Ureigener ukrainischer Wodka
Der Gebrannte aus der Ukraine nimmt zu Recht eine historische Vorreiterstellung unter den Wodkas ein.
In der Überzeugung, dass „Wodka“ unbedingt russisch sein muss, entspringt eine historische Ungerechtigkeit: Ohne ukrainischen Wodka wäre der Inhalt dieser Marke ein ganz anderer gewesen. Sogar in den vergleichsweise jüngeren sowjetischen Zeiten war in der Ukraine etwa 80 Prozent der Alkoholherstellung der UdSSR konzentriert. In Winnyzja sitzt einer der weltweit größten Wodkahersteller, der mit seinen Produkten 55 Länder beliefert. Im Jahre 2009 verkaufte die Ukraine in Russland 217 Mal mehr Wodka, als sie kaufte. Diese Herstellungskultur von starkem Alkohol für den persönlichen Gebrauch ist eine alte ukrainische Tradition, da der Wodka in Russland faktisch immer ein staatliches Produkt war. Dem Volk blieb nur noch, das zu nehmen, was ihm die Obrigkeit einschenkte. Wenn man es einmal aufarbeitet, so ist das Wort „Wodka“ nur ein Wort, aber mit dem Getränk verhält es sich um einiges interessanter.
Kleines Wasser
Das kleine Wörtchen Wodka mit der Bedeutung eines hochalkoholischen Getränks tauchte in der russischen Sprache im XIV. Jahrhundert auf und bedeutet Wasser in der Verniedlichungsform. In der russischen Sprache setzt sich dieses aus dem polnischen stammende Wort wahrscheinlich aufgrund des fragwürdigen Alkoholgehalts durch, den der ausgeschenkte Wodka in den zaristischen Schenken hatte. In der ukrainischen Sprache gibt es eine Menge Wörter, die bezeugen, dass er bei den Slawen von Anfang an als „erzeugter Wein“ oder „Getreidewein“ bezeichnet wurde: „Horilka/Gebrannter“, „Spotykatsch“ (mit Honig oder Preiselbeeren angesetzter Schnaps), „Samograj“ usw. Das Wort „Okovyta“ kommt aus der Tradition der Alchimisten, welche den Spiritus als aqua vitae bezeichneten, das „Lebenswasser“. Es ist weithin bekannt, dass 1386 genuesischen Kaufleute über Kafa (heute Feodossija) nach Litauen reisten und die Slawen mit aus Trauben gewonnenem Alkohol bekannt machten, wie es von den Alchimisten aus der Provence gelehrt wurde. Unterdessen konnten unsere Vorfahren auch ohne Alchimisten schon lange belebende Getränke herstellen, nicht nur aus Getreide, sondern auch aus Honig (aufgelöst in Wabenwasser), Waldbeeren und Früchten. Die Slawen stellten außerdem auch haltbare Honige naturbelassener und langer Gärung und Honigwein sowie Birkenwasser und Kwas (Brottrunk), außerdem Bier her. Die Honige klebten mit einem einzigartigen Material zusammen – Fischleim vom Stör, der bislang bei der Herstellung von Champagner benutzt wurde. Chroniken sprechen von einer nahen Bekanntschaft von griechischen sowie französischen und italienischen Weinen aus Trauben, vor allem nach der Annahme des Christentums, wo der Wein Teil des Ritus ist.
Was die Destillation betrifft, so gingen unsere Vorfahren ihren eigenen Weg. Die slawischen Weinbrenner benutzten zur Aufbereitung des gegorenen Gebräus Gärung und Vereisung. Bei letzterem gelangen Fuselöl und andere Verunreinigungen auf die Oberfläche des entstehenden Eises. Die Stärke des Getränks vergrößert sich entsprechend. In ihrer Eigenschaft als Klärmittel für starke alkoholische Getränke wurden immer Milch, Eiweiß, Birkenkohle, Filz und filziger Flusssand genutzt. Deswegen wunderten sich die Genuesen nicht wenig über die Slawen. Bis zu dem Ausdruck aqua vitae, der sich zum Wort „okovyta“ verwandelte, kannte man das Lebenswasser bei uns nicht unter diesem Ausdruck.
Monopolchen und Selbstgebrannter
Genau bekannt ist, dass die Massenproduktion von Wodka in Russland in der Mitte des XV Jahrhunderts begann, ungefähr 150 Jahre nach der Öffnung der Distillen in Frankreich. Bereits damals nahm der Moskauer Staat den Verkauf des Branntweins unter seine Kontrolle. Und so haben sich die einfachen Leute schon lange genug an die Wässrigkeit des Alkohols gewöhnen können. Das lag nicht nur an der Tradition, sondern es gab auf der kärglichen russischen Erde auch nur ein Material für die Herstellung starken Alkohols– Roggenkorn, welches jedoch auch schon für die Nahrung zu gering vorhanden war. Eigentlich ist ??„russischer Wodka“ ??das, was aus Roggen im staatlichen Betrieb gemacht wurde. Und das wars.
Das, was in dieser Zeit in der Ukraine passierte, illustriert Nikolaj Wassiljewitsch Gogol ganz gut: Als seine Söhne aus der Kiewer Bursa eintreffen, sagt der alte Taras zu seiner Frau: „Bring uns alle Hammel, gib uns die Ziegen und vierzig Jahre alten Honig! Ja, mehr vom Branntwein/Gorelka, aber nicht mit den Erfindungen des Branntweins, nicht mit Rosinen und all den Modeerscheinungen, sondern saubereren, schäumender Wodka, der rasant perlt und zischt.“ Und er zweifelt gleichzeitig an der ausländischen Alkoholherstellung: „Halte deinen Becher hin; na, ist das guter Branntwein? Und wie heißt Branntwein auf Latein? Jaja Sohn, die Lateiner waren Rindviecher: Sie wussten nicht, ob es auf der Welt Branntwein gibt.“
Die Ukrainer hatten einige Abwandlungen des Spotykatschs (in Bezug auf Ergiebigkeit verschiedenen Getreides und Früchte). Was Guillaume le Vasseur de Beauplan in seiner „Beschreibung der Ukraine“ bestätigt, die in der Mitte des XVII. Jahrhunderts entstanden ist.
Eben die Frage des Alkohols wurde zu einer der grundlegendsten im nationalen Befreiungskampf unter der Führung von Bogdan Chmelnizkij. Ein Zeitgenosse der Geschehnisse, der Autor der kosakischen „Annalen eines Augenzeugen“, erwähnt als Anlass des Aufstandes, «die Unzufriedenheit der Kosakenheit damit, im eigenen Haus nicht ein einziges Getränk zum Eigengebrauch halten zu dürfen, nicht nur Honig, Horylka/Wodka, Bier, sondern auch Selbstgebrannten“??. Die polnischen Magnaten, denen ein Großteil der ukrainischen Städte gehörte, oktroyierten diesen ein Pachtsystem auf – das Brotgetreide durfte nur noch in päpstlichen Mahlmaschinen gemahlen werden, es durften nur noch päpstliche Eisenschmieden benutzt werden, und Wodka und Bier durfte man ausschließlich in der päpstlichen Schenke kaufen. Nachher setzten sich die Moskauer Bojaren damit auseinander. Nicht grundlos hat der Hetman Masepa angeordnet, dass „ in der Ukraine nicht nur für den Branntwein/Horylka keine Pacht entrichtet werden soll, sondern auch für jegliche anderen Getränke“.
Doch danach wurde auf höchster Ebene des Bündnisstaates entschieden, dass die einfachen ukrainischen Einwohner jährlich einen Kochkessel Wodka für ihren Gebrauch brennen können, Kosaken zwei. Bier und Wein dürfen sie in unbeschränkter Anzahl brauen.
In Russland konnten sie von so etwas nicht einmal träumen. Die Schenke wurde zu einem charakteristischen Merkmal russischer Landschaftsgemälde. Es ist gut möglich, dass sich auch das Wort „Wodka“ als Folge des Strebens der Kneipenwirte, das Produkt zu verwässern, durchsetzte. Deswegen transportierten Frachtfuhrmänner sowohl unter Chmelnizkij, als auch unter Masepa Wodka in Fässern zu ihren russischen Brüdern und untergruben damit das Moskauer Haushaltsbudget. Doch auch diesen ukrainischen Privilegien wurde ein Ende gesetzt, umso mehr, als dass Peter, nach ihm Elisabeth und danach auch Katharina das Moment der Rechtsgewährung im Hinblick auf Branntweinbrennereien an notwendige Menschen für ihre Ziele verwendeten. Im Ergebnis erblühte der „russische Wodka“ infolge der Überführung der ukrainischen Tradition auf neue Grundlagen: Der Staat vertreibt Wodka zum Verkauf in der Schenke, die Gutsbesitzer vertreiben Wodka für die Gäste und den eigenen Gebrauch.
Die Reinheit und das Sortiment wurde, wenn man so will, zu einem Prestigeobjekt. Der letzte ukrainische Hetman Rasumovskij begeisterte sich sehr für die Weinbrennerei. Internationales Ansehen und hohe Achtung erhielt vor allem der „adelige“ Wodka. Aber der staatliche führte zu zügellosem Alkoholismus. Trotz dieser Spanne befand sich ein Großteil der Zuckerfabriken und Branntweinbrennereien des russischen Imperiums in der Ukraine.
Es gab nur einen Ausweg – erneut einen harten staatlichen Standard einführen und die Herstellung monopolisieren. In der Ukraine realisierte dies die sowjetische Herrschaft. Doch auch in dieser schweren Zeit der staatlichen Monopole konnten die Ukrainer ihren Nationalkolorit bewahren. Sogar der Brockhaus-Efron erwähnt in seinem Wörterbuch das Wort „Warenucha“: „Ein Getränk aus Kleinrussland, bestehend aus Wodka oder Fruchtlikör aus Trockenfrüchten, Rosinen und ähnlichem, Honig, Zimt mit würzigen Kräutern“. Der Kiewer Michail Bulgakow war mit diesem betörenden Produkt wahrscheinlich eng bekannt, zumindest insoweit, als dass er den Namen in einer seiner Gestalten verewigte.
Laut Ergebnissen des Jahres 2010 umfasste der Umfang der Wodkaherstellung in unserem Land ungefähr 300 Millionen Liter, und diese Ziffer muss man noch präzisieren. Darunter fällt ein großer Teil, den wir selbst getrunken haben. Die Nutzung eines modernen Systems der Hydration (Vermischung von Wasser mit Spiritus) erlaubt es, eine ideale moderne Komponente herzustellen. Und der ukrainische Gebrannte hat ein sehr hohes Ansehen, auch im Ausland. Weil es Tradition ist!
13. Januar 2011 // Dmitrij Kurdow
Quelle: Weekly.ua