Ökonomische Jahresbilanz der Ukraine
Im Jahr 2013 wird das erste Mal seit der 2009er Krise ein Sinken des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in der Ukraine registriert. Obwohl noch keine offiziellen Zahlen des Komitees für Statistik/Statistikamts über das vierte Quartal (dementsprechend auch nicht fürs ganze Jahr) zur Verfügung stehen, ist schon klar, dass die Wachstumsintensität negativ wird – in den ersten drei Quartalen schrumpfte die Wirtschaft um 1,3 Prozent.
Selbstverständlich sind die Chancen dafür, dass das vierte Quartal dieses Sinken ganz ausgleichen kann, gering, obwohl die spätere Ernte im Oktober und die von ihr ausgelöste Zunahme der Landwirtschaft die Zuwachsrate des Gesamtjahrs eher auf -0,5 Prozent bis -0,7 Prozent ausgleichen wird.
Entsprechend der schwächeren Ökonomie war im Jahr 2013 in der Ukraine eine niedrige Inflationsrate zu beobachten. In den Monaten Januar-November sank der Verbraucherpreisindex im Vergleich zur gleichen Periode 2012 um -0,3 Prozent. Ohne Zweifel leistete die streng monetäre Geldpolitik der Nationalbank der Ukraine (NBU), die mit einer fanatischen Beharrlichkeit versucht, die Hrywnja vor der Abwertung zu bewahren, ihren Beitrag dazu.
Im Übrigen sanken während des Jahres die Währungsreserven der Nationalbank weiterhin. Von Januar bis November verlor die NBU vier Mrd. Dollar vornehmlich wegen der Schuldenrückzahlung an den IWF. Im November wurden noch 1,5 Mrd. Dollar an Auslandsschulden getilgt. Insgesamt werden die Reserven der NBU wahrscheinlich von 24,6 Mrd. Dollar zu Anfang des Jahres auf ungefähr 18 Mrd. Dollar am Ende sinken.
Das Niveau der Reserven ist schon jetzt kritisch niedrig. Sie decken ungefähr 2,5 Monate des Imports, während die internationalen Organisationen schon die Deckung von nur drei Monaten des Imports als kritisch einschätzen. Es sind keine Tendenzen zur Verbesserung der Situation zu beobachten. Im Gegenteil haben sich im Jahr 2013 sowohl die Handelsbilanz als auch die Bilanz der direkten ausländischen Investitionen verschlechtert, was die Verschlechterung der ohnehin entsetzlich niedrigen Konkurrenzfähigkeit der Ökonomie zeigt.
Parallel zu dieser Krise der Zahlungsbilanz erleidet das Land eine Haushaltskrise. Nach Meinung des IWF stieg das konsolidierte Budgetdefizit auf über vier Prozent des BIP. Die Schätzungen des bekannten schwedischen Ökonomen Anders Aslund, der sich seit den 1990er-Jahren mit der Ukraine beschäftigt, liegen noch höher: 6 Prozent des BIP und ungefähr elf Mrd. Dollar. In den letzten Monaten ist zu Zahlungsverzögerung bei Sozialleistungen, Löhnen der staatlichen Angestellten usw. gekommen.
Die Pikanterie der Situation besteht darin, dass das riesige Budgetdefizit allein von der Korruption der Regierung auf dieses hohe Niveau gebracht wurde. Nach Meinung Aslunds kosten die diversen Raubzüge der Familie Janukowitsch das Land ungefähr acht bis zehn Mrd. Dollar, d. h. einen Beitrag, der dem gesamten Budgetdefizit entspricht. Faktisch kann man die Budgetkrise einfach mit der Beseitigung der Korruption in den obersten Etagen der Macht lösen.
Vereinbarung mit Russland
Übrigens gefällt der Regierung eine solche Lösung des Problems selbstverständlich nicht. Im Übergang zum Floating (schwankender Wechselkurs) der Hrywnja sehen sie auch kein geeignetes Verfahren für die Lösung der krisenhaften Zahlungsbilanz. Stattdessen schloss Präsident Janukowitsch ein neues Abkommen mit Russland, das dazu dienen soll, Reformen überflüssig zu machen.
Im Rahmen dieses Abkommens wird Russland der Ukraine 15 Mrd. Dollar Kredit gewähren, indem es ukrainische Staatsanleihen kauft, die durch den russischen Fond des nationalen Wohlstands finanziert werden. Dieser Beitrag wird reichen, um die ganze Währungsschuld des Staates zu refinanzieren, die man im Jahr 2014 auszahlen soll und dazu wird die Summe reichen, einen Teil des Budgetdefizites von 2,8 Prozent BIP zu decken. Der IWF erwartet für 2014 eine Konsolidierung des Budgetdefizits auf einem Niveau von 5,1 Prozent des BIP. Der russische Kredit reduziert maßgeblich die kurzfristige Gefahr eines ukrainischen Zahlungsausfalls, sodass es der Regierung viel leichter fallen wird, den Rest des Defizits zu finanzieren.
Übrigens, wenn die Senkung der Mehrwertsteuer sowie der Ertragssteuer, die im Jahr 2014 geplant waren und in der Gesetzgebung vorgeschrieben wurden, die Haushaltskrise verstärken, könnte auch das russische Geld nicht reichen. Abgeordnete brachten schon einen Gesetzentwurf in die Werchowna Rada (Oberster Rat) ein, der diese Senkung aufhebt, aber in der jetzigen politischen Situation können diese Gesetze nicht durchgebracht werden. Dann werden die Budgetprobleme im Jahr 2014 fortdauern, weil die Mächtigen bis jetzt noch keinen Wunsch nach Beendigung ihres korrumpierten Appetits blicken lassen haben.
Außer Kredit bekommt die Ukraine von Russland eine Preisermäßigung von den ungefähr 400 Dollar pro tausend Kubikmeter auf 268,5 Dollar für Gas. Das wird kaum eine Verbesserung der Handelsbilanz bewirken, da die Senkung der Preise für Importgas kaum das Nachfragewachstum kompensieren wird. Aber die Gasverbilligung wird den finanziellen Zustand der NAK Naftohas Ukrajiny (staatl. Ukr. Energiekonzern) verbessern, der wegen des Unterschiedes zwischen dem Preis für Importgas und dem Preise, zu dem man das Gas den öffentlichen Versorgungsunternehmen verkauft, Geld verliert. Weil der Mangel an Geld auf dem Konto der NAK Naftohas das staatliche Budget belastet, wird zusätzlich der Zustand der staatlichen Finanzen verbessert.
Letztendlich wird die Verbesserung der Handelsbedingungen aufgrund der Verbilligung einer solch maßgeblichen Importkomponente, wie des russischen Gases, übt eine gewisse positive Wirkung auf das Wirtschaftswachstum aus. Aber dieser Effekt wird kaum groß sein. Die ukrainische Industrie reduziert seit langer Zeit den Konsum von Erdgas zugunsten der Investition bei der Energieeinsparung und dem Übergang zu Produktionsweisen, die weniger Erdgas verbrauchen.
Perspektive
Mithilfe des russischen Geldes ist es der Regierung gelungen, die Krisen der staatlichen Finanzen und Zahlungsbilanz, welche sie wegen ihrer eigenen Korruption und Inkompetenz geschaffen hat, temporär zu mildern. Im kommenden Jahr wird die Gefahr des staatlichen Zahlungsausfalls gebannt oder aber wesentlich verringert sein, sodass es möglich sein wird, den Fixkurs der Hrywnja beizubehalten.
Unter den Bedingungen einer Milderung der Krise und der entsprechenden Zunahme der Sicherheit für Investoren könnten sich die ökonomischen Perspektiven aufheitern. Leider ist das in der Ukraine kaum wahrscheinlich. Die Investitionsaktivität ist durch außerökonomische Gründe, ein schlechtes Geschäftsklima und eine inkompetente ökonomische Politik beeinträchtigt. Kaum kann man für das Jahr 2014 eine gute Wachstumsintensität erwarten, was auch die Prognose des IWF bestätigt, indem sie ein BIP-Wachstum von nur 1,5 Prozent erwartet (dabei erwiesen sich die Prognosen des IWF in den letzten Jahren als systematisch übertrieben).
Das Jahr 2014 wird in der Ökonomie eher den Jahren 2013 oder 2012 gleichen: ein ebensolch niedriges Wachstumstempo, ebensolch schlechter Hintergrund im Außenhandel. Einen Unterschied werden vielleicht niedrigere Abwertungserwartungen machen. Und natürlich die politische Konfrontation, deren Einfluss auf die Ökonomie sowohl wenig bedeutend als auch konstitutiv sein kann. Es hängt davon ab, was im politischen Leben des Landes geschehen wird.
23. Dezember 2013 // Pawel Kuchta
Quelle: LB.UA