staatsverschuldung aller EU-Länder 98% des BIPs erreicht. Wenn man sich die einzelnen Ländern ansieht, ist der Unterschied noch größer: in Italien übersteigt dieser Wert 160% des BIPs, allerdings auch im konservativen Deutschland nähert sich der Wert 80% des BIPs.
Dies beeinflusst die Ukraine unmittelbar: die Probleme in der Weltwirtschaft führen zu abnehmender Nachfrage und zu sinkenden Preisen für Metall dem Basisprodukt der ukrainischen Wirtschaft.
In Europa wird das Metall teilweise unnötig: wegen der Wirtschaftskrise wurde die Stahlproduktion um 27 Tonnen in diesem Jahr reduziert. Den Angaben von ArcelorMittal nach sind in ihren europäischen Werken schon neun von 25 Hochöfen stillgelegt. Zieht man die Tatsache in Betracht, dass bis zu 30% des ukrainischen Exports von Metallerzeugnissen in die EU-Länder geht, sind dies unerfreuliche Nachrichten.
Allerdings ist die offizielle ukrainische Statistik noch ziemlich optimistisch. Den Angaben des ukrainischen Statistikamts zufolge haben die metallherstellenden Unternehmen ihren Absatz von Januar bis Oktober 2011 im Vergleich zum Vorjahr fast um ein Drittel auf 204 Mrd. UAH (ca. 19,4 Mrd. €) erhöht (2010 insgesamt: 189.4 Mrd. UAH – ca. 18 Mrd. €). Diesen Angaben zufolge hat der Anteil an Metallerzeugnissen an der gesamten abgesetzten ukrainischen Industrieproduktion 22,5% betragen. Im Export übersteigt der Wert traditionell ein Drittel.
Allerdings korrelieren diese optimistischen Angaben mit der Realität kaum – die Auftragspreise für das Metall nehmen schon seit zwei Monaten kontinuierlich ab. Die Auslastung der Kapazitäten geht ebenso zurück. Den Angaben des Produzentenverbandes „MetallurgProm“ nach lag dieser Wert im September auf dem Niveau von 82,5%, hingegen ging dieser Wert im Oktober auf bis zu 81% zurück und im Dezember sank er weiter auf 80,7%.
Die Prognosen für die Stahlproduktion für 2011 liegen bei 34 Mio. t. Dies war der Wert für 2003-2005, was auf eine weitere Abnahme in der Stahlproduktion hinweist. Die Prognosen für das kommende Jahr sind vergleichbar. Obgleich dies besser ist als die 29 Mio. t von 2009, verschlechtern sich die Prognosen weiter.
Die Absicht, das Produktionsniveau zurückzufahren, wurde bereits vom Altschewsker Metallkombinat und dem Dnepr-Metallkombinat namens Dserschinski verkündet. Die beiden Metallkombinate gehören zur ukrainisch-russischen „Industrial Union of Donbass“. Die gleichen Pläne haben das Mariupoler Iljitsch-Metallkombinat und “Asowstal” (der Besitzer ist Rinat Achmetov).
Offiziell wurde bereits mit Personalentlassungen angefangen. Wenn es früher Optimierung genannt wurde, verbindet man dies heute mit niedriger Kapazitätsauslastung. Im Einzelnen wurde beim Dserschinski-Kombinat erklärt, dass „faktisch im Verlaufe des gesamten Jahres 2011 der Markt für Metallprodukte gleichzeitig sowohl dem Volumen, als auch den Preisen nach schrumpfte, daher sind die Metallunternehmen der Ukraine gezwungen die Produktionsmengen zu reduzieren, um unter den derzeitigen Bedingungen zu überleben“.
Seit einigen Jahren gehen „stille“ Personalentlassungen im früheren „Kriworoshstal“-Metallkombinat vor sich. Vor kurzem kündigte das Mariupoler-Metallkombinat das Sinken der Metallproduktion um 20% an, gleiche Prozesse sind bei den „Asowstal“ und „Saporoshstal“-Metallkombinaten zu bemerken. Sie versprachen, keine radikalen Maßnahmen zu unternehmen, allerdings ohne Gewähr.
Mittlerweile sinken die Löhne in der Branche. Im Oktober sind die Löhne in der Eisen- und Stahlmetallindustrie um 3,2% (bis zu 4.600 UAH, etwa 438 €) gesunken. In den Unternehmen der Buntmetallindustrie sind die Einkünfte um 5,5% zurückgegangen. Im Ganzen erinnert es deutlich an das Jahr 2008.
Unter den Betroffenen sind traditionell die Unternehmen, die keine eigenen Rohstoffe haben, wie zum Beispiel das Dnepr-Metallkombinat namens Dserschinski und das Altschewsker Metallkombinat. Früher gehörte zu dieser Gruppe das „Saporoshstal“-Metallkombinat und das Mariupoler Iljitsch-Metallkombinat. Allerdings ist wegen der Übernahme der beiden Unternehmen durch Rinat Achmetov die Risikogruppe auf Makroebene auf die Metallkombinate der „Industrial Union of Donbass“ zusammengeschrumpft.
Auf einer Tagung im November in Dnepropetrovsk wurden die folgenden Schätzungen von „UkrPromWneschExpertisy“ vorgelegt: die Rentabilitätsschwelle bei der Produktion von Rohbrammen in Metallkombinaten ohne eigenes Erz und Koks beträgt ungefähr $630-640 für eine Tonne. Mit vorhandenem Erz und Koks sinkt dieser Wert fast um ein Viertel. Mit anderen Worten ist Achmetovs Situation nicht so schlecht… Darüber hinaus dient eine solche Situation Achmetov bei den Verhandlungen über den Kauf des ganzen Unternehmens oder eines Teils davon. Die Gerüchte darüber verbreiten sich immer mal wieder. Viele erinnern sich gut daran, wie schnell und billig Rinat Achmetov das Mariupoler Iljitsch-Metallkombinat erworben hat.
Außerdem kann man mit großem Erfolg die Erze exportieren, um damit die Rentabilität der Businessgruppe zu erhöhen. Sogar bei Produktionskosten von $30-35 ist der auf dem Höhepunkt der Krise beobachtete Preis von $60-70 nicht kritisch. Nicht ohne Grund betonen Zyniker, dass die Priorität von ArcelorMittal beim „Kriworoshstal“-Metallkombinat nicht in der Erhöhung der Metallproduktion, sondern in der Förderung von Erzen und Kohle liegt.
Im Großen und Ganzen ist die Situation nicht erfreulich. Und die traurigste Tatsache in der kommenden Wirtschaftskrise ist, dass die Ukraine nichts selbst entscheidet. Im Grunde genommen, gibt es keinen Binnenmarkt für die Metallerzeugnisse.
Der Exportteil der Metallindustrie schwankt um die 80%, obwohl schon seit drei Jahrzehnten von dem Aufbau eines Binnenmarktes gesprochen wird. Vor einigen Jahren stellte die Regierung die Aufgabe, den Exportteil von 81% auf 60% zu senken. Es wurde beabsichtigt, dies durch eine Ausweitung des Verbrauchs in den Bereichen der Bauindustrie, des Maschinenbaus, des Schiffbaus, der Energiewirtschaft und bei Erneuerungen zu erreichen. In der Tat verbrauchte der Binnenmarkt auf dem höchsten Punkt nicht mehr als 30% in allen Bereichen. Dabei macht ein bedeutender Teil dieses niedrigen Werts ein erneutes Umschmelzen der Metallprodukte aus.
Derzeit verkündet die Regierung die Entwicklung neuer Infrastrukturprojekte einschließlich des Automobilbaus. Theoretisch ist die Idee richtig. Berücksichtigt man allerdings die Ergebnisse der vorherigen Projekte, erzeugt dies kein Optimismus: die meisten Projekte blieben entweder auf dem Papier oder alle Gelder wurden gestohlen. Die fieberhafte Aneignung der Ressourcen der EURO-2012 hat ebenso kein Optimismus erzeugt. Deswegen wird das Land in den kommenden Jahren vollkommen auf Außenfaktoren angewiesen sein.
Mit dem Export hat die Ukraine ebenfalls Probleme. Den Angaben von „UkrPromWneschExpertisy“ nach exportierte das Land 2007 28 Mio. t der Metallerzeugnisse, im letzten Jahr betrug dieser Wert 24 Mio. t und 2011 sind 23 Mio. t zu erwarten. Das bedeutet, dass während der letzten vier Jahre ein Absatzmarkt verloren wurde, der den gesamten Kapazitäten des Mariupoler Iljitsch-Metallkombinates entspricht.
Berücksichtigt man, dass die Hälfte der Stahlproduktion (46%) bloße Halbfabrikate mit niedrigem Mehrwert ist, dann sind die Leistungen unserer Metallproduzenten ziemlich bescheiden. Man kann sich nur damit trösten, dass die Nische der Halbfabrikatproduktion, die umweltschädlich und brotlos ist, nur wenige Anreize bietet. Alle bevorzugen es, in anderen Bereichen tätig zu sein.
Zu einem weiteren Minus wurde das erneute Einfrieren der meisten Investitionsprojekte (für die Krisenzeit). Was die weitere Konservierung des technischen Rückstands bedeutet. Während der letzten Jahrhunderte ist die ukrainische Metallindustrie zu einem „Naturschutzgebiet der Technologie des XIX Jahrhunderts“ geworden. Seit 1991 hat sich die Metallproduktion, die auf neue Technologien Wert gelegt hat, weltweit verdoppelt. Die Siemens-Martin-Öfen sind lediglich in der Ukraine geblieben und sind noch zum Teil in Indien verbreitet. Ein Stahlwerk, wie das Mariupoler Iljitsch-Metallkombinat, in dem durch das Siemens-Martin-Verfahren 100% der Stahlproduktion erzeugt werden, kann ansonsten nur noch in Filmchroniken gesehen werden. Allerdings sind die Renovierungspläne des Metallkombinates wenig plausibel. Von der früher angekündigten Fertigstellung 2018 spricht heute niemand mehr.
Von den neuen Projekten, die ganz von vorne angefangen wurden, kommt nur Viktor Pintschuks „DneprStal“-Metallkombinat in den Kopf.
Das bedeutet, dass unsere Wettbewerbsvorteile wie früher billige Arbeitskräfte (d.h. niedriges Arbeitsentgelt), preiswerte Rohstoffe, eine gelassene Einstellung zur Ökologie und die Einsparung von Investitionen sind.
Man sagt, dass man aus Fehlern (und Krisen) lernt. Doch hat die Ukraine ihrer bereits drei durchlebt und erwartet gerade die vierte. Das Lernen zieht sich offensichtlich hin.
2. Dezember 2011 // Igor Maskalewitsch
Quelle: Serkalo Nedeli


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