Julia Timoschenko beabsichtigt nach Übersee zu gehen. Wie wird sie in den USA empfangen werden?
Julia Timoschenko beabsichtigt in die USA zu fahren, sagen Experten. Unmittelbar nach den Kommunalwahlen. Ihr Hauptspezialist für internationale Angelegenheiten Grigorij Nemyrja wurde damit beauftragt Treffen, öffentliche Auftritte vor Politologen und Pressekonferenzen zu organisieren.
Klar ist, dass die wichtigsten Botschaften von Timoschenko für die USA bereits ausgearbeitet wurden: “die Bedrohung für die Demokratie und Meinungsfreiheit in der Ukraine”, “die anti-amerikanische Linie der neuen Regierung”, die Rückkehr der Ukraine in die Einflusssphäre von Russland”. Und extra für die ukrainische Diaspora – “die jetzige Regierung stellt eine Bedrohung für die Unabhängigkeit der Ukraine dar, und andere ewige Themen wie die von OUN-UPA, Holodomor (Hungersnot).
Timoschenko arbeitet in den USA, wenn nicht systematisch, dann seit langer Zeit. Zuletzt besuchte sie Washington in März 2007. In dem vom amerikanischen Justizministerium veröffentlichten Bericht über die Aktivitäten von “Agenten der ausländischen Staaten” (so lautet die offizielle Bezeichnung für die von Nichtbürgern von USA angestellte Lobbyisten) heißt es, dass Timoschenko 546,6 Tausend US-Dollar für den Besuch der Organisation “TD International“ gezahlt habe. Weitere 125 Tausend US-Dollar hat „Dezenhall Ressourcen“ dafür erhalten, dass sie in den USA Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt hatte. “The Glover Park Group“ erhielt 32 Tausend US-Dollar “für Hilfe bei der Kontaktaufnahme mit amerikanischen Geschäftsleuten und Regierungsvertretern”.
Man sagt, dass Timoschenko außer Nemyrja noch ihr Berater Kenneth Murphy dabei hilft, die Reise zu organisieren. Dieser langjährige Mitarbeiter von George Soros spielt die Rolle des Mittlers zwischen ihm, Timoschenko und Nemyrja. Er hat ihre Treffen organisiert. Einige Mitarbeiter des Sekretariats des ehemaligen Staatsoberhaupts haben bezüglich Murphy folgende Fragen gestellt: aus welchem Grund war er bei den Verhandlungen anwesend, die Timoschenko in Paris im März 2007, in Brüssel im Februar 2008 und in Tokio im März 2009 geführt hat? Hat er den Zugang zu Staatsgeheimnissen erhalten und wenn ja, wer und auf welcher Grundlage hat ihm diese zur Verfügung gestellt? Wenn Murphy Zugang zu vertraulichen Informationen haben könnte, die einen großen Einfluss auf die Kurse der ukrainischen Staatsanleihen haben und Soros sein ganzes Leben nichts anderes macht , als auf Wertpapiere zu spekulieren, womit er auch sein Vermögen verdient hatte, wäre es dann nicht möglich zu vermuten, dass darin die wahre Bedeutung bzw. die wahre Aufgabe von Murphy liegt?
Jetzt ist es ausgerechnet Kenneth Murphy, der angeblich damit beauftragt wurde, ein Treffen Timoschenko mit John McCain, dem Herausforderer von Barack Obama während der letzten Präsidentschaftswahl, zu organisieren. Bekanntlich hat Timoschenko mit McCain am 1. Oktober telefonisch gesprochen. Es ist klar, dass Timoschenko bei der Umsetzung ihrer Strategie der internationalen Isolation der derzeitigen Regierung eine Einheitsfront schaffen möchte, an der nicht nur die Europäischen Volkspartei beteiligt sein wird.
Es ist auch klar, dass die Person von John McCain, einem Vietnamveteran, für sie am besten passt. Wie auch die Tatsache, dass das vom McCain geführte auf die Probleme der Weltdemokratie spezialisierte International Republican Institute, das seine Vertretung auch in Kiew hat, eine vorteilhafte Position für Timoschenko einnehmen kann.
Aber die Situation des aktuellen Besuchs unterscheidet sich grundlegend von der, die im Jahr 2007 vorgefunden wurde. Trotz der Tatsache, dass Timoschenko sowohl damals als auch heute in der Opposition ist.
Zunächst einmal befinden sich die USA in einer Art “Neuaufbau” der Beziehungen mit Russland und sind deshalb nicht geneigt, jedem Wort über die anti-amerikanische Linie der neuen Regierung Glauben zu schenken. Vielmehr glauben sie sowohl an eine pro-russischen als auch eine pro-amerikanische Linie zugleich. Besonders – nach der Entscheidung, über die Übergabe der ukrainischen Lagerbestände von angereichertem Uran an die USA.
Zum anderen dort weiß man ja schon ziemlich gut, dass die Vorwürfe über die totale Zensur und über die Bedrohungen der Pressefreiheit auch in vier mehrstündigen wöchentlichen Ausstrahlungen auf vier ukraineweiten Kanälen ausgesprochen werden. Viele in den USA amüsieren sich dabei prächtig.
Drittens, niemand erwartet von Timoschenko Wirtschaftsreformen, und alle Experten erinnern sich sowohl an ihre Ankündigung vom 22. Februar 2005 über die Reprivatisierung von dreitausend Unternehmen, als auch an die Verteilung von “Julina Tisjatscha“ (“Tausend von Julia“) dem Geld aus (sowjetischen) Sberbank. Und Steven Pifer, der ehemalige US-Botschafter in der Ukraine, der die Meinung der Elite in Washington äußert, sagt im „Radio Swoboda“ („Radio Freiheit“) am 14. Oktober das, wozu er von niemandem gezwungen wurde:
“Ich muss Janukowitsch und seine Regierung würdigen, denn sie haben eine sehr schwierige und komplizierte Entscheidung getroffen – die Gaspreiserhöhung. Diese Entscheidung wird für manche problematisch, aber wenn die Ukraine Ordnung in ihr Gassektor zu bringen, ihn wirtschaftlich stabil machen und keine Milliarden Dollar an Subventionen verschwenden will, ist dieser Schritt notwendig. Es ist ein schmerzhafter Schritt, aber er ist richtig, er ist politisch unpopulär, aber wenn die Ukraine Ordnung in ihr Haus bringen will, braucht sie diesen Schritt.“
USA sind gezwungen, sich mit der Tatsache abzufinden, dass es an die Führerin der größten ukrainischen Oppositionskraft, für die über 40% der Wähler gestimmt haben, es gleichzeitig Fragen seitens eigener Gerichtsorgane gibt. Neben den Prüfungsmaterialen der amerikanischen Organisation „Trout Cacheris“, die am 15. Oktober in „Wall Street Journal“ veröffentlicht wurden, werden bezüglich des Wahrheitsgehalts der entdeckten Fakten auch David Sheppard und Brent Smith ihr Wörtchen mitreden, die Mitarbeiter des Federal Bureau of Investigation, der amerikanischen Botschaft in Kiew. Timoschenko soll sich fern von der Stadt Portland in Oregon halten, in deren Bundesgericht im Rahmen des Gesetzes „Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act“ eine von „Trout Cacheris“ und „Akin Gump Strauss Hauer and Feld“ aufgegebene Anzeige gegen das Unternehmen „Olden Group, LLC“, das „sehr notwendige Mittel“ für eine nicht vorhandene Grippeepidemie bestellt hat, geprüft wird. Timoschenko kann zur Anhörung vorgeladen werden, in welchem Status – vermutlich als Zeugin, in dieser Phase.
Natürlich werden die Experten, Journalisten und Politologen Timoschenko zuhören. Es ist ihre Arbeit – allen zuzuhören.
Natürlich wird sich auch die ukrainische Diaspora mit Timoschenko treffen. Die Situation bei den letzteren ist eine doppelte. Auf der einen Seite positioniert sich die ukrainische Diaspora als Verteidigerin der wahren nationalen Interessen der Ukraine. Auf der anderen – die Prüfung gibt eine Vorstellung von ihrer wirklichen Interessen. Andererseits überzeugte ich mich mehrmals davon, dass es In der Diaspora immer, medizinisch gesprochen, zur “Verdrängung” kommt: der Schutz der Erinnerungen an Stepan Bandera ist wichtiger als Informationen über eine vorgetäuschte Grippeepidemie. Und haben etwa all diese fragwürdige Geschäfte nicht die Angehörigen der Diaspora in der Ukraine beraubt?
Ich würde mich nicht wundern, wenn Timoschenko sich dazu entschließt, sich nicht mit McCain zu treffen. Er kann der Reputation von „Trout Cacheris“ vertrauen: Plato Cacheris der Eigentümer dieses Unternehmens, arbeitete im Jahr 2000 für die Wahlkampagne von McCain. Andererseits ist „McCain ein alter Mann, dem alles egal ist“, es gibt „keine klare politische Zukunft“ für McCain. In den Staaten ist es ungewöhnlich, wenn ein Präsidentschaftskandidat, der die Präsidentschaftswahlen verloren hat, noch mal kandidiert.
Aber es ist anzuzweifeln, dass die offizielle Seite der USA sich mit Timoschenko treffen würde. In diesem Fall ist die Rufschädigung viel höher. Obwohl die Gespräche über die Möglichkeit dieser Treffen auf der Ebene des Vize-Präsidenten und der Staatssekretärin geführt werden. Aber es wird besonders unangenehm, wenn die Untersuchung ergeben würde, dass das Geld amerikanischer Steuerzahler, das vom IWF in die Ukraine für die Rekapitalisierung von Banken überwiesen wurde, auf Offshore-Konten ging.
Natürlich erinnern sich viele in Washington an die Worte von Präsident Franklin Delano Roosevelt: “Natürlich ist er ein Hurensohn, aber er ist unser Hurensohn!” Aber für wen ist Timoschenko “unsere” ?
Für die USA, als sie in Washington im Jahr 2007 den Beitritt der Ukraine zur NATO versprochen hat? Oder für Russland, für das sie das Gegenteil garantiert hat? Für die ukrainische Bevölkerung, der sie 2004 auf dem Maidan eine ehrliche nicht-korrupte Regierung versprochen hatte? Timoschenko ist immer an ihrer eigenen Seite.
29.10.2010 // Wjatscheslaw Pichowschtschik
Quelle: Lewyj Bereg