Wie man Putin besiegen kann, ohne einen Schuss abzugeben
Jetzt ist die falsche Zeit, um ins Wehrersatzamt zu laufen und in einem Anflug von Patriotismus vorschnell auf die „bösen“ Russen zu schießen.
Es ist an der Zeit, sich mit Informationspolitik auseinanderzusetzen.
Die neue Regierungsspitze muss darin unterstützt werden, die Lücke zu schließen, die sich vollkommen erwartungsgemäß aufgemacht hat. Während der langen Regierungszeit Wiktor Janukowitschs lösten sich nicht nur das Gesundheitswesen und das öffentliche Beschaffungswesen auf. Es lösten sich sämtliche anderen Funktionen auf, die einen gesunden Staat kennzeichnen. Darunter auch eine Informationspolitik im Interesse des Staates.
Natürlich ist die neue Regierung momentan einfach noch nicht soweit. Obgleich gerade die Informationsfront die Einzige ist, an der es sich zu kämpfen lohnt.
Die Sache ist die, dass die militärische Invasion in der Ukraine sich vor allem auf die Überzeugung der Russen stützt, dass die Truppen zur Verteidigung Russlands einmarschieren.
Wladimir Putin hat alles nach Maß inszeniert. Zunächst hat er in den Köpfen der Russen die Überzeugung gepflanzt, dass die Ukraine von „Westlern“=Banderaleute=Faschisten eingenommen wurde.
Dass diese im direkten Auftrag der USA agieren. Die Amerikaner haben dieses Maidan-Chaos initiiert und jetzt könne das Feuer auf Russland übergreifen. Wer möchte schon, dass neben dem Kreml Autoreifen brennen und Schüsse fallen?
Die Russen haben Angst. Und unterstützen deshalb den Einmarsch der Truppen in die Ukraine. Und die wichtigste Frage: Was genau möchte Putin mit diesen schmutzigen Methoden erreichen?
Auf diese Front sollten sich die Bemühungen konzentrieren. Nicht auf die Mobilisierung, sondern eine vollkommene mediale Transparenz und gegenseitige Wertschätzung – das sind die Dinge, die unser Land vor einem sinnlosen Krieg retten werden.
Man muss nicht gegen Putin kämpfen. Ihn kann man nicht überzeugen. Ihn darf man nicht dämonisieren.
Nehmt Putin die Unterstützung der Russen und er wird es nicht wagen, in der Ukraine Truppen zu stationieren.
Wie die Russen die Ukraine sehen
Wahrscheinlich hat die Hälfte der ukrainischen Bevölkerung Freunde in Russland. Und diese haben sich in den letzten zwei Monaten sicherlich telefonisch mit der bangen Frage „Hör mal, was ist bei euch dort los?“ gemeldet.
Die Sache ist die, dass diese wirklich davon ausgehen, dass Putin beschlossen hat, die Ukraine zu RETTEN und zu diesem Zweck Truppen einmarschieren ließ.
Und 90 Prozent derjenigen, die unter russischen Bannern an Kundgebungen zur Unterstützung der Invasion auf der Krim teilnahmen, wollten uns TATSÄCHLICH helfen. Sie wollen, im wahrsten Sinne des Wortes, ihre Brüder nicht in eine schwierige Situation stoßen. Sie sehen sich selbst tatsächlich als Friedensstifter.
All dies klingt für die ukrainische Bevölkerung ziemlich bizarr. Wir haben schließlich den Verbrecher mit seiner „Familie“ vertrieben.
Zum Preis hunderter Opfer (Toter und Verwundeter) erhielt unser Land die Chance, freier zu leben und in mehr Wohlstand. Wir verfügen bereits über eine legitime Regierung. Wenn diese auch nicht von den Kommunisten oder vom vertriebenen Janukowitsch unterstützt wird, sie existiert, und sie setzt Schritte zur Stabilisierung der Wirtschaft um.
Bei uns verprügelt schließlich niemand Menschen mitten auf der Straße. Bei uns konfiszieren schließlich keine „Zuschauer“ Geschäfte und hacken sich die Meinungsmacher der Machtspitze in keine Postkästen.
Wozu uns also retten? Vor wem?
Um zu verstehen, warum die Russen so denken, muss man zurückverfolgen, wie die Ereignisse in der Ukraine dem russischen Leser und Fernsehzuschauer präsentiert werden.
Mit der Unterstützung von Freunden aus Moskau, habe ich zusammengetragen, was Russen über die letzten Wochen in der Ukraine denken. Demzufolge haben in unserem Land:
- „Westler“=Bandera-Anhänger= Faschisten die Macht an sich gerissen
- In der Ukraine ist die russische Sprache verboten. Diejenigen, die Russisch sprechen, ereilt mitten auf der Straße ein plötzlicher Tod, weil …
- die „Westler“=Bandera-Anhänger= Faschisten die russischen Bürger drangsalieren. Als Russisch gelten in diesem Fall der gesamte Osten und Süden der Ukraine, da dieser russischsprachig ist.
- diese „Westler“=Bandera-Anhänger= Faschisten machen der schutzlosen „Berkut“-Einheit das Leben schwer. Und jetzt Verkehrspolizisten und einfachen Bürgern, die „nicht auf dem Maidan waren“.
- der Maidan wurde von den Amerikanern inszeniert. Die Amerikaner sind auch für die Schüsse auf Demonstranten und Berkutangehörige verantwortlich.
- und jetzt hetzen die Amerikaner die „Westler“=Bandera-Anhänger= Faschisten auf die russischsprachige Bevölkerung, und danach werden sie gegen Russland hetzen.
Dementsprechend, liebe Leser, VERTEIDIGT SICH RUSSLAND. Während wir irgendwie glauben, dass es angreift.
Die mediale Landschaft ist so manipuliert worden, dass die Russen eine Aggression seitens der „Westler“=Bandera-Anhänger= Faschisten fürchten. Und Putin ist ein Held, weil er den Angriff auf Russland nicht zulässt.
Und wenn nötig, wird Putin Russland und die russischsprachige Bevölkerung auch auf fremden Territorium verteidigen. Die slawischen Brüder! Weil diese ANGEBLICH IN DER UKRAINE BEDROHT WERDEN.
Verehrte Bürger der Ukraine. Würden Sie nicht die Krim und den Süd-Osten unseres Landes retten wollen, nachdem Sie dieses gelesen haben? Würden Sie keine Truppen einmarschieren lassen? Sie würden die Invasion von Friedensstiftern in Gestalt russischer Truppen nicht unterstützen?
Die Ereignisse in der Ukraine stellen für die Russen einen echten Schock dar. Und unter Schock ist die Angemessenheit der Reaktionen bekanntlich restringiert.
Der Schock ist auf eine Ursache zurückführbar. Noch zwei Wochen zuvor wurden die Medien der Russischen Föderation von der Olympiade in Sotschi bestimmt. Die Ereignisse in der Ukraine wurden im Grunde genommen ignoriert. Aber sobald die Olympiade zu Ende war, erfuhren die Russen, dass auf unseren Straßen faschistische Schlägertruppen herumziehen, die im Namen der Ukraine die russischsprachige Bevölkerung verprügeln.
Es gibt keinen Zweifel daran, dass in den Augen der Russen die Amerikaner die Ukraine eingenommen haben und aus dem Inneren unseres Landes heraus den Faschismus schüren. Sorry, den Nationalismus. Sorry, den Banderismus.
Aber Janukowitsch ist sowohl Ukrainern als auch Russen gleichermaßen zuwider. In der Russischen Föderation wird er ausschließlich als „Janukowoschtsch“ bezeichnet. Er wird verspottet, er ist verhasst, er ist ein Verräter.
Hier wäre Überzeugungsarbeit fehl am Platze. Janukowoschtsch wird von den Russen nicht unterstützt. Sie sind aufrichtig entsetzt, dass Putin dem Mörder und Tyrannen Zuflucht gewährt hat.
Warum sehen die Russen die Ukraine in blutigen Farben?
Warum sieht die vernünftige russische Bevölkerung die Ukraine plötzlich dermaßen düster? Warum erweist sich der Glaube, dass durch die Straßen Kiews und im gesamten Land „Westler“=Bandera-Anhänger= Faschisten streifen, als derart nachhaltig?
Das ist die Schlüsselfrage. Die Frage aller Fragen.
Im Land selbst sehen wir offenbar etwas vollkommen anderes. Wir verfügen über einen großen Umfang an Fakten. Ja, wir haben die Bilder gesehen, als auf Berkuteinheiten Molotow-Cocktails geworfen wurden. Aber davor hatten wir Bilder gesehen, wie Berkuteinheiten wiederholt methodisch und brutal Maidanteilnehmer zusammengeschlagen hatten. Und unterm Strich fällt die Bilanz mit Abstand nicht zugunsten der „angegriffenen“ Spezialeinheit aus.
Folglich ist die Vorstellung von einer Übermacht der „Westler“=Bandera-Anhänger= Faschisten in Russland absichtlich forciert worden.
In der Russischen Föderation existieren bekanntermaßen keine demokratischen Medien. Entweder agieren diese entlang der Machtvertikale und spiegeln die Meinung des Kremls wider oder sie können lediglich über Spiwakow und Bouillon berichten.
Aber Gott bewahre, sie mischen sich in die Politik ein – dann ereilt sie dasselbe Schicksal wie „Doschd“. Der Sender, dessen Zielpublikum sich aus der Moskauer Intelligenzia rekrutierte, wurde, nachdem Material zur Unterstützung der Ukraine veröffentlicht worden war, einfach geschlossen. Innerhalb kürzester Zeit und knallhart.
Die Russen befanden sich in einer Art Informationsblockade. Sie glauben genau das, was ihnen die Medien berichteten.
Auf die gleiche Weise denkt die Bevölkerung in der Ukraine, was ihr „Inter“, „1+1“ und ICTV zeigen.
Das Internet ist anscheinend für die Russen zugänglich. Aber auch hier ist nicht alles so einfach. Niemand wird anfangen, ukrainische Quellen zu lesen, ebenso wenig wie in der Ukraine russische Quellen gelesen werden.
Demzufolge befindet sich die Bevölkerung Russlands und der Ukraine in einem medial abgeschlossenen Raum – jeder in seiner Blase. Aber es ist nicht so, dass man nicht den anderen Standpunkt erfahren könnte. Niemand verbietet dies – suchen Sie im Netz nach ukrainischen Quellen und lesen Sie eifrig. Aber seien Sie gefasst darauf, dass Sie ihre Landsmänner nicht für voll nehmen.
Der menschlichen Natur gemäß möchten nicht mehr als 10 Prozent der Bevölkerung eine klare Vorstellung von einer Situation erhalten. Alle anderen werden das diskutieren, was sie kürzlich auf dem „Ersten“ und bei „Westi“ gehört hatten.
Woher nimmt jemand wie Fjodor Bondartschuk derartige Gedanken und Aussagen zur Ukraine? Er ist doch ein intelligenter Mensch, vernünftig, bereist. Anscheinend ist auch er ein Opfer des Medieneinflusses.
Entsprechend lautet das 1. Axiom, dass der Kreml die Medienlandschaft Russlands kontrolliert. Die Bevölkerung wird äußerst engmaschig von der Propaganda erfasst, alternative Meinungen existieren, werden allerdings nicht wahrgenommen. Selbst Aussagen wie die eines Andrej Makarewitsch, der sagte, dass Russland nicht für Janukowitsch zu kämpfen braucht, werden als feindselig eingestuft. Die Russen glauben, dass der Musiker nicht auf der Höhe ist.
Das 2. Axiom: Der Kreml ist daran interessiert, dass die Russen in der Ukraine vorrangig die Ausschreitungen der „Westler“=Bandera-Anhänger= Faschisten wahrnehmen.
Warum sonst wurde eine derartige Medienlandschaft erzeugt? In der Ukraine gibt es doch genügend Russen, die die tatsächliche Lage der Dinge sehen. Sie können sich aus erster Hand davon überzeugen, dass man in unserem Land begonnen hat, freier und leichter zu atmen.
Auch wenn einem vereinzelt Kinder begegnen, die Verkehrspolizisten beschimpfen oder Passanten mit dem Schrei „Warst Du auf dem Maidan?“ schlagen.
Die Bevölkerung der Ukraine hält diese Menschen für Idioten und lehnt dieses Verhalten ab.
Gibt es in Russland etwa keine Idioten? Keine Skinheads? Keine Patrioten, die unter der Losung „Russland den Russen“ Migranten aus Zentralasien oder den Kaukasus verprügeln? Aber wir Ukrainer bauschen diese Tatsachen nicht auf. Wir glauben nicht, dass ALLE Russen so sind.
Wenn man aber die Reportagen von Dmitrij Kisseljow hört, möchte man nervös um sich blicken. Anscheinend sind diese Ausnahmen zum allgemeinen Bild verdichtet worden. Zum Einzigen, das in der Ukraine geschieht. Es existieren keine befreiten Menschen, keine Freiheiten, keine Freude angesichts des Sieges. Kein Triumph der Gerechtigkeit zumindest in dieser Form.
Sind wir wirklich so? Ist es wirklich richtig, Putin mit seinen Truppen einzuladen?
Und das Wichtigste ist, dass die Aktionen der russischen Führungsspitze eindeutig mit den Aussagen in den Medien koordiniert wurden. Man muss sich lediglich an das Bravourstück der letzten Tage erinnern, als das russische Außenministerium entschieden die Anwesenheit russischer Streitkräfte auf der Krim dementierte. „Das sind keine Truppen, das sind Selbstverteidigungseinheiten“. Das ist nicht mehr lustig.
Unterm Strich kristallisiert sich eine Vermutung heraus, noch kein 3. Axiom. Putin und sein Umfeld sind an der Aufheizung des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine interessiert.
Was wollen sie erreichen? Eine interessante Frage. Aber man kann auch nicht in die Tiefen der Psyche Wladimir Putins eintauchen. Soll es auf seinem Gewissen lasten.
„Glaube mir, hier wird ein SEHR GROSSES GEOPOLITISCHES SPIEL gespielt. Und die Ukraine ist lediglich ein Vorwand sowohl für die eine als auch die andere Seite. Sei nicht beleidigt…“ , schreibt mir ein Bekannter aus Moskau. Das mag ja sein. Aber aus dem Inneren der Ukraine nimmt sich dies als Auftakt zu einem Krieg und als Einmischung in innere Angelegenheiten aus – zu einem Zeitpunkt, zu dem die Ukraine endlich die Chance erhalten hat, sich anders zu entwickeln.
Wer kontrolliert die Medienlandschaft der Ukraine
Konzentrieren wir uns auf die Vorgehensweise. Putin macht für die Rechtfertigung des Truppeneinsatzes seinerseits alles Erforderliche.
Momentan sind die Nachrichten und sozialen Netze in der Ukraine von Lügen überschwemmt. Es wird geschrieben, dass amerikanische Truppen ins Schwarze Meer eindringen, dass ukrainische Truppen kapitulieren und die Veteranen des „Maidans“ Pogrome veranstalten.
Gott sei Dank, sind die User von Nachrichtenquellen und sozialen Netzwerken dank des Maidans mittlerweile immun. Damals versuchten die PR-Leute Sergej Arbusows mit Hochdruck, die Demonstranten mit Dreck zu bewerfen, während die „Tituschki“ (bezahlte Schläger) und die Brutalität von „Berkut“ verherrlicht wurden.
Wer widmet sich momentan der Verbreitung von Lügen? Es ist durchaus möglich, dass dies Wladislaw Surkow oder Wiktor Medwedtschuk ist. Im Bereich des Möglichen wären auch gewisse dritte Parteien, die an der Destabilisierung der ukrainischen Medienlandschaft interessiert sind.
Diese Leute haben einen sichtbaren Effekt erreicht. Die Ukrainer fangen an, ANGST ZU HABEN, sie werden nervös. Sie fangen an, nervös Richtung Russland zu schauen.
Fällt Ihnen nichts auf? Die Russen fürchten die Ukrainer. Die Ukrainer fürchten die Russen. Das ist ein äußerst fruchtbarer Boden für Aggressionen von beiden Seiten. Man bekommt den Eindruck, dass jemand die Köpfe der Völker zweier Länder zusammenstößt.
Und es ist etwas Beunruhigendes festzustellen. Angesichts der Vielzahl der „Informationsströme“ von außerhalb, hat die Ukraine eindeutig keine Kontrolle über die Medienlandschaft. Auch nicht über die eigene.
So glaubt beispielsweise die jüdische Bevölkerung in Donezk fest daran, dass im Zentrum der Ukraine Nationalisten aus der Westukraine gegen jüdische Familien randalieren. Sie werden „Berkut“ und den Teufel selbst unterstützen, um zu verhindern, dass diese Faschisten zu ihnen kommen.
Und die Russen, die im Süden der Ukraine wohnen, fürchten ernsthaft um ihre in Kiew lebenden Verwandten. Sie bitten diese, jeglichen Nationalisten=Bandera-Anhänger=“Maidaner“=Mörder aus dem Weg zu gehen. Der Süden glaubt wirklich, dass die oppositionelle Führungsspitze auf russischem Blut eine neue Ukraine errichten möchte.
Begreifen Sie, woher diese Meinungen stammen? Die Unterwanderung der Ukraine durch das russische Fernsehen wird eindeutig unterschätzt.
Für die Kiewer hört sich das alles bizarr an. Aber so ist es. Die Hälfte der Ukraine wird medial von Russland kontrolliert. Und was ist damit, dass der ukrainische Pensionsfonds die Renten zahlt und ukrainische Elektrizitätswerke für Licht in den Wohnungen sorgen? Die Menschen schauen dennoch russische Fernsehsender und glauben diesen lieber als den einheimischen.
Was wahrscheinlich nicht auf russischen Sendern gezeigt wird:
Sie müssen zugeben, dass „Berkut“ hier nicht so „angegriffen“ ausschaut. Es wird deutlich, warum zwei Monate später, auf diese Molotow-Cocktails geworfen wurden, und warum man begonnen hat, mit Stöcken zu antworten.
Die einseitige Berichterstattung der russischen Medien ist die entscheidende Schwachstelle in den Aktionen der neuen Führungsspitze. Diese muss schnellstens beseitigt werden, andernfalls wird der Krieg ohne einen einzigen Schuss verloren sein. Die Ukraine könnte einige Oblaste verlieren, ohne wirklich zu verstehen, von wo die eigentliche Gefahr ausgeht.
Die Regierung sollte kompetente Berater gewinnen. Echte, teure, keine hausgemachten, die für Sergej Arbusow gearbeitet haben. Soll einer der Oligarchen in den Geldbeutel greifen und eine weitere Million lockermachen, um diese Spezialisten anzuheuern.
Ihre Hauptaufgabe: Die mediale Blockade Putins zu durchbrechen. Den Russen zu zeigen, dass auf den Straßen der Ukraine normale Menschen anzutreffen sind (so ist es), und keine Blutsauger mit Hakenkreuzen auf den Armen und Bandera-Ausgaben unterm Arm.
Die Führungsspitze muss zeigen, dass sie existiert. Die Ukrainer sehnen sich nach der Meldung, dass die Situation unter Kontrolle ist. Donezk, Charkow, Odessa, Nikolajew, Cherson, Lugansk müssen ein für alle Mal beruhigt werden. Nicht mit Terror, aber mit starker Hand.
Die Sicherheitskräfte müssen wieder zu ihren eigentlichen Aufgaben zurückkehren. Der SBU (Inlandsgeheimdienst der Ukraine) sollte jeglichen Tendenzen in Richtung einer Aufsplitterung der Ukraine entgegenwirken. Der Maidan hat immer im Namen der Ukraine agiert und wollte kein anderes Land. Selbst als man „Alpha“ (Antiterroreinheit des Geheimdienstes) gegen ihn einsetzte.
Wie kann zugelassen werden, dass auf den regionalen Verwaltungen die russische oder irgendeine andere Flagge gehisst wird? Wir leben in der Ukraine, und ein Eingriff in ihre territoriale Integrität ist ein strafrechtlich relevantes Verbrechen. Womit ist eigentlich Walentin Naliwajtschenko beschäftigt?
Oder befürchtet er, dass der Kreml gesetzliche Schritte des SBU als Aggression gegen Russen interpretiert? Das wird er so oder so.
Die Führungsspitze sollte eine Führungsspitze sein. Und diese sollte hart sein. Ohne brutal zu sein. Ohne „bestickte Hemden“ und „Ruhm den Helden“-Schreie.
Sie sollte einfach eine Machtspitze sein. Sie sollte das Land unter ihrer Kontrolle haben.
Um zu vermeiden, dass russische Sender Informationen manipulieren, muss ein riesiges Kontingent ausländischer Journalisten, einschließlich russischer, in die Ukraine eingeladen werden. Damit die Bevölkerung der Russischen Föderation sieht, wie unterschiedlich ein und dieselben Ereignisse in der Welt und bei ihnen interpretiert werden.
Richtig wäre, Kulturschaffende aus Russland einzuladen. Herausragende Persönlichkeiten genießen echte Autorität. Die Blockade Putins könnte man durchbrechen, indem man auf die Meinung noch einflussreicherer Menschen baut. Sie werden alles mit eigenen Augen sehen, sie werden von allein lernen, wie man dies kommuniziert.
Man kann noch mehr tun. Die Geistlichen aller Religionen und Konfessionen gewinnen. Den März zum Monat der russischen Kultur in der Ukraine deklarieren. Das „Kryjiwka“ in Lwiw besuchen und dort vor der Kamera die Verbrüderung mit Russen zelebrieren.
Die Abgeordneten der Rada könnten für eine Woche die Russenhemden tragen und ihre Sitzungen auf Russisch abhalten – um zu zeigen, dass die Ukraine nicht russophob ist. Sie sollten ein und für alle Mal die Unantastbarkeit der russischen Sprache garantieren – schließlich ist die Hälfte der Ukraine russischsprachig und auch die Masse der Menschen auf dem Maidan sprach Russisch. Ein ukrainischer Patriot kann man auch sein, ohne ein einziges ukrainisches Wort zu beherrschen.
Journalisten können in ausländischen Medien ihre Sicht dessen, wie sich die Demonstranten, „Berkut“ und die Machtspitze verhielten, darlegen. Ohne zu kaschieren, ohne besser aussehen zu wollen. Es gibt nichts zu verheimlichen.
Aber den bedeutendsten Beitrag zur gemeinsamen Sache können die gewöhnlichen Ukrainer leisten. Leute, telefoniert mit euren Freunden in Russland, schreibt ihnen, wie ihr die Ereignisse in unserem Land seht.
Schreibt auf Facebook, postet Bilder zum Maidan und zur aktuellen Situation. Ladet Freunde nach Kiew ein, damit diese durch die friedlichen Straßen spazieren können. Zerstreut diesen Unsinn in den Köpfen der Russen, den Putin mit seiner Kampagne gepflanzt hat.
Das russische und ukrainische Volk haben nichts aufzuteilen. Wir sind gleichermaßen in Angst versetzt und wollen gleichermaßen kein Blutvergießen. Wir müssen begreifen, dass man uns absichtlich auseinandertreibt und gegeneinander ausspielt. Und einfach aufhören zu glauben, dass hinter der Grenze Feinde wohnen.
Das klingt pathetisch. Aber dies ist kein Pathos, sondern der Kurs, der einen Krieg zwischen zwei eigentlichen Brüdervölkern verhindern kann.
4. März 2014 // Sergej Ljamez
Quelle: Ekonomitscheskaja Prawda