Kommunalwahlen in der Ukraine: Frei, demokratisch, transparent?


Am 31.10. fanden die verschobenen Kommunalwahlen in der Ukraine statt. Viele sahen darin eine Bewährungsprobe für Janukowytsch und seine Regierung.

Von Kyryl Savin, Alexander Vorbrugg, Claudia Keller, Andreas Stein

Zum einen sollte sich zeigen, ob nach den massiven Fälschungen bei den Präsidentschaftswahlen 2004, die der Janukowytsch Partei damals vorgeworfen wurden und schließlich zur „Orangen Revolution“ geführt hatten, er diesmal bereit war, für einen demokratischen und sauberen Ablauf der Wahlen zu sorgen. Zum zweiten war fraglich, ob Janukowytschs Partei der Regionen (PdR) nach dem ersten halben Jahr an der Regierung weiterhin die breite Zustimmung genießen würde wie zur Präsidentschaftswahl mit damals 35 Prozent der Stimmen. Wie würde die Wählerschaft auf die umstrittene Restauration der alten Verfassung, die Vorwürfe autoritärer Regierungsführung oder auf die deutliche Erhöhung der Gaspreise reagieren, die Janukowytsch entgegen seiner Wahlversprechen und nicht zuletzt aufgrund der Forderungen des Internationalen Währungsfond durchgesetzt hatte? Würde der Preisanstieg bei Grundnahrungsmitteln – vor allem im September – sich in den Ergebnissen der Partei der Regionen widerspiegeln?

Es folgt ein Überblick über Geschehnisse im Vorfeld der Wahlen, über den Ablauf der Wahlen selbst und eine kurze Einschätzung der Ergebnisse.

Wahlkampf: Manipulationen und Druck seitens der Verwaltung auf Unabhängige

Kommunalwahlgesetz. Im Juli 2010 nahm das Parlament eine neue Fassung des Kommunalwahlgesetzes an, das zahlreiche diskriminierende Normen beinhaltet, wie zum Beispiel, dass örtliche Parteiverbände sich 365 Tage vor der Wahl registrieren müssen, um zugelassen zu werden. Auch wenn am 30.08. das Wahlgesetz auf Druck der EU und der US-Regierung – und auch zurückgehender Umfragewerte – vom Parlament nachbessert wurde, lösten diese Änderungen nicht alle Probleme des grundsätzlich problematischen Gesetzes. Zahlreiche absichtlich gelassene kleine Lücken blieben bestehen, welche die Partei der Regionen voll und ganz zu ihren Gunsten nutzte. Dies betrifft vor allem die Zusammensetzung der Wahlkommissionen aller Ebenen und das Quorum bei Entscheidungen der Wahlkommissionen. Damit öffnen sich zahlreiche Möglichkeiten zu Manipulationen, vor allem bei der Stimmenauszählung.

Expert_innen sind der Meinung, dass das von der Regierungskoalition konzipierte Kommunalwahlgesetz Ursache für viele Probleme und Manipulationen sowohl vor der Wahl, als auch am Wahltag und bei der Stimmauszählung war.

Schlechte Wahlvorbereitung und nicht paritätische Besetzung der Wahlkommissionen. Der Vorsitz in den Bezirkswahlkommissionen wurde zu Gunsten der Koalitionsparteien verteilt (Partei der Regionen: 32 Prozent, Lytwyns Volkspartei: 15 Prozent, Kommunisten: 9 Prozent, Tymoschenkos Vaterlandspartei „Batkiwschtschyna“: 16 Prozent). Die Parteilichkeit der Wahlkommissionsvorsitzenden spielt eine große Rolle, da die Wahlkommissionen am Wahltag ihre Beschlüsse nach neuem Gesetz mit nur drei Kommissionsmitgliedern fassen dürfen und Protokolle nur mit der Unterschrift des Vorsitzenden Gültigkeit haben.

In mehreren Regionen wurden die Wahlkommissionen nicht paritätisch besetzt. Insgesamt gab es 6.895 Personen der Koalitionsparteien in den territorialen Wahlkommissionen (davon 2.079 von der PdR), die Opposition ist mit 2.909 Personen (davon 1.380 der „Batkiwschtschyna“-Partei) vertreten. Von insgesamt 37 territorialen Wahlkommissionen im Gebiet Kiew hat die PdR in 24 den Vorsitz bekommen, „Batkiwschtschyna“ nur in einer einzigen Kommission.

Insgesamt war die Wahl schlecht organisiert und nicht ausreichend finanziert; die reduzierte Zahl der Kommissionsmitglieder trug dazu wesentlich bei. Oft wurden von den Regierungsparteien junge Leute zu Kommissionsmitgliedern und für den Kommissionsvorsitz nominiert, die noch keine Wahlerfahrung hatten.

Administrativer Druck auf unabhängige Kandidaten und Wahlkommissionsmitglieder. Druck wurde durch den Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU, Geheimdienst) die Generalstaatsanwaltschaft und die Steuerpolizei ausgeübt. Vor allem unabhängige Bürgermeisterkandidaten waren davon betroffen wie z.B. der amtierende Oberbürgermister von Dnipropetrowsk, Iwan Kulitschenko, welcher der Partei der Regionen kurz vor dem Wahlkampfbeginn beitrat. Oft wurde den Kandidaten ein Ultimatum gestellt – entweder Beitritt in die Partei der Regionen oder kriminalrechtliche Untersuchung wegen Korruptionsverdachts. Die meisten unabhängigen Kandidaten wählten die erste Option. Diejenigen, die sich weigerten, sitzen unter Korruptionsverdacht bereits im Untersuchungsgefängnis, wie die Bürgermeister von Kamjanez-Podilskyj und Winnyzja. Den Bürgermeister von Kamjanez Podilskyj bewahrte selbst der Austritt aus der Partei „Batkiwschtschyna“ nicht vor der Verhaftung.

Manipulationen der Wahllisten und bei der Registrierung der Kandidat_innen. Die Tymoschenko-Partei hatte in mehreren Bezirken Probleme mit Kandidat_innen, die sich auch auf der Liste der Partei „Batkiwschtschyna“ registrieren ließen, vor allem in den Gebieten Charkiw, Kiew, Luhansk und Lwiw. Mehrere „Batkiwschtschyna“-Vorsitzende der lokalen Parteiverbände hatten nach der Präsidentschaftswahl zur Partei der Regionen gewechselt, woraufhin Tymoschenko sie aus der „Batkiwschtschyna“-Partei ausschloss und neue Vorsitzende ernannte. Das PdR-loyale Justizministerium weigerte sich jedoch diese zu registrieren und vor Gericht erstritten die Überläufer die Aufhebung des Parteiausschlusses, womit sie formell den Vorsitz behielten. So war es ihnen möglich, vor den Kommunalwahlen eigene Listen einzureichen, auch wenn sie in der Realität nichts mit der Tymoschenko-Partei zu tun hatten. Als die eigentlichen „Batkiwschtyna“-Kandinat_innen ihre Listen einreichten, wurde deren Registrierung mit der Begründung verweigert, ihre Partei sei bereits registriert. Auf diese Weise wurde die „Batkiwschtschyna“-Partei in den Gebieten Kiew und Lwiw und für den Stadtrat von Ternopil faktisch von der Wahl ausgeschlossen.

Unkontrollierter Druck der Wahlscheine. In mehreren Regionen der Ukraine wurden Wahlscheine ohne notwendige Kontrolle gedruckt, oft in Mengen, die den tatsächlichen Bedarf überschritten. Vertreter der Tymoschenko-Partei „Batkiwschtschyna“ meldeten z.B. eine Woche vor der Wahl die illegale Fertigung zusätzlicher Wahlscheine (ca.120 000 Stück) und blockierten die betreffende Druckerei in Charkiw.

Wahlsonntag: lange Wartezeiten in Wahllokalen und verdächtig lange Stimmenauszählung

Zur Überwachung des ordnungsgemäßen Ablaufes der Kommunalwahlen wurden 2403 Beobachter_innen durch das Zentrale Wahlkomitee der Ukraine zugelassen. Neben den zwei größten Organisationen, den NGOs „OPORA“ und dem Komitee der Wähler der Ukraine, zählten vergleichsweise wenige, nur 490 internationale Gesandte dazu. Dies ist zum einen dem Umstand geschuldet, dass Kommunalwahlen in der Regel ohne internationale Beobachter_innen stattfinden und zum anderen der bewusst spät versandten Einladung der ukrainischen Regierung an internationale Organisationen. Diese hatten daher nicht genügend Zeit, eine entsprechende Zahl von Wahlbeobachtern zu schicken und den Wahlkampf zu analysieren.

Reaktionen und Beurteilungen der Wahlbeobachter_innen. Die Einschätzungen der Wahlen ergeben ein widersprüchliches Bild. Für manche reihen sie sich in die Folge relativ sauberer Wahlen der letzten Jahre ein, andere bewerten sie als die chaotischsten und undemokratischsten seit 2004.

Sowohl „OPORA“ als auch das Komitee der Wähler der Ukraine haben zahlreiche Unregelmäßigkeiten wie lange Wartezeiten, verspätetes Öffnen der Wahllokale, Unstimmigkeiten bei der Anzahl der Wahlzettel sowie Kauf von Wähler_innenstimmen in einigen Bezirken feststellen können. Während erstere diese Vorfälle vorwiegend als Unregelmäßigkeiten in den Abläufen oder nicht zusammenhängende Einzelfälle interpretieren, spricht „OPORA“ von einer „Atmosphäre des Misstrauens“, welche die gesamte Wahl begleitet habe. Systematische Verstöße lassen die Sauberkeit und demokratische Legitimität des Wahlprozesses nach der Einschätzung von „OPORA“ als fragwürdig erscheinen.

Von internationaler Seite monierte das „Committee for Open Democracy“ für den Wahltag eine massive Behinderung der Arbeit ihrer Wahlbeobachter_innen in Odessa. Einige der erfahrenen Wahlbeobachter_innen meldeten Verweigerung des Zutritts zu den Wahllokalen, überzählige Stimmzettel und fehlende Ausfertigung von Wahlprotokollen.

Der Vorsitzende der europäisch-ukrainischen Parlamentariergruppe des EPs, Paweł Kowal, äußerte auf seiner Internetseite, er habe keine Verstöße wahrgenommen. Zwar wurde ihm von kleinen Unregelmäßigkeiten berichtet, diese haben sich jedoch kaum auf die Durchführung der Wahlen ausgewirkt. Gleichzeitig wies Kowal darauf hin, dass die größte Sorge der internationalen Gemeinschaft der Änderung des Wahlgesetzes galt, welches kurz vor der Wahl verabschiedet wurde.

Herbe Kritik aus der Opposition. Die Oppositionsparteien äußern sich deutlich kritischer zum Verlauf der Wahlen. Sprecher von „Batkiwschtschyna“ warfen der Partei der Regionen massive Wahlfälschungen vor. Strittigster Fall ist hier die Bürgermeisterwahl in Charkiw, einer Millionenstadt im Osten der Ukraine, in der die Partei der Regionen seit Jahren stärkste Kraft war. Nach einem Kopf-an-Kopf Rennen zwischen dem „Batkiwschtschyna“-Kandidaten Arsen Awakow und Hennadij Kernes von der Partei der Regionen, wurde am Mittwoch der Sieg von Kernes verkündet. Die stockenden Auszählungen und differierenden Ergebnisse der Wahlkommissionsmitglieder gelten für „Batkiwschtschyna“ als Indizien für die Manipulation der dortigen Wahlergebnisse. Mittlerweile tauchen auf Internetseiten eine Vielzahl von Videos und Photos vom Wahltag als Belege für diese Annahmen auf. Die Vorwürfe der Tymoschenko-Partei, welche sich selbst bislang eher zurückhält, gipfeln in der Behauptung, die PdR wolle gegen den Willen der Wähler_innen und gegen geltendes Recht ein „System zaristischer Herrschaft“ errichten. Nach der Bekanntgabe der Ergebnisse will „Batkiwschtschyna“ im Parlament die Einberufung einer Prüfungskommission zu den Wahlen beantragen, auch wenn der Antrag bei den herrschenden Parlamentsmehrheiten keine Aussicht auf Erfolg hat. Auch Arsen Awakow hat bereits gegen das Ergebnis geklagt, wodurch sich die Verlautbarung des „offiziellen“ Resultats verzögert.

Die Kommunalwahl 2010 in der Ukraine entsprach nicht dem westlichen Demokratiestandard. Vor allem die gesetzliche Grundlage (geändertes Kommunalwahlgesetz) schuf viele große und kleine Probleme für den Wahlvorgang. Zwar wurde die Kommunalwahl wurde nicht komplett manipuliert und gefälscht, doch gab es zahlreiche Unregelmäßigkeiten am Wahltag und vor allem während des Wahlkampfes, welche die Ergebnisse als fragwürdig erscheinen lassen und den Willen der Wähler_innen verfälscht haben. In einigen östlichen Großstädten (bestes Beispiel dafür ist Charkiw) muss von groben Wahlfälschungen gesprochen werden.

Wahlergebnisse: Denkzettel für die Partei der Macht, herbe Niederlage der Tymoschenko-Partei und großer Wahlsieg für rechtsradikale „Swoboda“

Auch sieben Tage nach den Wahlen liegen offizielle Ergebnisse nur für einige Städte und Gebiete vor, was offensichtlich bedeutet, dass Wahlprotokolle in einigen Regionen (vor allem da, wo es Kopf-an-Kopf-Rennen gibt) illegal „nachgebessert“ werden. Für die Beurteilung des Ergebnisses der Gesamtukraine muss sich bisher auf die Daten der Wahltagsbefragungen gestützt werden. Gemäß der Nachwahlbefragung der GfK Ukraine gewann die Partei der Regionen bei den Wahlen für die Gebietsräte im Durchschnitt mit 36,2 Prozent in den Gebieten in Ost-, Süd- und Zentralukraine, dem folgt mit großem Abstand „Batkiwschtschyna“ mit im Schnitt 13,1 Prozent. An dritter Stelle liegt demnach die „Front-Smin/Front der Veränderungen“ von Ex-Parlamentspräsident Arsenij Jazenjuk, gefolgt von den Kommunisten mit 5,9 Prozent, der rechtsradikalen „Swoboda/Freiheit“ mit 5,1 Prozent, „Sylna Ukrajina/Starke Ukraine“ von Vizepremier Serhij Tihipko mit 4,3 Prozent und „Nascha Ukrajina/Unsere Ukraine“ von Ex-Präsident Wiktor Juschtschenko mit 2,3 Prozent. Es sieht danach aus, dass die Partei der Regionen regierende Koalitionen (alleine wie in Donbass oder mit Partnern) in den meisten Gebietsräten (außer des Gebiets Iwano-Frankiwsk) bilden wird.

Die Wahlbeteiligung war bei dieser Kommunalwahl ungewöhnlich niedrig (im Durchschnitt knapp über 40 Prozent), was manche Expert_innen mit der weitgehenden Politikverdrossenheit der Bürger_innen erklären. Damit hat die Ukraine in diesem Bereich bereits zu europäischen Standards aufgeschlossen. Ein deutlicherer Hinweis auf die Unzufriedenheit mit der politischen Lage ist aber der hohe Anteil derer, welche die Option wählten „Gegen alle“ zu stimmen. Ukraineweit waren es um die acht, in manchen Städten sogar über zehn Prozent der Wähler_innen.

Auch der prognostizierte Wahlerfolg der rechtsradikalen Partei „Swoboda“ im Westen der Ukraine, wo sie in drei bedeutenden Stadt- und Oblasträten (Lwiw, Iwano-Frankiwsk und Ternopil) mit über 30 Prozent der Wählerstimmen stärkste politische Kraft wurde und den Bürgermeister von Ternopil stellt, wird als Protest gegen die unentschiedene geostrategische und kulturpolitische Ausrichtung der Janukowytsch-Regierung wahrgenommen und ist auch der Selbstdiskreditierung der Parteien des „orangen“ Lagers geschuldet. „Batkiwschtschyna“ hat in Iwano-Frankiwsk, wo sie antreten konnte, gegen „Swoboda“ keine Chance gehabt und Juschtschenkos „Nascha Ukrajina“ rangierte nur unter ferner liefen. Mit nationalen Themen hatte „Swoboda“ zwar Protestwähler_innen an sich ziehen können, ob sie jedoch wirtschaftspolitische Probleme in den Kommunen lösen kann, bleibt abzuwarten.

Was auch immer die Zukunft von „Swoboda“ sein wird, der Rechtsruck, der durch ihren Erfolg zum Ausdruck kommt, ist ernst zu nehmen. Nicht zuletzt die „national-demokratischen“ Kräfte müssen sich fragen lassen, ob sie mit ihrer jahrelangen „patriotischen“ und russlandfeindlichen Rhetorik nicht den Boden für diesen Erfolg geschaffen haben und nun die Originale gewählt wurden. Dass das Kalkül der Partei der Regionen – Zentrum, Süden und Osten für uns, den Westen für „Swoboda“ – aufgeht und das rechtsradikale Projekt unter Kontrolle bleibt, ist sehr fraglich, denn „Swoboda“ hat anscheinend auch im Zentrum und selbst im russischsprachigen Osten Fuß fassen können. Bei den nächsten Parlamentswahlen, die voraussichtlich 2012 stattfinden werden, ist jetzt fest mit dem Einzug einer „Swoboda“-Fraktion zu rechnen.

Im Westen der Ukraine konnte „Swoboda“ einzig in den Transkarpaten, dem westlichsten Gebiet der Ukraine, keinen Erfolg landen. Dieses Gebiet steht weitestgehend unter der Kontrolle von Wiktor Baloha, dem ehemaligen Leiter der Präsidialadministration unter Wiktor Juschtschenko, und seiner Partei „Jedynyj Zentr/Einiges Zentrum“ einem Spaltprodukt von „Unsere Ukraine“, die in diesem Gebiet der oben angegebenen Nachwahlbefragung nach 27,4 Prozent der Stimmen erzielte und wohl zusammen mit der Partei der Regionen eine für die Zentralmacht genehme Verwaltung bilden werden.

Für den Shootingstar der Präsidentschaftswahlen, Serhij Tihipko, der damals in der ersten Runde mit 13 Prozent und dem dritten Platz einen Erfolg landen konnte, bedeuten die vier Prozent bei den Oblastratswahlen einen herben Rückschlag. Anscheinend vermochte es die Partei der Regionen die „unangenehmen Reformen“ – dabei insbesondere die Gaspreiserhöhung, aber auch die angedrohte Erhöhung des Renteneintrittsalters für Frauen – ihm anzulasten, was sich im Wahlergebnis niederschlägt. Nun ist er erst recht dazu gezwungen, weiter in der Regierung zu arbeiten, um sich eventuell 2012 nach den erhofften Reformerfolgen wieder als dritte Kraft im Land empfehlen zu können. Andernfalls droht ihm ein Versinken in der Bedeutungslosigkeit, da ein jetziger Austritt aus der Regierung ihn vor allem wie einen Verlierer aussehen lassen würde.

Zu dieser dritten Kraft ist derzeit die „Front Smin“ avanciert. Arsenij Jazenjuks Entscheidung sich nicht an der Regierung zu beteiligen, hat sich bei diesen Kommunalwahlen ausgezahlt. Die Verankerung vor Ort bietet eine gute Ausgangsbasis für die Parlamentswahlen 2012.

Die Kommunisten konnten sich bei diesen Wahlen wieder zurückmelden. Ihr Lavieren zwischen Regierungsbeteiligung und „Opposition auf der Regierungsbank“ hat ihnen scheinbar im Osten von der Partei der Regionen enttäuschte Wähler gebracht. Andererseits ist ihre Stammwählerschaft, die vor allem aus Rentnern besteht, die zuverlässigste und ihnen dürfte somit eher die niedrige Wahlbeteiligung zugespielt haben. Dennoch hätten sie den Bürgermeister einer der Großstädte des Ostens, Luhansk, stellen können, wenn die Partei der Regionen nicht offen zu Fälschungen übergegangen wäre.

Die Partei der Regionen hat ihre Vormacht ukraineweit grundsätzlich weiter stärken können, musste allerdings in einigen Städten im Osten der Ukraine (Charkiw, Saporishshja), in denen sie traditionell stärkste Kraft ist, unerwartete Niederlagen einstecken. Selbst im Donbass bekam die PdR keine üblichen 70-80 Prozent, sondern nur 50-60 Prozent bei über 10 Prozent „Gegen alle“-Stimmen. Gründe hierfür sind zunächst in den jeweiligen Konstellationen der Kandidat_innen zu suchen. Einige sehen hierin allerdings auch ein neu aufkommendes Protestpotential und Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik im Osten der Ukraine. Der Rückgriff auf Manipulationen, wie in Charkiw und Luhansk, zeugt davon, dass die Partei der Regionen entgegen ihrem eigenen Anspruch nicht alles unter Kontrolle hat. Dies wird einige Personalumstellungen unter den Gouverneuren der betreffenden Gebiete zur Folge haben.

Für den Block Julia Tymoschenko und die Kernpartei „Batkiwschtschyna“ bedeuten die Wahlen, mit Ausnahme der Erfolge in einzelnen Städten, eine herbe Niederlage. Es ist jedoch noch zu früh, um diese politische Kraft vollends abzuschreiben. Auch Juschtschenko bleibt weiterhin das Los politischer Bedeutungslosigkeit beschieden.

Der Artikel erschien zuerst bei der Heinrich-Böll-Stiftung.

Autor:   Kyryl Savin und Andreas Stein  — Wörter: 2446

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