Julia Tymoschenko: Sie errichten eine Ukraine ohne Ukraine
Wenn die Nation am Rande des Untergangs steht, bringt sie große Leute hervor. Ja, aber nicht nur. Denn zusätzlich gebiert sie solche, wie beispielsweise Dmytro Tabatschnyk, den Bildungsminister der ukrainischen Regierung.
Übrigens, wofür steht hier die ukrainische Nation?
Nur Gott ist bekannt, woher er kam, dessen einziger Verdienst der rasende und unbegreifliche Hass gegenüber allem Ukrainischem ist.
Jedoch, leider, reicht dieses Verdienst, um in Hauptrollen in der Mannschaft von Wiktor Janukowytsch zu erscheinen. Was du auch tust – derart ist die heutige Regierung im Lande.
Klar ist, dass ich über den Artikel von Tabatschnyk aus der Zeitung „2000“ rede, in der er nicht nur die Westukraine, nicht nur die Galizier, sondern all diejenigen beleidigte, die stolz darauf sind, dass sie ukrainisch sind und stolz auf ganze Generationen von Kämpfern für die Freiheit und Unabhängigkeit und die ganze ukrainische Geschichte und Kultur (in dem Artikel hatte Tabatschnyk erzählt, dass die Galizier mit den Einwohnern der ‘Großen Ukraine’ nichts gemeinsam haben, da sie sich sprachlich, kulturell, konfessionell und in ihrer Mentalität von den Ukrainern der restlichen Gebiete unterscheiden).
Und wenn dieser Mensch das Bildungsministerium leitet und wenn sich in der ganzen ukrainischen Regierung nicht einer fand, der sich ob der antiukrainischen Erscheinungen entrüstet und nicht von seinem Platz aufstand, welcher Argumente bedarf es noch, um sich endgültig davon zu überzeugen, welches „neues Land“ sie errichten. Sie errichten eine Ukraine ohne Ukraine.
Sie fürchten sie und verstehen sie nicht. Sie ist ihnen vom Geist her fremd und vom Inhalt her unnötig. Sie möchten nicht einmal auf Ukrainisch lernen oder lesen.
Sie nennen uns nicht einen ukrainischen Schriftsteller, Regisseur oder Theatertätigen.
Sie sind Unwissende und Wilde. Diejenigen Neandertaler, von denen Tabatschnyk schreibt, mit falschen Professorentiteln, mit absurden nichtigen Monographien und gekauften Diplomen.
Man könnte sie bemitleiden für ihre geistige Armut und Unwissenheit, jedoch muss man heute die Ukraine bemitleiden, denn eben diese versuchen sie heute zu demütigen.
Gefährlich ist, dass sie heute gleich in zwei Richtungen vorgehen.
Einerseits geben sie die Krim und Sewastopol auf, geben das ukrainische Uran, Atom, die Flugzeugindustrie und das Gastransportsystem ab und andererseits entstellen sie die ukrainische Sprache, schreiben die Geschichtslehrbücher um, nehmen die ukrainischen Synchronisierungen aus den Kinosälen weg, versuchen das Festival der ukrainischen Lieder „Hajdamaki.UA“ zu verbieten, bezeichnen die ukrainische Sprache als „nicht vollwertig“, (wie der Minister Mohiljow), erklären, dass niemand die ukrainische Diaspora braucht (Außenminister Hryzenko) …
Sie haben der Ukraine den Krieg in der Ukraine erklärt!
Falls man sie heute nicht stoppt, so werden sie morgen die Bücher von Kobyljanska und Franko verbrennen, wie Hitler (die Bücher von) Marcel Proust und Emile Zola anzündete …
Nein, ich befürchte nicht, dass sie die ukrainische Kultur oder Geschichte vernichten. Ich befürchte nicht, dass alle möglichen Tabatschnyks und Janukowytsch die Nation in ihrer Entwicklung und ihren Taten aufhalten. Sehr klein, schwächlich und winzig sind sie vor der Größe der Ukraine …
Ich wundere mich nur, mit welcher Ironie des Schicksals und der Geschichte diese Leute zur ukrainischen Regierung werden konnten? Wenn auch nicht für lange, doch wie und warum?
Oder wahrscheinlich, stellt uns das Schicksal manchmal speziell solche Herausforderungen, damit wir die Ukraine schätzen lernen, damit die Nation gegen Tabatschnyks und Janukowytschs geimpft wird …
Vor dem Hintergrund ihrer ukrainefeindlichen Politik, die, gelinde gesagt, keinen Optimismus oder Freude hervorruft, konnte ich trotzdem wenigstens ein (aber großes) positives Moment in der ganzen Geschichte finden. Ich fand es, als ich über die Motive nachdachte, welche diese Leute bewegen.
Warum rasen sie, wenn sie persönlich auf die Masten klettern, um die blau-gelbe Flagge abzunehmen und diese auf den Boden zu werfen, warum geben sie fast all ihre Kraft für den Kampf mit der Ukraine?
Irgendwo auf der Instinktebene, auf der Ebene des ärmlichen „kollektiven Unbewussten“ spüren sie, dass es in dieser ihnen unverständlichen und fremden Nation eine riesige Kraft und Energie gibt, die plötzlich an die Oberfläche kommt und sie unbarmherzig auf den Müllhaufen des Fortschritts wirft …
Sie wissen davon, spüren es und versuchen sich im Vorhinein an der Nation zu rächen …
Die Ukraine blieb ihnen verschlossen, ungeachtet dessen, dass sie die absolute Macht darstellen und das ist für sie sehr schrecklich und unverständlich. Nicht ohne Grund hat Alfred Hitchcock der Begründer des Thrillergenres in der Kinomatographie einst gesagt, dass es nichts schrecklicheres gibt, als verschlossene Türen …
Sie wissen, dass sich manchmal die Nation erhebt, „da die Geduld im Volke endete – es stand auf, um sich für die Verunglimpfungen der Riten zu rächen, für die schändliche Erniedrigung ihrer Bräuche, für die Beleidigung des Glaubens der Vorväter und der heiligen Bräuche, für die Entehrung der Kirchen, für die Willkür der fremdländischen Herren, für den Druck – den ganzen, der sich auf der Seele ansammelte und einen rohen Hass entzündete …“ So war es in ihrem Gedächtnis, vor Kurzem, dort auf dem Maidan inmitten von Kiew. Und es wird noch einmal geschehen …
Daher würde ich Janukowytsch und Tabatschnyk raten „Taras Bulba“ von Mykola Wassyljowytsch Hohol (Nikolaj Gogol) erneut zu lesen, welches für sie in russischer Sprache zugänglich ist.
28. September 2010 // Julia Tymoschenko
Quellen:
Ukrajinska Prawda
Tymoshenko.ua