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Alles, was ich tun kann - Und trotzdem, die Hoffnung stirbt zuletzt

1 Kommentar

Nein, ich bin kein hoffnungsloser Optimist. Ich hoffe einfach weiter. Ob dafür nach den Ereignissen der letzten Wochen, die alles andere als förderlich für eine europäische Integration waren, noch der geringste Grund besteht? Versuchen wir das herauszufinden.

Was hat vielen so kurz vor Vilnius ein „Es ist alles verloren“-Gefühl vermittelt? Erstens, zwei unerwartete, geheimgehaltene Treffen zwischen Janukowytsch und Putin, nach denen sich die Rhetorik der Talking Heads der Partei der Regionen abrupt von „Hurra! Europäische Integration!“ hin zu einer EU-skeptischen Haltung nach dem Motto „Wir sind dafür, aber nicht um jeden Preis“ verwandelt hat. Zweitens, die von den Massenmedien weitgehend unterstützte (eindeutig auf Signal der Regierungsverwaltung) „tiefe Besorgnis“ der ostukrainischen Industriellen und Unternehmer aufgrund der Probleme in der Zusammenarbeit mit Russland, die einen Milliardenverlust verursachen würden, und die darauffolgende Erklärung des Premiers Asarow darüber, dass die „russische Frage“ momentan die wichtigste der ukrainischen Behörden sei. Und drittens, der anhaltende Unwille Janukowytschs und als Folge der Partei der Regionen die „Tymoschenko-Frage“ zu entscheiden, sogar trotz der vollkommen realen Gefahr eines Scheiterns [des Abkommens] in Vilnius.

Zusammengefasst, reichen die Gründe, pessimistisch zu sein und anzunehmen, dass Janukowytsch nicht mehr will und das Abkommen mit der EU nicht unterzeichnen wird, aus.

Wie aber unsere Kyjiwer und Moskauer Quellen zeigen, sind sich Janukowytsch und Putin aber bis heute nicht einig. Nach Informationen des dt.ua aus dem Kreml, versprach Putin Janukowytsch alles, was er für das Land und für sich persönlich wollte, darunter auch: der Eintritt der „Familie“ in einige superlukrative, ihr momentan nicht zugängliche, Geschäfte; das Nichtunterstützen eines Alternativkandidaten durch Moskau bei den Präsidentschaftswahlen und die aktive Unterstützung beim Verschaffen internationaler Legitimation nach einem Sieg 2015 (zu welchem Preis auch immer). Aber Janukowytsch rechnet damit, all diesen verführerischen Reichtum für eine Verweigerung, das Assoziierungsabkommen zu unterschreiben und für eine „Pause“ in den Beziehungen zur EU, zu erhalten. Putin stellte unseren Quellen nach allerdings eine strikte Bedingung: erst ein „kompletter Stop“, erst die Zollunion – und zwar nicht in Worten und Versprechungen, sondern die komplette Eintrittsprozedur, und zwar vor den Wahlen 2015. Kyjiwer hochrangige Vertraute verlautbaren jedoch: einen Vasallenvertrag mit Moskau möchte Janukowytsch explizit nicht unterzeichnen und die Zollunion hat er bisher nicht als Variante erwägt. Wenn diese Information der Wahrheit entspricht, hat das Land noch eine Chance.

Nun zu den Nöten und Sorgen unseres industriellen Ostens.

Beachten wir, dass nach all den lauten und emotionalen Appellen an den Präsidenten von Unternehmensvorständen, Gewerkschaftsführern, Unternehmern und Herrn Landyk persönlich, Janukowytsch keinen Wandel des geopolitischen Kurses zugunsten einer Rettung des Industriesektors bekannt gab (Asarow hat scheinbar wieder etwas nicht kapiert, brach die Sache übers Knie und erklärte eine Notfall-Umkehr der ukrainischen Behörden in Richtung einer „Normalisierung der Beziehungen mit Russland“). Auf die Besorgnis Industrieller und Unternehmer antwortete der Präsident mit einer klaren Regierungsanweisung, die eine Auflistung von Anti-Krisenmaßnahmen beinhaltet.

Außerdem erklärte der für gewöhnlich übervorsichtige Außenminister Koshara, der einen Kommentar zu solch heiklen Fragen ohne Signal von oben niemals wagen würde, am Donnerstag, dass er gegen die Verschiebung der Abkommensunterzeichnung um ein Jahr ist, wie das Industrielle bei einem Treffen mit dem Präsidenten vorgeschlagen hatten. Zudem gab er bekannt, dass das Außenministerium eine Informationskampagne für inländische Warenhersteller zu den Möglichkeiten und Herausforderungen einer Freihandelszone mit der EU nach der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens startet.

Es ist natürlich tröstlich, dass man in Kyjiw wie auch zuvor über die Unterzeichnung spricht. Und es juckt einen nur zu wissen, warum man erst jetzt, zwei Wochen vor Vilnius, damit begonnen wird, Industrielle und Unternehmer über etwas zu informieren? Warum wurde Herr Landyk nicht vor eineinhalb Jahren, nach dem Aufsetzen des Abkommens über die Notwendigkeit „sich vorzubereiten und Ausrüstungen zu kaufen“ informiert, damit er jetzt nicht um das Verschieben der Unterzeichnung um ein Jahr bittet? Warum wurde allen anderen nicht das Kommando erteilt, sich neu aufzustellen und nach europäischen Standards zu reformieren? Warum hat man mögliche Verluste durch das Handeln Russlands nicht berechnet und im Voraus keine Schutzmaßnahmen getroffen? Warum hat die Regierung einen katastrophalen Engpass an Profis? Etwa deshalb, weil sie nicht daran glaubte, dass Russland in die Offensive gehen würde? Aber noch Ende Februar, Anfang März (!) schrieben wir, dass dt.ua zufolge (es gibt keine Zweifel, dass deren Quelle auch der Regierungsverwaltung bekannt war) der Kreml verschiedenen russischen Stellen eine klare Aufgabe erteilte: um jeden Preis die Ukraine daran zu hindern, das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen. Hoffnungen auf einen Handel mit dem Kreml? Unrealistisch. Jetzt hat hier ein neuer Handel mit der EU begonnen.

Erst vor Kurzem rechneten die Sprecher der Partei der Regionen auf Kommando von oben eifrig vor den Kameras die Vorzüge eines Weges nach Europa vor und heute, einem bereits anderen Kommando folgend, erzählen sie ebenso eifrig über dessen Holprigkeit. Hat Jefremow vor einigen Wochen der Geschäftswelt noch die riesigen Chancen einer Freihandelszone mit der EU erläutert (und versprach dabei in einer „EU-Integrationsekstase“ sogar den automatischen Eintritt der Ukraine in den amerikanischen Markt nach der Schaffung einer Freihandelszone der EU mit den USA), so braucht er das Abkommen heute schon nicht mehr „um jeden Preis“. Und sein Parteikollege Olijnyk erklärte gleich die Notwendigkeit „nach Wegen zur Kompensation der Verluste für die Ukraine durch die Öffnung des Marktes für EU Waren und vor möglichen Maßnahmen von Seiten Russlands zu suchen“. Der Präsident arbeitete noch am Donnerstag in Saporishshja mit folgenden Zahlen: Verluste für die Ukraine durch russische Maßnahmen – 15 Mill. Dollar (obwohl der russische Präsidentenberater Glasjew mit fünf begann und der russische Präsidialamtschef Iwanow bei zwölf aufhörte), für die Heranführung der ukrainischen Industrie an technische EU Standards werden zwischen 100 und 500 Mill. Dollar nötig sein. Hat die EU darüber reflektiert? Nachdem das offizielle Kyjiw einen bedeutenden Teil der EU-Bedingungen für die Abkommensunterzeichnung erfüllt und klargemacht hat, wo die Grenzen des Kompromisses für den Rest liegen, hat es begonnen seine eigenen Bedingungen zu nennen?

Was aber die Kriterien der EU, die unerfüllt blieben, betrifft, und zwar konkret eine Verabschiedung dreier Dokumente betreffend die „Tymoschenko-Frage“, das Staatsanwaltschaftsgesetz und die Änderung des Gesetzes zur Wahl von Volksabgeordneten, hat die Mission Cox-Kwasniewski unserem Land erneut eine Chance gelassen. Erschöpft, aber fest entschlossen, die Ukraine trotz allem zu einer Assoziierung zu bewegen, überzeugte die Delegation die Präsidenten im EU Parlaments ihr Mandat bis zum Beginn des Gipfels in Vilnius aufrechtzuerhalten. Es ist offensichtlich, dass auch am Montag, dem 18. November, der Außenministerrat der EUs keine finale Entscheidung über die Unterzeichnung des Abkommens mit der Ukraine machen und, wie dt.ua früher angenommen hat, damit bis zu den letzten Tagen oder sogar Stunden vor dem Gipfel warten wird. In der EU und in den USA hofft alles man noch darauf, dass die kommende Woche in der Ukraine „historisch, und nicht politisch“ wird. Kwasniewski sieht die Chancen für eine positive Entwicklung der Situation 50/50. Man will hoffen, dass zumindest zwei Gesetze – das Wahl- und das Staatsanwaltsgesetz – vom Parlament unverzüglich erlassen werden, wie von der EU erwartet. Sowohl die Regierung als auch die Opposition haben versprochen, dafür zu stimmen (zudem erklärte die Opposition, die noch zum Entwurf des Staatsanwaltsgesetzes 450 und zum Wahlgesetz über 350 Änderungen eingebracht hatte, in ihrer Bitte an den EU-Rat, die Entscheidung über das Abkommen zu verschieben, „jegliche Kompromisse einzugehen“, um eine Unterzeichnung zu ermöglichen).

Die „Tymoschenko-Frage“ bleibt der größte Stolperstein. Der Präsident gab klar zu verstehen, dass er nicht vorhat, die ehemalige Premierministerin zu begnadigen oder freizulassen – es wird kein „Exklusivvorgehen“ geben. Aus Saporishshja wies er aber die Entscheidungsrichtung: Volksabgeordneten müssen einen Konsens finden und alle fünf entsprechenden Gesetzesentwürfe zusammenführen. „Wenn ein solcher Konsens gefunden wird, wird das entsprechende Verfahren erlassen und wenn das nicht gerade eine Methode zur Abschaffung der Strafbarkeit ist, glaube ich, dass das Gesetz akzeptiert und es nicht nur Tymoschenko betreffen wird“. Wenn ein solches Gesetz verabschiedet wird, wird er es unterschreiben, versprach Janukowytsch zum wiederholten Male.

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Ob ein „solches Gesetz“ Europa zufriedenstellt? Es scheint so, als würde jedes Gesetz, das ein Ausreisen von Tymoschenko zu Behandlungszwecken erlaubt, Europa zufriedenstellen. Bemerkenswert ist, dass der letzte Bericht von Cox und Kwasniewski nicht verlangt, „die in Katschaniwka Inhaftierte“ [Tymoschenko] bis zum Gipfel in Vilnius freizulassen. Darin geht es nur um die Notwendigkeit die drei „EU-Integrationsgesetze“ zu verabschieden, einschließlich des „Tymoschenko-Gesetzes“. Im selben Stil liest sich der Kommentar des Sprechers von EU-Kommissars Stefan Füle, Peter Stano.

Wenn das Wahl- und Staatsanwaltsgesetz „sofort“ und „unverzüglich“ verabschiedet werden muss, „weil nur noch wenig Zeit zum Erzielen von Ergebnissen bleibt“, dann hat die betreffende Tymoschenko Frage ihm zufolge der „entscheidende Schritt“ zu sein.

Die Europäische Union ist von ihrer Seite her schon einen riesen Kompromiss eingegangen. „Noch vor einem halben Jahr hätte sich niemand in der EU auch nur im schlimmsten Traum ausgemalt, dass wir die Bedingungen nur darauf reduzieren werden, „Tymoschenko in Behandlung zu entlassen“, wundern sich europäische Diplomaten. Aber das Limit an Zugeständnissen ist erreicht. Die Europäer konnten sich auch früher nicht vorstellen, wie 28 Vorsitzende der größten Vereinigung vor zehn Fernsehkameras ein Assoziierungsabkommen mit Janukowytsch unterschreiben, wenn Tymoschenko im selben Moment noch im Gefängnis sitzt. Mit Grauen haben sie sich das Geschehen im ukrainischen Fernsehen vorgestellt, in dem ein triumphierender Janukowytsch demonstriert, wie er Europa „gebeugt“ hat und sie nötigte, das Abkommen unter seinen Bedingungen zu unterschreiben.

Die Ereignisse der letzten Wochen aber – die geheimen Treffen zwischen Janukowytsch und Putin, das trotzige Verhalten der Partei der Regionen im Gespräch mit Cox und Kwasniewski, Personen, von denen zu großen Teilen der Ausgang des Abkommens abhängt und schließlich die Geschichte mit der Festnahme von Tymoschenkos Verteidiger Wlassenko – all das hat die Europäer schockiert und ernsthaft verärgert. „Was erlaubt er sich? Für wen hält er sich?“, haben wir nicht nur einmal in den letzten Tag von unseren europäischen Gesprächspartnern gehört. „Wie kann das nach Moldawien ärmste und bei Weitem nicht demokratischste Land Europas der großen und wohlhabenden, auf demokratischen Werten begründeten Union eigene Bedingungen diktieren und dabei auch noch versuchen, dessen führende Staaten, besonders Deutschland, zu demütigen, indem es absolut unakzeptable Bedingungen fordert?“

Und es geht nicht nur und nicht so sehr um die Angst Europas und ihrer Leader, ihr Gesicht zu verlieren. Es geht um Prinzipien, die sie nicht überschreiten können. Die Europäer wollen keinen unsicheren und für alle Staaten der Östlichen Partnerschaft und der gesamten Region schädlichen Präzedenzfall schaffen und ihre fundamentalen Werte zu verletzen, indem sie ein autoritäres Regime an die Leine nehmen. „Das wäre ein sehr schlechtes Signal“, sagen sie. Für die Europäer ist es grundlegend, die Praxis zu stoppen, nach Wahlen Vertreter der vorangegangenen Regierung aus politischen Gründen hinter Gitter zu bringen. Wenn sie das der Ukraine durchgehen lassen, was werden sie dann mit beispielsweise Georgien machen? Und die EU beschäftigt noch eine andere Frage: wenn die ukrainische Regierung zugunsten des Abschlusses eines historischen Abkommens für eine „Lappalie“, wie das Entlassen eines politischen Gegners zur Behandlung in ein anderes Land, nicht bereit ist, wie kann man dann sicher sein, dass nach der Unterzeichnung eines so komplizierten und umfassenden Dokuments die Regierung die Vorschriften einhält?

Damit argumentieren sie sicher richtig. Nur mit der „Lappalie“ haben sie nicht recht. Und das ist einer von zwei großen Fehlern der Europäischen Union. Heute ist selbst in Europa für viele schon offensichtlich, dass man die „Freiheit für Tymoschenko“ nicht zur Schlüsselbedingung für das Unterzeichnen des wichtigsten Abkommens machen kann. Janukowytsch hat sich selbst und das Land durch die Verurteilung Tymoschenkos in eine Sackgasse gelenkt und die EU ist dadurch, dass sie die Freiheit Tymoschenkos als Preis für das Abkommen festgelegt hat, ebenso in eine Sackgasse geraten.

Abseits jeglicher Zweifel, haben die EU und ihre Vorsitzenden von der Ukraine die Beendigung selektiver Justiz zu fordern und für die Freilassung der Ex-Premierminister zu kämpfen, sie aber nicht zur Bedingung für die Unterzeichnung zu machen. Unterschätzt und nicht berechnet hat Europa den „Janukowytsch-Faktor“, genauer gesagt seinen Hass für Tymoschenko und seine Angst vor ihr. Hätte sie es einschätzen können? Sehr fraglich.

Offenbar hat Kwasniewski nach dem nächsten Hoffnungsschimmer und der nächsten Enttäuschung in Kyjiw, in kleiner Runde bitter zugegeben: „Sogar ich, der sich so lange und eng mit Ukrainern unterhalten hat, verstehe ukrainische Politiker nicht mehr“. Die Europäer reden mit den Bewohnern der Petschersker Hügel [Regierungsviertel] eine andere Sprache. Diese Menschen sind nicht aus verschiedenen Welten, sondern von verschiedenen Sternen. „Wir sind absolut inkompatibel!“, gab ein europäischer Diplomat verzweifelt zu. Und wie! Die einen reden von „Prinzipien und Werten“ und sind es gewohnt, ein gegebenes Wort zu glauben, vor allem, wenn es auf Präsidentenlevel gegeben wird; die anderen vertrauen und führen nur „Janukowytschs Kodex“ aus. Haben Cox und Kwasniewski beim ersten Treffen mit Janukowytsch einen „Kodex“ unterschrieben? Nein. Sie haben sich auch nicht in den „Begrifflichkeiten“ verstanden. Also fahren sie zum 27. Mal in die Ukraine.

Wer kann uns alle aus der Sackgasse führen? In die eigenen ist die Hoffnung klein. Bleibt nur, an den kollektiven Verstand der EU zu glauben. Ja, ich weiß, vielen ihrer Vorsitzenden ist Janukowytschs Gesellschaft unangenehm, für viele ist es wahrscheinlich sogar eine Beleidigung, rechts von ihm unter das wichtigste Dokument eine Unterschrift zu setzen. Aber wenn man strategisch denkt und in die Zukunft blickt – wer wird gewinnen und wer verlieren, wenn das Abkommen nicht unterzeichnet wird?

Wird es für Tymoschenko dadurch besser? Wird ihr etwas Hoffnung auf eine Freilassung bleiben und wird die EU beeinflussen können, was in ferner Zukunft geschieht? Wird die EU überhaupt irgendetwas oder auf irgendjemanden in der Ukraine Einfluss haben, wenn sie diese nicht mit einem Abkommen an sich binden? In den letzten acht, neun Monaten konnte sie tatsächlich sicher gehen, dass ihr „soft power“ noch wirkt und sogar die Perspektive eines Assoziierungsabkommens (nicht der Mitgliedschaft!) die Ukraine zu demokratischen Veränderungen inspiriert hat. Ob es intelligent oder weise ist, das Land mit einer wackeligen Demokratie zu bestrafen und ihm ein wirksames Instrument für progressive Reformen abzusprechen? Hat man in Brüssel und anderen Hauptstädten eine Vorstellung vom Reaktionsspielraum und der Umkehr von Demokratie zu Tyrannei bei den kommenden Präsidentschaftswahlen?

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2004, als sich die EU um zehn neue Staaten erweiterte, sprach man von der „Wiederherstellung historischer Gerechtigkeit“, von der „Rückkehr europäischer Völker nach Hause“. Aber ist es gerecht, eine 46 Millionen starke Nation an der europäischen Außenkante zu lassen? Tatsächlich waren in den letzten Umfragen des GFK Ukraine sogar unter den Partei der Regionen Wähler 47 % für das Assoziierungsabkommen. Kann man in der EU das Ausmaß an Frustration und Pessimismus im proeuropäischen Teil der Ukraine einschätzen?

Denkt man in der EU an die Folgen eines Scheitern der Östlichen Partnerschaft, besonders nach dem Scheitern im Süden und den bitteren Früchten des „Arabischen Frühlings“? Ist man sich des Levels zukünftiger Feierlichkeiten im Kreml und der geopolitischen Folgen eines Nichtunterzeichnens des Abkommens mit der Ukraine bewusst?

Und jetzt zum zweiten großen Fehler der EU, die stur die Augen vor Geopolitik verschließt und den russischen Faktor unterschätzt. Ich erinnere mich genau, wie 2008, nach dem Scheitern des NATO Aktionsplans für Beitrittskandidaten und dem russisch-georgischen Krieg, viele Europäer, besonders Deutsche, uns dringend geraten haben: vergesst doch diese NATO für eine Zeit lang, ihr habt sowieso keine Unterstützung aus der Bevölkerung, konzentriert euch lieber auf die Annäherung an die EU; und da sind auch die Chancen viel höher und Russland hat nichts dagegen. Einwände, dass es „nichts dagegen hat“, weil es bislang nicht an eine reale europäische Integrationsoption für die Ukraine glaubte, wollte damals niemand hören.

Heute spürt die Ukraine für jeden sichtbar die Härte der Arsenale Russlands, die dazu verwendet, unsere europäische Integration von außen abzubremsen. Steht die Ukraine das durch? Ohne die Unterstützung des Westens kaum. Aber wie hat uns die EU nach dem Beginn der russischen Attacken geholfen, außer der scharfen Resolution des EU-Parlaments? Hat denn nur Kwasniewski auf jener Seite des Ozeans verstanden, dass es „um eine geopolitische Schlacht geht, in der die Zukunft ganz Europas, der Ukraine, der EU und Russlands entschieden wird“?

„Jelissejews Liste“ ist keine Antwort auf „Füles Liste“, sie ist ein Hilfs- und Unterstützungsanliegen. Es ist notwendig, dass sich die Europäische Union zur Gänze ihren Teil an globaler Verantwortung bewusst wird. „Die EU muss über eine deklarative Solidarität hinausgehen, die nur weiteren externen Druck von dritter Seite und deren Bereitschaft, die Ukraine für schlechtes Benehmen zu bestrafen, provoziert“, schreibt der ukrainische Botschafter in seinem Brief an die Financial Times. Die vorgeschlagene Liste an Unterstützungsmöglichkeiten von Seiten der EU ist gänzlich passend: eine Wiederaufnahme der Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und dem IWF; Vergabe von finanzieller Hilfe; Ausfuhr von ukrainischen Waren, die der EU-Norm entsprechen, in den europäischen Markt; Ausrichtung der EU-Hilfe auf die Anforderungen kommender Reformen im Rahmen des Assoziierungsabkommens; Bereitstellung von finanziellen Ressourcen zur Modernisierung des ukrainischen Gastransportsystems und das Verhindern des politisch motivierten „South Stream“-Projekts; Forcierung einer Lösung für das Problem der veralteten Anti-Dumping-Maßnahmen gegen ukrainische Exporte, an denen sich seit dem Ende des 20. Jahrhunderts nichts bewegt hat.

Das sind keine ukrainischen Launen, es sind Maßnahmen, die für das Überleben unseres Landes notwendig sind. Darüber, dass die Ukraine dringend Hilfe von der Europäische Union und den USA benötigt, redet man im Westen schon lange. In jenem Artikel in der Financial Times, auf den Jelissejew reagiert hat, wird der britische Experte James Sherr zitiert: „Die EU und der IWF müssen dazu bereit sein, der Ukraine Hilfe zu leisten, damit diese die Folgen des russischen Gegenschlags bewältigen kann“. Die Washington Post hat im Leitartikel vom 13. November geschrieben: „Der Westen muss die ukrainische Wirtschaft retten. Aber davor müssen Janukowytsch und seine Partei die richtige Entscheidung treffen.“

Und wir, die Bürger der Ukraine, müssen klar zu verstehen geben, welche das sein soll. Auf dem zentralen Platz in Chisinau versammelten sich am 3. November über 100.000 Menschen. Man kann schimpfen, dass es die Regierung (!) war, die die Leute auf die Straße geschickt hat, um die europäische Integration zu unterstützen, aber das Bild im europäischen Fernsehen wirkte. In Brüssel und anderen Hauptstädten blieb das nicht unbemerkt. Wir hängen hingegen in Küchen und sozialen Netzwerken. Es wird Zeit, rauszugehen. Nicht den Fernsehbildern zuliebe. Nicht Tymoschenko und viel mehr noch, nicht wegen Klytschko und Jazenjuk. Und nicht einmal sich selbst zuliebe. Ohne Pathos – den Kindern zuliebe. Am 24. November nehme ich meinen 14-jährigen Sohn und gehe um 12 Uhr zum Schewtschenko-Denkmal. Das ist alles, was ich tun kann…

15. November 2013 // Tetjana Sylina

Quelle: Dserkalo Tyshnja

Übersetzerin:   Nina Havryliv — Wörter: 3025

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Kommentare

#1 von wikna
Eine ganze Menge von Fragen, von denen (für mich) viele auf dem Level liegen „…habt IHR denn…?“.
Dazu „passt“: Wir hängen hingegen in Küchen und sozialen Netzwerken.
Mit dem „wir“ sind „die UkrainerInnen“ gemeint. Ich gehe zumindest davon aus.

Neben den vielen, nach Außen gerichteten Fragen zum Glück und als ermutigendes Zeichen auch die Bemerkung:
Es wird Zeit, rauszugehen.

Das wird es. In der Tat!
Warum?
Weil dieses „rausgehen“ die einzige Bewegung ist, welche Mächtige fürchten,
weil jemand einfach aufsteht
um mit anderen zusammenzufinden
weil nicht länger „gewartet“ wird
die „alte Denke“ damit öffentlicher Überprüfung unterzogen wird
und die sich Bewegenden damit ihrer selbst bewusst werden (können)….
( also zu Bürgern werden könnten )….

Zum Thema „Warten“ (und „alter Denke“) ein 1973 in der damaligen SU entstandener (zuerst zensierter) und erst...

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