An der EU vorbei: Zehn Gründe, weshalb das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU nicht 2013 unterzeichnet wird


Auf dem EU-Ukraine-Gipfel am 25. Februar bestand das Ziel nicht in der Beantwortung der Frage: Wird das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der Europäischen Union auf dem Gipfeltreffen zur Östlichen Partnerschaft Ende November in Vilnius unterzeichnet oder nicht.

Das wichtigste Ziel für die Europäer, und dieses wurde erreicht, bestand darin, die zwingend erforderlichen Vorbedingungen für eine Unterzeichnung des Abkommens in einem persönlichen Gespräch mit Präsident Janukowitsch zu determinieren.

Genau aus diesem Grund dauerte das Treffen des EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy und des Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso mit Janukowitsch mehr als zwei Stunden, anstatt der geplanten 20 Minuten.

Diese Vorbedingungen wurden bereits im letzten Jahr formuliert – auf dem EU-Ministerratstreffen in Brüssel am 10. Dezember – und im Februar dieses Jahres vom EU-Kommisar Štefan Füle dem Premier übergeben.

Dabei hat Füle die notwendigen und hinreichenden Vorbedingungen für eine Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens im Dezember 2013 genannt: Die Umsetzung des gesamten Katalogs an Vorbedingungen der EU. “Dies ist nicht der Fall, wenn Sie lediglich die Rosinen herauspicken. Dies ist ein Katalog aus Forderungen, und Sie können nicht nach dem Motto „das erfüllen wir – das nicht“ wählen. So lange nicht sämtliche Forderungen erfüllt sind, wird davon ausgegangen, dass keine einzige erfüllt wurde”.

Die „Formel“ Füles ist auch der Schlüssel zur Beantwortung der Frage , ob die Ukraine in Vilnius das Assoziierungsabkommen unterzeichnen wird.

Die Antwort ist bereits heute bekannt – Nein, wird sie nicht. Denn die Europäische Union benötigt keine vereinzelten, punktuellen Konzessionen, sondern die Umsetzung des gesamten Forderungskatalogs. Einen Teil dessen weigert sich Kiew zu erfüllen – und einen anderen kann es nicht umsetzen.

Wahrscheinlich wird die EU bereit sein, die Nichterfüllung des Forderungskatalogs auf kurze Sicht hinzunehmen. Und in den Brüsseler Behörden wird bereits ein „Plan B“ zur Ausgestaltung der Beziehungen zur Ukraine ausgearbeitet, sollte unser Land im Mai nicht die „Mindestanforderungen für Bewerber“ erfüllen.

Dann wird aus dem Entwurf des Planes B ein vollgültiger Plan A zur Ausgestaltung der Beziehungen mit der Ukraine.

Wie der ukrainische EU-Botschafter Konstantin Jelissejew eingestand, arbeitet das offizielle Kiew an keinen analogen Plan hinsichtlich der Beziehungen zur EU. Was insgesamt nicht erstaunlich ist – die aktuelle ukrainische Regierung zieht es vor, derartige Probleme von Tag zu Tag zu lösen.

Und indem sie wortwörtlich einräumt, dass das Abkommen in Brüssel entweder unterzeichnet wird oder nicht, lügt sie sich selbst in die Taschen in der Überzeugung, dass für die EU kein Weg an einem solch wichtigen Land, wenn nicht gar Schlüsselpartner, wie der Ukraine vorbeiführt.

Indes sollte das offizielle Kiew zur Ausarbeitung einer optimalen Strategie in Bezug auf die Reaktion im Mai dieses Jahres eine objektive Einschätzung der Situation insgesamt vornehmen, um zum einen zu verstehen, wo sich die Ukraine zum jetzigen Zeitpunkt auf dem Weg zur Assoziierung mit der EU befindet. Zweitens alle potenziellen Möglichkeiten der Entwicklung der Ereignisse in Betracht ziehen. Und sich drittens gründlich auf einen positiven sowie negativen Ausgang der Ereignisse vorbereiten.

Unserer Meinung nach existiert eine ganze Reihe unüberwindbarer Hindernisse, die gegen eine Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens im November 2013 sprechen.

Wir nennen die zehn wichtigsten Gründe, die eine Unterzeichnung dieses Abkommens unmöglich machen. Einige liegen im Verantwortungsbereich der Ukraine und einige in dem der Europäischen Union.

Die Unfähigkeit des offiziellen Kiews, in dem engen Zeitrahmen die Mindestanforderungen, zumindest zwei der drei prioritären Vorgaben für die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens, umzusetzen.

Erstens: Eine vollständige Abschaffung der selektiven Justiz endet nicht mit der Freilassung der Oppositionsführer Julia Timoschenko und Jurij Luzenko aus dem Gefängnis.

Zweitens: Die Umsetzung von den Anforderungen der Europäischen Union entsprechenden politischen Reformen, die für eine Assoziierung der Ukraine vereinbart wurden: konstitutionelle, das Justizsystem betreffende. Daneben existiert noch ein dritter Teilbereich: Die Reformierung der selektiven Gesetzgebung, wo bloße Verlautbarungen und Deklarationen zu beabsichtigten Fehlerkorrekturen nicht ausreichen werden.

Die EU handelt nach dem Prinzip „mehr für mehr“. Und je mehr Respekt gegenüber den allgemeinen Werten und je mehr politischer Wille zur Umsetzung der Reformen demonstriert wird, umso mehr Unterstützung kann seitens der EU erwartet werden.

Die Ukraine aber besteht auf eine Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU, ohne reale Maßnahmen zur Transformierung der Gesetzgebung oder der Funktions- und Verfahrensweise der Regierung basierend auf den Prinzipien der europäischen Gemeinschaft anzustoßen.

Die Unfähigkeit der ukrainischen Regierung systematisch und qualitativ an der Umsetzung der substanziellen, zentralen Veränderungen zu arbeiten, die zwischen der Ukraine und der EU vereinbart wurden.*

Stattdessen beschränkt sich das offizielle Kiew auf Deklarationen sowie unsystematische – seinem Verständnis nach – Konzessionen gegenüber der Europäischen Union.

Das fehlende Verständnis seitens des offiziellen Kiews dafür, dass das Abkommen zu einer vertieften und umfassenden Freihandelszone (DCFTA) nicht das Hauptanliegen der Assoziation zwischen der EU und der Ukraine ist, sondern die konsequente Umsetzung des Anforderungskataloges.

Und dieser betrifft in erster Linie Fortschritte in der Gesetzgebung, die Umsetzung politischer Reformen, die Verbesserung des Investitions- und Geschäftsklimas.

Statt allerdings die politischen Beziehungen zur EU zu vertiefen, Normen und Regeln des gesellschaftlich-politischen Lebens in der Ukraine an die Standards der Europäischen Union heranzuführen, ist die Führung des Landes lediglich um eine Abkürzung zu den Märkten der EU-Länder bemüht.

Der viel zu knappe Zeitrahmen für die erforderlichen Verfahrenswege innerhalb der Europäischen Union, die ein positives Ergebnis für die Ukraine gewährleisten würden.

Faktisch bleiben der Ukraine drei Monate, um alle erforderlichen Maßnahmen umzusetzen, da bereits im Juni der Rat Fragen der Kooperation zwischen der Ukraine und EU in einer Sitzung verhandeln wird. Während die Verfahrenswege und bürokratischen Modalitäten in der EU kompliziert und langwierig sind.

Prinzipiell ist seitens der EU die Unterzeichnung eines Abkommens mit einem Land ausgeschlossen, das nicht an die fundamentalen politischen Prinzipien der europäischen Gemeinschaft festhält.

Wenigstens ein Teil, wenn nicht die Mehrheit der EU-Länder wird die Unterzeichnung eines Abkommens nicht in Kauf nehmen bzw. ihr Veto gegen ein Assoziierungsabkommen mit einem Land einlegen, in welchem nicht die fundamentalen demokratischen Rechte und Freiheiten beachtet werden – Versammlungsrecht, Medienfreiheit, freie Willenserklärung der Bürger bei den Wahlen – in welchem Oppositionsführer verfolgt, Gerichtsverfahren manipuliert werden und so weiter.

Förderlich für die Unterzeichnung des Abkommens ist zudem nicht gerade die innenpolitische Situation in der EU, insbesondere die Parlamentswahlen in Deutschland im September 2013.

Während des Wahlkampfes wird die deutsche Regierung kaum einen für die Bürger ihres Landes solch widersprüchlichen Schritt wie die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens, inklusive einer vertieften und umfassenden Freihandelszone mit der Ukraine, wagen. Dabei wird die Position Deutschlands bei der Entscheidungsfindung der EU richtungsweisend sein.

Die fehlende Unterstützung der Ukraine durch eine entsprechende einflussreiche Lobby in der Europäischen Union – durch Länder wie Deutschland oder Frankreich, die einen bedeutenden Einfluss auf die Position der anderen EU-Länder besitzen.

Die EU-Kommission wird ihre Reputation nicht riskieren – sie wird sich gegenüber den EU-Mitgliedern nicht für eine Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens aussprechen, da ein solches Anliegen zum jetzigen Moment kaum durch klare und überzeugende Argumente gestützt wird.

Die ukrainische Führung wird keinen Einfluss auf die Entscheidung der EU ausüben können, indem sie sich auf die deutlich von der europäischen Seite gesteckten und ihrerseits bis ins Einzelne und sukzessiv umgesetzte Maßnahmen mit konkreten Zeitrahmen berufen kann – die Entscheidung der Europäischen Union wird höchst politisch sein.

Fehlende systematisch angegangene Maßnahmen und wahrnehmbare Erfolge im Hinblick auf die Durchsetzung von EU-Standards, wenigsten in einzelnen Bereichen in der Ukraine.

Auf derartige Erfolge könnte sich die EU-Kommission berufen, wenn sie sich gegenüber den EU-Mitgliedern für die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine ausspricht.

Diejenigen, die die Chance der Ukraine in Hinblick auf die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU in Vilnius als einzigartig bezeichnen, liegen richtig.

Die Ukraine besaß eine reale Chance, den Prozess für grundlegende Transformationen in allen wichtigen Lebensbereichen des Landes anzustoßen. „Besaß“ – denn selbst das Anstoßen erfordert einen enormen und zeitintensiven Arbeitsaufwand innerhalb des Landes, innerhalb der ukrainischen Gesellschaft.

Die erforderliche Arbeit kann nicht innerhalb weniger Monate umgesetzt werden. Und ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, dass lediglich dann etwas Positives aus dem momentanen Standbild der Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine resultieren wird, wenn sich im Land zumindest politische Kräfte finden lassen, die dieses Rad anstoßen und dessen Bewegung nicht unterbrechen wollen.

Je früher diese Arbeit angegangen wird, desto besser für das Land.

27. Februar 2013 // Andrej Micheljuk, Institut für sozio-politische Projektierung “Dialog”

Quelle: Ukrainskaja Prawda

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