IWF verschreibt der Ukraine Rosskur


Das Ministerialkabinett, die Zentralbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) erreichten eine Einigung bezüglich der Bedingungen für den Erhalt eines Darlehens in Höhe von 16,5 Mrd. $ durch die Ukraine. Wegen dieses Kredites hat sich die Ukraine verpflichtet zwei Jahre lang die sozialen Standards nicht zu erhöhen, mit dem Verkauf von Ackerland zu beginnen, den Gaspreis für die Bevölkerung zu erhöhen, die Steuern zu senken und die Unterstützung der Hrywnja zu senken. Experten vermuten, dass die Befolgung der IWF Empfehlungen zu einer “Schocktherapie” für die Wirtschaft des Landes wird, doch bezweifeln sie den vollständigen Verzicht des Staates auf die sozial orientierte Budgetpolitik.

Die Leiterin der Mission des Internationalen Währungsfonds, Ceyla Pazarbaziolu, versicherte gestern den Vertretern der Zentralbank ihre Bereitschaft dem Land eine zweijährige Kreditlinie aus dem Stand-By-Programm in Höhe von 16,5 Mrd. $ für die Überwindung der Auswirkungen des Einflusses der Finanzkrise auf die Zahlungsbilanz der Ukraine zu gewähren. “Die Höhe des Kredits – 11 Mrd. Sonderziehungsrechte, was 800% der Quote der Ukraine beim IWF entspricht. Uns stellen die Initiativen zufrieden, welche die Regierung vorgeschlagen hat und wir erwarten die Zustimmung des Parlamentes”, erklärte Pazarbaziolu. Sie präzisierte, dass der Rat der Direktoren des IWF eine Entscheidung über die Zuweisung des Kredits sofort nach dem Beschluss des Gesetzes “Zu den außerordentlichen Maßnahmen bezüglich der Verhütung von negativen Auswirkungen der Finanzkrise und der Einbringung von Änderungen in einige gesetzgebende Akte”. Gestern stimmte die Werchowna Rada dem Dokument in der ersten Lesung mit den Stimmen von 248 Abgeordneten zu und im Ganzen könnte dem Gesetzesprojekt bereits heute zugestimmt werden.

Die Ukraine hat den IWF Kredit äußerst nötig, bewies der Präsident der Zentralbank Wladimir Stelmach. Andernfalls, seiner Meinung nach, könnte neben einer beschleunigten Inflation dem Land ein technischer Kreditausfall “gemeinsam mit allen damit verbundenen Reputationsverlusten” drohen. “Das Darlehen erlaubt es der Ukraine eine harte Landung der Wirtschaft zu vermeiden, macht diese ausgeglichener.”, unterstützte ihn Ceyla Pazarbaziolu. Sogar bei der Durchführung der wirtschaftlichen Reformen und der Anwerbung von Mitteln aus dem privaten Sektor und internationalen Organisationen betragen die Finanzierungsanforderungen der Ukraine in der Periode der Geltung des IWF Programmes 17 Mrd. $, berechnete man beim Fonds.

Dabei begann man beim IWF und der Zentralbank nicht damit die Bedingungen der Kreditvergabe mitzuteilen, versprechend die Einzelheiten nach der Ratifizierung des Kredites durch den Rat der IWF Direktoren zu veröffentlichen. Pazarbaziolu sagte nur, dass der Kredit in mehreren Tranchen zugewiesen wird: die erste – “in die ein bedeutender Teil der Kredits eingeht”, erhält die Ukraine sofort nach der Ratifizierung des Darlehens; die nächste – nach einem halben Jahr. Auf die Frage zum Zinssatz des Kredites antwortete die Leiterin der Mission, dass diese vom Direktorenrat festgelegt wird und erinnerte daran, dass der Standardzinssatz des Fonds beträgt 3,7%. Der Vizesprecher der Werchowna Rada, Nikolaj Tomenko, informierte gestern darüber, dass der IWF-Kredit auf 15 Jahre zu 4% p.a. vergeben wurde.

Wie aus dem Memorandum zu ökonomischen und finanziellen Politik folgt, welches vom Kabinett und der Zentralbank gemeinsam mit dem IWF ausgearbeitet wurde (eine Kopie liegt dem “Kommersant-Ukraine” vor), gerät die Ukraine fast drei Jahre unter den Einfluss des IWF, sich verpflichtend vorgeschlagene Reformen durchzuführen. Im Dokument heißt es es, dass “verschärfte globale finanzielle ‘Turbulenzen’ und der Fall der Preise für Rohstoffe sprengten das Vertrauen und bedingten die Notwendigkeit schnellerer ökonomischer Reformen, als geplant war”. Die Zentralbank verpflichtete sich ihrerseits unter den Bedingungen der Krise und der Rekordabwertung der Hrywnja die Landeswährung freizugeben und das Bankenmonitoring zu verstärken.

Hauptziel der NBU (Nationalbank der Ukraine) wird die Eindämmung der Inflation in der Ukraine 2009 auf einem Niveau von 17%, wo der IWF im laufenden Jahr einen Anstieg der Verbraucherpreise um 25,5% erwartet. Um aus der Wirtschaft “die Liquidität” zu nehmen, beabsichtigt die Zentralbank 2009 die Zinsen auf ihre Einlagenzertifikate erhöhen. Der Anstieg der Geldbasis wird auf einem Niveau von 11% gewährleistet, “im Lichte unserer Erwartungen, dass das nominale Wachstum der Wirtschaft insgesamt 12% betragen wird”. Die hohe Inflation einberechnend, gab man bei der NBU und der Regierung faktisch zu, dass die Ukraine im nächsten Jahr eine Rezession erwartet. Darüber redete man bereits am Dienstag im Präsidialamt – dort erwartet man einen Rückgang des realen BIP um 2%. Wie dem “Kommersant-Ukraine” ein Teilnehmer der Verhandlungen mit dem IWF mitteilte, prophezeien Vertreter des Fonds der Ukraine einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 4%, wo man im Finanzministerium aufzeigte, dass das BIP-Wachstum 2% beträgt.

Unter diesen Bedingungen verpflichtet sich das Finanzministerium das Defizit des Budgets 2008 auf einem Niveau von 1% des BIP zu halten (0,3% für die Finanzierung der Beseitigung der Folgen des Hochwassers in der Westukraine, 0,7% zur Deckung des Steuerausfalls im IV. Quartals) und im Jahr 2009 ein Budget mit einem Nulldefizit zu beschließen (unter Einbeziehung der Operationen zur Rekapitalisierung der Banken). Im Ganzen erwartet die Regierung eine “härtere fiskalische Situation” im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren in Verbindung mit der “Verlangsamung der Wirtschaft”.

Das Kabinett verpflichtet sich dazu zwei Jahre lang den Mindestlohn nicht an das Existenzminimum anzupassen, die Bedingungen der Indexierung der Sozialtransfers zu revidieren und nicht im Dezember 2008 – Januar 2009 die Gehälter der Staatsangestellten zu erhöhen. Unter den Energiebedingungen des IWF sind: vom 1. Dezember 2008 bis Ende 2011 die Preise für Gas aus der Binnenförderung, welches die Bevölkerung verbraucht, und dem Importgas anzugleichen, was einen Preisanstieg für die Verbraucher auf Weltmarktniveau bringt; die Subventionierung des Preises für Importgas, welches von den kommunalen Energieversorgern verbraucht wird, bis zum 1. Juli 2010 zu senken. Diese Reform wird lediglich “unter Beratung von Seiten der Weltbank” durchgeführt, was “den Verbrauch von Gas senken” kann. In nächster Zeit muss das Kabinett eine Liste von Unternehmen für die Privatisierung im Krisenjahr 2009 und den Grundstücksmarkt für den Verkauf von Ackerland vorbereiten. Dabei sollen die Zusatzeinnahmen aus den Privatisierungen auf Forderung des IWF in die Senkung der fiskalischen Basis gelenkt werden.

Experten hoffen, dass die Forderungen des IWF endlich für die Regierung zur wirksamen Stimulanz unter der Bevölkerung unpopuläre, doch notwendige Reformen für die Wirtschaft durchzuführen. “Mit seinen Forderungen hat der IWF das Ziel gesetzt nicht so stark direkt auf die Wirtschaft einzuwirken – der Anteil der Sozialtransfers ist in der Ukraine vergleichsweise klein – wie weit diese Frage aus dem Bereich des politischen Wettbewerbs herausgenommen wird.”, fügt Michail Salnikow, Analyst der Investmentfirma “Sokrat”, hinzu. “Fraglos, kann man jetzt von der Regierung hören, dass an der Nichterhöhung der Sozialtransfers nicht sie schuld sind, sondern der ‘schlechte’ IWF.”, stimmt Wassilij Jurtschischin, Direktor des Wirtschaftsprogramms des Rasumkowzentrums, zu. “Doch die ukrainische Regierung hat sich immer durch die Nichterfüllung der auf sie genommenen Verpflichtungen hervorgehoben.” “Ja, das ist eine Schocktherapie für die Ukraine. Doch wenn die Ukraine diese durchhält, erhalten wir eine Restrukturierung der Wirtschaft, über deren Notwendigkeit so viel geredet wird.”, ist sich die Analystin des Unternehmens Gainsfort Research, Jewgenija Achtyrko, sicher.

Vertreter der lokalen Regierungsorgane betonen, dass die Verpflichtungen der Regierung die Preise bei “Naftogas” für Gas zu erhöhen zu einem scharfen Anstieg der Preise für kommunale Dienstleistungen führt. “Im Mittleren sind von 1 Hrywnja der kommunalen Tarife 80 Kopeken für Energieträger.”, sagt der Bürgermeister von Ukrainka, der Vizepräsident der Städtevereinigung der Ukraine, Pawel Kosyrew. “So und nun rechnen sie, wie die kommunalen Tarife steigen werden, wenn ‘Naftogas’ seine Preise für Gas verdoppelt.”

Wenn die Wirtschaft der Ukraine die Einführung dieser Maßnahmen 2009 ohne große Verluste überlebt, dann wird die Inflation bereits 2010 auf 7,6% sinken, ist man sich beim IWF sicher. Mitte 2010 stabilisiert sich die Situation in der Wirtschaft und das Wachstumstempo des BIP erreicht 5-6%, das Rekorddefizit der Leistungsbilanz verringert sich 2009 auf 1,6% des BIP (2008 – 6,3%) und in 2010 auf 0,4%. Dies sollte der Zentralbank erlauben ihre Devisenreserven faktisch auf dem jetzigen Niveau beizubehalten. “Bewegende Kraft für das Wirtschaftswachstum soll der Investitionsanstieg in Verbindung mit der Vorbereitung der EURO-2012 werden.”, heißt es im Memorandum.

Quelle: Kommersant-Ukraine

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 1357

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Vielleicht sollten Sie eine Spende in Betracht ziehen.
Diskussionen zu diesem Artikel und anderen Themen finden Sie auch im Forum.

Benachrichtigungen über neue Beiträge gibt es per Facebook, Google News, Mastodon, Telegram, X (ehemals Twitter), VK, RSS und per täglicher oder wöchentlicher E-Mail.