Vom Ungehorsam der Abgeordneten


Darüber, dass Walerija Lutkowskaja als neue Menschenrechtsbeauftragte gewählt werden wird, sprach man einen Tag vor den Wahlen in der Werchowna Rada wie über eine vollendete Tatsache. Lutkowskaja wurde als Kandidatin aufgefasst, die von der Administration des Präsidenten vorgeschlagen wurde und vom Staatsoberhaupt als solche abgesegnet.

Dass die Abstimmung durchaus zu Ungunsten der früheren Stellvertretenden des Justizministers und Mitarbeiterin der Firma „Lawrinowitsch und Partner” ausfallen könnte, begriff man erst nachdem die Ergebnisse bekannt waren.

Lutkowskaja musste ohne Amt gehen. Natürlich kann die Fraktionsführung der „Regionalen” nochmals versuchen die Mitstreiter übers Knie zu legen und sie zu zwingen für die Kandidatin der Präsidialadministration zu stimmen. Wenn allerdings Lutkowskaja ein zweites Mal durchfällt, wird es richtig peinlich.

Aber wodurch ist garantiert, dass sie nicht durchfallen wird? Die Wahl wird nämlich wie immer geheim sein…

Genau deshalb ist das Vorgefallene ein Symptom dessen, was tatsächlich in den schlanken regionalen Reihen vor sich geht. Man kann natürlich Mutmaßungen aufstellen, wer tatsächlich für ein Scheitern der Kandidatur Lutkowskajas sorgte die Abgeordneten, die für ihren früheren Justizminister und Gönner Aleksandr Lawrinowitsch keine Partei mehr ergreifen oder die Abgeordneten, die mit der abtretenden Ombudsfrau Nina Kapartschowa verbündet sind. Oder man kann behaupten, dass die „Regionalen” hier komplett außen vor sind, einmütig wählen, und ausschließlich die Kommunisten die Schuld tragen. Fakt bleibt hingegen, dass der Präsident die Kandidatur vorschlug und es sich herausstellte, dass das alle Launen mitmachende Parlament während der geheimen Wahlen sich als ganz und gar nicht so geschlossen erwies. Die Unzufriedenheit mit der übergestülpten Einstimmigkeit bricht ausgerechnet dann durch, wenn nicht zu kontrollieren ist, wer die Disziplin verletzt.

Diese Unzufriedenheit könnte für die Macht zum Problem werden, nicht in der jetzigen Parlamentsperiode, aber in der nächsten. Die Partei der Regionen, die begreift, dass sie unvermeidlich Einbußen zu erdulden haben wird, entschied in der Überzeugung sich abzusichern und das Wahlsystem des Landes abzuwandeln, „Direktkandidaten” noch nach der Wahl hinüber zur Regierung zu ziehen.

Aber wenn die Abgeordneten, die ihr Mandat über die Liste der Partei der Regionen erhielten, sich jetzt gegen die Vorschläge des Präsidenten stellen, wie werden sich diejenigen verhalten, die ausschließlich auf eigene Initiative und mit eigenen finanziellen Einlagen gewählt werden?

Ja, so ein direkt gewählter Abgeordneter wird Janukowitsch oder Ljowotschkin nicht öffentlich widersprechen, aber er wird versuchen, seine wirkliche Einstellung zu ihnen bei der erstbesten Gelegenheit zu demonstrieren: bei der ersten geheimen Wahl. Und wenn diese Wahl zeigt, dass die Regierung wenig echte Anhänger hat, wird dies zum Boden für wachsendes Misstrauen zwischen der Umgebung des Präsidenten und den Parlamentariern.

Die Partei der Regionen war immer eine Partei der Interessen: die Leute traten ihr nicht bei, um den Worten Wiktor Janukowitschs zu lauschen und alles zu tun, was ihm immer einfiel, sondern für den Schutz und das Wachstum des eigenen Geschäfts. Die Rolle der schweigsamen Knechte, die ihnen vom Präsidenten zugewiesen wurde, muss Unzufriedenheit auslösen. Natürlich werden sie nicht „enteignet” vorerst zahlt man ihnen ein Gehalt – vorerst, aber der Preis für die Aktivierung der Quelle wird zu einer unendlichen Erniedrigung und Unmöglichkeit, das aktuelle Geschehen zu beeinflussen.

Für Leute mit verstecktem Größenwahn ist das wirklich nahezu ein Schockerlebnis. Hier muss man verstehen, dass jeder beliebige Abgeordnete, und um so mehr, wenn er ein Business und Vermögen von zig weiteren Millionen hat, sich bereits auserwählt fühlt. Wenn der Präsident meint, dass die Leute, die er von Mitstreitern zu einem Wahlinstrument machte, zu schweigsamen Maschinen, die über Knöpfe zu bedienen sind und Geldbeträge berechnen, seine treuen Anhänger sind, irrt er sich – diese Leute verhalten sich ihm gegenüber schlimmer als die Anhänger der Opposition und verstecken ihre Emotionen in privaten Gesprächen nicht.

Deshalb sind alle über dieses Verhältnis bestens informiert, außer Janukowitsch. Deshalb konnte jeder die Erfolglosigkeit der Wahl von Lutkowskaja voraussehen, der die parlamentarischen Verhältnisse kennt, außer Janukowitsch.

Der Präsident hatte nie eine (und hat auch jetzt keine) parlamentarische Mehrheit, er hat lediglich eine Angstmehrheit, eine „aggressiv-gehorsame Mehrheit” (beleidigende Betitelung der Abgeordneten des Obersten Rates der UdSSR 1989 durch Jurij Nikolajewitsch Afanasjew; A.d.Ü.), aus der jeder Vertreter fürchtet, dass man ihn an die Wand drücken wird, wenn bekannt wird, dass er nicht gewählt hat, wie er sollte. Im neuen Parlament allerdings wird auch diese Angstmehrheit keinen Platz mehr finden.

16.03.2012 // Witalij Portnikow, Chefredakteur und Moderator des Senders TVi

Quelle: Lewyj Bereg

Übersetzerin:   Wenke Lewandowski  — Wörter: 720

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