„Minsk“ – ein diplomatischer Strohhalm. Verständigung auf Kosten der Ukraine?


Inhaltsverzeichnis

„Sotschi“: Wende im russisch-amerikanischen Verhältnis

In Freundes Hand: Diplomatischer Druck auf Kiew – aus westlicher Richtung

Reaktivierung des „Normandie-Formats“

Der Vierer-Gipfel in Paris – „endgültige Lösung des Ukraine-Konflikts“ oder erster Schritt auf dem Wege nach „Minsk III“?

Wahl-Imitationen in den „russischen Enklaven“

Die Minsker Vereinbarungen – „alternativlos“

Die tabuisierte „Patent“-Lösung des Konflikts: Trennung von den „okkupierten Territorien“

Putins Ziele – aktualisierte Kremlinologie

„Syrien“ – die Entlastungsfront

Die Zukunft des „Südost-Donbass“ – ein neuer „eingefrorener Konflikt“?

Fußnoten

„Sotschi“: Wende im russisch-amerikanischen Verhältnis

Über ein Jahr lang hatten die USA die Bemühungen um eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts den Europäern überlassen, doch im Mai 2015 sprang John Kerry, Präsident Obamas Secretary of State, auf den fahrenden diplomatischen Zug auf1: Am 12. Mai reiste Kerry nach Sotschi, wo er von dem russischen Präsidenten Putin in dessen Sommerresidenz Bočarov Ručej „empfangen“ wurde, nachdem er zuvor ein vierstündiges Gespräch mit seinem Amtskollegen Sergej Lawrow hatte. Es hatte den Anschein, als wollten die USA den Europäern die Verhandlungen mit Moskau über die Ukraine aus der Hand nehmen; doch in Berlin wurde die „Einmischung“ der USA nicht als Konkurrenz, sondern eher als Verstärkung betrachtet, wie Johannes Regenbrecht, Leiter des Arbeitsstabes Ukraine im Auswärtigen Amt, sagte.2

In der Pressekonferenz nach seinem Gespräch mit Kerry sagte der russische Außenminister Lawrow: „Eines der Hauptprobleme unserer Diskussion war die Krise in der Ukraine.“3 Es gäbe bestimmte Widersprüche und Unterschiede zwischen Russland und den USA bezüglich des Ursprungs der Krise und den Einschätzungen ihres Verlaufs. „Doch wir teilen definitiv die Meinung, dass dieses Problem nur auf friedlichem Wege gelöst werden kann, und zwar durch die umfassende und volle Umsetzung der Minsker Vereinbarungen. Und natürlich erfordert dies die Initiierung eines vollwertigen Dialogs zwischen Kiew (auf der einen Seite) und Donezk und Lugansk“ (auf der anderen) – eine bei jeder Gelegenheit stereotyp wiederholte Forderung Moskaus. „Wir kamen überein, den Einfluss der USA und der Russländischen Föderation auf die Konfliktparteien zu nutzen, um sie konsequent und beharrlich zu ermuntern, ein Abkommen zur praktischen Umsetzung von allem, was in Minsk beschlossen wurde, zu erarbeiten.“

Beide Außenminister betonten, dass sie darüber hinaus noch andere Probleme besprochen hätten – den Iran, Syrien, Libyen, den Jemen – Themen, bei denen die USA und Russland gemeinsame Interessen hätten. Und sie erörterten auch die Gefahr, die von dem „Da’ish“ (ISIS)4 ausgehe. „Manchmal divergierten unsere Meinungen und wir fanden nicht immer ein gemeinsames Verständnis der Probleme“, erklärte Lawrow. „Doch wir verstehen voll und ganz, dass es absolut notwendig ist, alle Schritte zu vermeiden, die die Beziehungen zwischen Russland und den USA weiter beeinträchtigen könnten. Wir glauben, dass es notwendig ist, die Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern fortzusetzen, besonders angesichts der Tatsache, dass die Lösung vieler internationaler Probleme wirklich von unseren gemeinsamen Bemühungen abhängt […] und ich glaube, dies […] ist eine der Hauptschlussfolgerungen […] des heutigen Tages.“ Lawrow fügte hinzu, dass Präsident Putin betont habe, dass Russland zu einer möglichst breiten Zusammenarbeit und einer möglichst engen Wechselbeziehung mit den USA bereit sei, auf der Grundlage gleicher Rechte und der gegenseitigen Respektierung der Interessen und Positionen des anderen – „auf Augenhöhe“, wie Jurij Ušakov, der außenpolitische Berater des Präsidenten Putin, präzisierte. Vor allem aber bedeute der Besuch des amerikanischen Außenministers, dass die Versuche, Russland zu isolieren, gescheitert seien, erklärte Lawrow.5 Kerrys Fragen bezüglich Syriens, des Jemen und viele andere – nicht nur die Ukraine betreffend – zeigten, dass deren Lösung ohne Russland sehr schwer sei. In der Tat durchbrach die amerikanische Regierung mit dem Besuch von Außenminister Kerry in Sotschi ihre bisherige Isolierungspolitik.

Der amerikanische Außenminister Kerry seinerseits erklärte auf der Pressekonferenz in Sotschi,6 dass angesichts der globalen Bedrohungen eine Verständigung Russlands und der USA dringend nötig sei. „… es gibt keinen Ersatz für das direkte Gespräch mit Entscheidungsträgern. […] Wir kamen hierher mit dem Ziel, einen umfassenden und offenen Dialog mit der russischen Führung zu halten, die Art von Dialog, die absolut unverzichtbar ist, um Fortschritte bei den Herausforderungen zu machen, mit denen wir uns heute konfrontiert sehen.“ Bezüglich der Ukraine sagte Kerry: „…wir fanden eine erhebliche Menge an Übereinstimmung. […] auch wenn wir weiterhin bezüglich bestimmter Aspekte nicht übereinstimmen, […] (so) stimmen wir (doch) in der wichtigsten Frage von allen überein, nämlich in der, die durch die volle Umsetzung von ‘Minsk’ zu lösen ist, und wir beide – wir alle und andere Freunde und Verbündete – sind verantwortlich für die Umsetzung. […] Wenn ‘Minsk’ vollständig umgesetzt sein wird, dann […] kann mit der Aufhebung der Sanktionen begonnen werden“, erklärte Kerry.

Über die Krim wurde in Sotschi – öffentlich – kein Wort verloren. Dabei wurden die Sanktionen gegen Russland ursprünglich wegen der Annexion der Krim verhängt. Ihre Aufhebung von der vollen Umsetzung der Minsker Vereinbarungen, die nur den Konflikt im Donbass betreffen, abhängig zu machen, bedeutet, dass der amerikanische Außenminister (und die Regierung Obama) die Krim bereits „abgeschrieben“ haben.

Etwas peinlich waren Kerrys Schlussworte: „Und ich bin besonders dankbar, und ich möchte Präsident Putin meiner Wertschätzung versichern für das wichtige und ernsthafte Gespräch, das ich mit ihm hatte, und für die erhebliche Zeit, die er unserer Diskussion widmete. Und ich bringe Präsident Obamas Dankbarkeit für Russlands Bereitschaft zu dieser Diskussion zum Ausdruck ….“ Das State Department in Washington dämpfte am folgenden Tag die Euphorie: Der Besuch des amerikanischen Außenministers sollte nicht als ein erneuerter „Restart“7 gewertet werden. Die russische Zeitung Kommersant’ sah dagegen in dem Besuch Kerrys in Sotschi bereits den Anfang einer „neuen Saison“ in den Beziehungen zwischen den USA und Russland.8

Nach Sotschi reiste Außenminister Kerry weiter zur Außenminister-Konferenz der NATO-Mitgliedsländer in die Türkei (Antalya). Als ob er sich wegen seines Auftritts in Sotschi rechtfertigen wollte, erklärte er, die USA hätten als größtes NATO-Mitgliedsland weltpolitische Probleme vom Iran bis Nordkorea im Blick, zu deren Lösung sie Russland als Partner bräuchten, schon allein um im Weltsicherheitsrat Resolutionen durchsetzen zu können. Kerry verkündete den anderen NATO-Außenministern seinen Eindruck, dass Russland ernsthaft an einer politischen Lösung (des Ukraine-Konflikts) und an der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen interessiert sei. Diese Äußerung, sollte sie ehrlich gemeint sein, verrät bedenkliche Blauäugigkeit des amerikanischen Außenministers.

In Kiew war die Reaktion auf Kerrys Besuch bei Putin verhalten. Präsident Poroschenko mahnte: „Es ist wichtig, Russland nicht die Chance zu geben, die globale pro-ukrainische Koalition zu brechen.“ Die ukrainische Regierung verstünde, dass die USA viele globale Probleme auf dem Bildschirm hätten, doch „…Sotschi ist […] nicht der beste Ort für Gespräche mit dem russischen Präsidenten und dem russischen Außenminister“, war alles, was der ukrainische Premierminister Jazenjuk dazu – öffentlich – sagte.9

Der „Nuland-Karasin-Kanal“: Ein bilaterales russisch-amerikanisches Verhandlungsformat

Weder gehören die USA der „Trilateralen Kontaktgruppe“ an (Ukraine, Russland, OSZE), noch gehören sie zum „Normandie-Quartett“ (Ukraine, Russland, Deutschland, Frankreich). In Sotschi wurde von den Außenministern der USA und der Russländischen Föderation ein – neuer, bilateraler diplomatischer Kanal zur Erörterung des Ukraine-Konflikts ins Leben gerufen.10 Außenminister Sergej Lawrow erklärte nach einem Gespräch mit John Kerry in Wien am 30. Juni 2015, dass er mit seinem amerikanischen Kollegen übereingekommen sei, die Zahl der Kontakte zwischen den für die „Ukraine-Krise“ zuständigen Beamten der beiden Außenministerien zu erhöhen11 – und nannte auf russischer Seite den Stellvertretenden Außenminister Georgij Karasin als Partner von Victoria Nuland, der Leiterin des Büros für Europa und Eurasien im amerikanischen Außenministerium,12 auf amerikanischer Seite.

Am 17. und 18. Mai 2015, wenige Tage nach Kerrys Besuch in Sotschi, erörterte Victoria Nuland den Ukraine-Konflikt in Moskau mit den stellvertretenden russischen Außenministern Grigorij Karasin und Sergej Rjabkov. Die bislang vehemente Befürworterin von amerikanischen Waffenlieferungen an die Ukraine habe ihnen erklärt, dass die USA willens seien, sich an der Gewährleistung der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu beteiligen – zusammen mit der EU im Normandie-Format und auch in der Kontakt-Gruppe, wie der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkov der Agentur TASS erzählte.13 Nuland selbst sagte auf der anschließenden Pressekonferenz, die USA beteiligten sich zwar nicht am Minsk-Prozess („kein direkter Teilnehmer“), aber sie würden sich darum bemühen, die Erfüllung der diesbezüglichen Vereinbarungen voranzutreiben.14 Wie der Sprecher des US State Departments, Jeff Rathke am nächsten Tag erklärte, diente Nulands Reise nach Moskau dem Zweck, Kontakte aufrecht zu erhalten.15 Wenige Wochen zuvor hatte Nuland in München (am Rande der 51. Sicherheitskonferenz im Februar 2015), verärgert über Merkels diplomatische Initiative, die Reise der deutschen Kanzlerin zum russischen Präsidenten Wladimir Putin „Merkels Moskau-Zeug“ („Moscow stuff“) genannt.16 In den weiteren Gesprächen mit Nuland (in Zürich und Berlin) bestand Karasin immer wieder auf dem direkten Dialog zwischen Vertretern Kiews und den selbstproklamierten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk. Washington zu bewegen, diesbezüglich Einfluss auf Kiew auszuüben, scheint der eigentliche Auftrag des Kreml an Karasin gewesen zu sein.

Das neue bilaterale Verhandlungsformat schließt nicht nur die Ukraine aus, sondern erlaubt Russland, seine neue „American connection“ gegen das „europäische“ Normandie-Format auszuspielen. Sergej Ivanov, der Chef der russischen Präsidialadministration, nannte dieses bilaterale Format in einem Interview mit dem Kanal Rossija 1 am 20. Juni 2015 (diplomatisch verklausuliert) „effektiver“ als das Normandie-Format.17 Eine Zeit lang blockierte Moskau denn auch die weitere Arbeit im Normandie-Format. Außenminister Lawrow erklärte, dass das für den 23. Juni 2015 geplante Vierertreffen der Außenminister nicht stattfinden werde. Am 22. Juni 2015 erklärte der Pressesprecher des Kreml, Dmitrij Peskov, ein Gipfeltreffen im Normandie-Format sei nicht mehr geplant.

Die Regierung Obama hat sich die „Minsker Vereinbarungen“, an denen sie nicht mitgewirkt hat, zu eigen gemacht. „…jetzt konzentrieren wir unsere Aufmerksamkeit darauf, zu gewährleisten, dass Buchstabe und Geist der Minsker Vereinbarungen erfüllt werden“, sagte Nuland; und Außenminister Kerry erklärte: „’Minsk II’ ist der einzige Weg nach vorn.“

„Politische Dankbarkeit“ – ein Deal auf Kosten der Ukraine ?

Es ist nicht verwunderlich, dass „nach Sotschi“ über ein amerikanisch-russisches Geschäft spekuliert wurde, in welchem Washington Zurückhaltung im Ukraine-Konflikt gegen russisches Entgegenkommen im Mittleren Osten getauscht habe. Andrej Illarionov18 unterstellt dem amerikanischen Präsidenten Obama expressis verbis einen „Deal“ mit dem russischen Präsidenten Putin, den er als „Sotschi-München Tauschgeschäft” („Sočinsko-mjunchenskaja sdelka“) bezeichnet19 – ein Deal ohne Beteiligung der Ukraine und auf ihre Kosten: Russische Unterstützung für Präsident Obamas Verhandlungen mit dem Iran20 und für den Kampf gegen den jihadistischen Terror in Syrien gegen amerikanische Unterstützung für Putins Interessen in der Ukraine.

In einem exklusiven Interview, das er Thomas L. Friedman im Weißen Haus gab, bekundete Präsident Obama, dass das am 14. Juli 2015 geschlossene Abkommen über das Nuklearprogramm des Iran (JCPOA)21 nicht ohne die Kooperation Russlands zustandegekommen wäre. Gefragt, ob Präsident Wladimir Putin beim Abschluss dieses Abkommens eine Hilfe oder ein Hindernis war, antwortete Präsident Obama: „Russland war dabei eine Hilfe“.22 Weiter sagte er: „…wir hätten dieses Abkommen nicht erreicht, wäre nicht Russland bereit gewesen, zu uns zu halten und zu den anderen P 5 – plus Mitgliedern….” „Ich wurde durch die Tatsache ermutigt, dass Herr Putin mich vor ein paar Wochen anrief (der Anruf war am 18. Juni 2015),23 und seinen Anruf mit dem Thema Syrien einleitete. Ich glaube, sie (Russland) spüren, dass das Assad-Regime die Kontrolle über immer größere Teile Syriens verliert. […] Das eröffnet uns die Gelegenheit, mit ihnen in ein ernstes Gespräch zu kommen.“

Moskau besteht seit Kerrys Besuch in Sotschi darauf, dass Washington seinen Einfluss auf Kiew nutzt, die Ukraine zu Zugeständnissen zu bewegen, die Moskaus Möglichkeit zur Einflussnahme auf ukrainische Politik sichern. Der Druck der Obama-Regierung auf die Ukraine, im Zuge der „vollständigen Umsetzung der Minsker Vereinbarungen“ Vorleistungen zugunsten der von Russland kontrollierten Gebiete im Donbass zu erbringen (siehe unten: In Freundes Hand …), konnte als ein Indiz für einen Schwenk der amerikanischen Regierung in ihrer Russlandpolitik aus „politischer Dankbarkeit“ gewertet werden. Die renommierte russische Politologin Lilia Shevtsova meinte, dass Putin von Obama „Dankbarkeit erwarten wird“24 für seine Hilfe bei der Verwirklichung von dessen „Traum“ (das Atom-Abkommen mit dem Iran). In seinem telefonischen Gespräch mit Putin am 25. / 26. Juni 2015 über den Nahen Osten erwähnte Obama die Ukraine nur noch am Rande: Russland solle seine Truppen aus der Ukraine zurückziehen, was Putin mit der stereotypen Replik abtat, Russland habe keine Truppen in der Ukraine, könne deshalb auch keine zurückziehen. In seinem Gespräch mit Putin am 15. Juli 2015 erwähnte Obama die Ukraine überhaupt nicht mehr.25

Die Regierung Obama versuchte im Sommer 2015 offensichtlich, den aggressiven Herrscher im Kreml zu beschwichtigen. In diesem „Appeasement“-Ansatz – die Parallelen zu „München“ 1938 springen ins Auge – sind sich die USA mit den maßgeblichen EU-Staaten einig; sie trachten nach Wiederherstellung der früheren Harmonie, die vermeintlich bis zum russisch-georgischen Fünftagekrieg im August 2008 geherrscht habe, als der russische Präsident dem Westen ein gutwilliger Partner zu sein schien.

In Freundes Hand: Diplomatischer Druck auf Kiew – aus westlicher Richtung

Wie Steffen Seibert, der Pressesprecher der Bundesregierung, mitteilte, telefonierten Merkel und Hollande am 14. Juli 2015 mit dem ukrainischen Parlamentspräsidenten Volodymyr Hrojsman; in dem Gespräch sei es vorrangig um die Umsetzung des Minsker Maßnahmenpakets vom Februar 2015 gegangen. „Die Bundeskanzlerin und der französische Staatspräsident unterstützten ausdrücklich die Bereitschaft von Präsident Poroschenko und Parlamentspräsident Hrojsman, […] eine Bezugnahme auf die Besonderheiten in bestimmten Regionen der Donezker und Lugansker Verwaltungsgebiete (Punkt 18 der Übergangsbestimmungen) in die Bestimmungen der Verfassung […] aufzunehmen, wie es im Minsker Maßnahmenpaket vorgesehen ist.“26 Die Erste Stellvertretende Vorsitzende der Verchovna Rada, Oksana Syroïd (Partei „Ob’jednannja ‚Samopomič’“, deutsch: „Selbsthilfe“)27 warf in einem Gespräch mit Konrad Schuller (Frankfurter Allgemeine Zeitung) der deutschen Kanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Hollande vor, den Parlamentspräsidenten Volodymyr Hrojsman unmittelbar vor der Abstimmung im Parlament telefonisch bedrängt zu haben, den Punkt 18 in den Entwurf der reformierten Verfassung aufzunehmen. „Das ist uns von unseren Verbündeten aufgezwungen worden. […] Diese Veränderung in letzter Minute geht auf die Anrufe Merkels und Hollandes zurück.“28 Valerij Čalyj, (seit dem 10. Juli 2015) Botschafter der Ukraine in den USA,29 warf dem Westen in einem Interview mit der Wochenzeitung Dzerkalo tyžnja (ukr) / Zerkalo nedeli (russ,) vor, von der Ukraine zu verlangen, bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Minsker Abkommen („Minsk II“) Vorleistungen zu erbringen, obwohl Russland und seine Marionettenregierungen in den okkupierten Territorien bislang keine ihrer Verpflichtungen erfüllt hätten.30

Victoria Nuland, eine drittrangige Beamtin im amerikanischen Außenministerium,31 intervenierte persönlich in Kiew. Am 15. Juli 2015, vor der Abstimmung im ukrainischen Parlament über den von Präsident Poroschenko eingebrachten Gesetzentwurf zur Reform der Verfassung, war sie nach Kiew gereist, um die ukrainischen Parlamentarier davon zu überzeugen, für den Entwurf des Verfassungsänderungsgesetzes zu stimmen. Die Verfassungsänderung hat – eigentlich – die „Dezentralisieung der (Staats-)Macht“32, d. h., die Ausweitung und Vertiefung der kommunalen Selbstverwaltung zum Ziel; sie ist aber wegen deren Konsequenzen für die „okkupierten Territorien“ von höchster Brisanz. Auf Nulands (und Merkels sowie Hollandes) Betreiben hatte Präsident Poroschenko am Vorabend der Abstimmung im Parlament in den Entwurf der Übergangsbestimmungen einen Passus (als Punkt 18) einfügen lassen – mit dem Titel „Die Besonderheiten der lokalen Selbstverwaltung in bestimmten Rajons der Oblaste Donezk und Lugansk werden durch ein gesondertes Gesetz bestimmt“. Der für ukrainische „Patrioten“ inakzeptable Terminus „Sonderstatus“ wurde durch diese Formulierung vermieden.33

In einem Fernseh-Interview mit dem Talkmaster Savik Shuster am 17. Juli sagte Nuland, mit der positiven Abstimmung habe die Ukraine ihre Bereitschaft demonstriert, die Minsker Vereinbarungen zu erfüllen; nun müsse die andere Seite „zumindest guten Willen zeigen“. Victoria Nuland wies den in Kiew aufgetauchten Verdacht, die Obama-Regierung tausche die Ukraine gegen russische „Hilfe“ im Nahen Osten, als beleidigend zurück: „Die USA tauschten nie eine Sache für eine andere in internationalen Beziehungen“, erklärte sie mit (gespielter ?) Empörung.34 Es gebe keine Vereinbarung zwischen den USA und der Russländischen Föderation für deren Unterstützung bei der Regulierung des iranischen Atomprogramms im Tausch gegen Zugeständnisse in der ukrainischen Frage.

Unter Bezug auf den „Protest der Freunde Europas gegen die Einmischung Europas“ verweist Patrick Bahners in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf einen einschlägigen Vortrag von Carl Schmidt über den amerikanischen Imperialismus aus dem Jahre 1932: „So schnell kann in politischen Beziehungen ein dialektischer Umschlag eintreten, und derjenige, der die Freiheit und Unabhängigkeit eines andern Staates schützt, ist natürlicher- und logischerweise selbst derjenige, dessen Schutz die Freiheit und Unabhängigkeit des Beschützten aufhebt.“35

Reaktivierung des „Normandie-Formats“

Die russisch-amerikanischen Verständigungsansätze im Ukraine-Konflikt haben die europäischen Vermittlungsbemühungen nicht verdrängt: Der Kreml hat erkannt, dass er mit Berlin und Paris sein taktisches Ziel in der Ukraine, nämlich die Anerkennung seiner Marionetten-Regime im Donbass (siehe unten), eher erreicht als mit Washington, wo ein moskau-kritischer Kongress ein Entgegenkommen des Präsidenten bremst. Den Europäern ist daran gelegen, die Sanktionen gegen Russland so bald wie möglich aufheben und die Beziehungen zu Moskau „normalisieren“ zu können.

Durch die Reaktivierung des Normandie-Formats wurde der „Nuland-Karasin-Kanal“ bereits im August 2015 praktisch obsolet – nicht ohne vorher mit dem sogenannten „Morel-Plan“ (siehe unten) einen höchst umstrittenen „Lösungsvorschlag“ für die Abhaltung lokaler Wahlen in den besetzten Gebieten des Donbass ausgedacht zu haben. Victoria Nuland fand denn auch prompt zu ihrer alten Tonlage zurück: Auf der 12. Jahrestagung der Plattform für öffentliche Diplomatie „Yalta European Strategy“ („YES“)36 in Kiew sagte sie am 12. September 2015, die Sanktionen gegen Russland würden aufrechterhalten, solange die Minsker Vereinbarungen nicht erfüllt seien. „Aggression von außen ist immer noch eine große Bedrohung für die Ukraine“. “Wir müssen von Zuckerbrot, d. h., die Zurücknahme der Sanktionen und der Peitsche, d. h., Fortsetzung der Sanktionen, Gebrauch machen.“37 Auf einem Treffen des Marshall Fund sagte Nuland, die Sanktionen gegen die von Russland okkupierte Krim würden so lange in Kraft bleiben, wie „die Besatzung“ andauert.38

Während der Kreml Verhandlungen im Normandie-Format wieder für nützlich hält, wird diese Zusammensetzung nunmehr von westlicher Seite in Frage gestellt wird. Auf der „YES“-Konferenz schlug der ehemalige polnische Präsident Aleksander Kwaśniewski vor, in die Verhandlungen über die Regulierung des Konflikts die EU, die USA und – wegen seiner großen ukrainischen „Diaspora“ – Kanada einzubeziehen. Der Vertreter der Ukraine in der Trilateralen Kontaktgruppe, der ehemalige ukrainische Präsident Leonid Kutschma, schlug die Einbeziehung der beiden westlichen Signaturstaaten des Budapester Memorandums,39 die USA und Großbritannien vor – sowie China (!).40

Am 20. August 2015 fand in Berlin auf deutsche Initiative ein Experten-Treffen im vierseitigen Normandie-Format (Ukraine, Russland, Deutschland, Frankreich) statt. Hinter verschlossenen Türen erörterte eine Gruppe von Juristen und Vertretern der „Venedig-Kommission“41 die Erfüllung der Minsker Vereinbarungen durch die Ukraine sowie die Reform der ukrainischen Verfassung. Zur Diskussion stand im Wesentlichen die Maßnahme Nr. 11 des Minsker Pakets vom 12. Februar 2015 – unterteilt in drei Tagesordnungspunkte:

  1. Prüfung eines „Sonderstatus“ für die „Gesonderten Rajons der Oblaste Donezk und Lugansk“ (Kiewer Sprachregelung für die abtrünnigen Gebiete des Donbass; ukr.: okremi rajony Donec’koï ta Luhans’koï oblastej; russ.: „otdel’nye rajony Doneckoj i Ludanskoj oblastej”, informell abgekürzt „ORDO“ (Okremi Rajony Donec’koï Oblasti) und „ORLO“ (Okremi Rajony Luhans’koï Oblasti).
  2. Abhaltung von lokalen Wahlen in diesen „gesonderten Rajons“;
  3. Erörterung der rechtlichen Aspekte der geplanten Änderung der ukrainischen Verfassung in Bezug auf diese „gesonderten Rajons“.42

Wie der russische Außenminister Lawrow zuvor mitteilte, war in Russland eine detaillierte Analyse des vom ukrainischen Parlament gebilligten43 Entwurfs einer Verfassungsänderung vorbereitet worden, die „beweisen“ sollte, dass die Ukraine den Friedensprozess behindere. Oksana Syroïd, die Vizepräsidentin des ukrainischen Parlaments, empörte sich auf ihrer Facebook-Seite darüber, dass in Berlin Experten die „Übereinstimmung der Verfassung der Ukraine mit den Minsker Vereinbarungen“ diskutierten.44 Die alleinige Vollmacht, Entscheidungen bezüglich der ukrainischen Verfassung zu treffen, habe das ukrainische Parlament. Die Teilnahme der Ukraine an dieser Diskussion in Berlin sei „beschämend“. Wie Angela Merkel später in der Pressekonferenz nach dem dreiseitigen Gipfeltreffen vom 24. August 2015 in Berlin feststellte, hat die Diskussion der Rechtsexperten am 20. August 2015 zu keiner gemeinsamen Position geführt.45

Gipfeltreffen im amputierten Normandie-Format

Am 24. August 2015, am ukrainischen Unabhängigkeitstag, trafen sich die deutsche Kanzlerin Merkel, der französische Präsident Hollande und der ukrainische Präsident Poroschenko – ohne den russischen Präsidenten Putin – im Kanzleramt in Berlin. Der russische Außenminister Lawrow sah sich genötigt zu betonen, dass es sich bei diesem dreiseitigen Treffen nicht um ein Treffen im Normandie-Format handele, und dass Moskau die Erörterungen genau verfolgen werde.46 Die Abwesenheit des russischen Präsidenten Putin, in dessen alleiniger Macht es liegt, den Krieg im Donbass zu beenden, ließ an dem Sinn der ganzen Veranstaltung zweifeln. Auf die Frage eines Journalisten, warum Präsident Putin nicht dabei sei, antwortete Kanzlerin Merkel in der gemeinsamen Pressekonferenz: „Dies ist ein Gespräch, das der Stärkung und Kräftigung des Normandie-Formats gilt.“47 Es diene dem Zweck, „aus ukrainischer Perspektive einige Fragen vertieft zu besprechen“. Das Normandie-Format müsse immer wieder in unterschiedlicher Weise vertieft werden. „…. Ich schließe auch nicht aus, dass man sich wieder einmal zu viert treffen wird“48,sagte Merkel in ihrer schlichten Sprache.

Der Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin, Sebastian Fischer, sagte am gleichen Tag, es sei klar, dass dauernde, nachhaltige, stabile Sicherheit „nur mit Russland und nicht gegen Russland“ (eine banale Berliner Formel) erreicht werden könne. Und Außenminister Steinmeier wiederholte sein Credo, es könne eine europäische Friedensordnung am Ende nur mit der Einbindung Russlands geben. Trotz der anhaltenden Gewalt dürfe in den Friedensbemühungen nicht nachgelassen werden.

Drei Tage vor dem Dreier-Gipfel, am 21. August, verlautete aus dem Quais d’Orsay in Paris, dass Merkel und Hollande keineswegs versuchten, eine Art „Trojka“ für einen diplomatischen Kampf gegen Russland zu schaffen. Der französische Präsident Hollande erklärte vor dem Dreiergipfel: „Wir haben heute nur eine einzige (Tages-)Ordnung (règle), nämlich die vollständige Umsetzung der Minsker Vereinbarung,“49 Mit Hollande und Poroschenko teilt Merkel die „Überzeugung, dass die Abmachungen von Minsk, wie wir sie im Februar getroffen haben, das Fundament dessen sein müssen, was zu einer friedlichen Entwicklung in der Ukraine führen kann. […] Wir sind hier zusammengekommen“, sagte die Pfarrerstochter mit biblischem Anklang, „um Minsk umzusetzen, und nicht, um Minsk infrage zu stellen.“50

Der ukrainische Präsident Poroschenko, auf dessen Wunsch das Treffen „zu dritt“ stattfand, ist sich sicher, „dass wir keine neuen Formate benötigen. […] Wir halten das Normandie-Format für das Basisformat, um die Probleme zu lösen.“ Für ihn ist es das Hauptziel der ukrainischen Regierung, eine mächtige internationale Koalition zu schaffen, die „den Aggressor stoppt“. „Europa steht an der Seite der Ukraine“ war die symbolische Botschaft an die ukrainische Bevölkerung, denn Neues wurde bei diesem Treffen weder ausgesprochen noch angekündigt.

Die drei Staats- bzw. Regierungschefs äußerten sich besorgt über die Einschränkungen, denen die Sonderbeobachter der OSZE (Special Monitoring Mission / SMM) in der Konfliktzone unterworfen seien. „Die Arbeitsfähigkeit der OSZE ist das A und O des gesamten (Minsker) Prozesses. […] Unsere gemeinsame Forderung lautet – auch das werden wir weiter mit Russland besprechen – die Arbeitsfähigkeit der OSZE wieder im vollen Umfang herzustellen“, erklärte Angela Merkel.

Merkel hält „demokratische Wahlen“ (in den selbst-proklamierten „Volksrepubliken“ im Donbass) für eine „Schlüsselfrage“. Sie müssten nach dem ukrainischen Wahlgesetz abgehalten werde, verlangte Hollande. „Natürlich“ müsse „auch eine legitime Vertretung der Regionen in der Ostukraine gegeben“ sein. In der betreffenden Pressemitteilung des ukrainischen Präsidenten heißt es, dass sich Poroschenko, Merkel und Hollande darin einig waren, dass die Abhaltung von separaten Wahlen in den „gesonderten Rajons der Oblaste Donezk und Luhansk“ eine Verletzung der Minsker Vereinbarungen darstellten, und den ganzen weiteren Prozess der politischen Regulierung gefährdeten.51

Das siebte Außenministertreffen im Normandie-Format – das „Prinzip Hoffnung“ in der Diplomatie

Am 12. September 2015 trafen sich in Berlin die Außenminister der Ukraine (Pavlo Klimkin), Russlands (Sergej Lawrow), Deutschlands (Frank-Walter Steinmeier) und Frankreichs (Laurent Fabius). Nach dem dreistündigen Treffen sagte der deutsche Außenminister Steinmeier, man sei „in einigen Dingen entscheidend vorangekommen“; es gebe jedoch immer noch „schwierige und strittige Fragen“. Doch alle Seiten hätten erkennen lassen, dass sie „Fortschritte in der Sache wollten.“52

Der ukrainische Außenminister Pavlo Klimkin bestätigte den Fortbestand großer Differenzen in den grundlegenden Fragen des politischen Teils der Minsker Vereinbarungen.53 Es sei in den Verhandlungen nicht gelungen, Fortschritte in der Frage der Wiederherstellung der Kontrolle der Ukraine über die ukrainische Grenze zu Russland zu erreichen. Die ukrainische Initiative bezüglich der Schaffung einer (neuen) Arbeitsgruppe im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe für die Grenzfrage werde von der russischen Seite abgelehnt.54 Dies sei aber eine der Schlüsselfragen für die Abhaltung freier und fairer Wahlen in dem besetzten Teil des Donbass.

Steinmeier fasste die Ergebnisse des Außenministertreffens in drei Punkten zusammen:55
1. Sicherheit: Die Festigung und Absicherung des seit zwei Wochen anhaltenden Waffenstillstands „wird durch unser klares Bekenntnis (kursiv WS-D) zur Vereinbarung über den Abzug von Waffen aus der Konfliktzone“ erreicht werden.

Der deutsche Außenminister scheint nicht begreifen zu wollen, dass er in den Verhandlungen mit Russland über die Beilegung des Konflikts im Donbass nicht einem ehrlichen Makler gegenübersitzt, sondern einem Diplomaten alter sowjetischer Schule, dessen „klares Bekenntnis“ reine Heuchelei ist. Präsident Putins Chef-Diplomat Sergej Lawrow personifiziert die Worte Stalins, die vermutlich am Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen (MGIMO56), an dem er im Jahre 1972 seinen Abschluss machte, gelehrt wurden: „Die Worte eines Diplomaten müssen von der Sache abweichen; was für ein Diplomat wäre er sonst. […] Ein aufrichtiger Diplomat ist wie trockenes Wasser, wie hölzernes Eisen.“57

2. Politischer Prozess: In wichtigen Fragen des politischen Prozesses, in denen der „Schlüssel für die Umsetzung von Minsk“ liege, seien die vier Außenminister „spürbar“ vorangekommen – „endlich, kann ich sagen“. Bezüglich der anstehenden Lokal-Wahlen sei man sich „im Prinzip“ einig, dass sie im Oktober 2015 im „ganzen Land“ (d. h., einschließlich in dem von Russland kontrollierten Teil des Donbass) auf Basis des ukrainischen Wahlrechts und unter Aufsicht der OSZE stattfinden sollen. Die Modalitäten und der Zeitplan der Lokalwahlen würden in der „Arbeitsgruppe Politik“ der Trilateralen Kontaktgruppe erarbeitet. „Die Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch und sind aus unserer Sicht eine gute Grundlage für die anstehenden Entscheidungen.“ Die „auf dem Tisch liegenden Vorschläge“ waren reine Makulatur, wie sich am 16. September herausstellte, als der „Premierminister“ der selbst-proklamierten „Volksrepublik Donezk“, Aleksandre Zacharčenko, separate Wahlen in der „DNR“ für den 18. Oktober 2015 ankündigte.

In dem 3. Punkt, „Humanitäres und Wirtschaft“ könnte tatsächlich eine „große Übereinstimmung“ darin bestehen, der „Wiederholung der humanitären Notlage des letzten Winters (2014 / 2015) durch „konkrete Schritte“ vorzubeugen.

„Es bleibt dabei“, sagte Steinmeier „der Minsk-Prozess steht und fällt mit dem politischen Willen der Konfliktparteien,58 sich an die im Februar in Minsk getroffenen Vereinbarungen zu halten. Unser heutiges Treffen und das für Anfang Oktober angekündigte Treffen der Staatschefs und der Bundeskanzlerin in Paris zeigt – bei allen Schwierigkeiten – dass es diesen Willen weiter gibt. Darauf müssen und darauf können wir jetzt aufbauen.“

Der deutsche Außenminister Steinmeier scheint sich in seinem diplomatischen Optimismus von der Realität – nämlich dem fehlenden „guten Willen“ auf russischer Seite – nicht erschüttern zu lassen. Der französische Außenminister Fabius dagegen antwortete auf die Frage eines Journalisten am Tage vor dem Dreiergipfel in Berlin (24. August), ob er darauf vertraue, dass Putins Russland die Minsker Vereinbarungen respektiere: „Wir sind nicht naiv.“ Nachgefragt, ob er glaube, dass die Russen ihren guten Willen in dieser Sache beweisen würden, sagte Fabius: „Das Problem liege nicht in der Vertrauenswürdigkeit. Die einen wie die anderen müssen daran erinnert werden, dass sie nichts anderes tun können als das, was sie versprochen haben – und (bei Zuwiderhandlung) harte Bestrafung zu vergegenwärtigen haben.“59 Die Minsker Vereinbarungen seien der „Kompass“ bei der Normalisierung der Lage.

Der Vierer-Gipfel in Paris – „endgültige Lösung des Ukraine-Konflikts“ oder erster Schritt auf dem Wege nach „Minsk III“?

Am 2. Oktober 2015 trafen sich in Paris die Präsidenten Frankreichs, Russlands und der Ukraine – François Hollande, Wladimir Putin und Petro Poroschenko, sowie die deutsche Kanzlerin Merkel im „Normandie-Format“. Das als „Ukraine-Gipfel“ geplante Treffen“ wurde überlagert von der militärischen Intervention Russlands in Syrien, durch die Präsident Putin neue Rahmenbedingungen schuf, welche die Ukraine an den Rand rückten. In den – dem Vierer-Treffen vorangehenden – zweiseitigen Gesprächen mit Präsident Putin kritisierten Präsident Hollande und Kanzlerin Merkel die russischen Luftangriffe auf Stellungen der vom Westen unterstützten oppositionellen Streitkräfte.60

Ergebnis des vierstündigen Ukraine-Gipfels war nicht die „endgültige Lösung des Ukraine-Konfliktes“,61 wie zuvor aus diplomatischen Kreisen angedeutet worden war, sondern eine unbefristete Verlängerung des – ursprünglich bis zum 31. Dezember 2015 befristeten – Minsk-Prozesses in das Jahr 2016 hinein. Präsident Hollande selbst erklärte in dem anschließenden Pressebriefing, dass die Umsetzung von „Minsk II“ mehr Zeit als vorgesehen benötige.62 Die Vorbereitung der lokalen Wahlen in den „gesonderten Rajons“ nach den Kriterien der OSZE benötige Zeit; sie könnten deshalb erst nach dem 31. Dezember 2015 stattfinden, und zwar erst 80 Tage nach Verabschiedung eines diesbezüglichen Gesetzes durch das ukrainische Parlament – bzw. „nach der Einführung von Änderungen in die betreffenden Abschnitte der (geltenden) ukrainischen Gesetzgebung“, wie der ukrainische Präsident Poroschenko sagte.63 Diese gesetzliche Regelung sei mit den Vertretern der „DNR und „LNR“ abzustimmen, damit das Ergebnis der Wahlen nicht angreifbar sei, erklärte Präsident Hollande. Die Wahlen sollten von der (politischen) Arbeitsgruppe der Trilateralen Kontaktgruppe organisiert werden, in der auch die Vertreter der sogenannten „Volksrepubliken“ sitzen. Am Tage der Wahl solle der „Sonderstatus“64 der „gesonderten Rajons“ im Donbass „auf provisorischer Basis“ in Kraft treten, schlug Präsident Hollande vor; auf „permanenter Basis“ dann „nach der Anerkennung der Legitimität der Wahl durch internationale Organisationen.“ Kanzlerin Merkel sekundierte: „Ein wichtiger Punkt war der Status der östlichen Regionen. Wir nennen das das Sonderstatusgesetz für diese Regionen. Dort sind wir übereingekommen, dass dieses Gesetz übergangsweise ab dem Tag der Wahl zunächst Anwendung findet und dann definitiv ab dem Tag, an dem die OSZE verkündet, dass der Wahlprozess nicht anzufechten ist.“65

Nach den lokalen Wahlen in den „gesonderten Rajons“ – und ihrer Anerkennung durch die OSZE – würde der Abzug der russischen Truppen (der „ausländischen, illegal bewaffneten Gruppen“ in der diplomatischen Terminologie von „ Minsk II“) von ukrainischem Territorium erfolgen und die Kontrolle der Ukraine über ihre Grenze mit Russland wiederhergestellt werden66 – die letzte und „sensibelste“ Etappe, die Zeit erfordere, wie Hollande meinte. (In Wirklichkeit ist dies die einfachste aller „Etappen“; sie hängt ausschließlich vom Willen des russischen Präsidenten Putin ab.) Der französische Präsident Hollande verlangte eine temporäre Amnestie für alle Kandidaten der „DNR“ und „LNR“ in den lokalen Wahlen, wie der ukrainische Außenminister Pavlo Klimkin dem ukrainischen Parlament in seinem Bericht über das Ergebnis des Gipfeltreffens mitteilte.67

Die Erreichung von „anerkennbaren“ Wahlen in der „DNR“ und „LNR“, d. h., die Abhaltung von lokalen Wahlen nach (modifiziertem) ukrainischem Wahlrecht und nach OSZE-Standards, war das eigentliche Ziel der Veranstaltung in Paris. Die Voraussetzungen dafür sind in den „politischen Punkten“ des komplizierten, nicht operativ formulierten Minsker „Maßnahmenpakets“ zur Regelung des Konflikts enthalten. Bezüglich der Wahlen in den „gesonderten Rajons“ des Donbass nach Vorgaben der Minsker Vereinbarungen waren sich Berlin und Paris mit Moskau einig, wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen.

Präsident Poroschenko ließ nach seiner Rückkehr in die Ukraine den Stellvertretenden Chef der Präsidialadministration, Kostjantyn Jelisjejev, in seinem Bericht über das Pariser Gipfeltreffen die europäische Solidarität mit der Ukraine preisen: „Es gelang uns, die Einheit innerhalb der EU zu festigen, ungeachtet der Versuche Russlands, sie zu zerstören.“ Russland habe der Ukraine Scheinwahlen („fejkovye vybory“ von engl. fake) aufnötigen wollen, berichtete Jelisjejev.68 Die Ukraine werde keine neuen Gesetze über Besonderheiten der lokalen Selbstverwaltung und lokale Wahlen in den gesonderten Rajons erlassen, und auch kein neues „Gesetz über den Sonderstatus des Donbass“, wie von Russland in Paris verlangt wurde.69 Die Rechtsgrundlage zur Regulierung aller politischen Probleme bestünde bereits und entspräche voll und ganz den Minsker Vereinbarungen. Iryna Heraščenko, die „Bevollmächtigte des Präsidenten der Ukraine für Fragen der friedlichen Regulierung in den Oblasten Donezk und Lugansk“ und Vertreterin der Ukraine in der Untergruppe Humanitäre Angelegenheiten der Trilateralen Kontaktgruppe, schrieb in einem Artikel für die „Ukraïns’ka Pravda” (russ. Ausgabe: „Ukrainskaja pravda“) am 5. Oktober, die ukrainische Seite habe in Paris – dank der festen Unterstützung durch Franzosen und Deutsche – russische Versuche, Druck auf die Ukraine auszuüben, abgewehrt.70

Der ukrainische Präsident Poroschenko macht in diesem diplomatischen Verhandlungsspiel mit, weil er der Solidarität der Europäer bedarf. Poroschenko beschwört immer wieder die „internationale Koalition zur Unterstützung der Ukraine“, wohl weil er in Europa eine gewisse „Ukraine-Müdigkeit“ und auch in Washington eine gewisse „Ukraine-Verdrossenheit“71 spürt. In der Tat sehen Europäer und Amerikaner im ganzen Nahen Osten von Libyen bis Afghanistan eine viel größere Gefahr heraufziehen als im „Nahen Osteuropa“.

Anders als Poroschenko kann es sich der ukrainische Premierminister Arsenij Jazenjuk erlauben, die Wahrheit ungeschminkt zu sagen: Präsident Putin habe nicht die Absicht, die russischen Verpflichtungen aus den Minsker Vereinbarungen zu erfüllen, sagte er in Černivci (Tschernowitz). Putin tue alles, um den „Minsker Prozess“ in die Länge zu ziehen. Sein eigentliches Ziel sei die Reintegration der Ukraine in die Einflussphäre Russlands (siehe unten).

In ihrem zur Schau getragenen Zweckoptimismus sprach Kanzlerin Merkel von einem „kleinen Fortschritt“; schon die Tatsache, dass die Verhandlungen stattgefunden hätten, sei ein „Symbol dafür, dass wir uns bewegen“. Zwar seien nicht alle Punkte der Minsker Vereinbarungen zu Hundert Prozent umgesetzt72 (eine kühne Schönfärberei), doch beide Seiten (unausgesprochen die beiden Konfliktparteien Russland und die Ukraine) seien aufeinander zugegangen. Präsident Putin habe versprochen, sich dafür einzusetzen, dass die lokalen Wahlen in den „gesonderten Rajons“ – wie in Minsk vereinbart – nach ukrainischem Wahlrecht stattfinden können, sagte sie auf der Pressekonferenz in Paris. Doch der Pressesprecher des Kreml, Dmitrij Peskov, widersprach ihr umgehend: Präsident Putin habe sich nicht für den einen oder anderen Vorschlag ausgesprochen, habe auch nicht versprochen, auf die Führung der selbst-proklamierten Republiken Einfluss zu nehmen. Das Einzige, was Präsident Putin versprochen habe, sei, dass er in den nächsten Tagen die Anweisung geben werde, mit den offiziellen Vertretern der nicht anerkannten Republiken die Frage der Wahlen zu „besprechen“.73 In den Verhandlungen sei unterstrichen worden, dass über Wahlen nicht losgelöst von den entsprechenden Punkten der Minsker Vereinbarungen – wie der politischen Reform und der Amnestie – gesprochen werden könne. „Deshalb muss die Frage (der Wahlen) im Zusammenhang betrachtet werden,“ betonte Peskov. Im Fernseh-Kanal „Rossija I“ erklärte Peskov auch, warum sich der russische Präsident nach dem Vierertreffen nicht öffentlich dazu geäußert habe: Präsident Putin sei einer der „Mediatoren“ bei der Regulierung der Krise – und habe falsche Schlussfolgerungen ausschließen wollen. Präsident Putin wende seine ganze Kraft auf, um die Erfüllung der Minsker Vereinbarungen sicherzustellen.74 In Wahrheit gilt Putins diplomatischer Kraftaufwand nur den Verpflichtungen der Ukraine, nicht denen Russlands und seiner Marionetten-Regierungen im Südosten des Donbass.

Bereits vor dem Gipfeltreffen war in der Trilateralen Kontaktgruppe der Abzug von Geschützen (Panzer und Artillerie) mit einem Kaliber von unter 100 Millimetern von der Frontlinie vereinbart worden; diese Vereinbarung im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe wurde in Paris bestätigt.75 Vereinbart wurden in Paris unstrittige Aspekte des Minsker Prozesses, wie die Verlängerung des Mandats der Sonderbeobachtungsmission (Special Monitoring Mission / SMM) der OSZE und die Erhöhung der Zahl ihrer Beobachter. Die SMM soll ungehinderten Zugang zu dem ganzen Konfliktgebiet erhalten – auch zu dem nicht von der Ukraine kontrollierten Teil der Grenze mit Russland. Die Störung der Signale der OSZE-Drohnen wurde untersagt. Der blockierte Gefangenenaustausch soll fortgesetzt werden; der OSZE wurden Gefangenenbesuche erlaubt – und die Suche nach vermissten Personen. Die Tätigkeit internationaler humanitärer Organisationen, insbesondere des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, soll wiederaufgenommen werden.

In Paris wurde erneut der Verdacht bestätigt, dass die Europäer die Krim abgeschrieben haben. In der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten Hollande sagte die deutsche Kanzlerin Merkel (in gewundener Form), dass die Ukraine vom Minsker Prozess mit Recht erwarte, „ihre territoriale Integrität, jedenfalls soweit es nicht die Krim, sondern den Rest des Landes betrifft, wiederherzustellen“.76 Oleh Tjahnybok, der Vorsitzende der nationalistischen Partei „Svoboda“ und vehementer Kritiker der in Minsk vereinbarten Verfassungsänderung, äußerte in seinem Blog den Verdacht, dass es ein „geheimes Zusatzabkommen“ (à la Hitler-Stalin-Pakt) zu den Minsker Vereinbarungen gebe, in dem die Annexion der Krim durch Russland akzeptiert werde. Zwar ist Tjahnybok nicht repräsentativ für die öffentliche Meinung, doch nicht geleugnet werden kann, dass der westliche Protest gegen die Annexion der Krim so gut wie verstummt ist; die Krim spielt in den Verhandlungen mit Russland über die Beilegung des Ukraine-Konflikts keine Rolle.77 Nach der Verhängung von vornehmlich personalisierten – und damit wirkungslosen – Sanktionen betrieb der Westen keine ernsthafte „Nichtanerkennungspolitik“.

Der Direktor des „Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR / ODIHR) der OSZE, Michael Link, wollte dies nicht bestätigen: „Die Krim bleibt auf der Agenda“, sagte er am 13. Oktober in Kiew. Von den 57 Mitgliedsländern würden 56 die Eingliederung der Krim in die Russländische Föderation nicht anerkennen.78 Und auch Johannes Regenbrecht, der Leiter des Arbeitsstabes Ukraine im Auswärtigen Amt, erklärte, die Krim sei nicht vergessen; eine ganze Reihe von Restriktionen lasse die Krim nicht zu einem „normalen“ Teil Russlands werden.79

Der renommierte ukrainische Journalist und Politik-Analyst Vitalij Portnikov hatte im Vorfeld die – in ukrainischen Medien kursierende – Meinung aufgegriffen, dass Präsident Putin in Paris ein weiteres Minsker Abkommen – ein „Minsk III“ – als Ausweg aus der Sackgasse, in die er geraten sei, vorschlagen werde.80 Dies war allerdings von vornherein unwahrscheinlich, denn Putin ist in Minsk keineswegs in eine Sackgasse geraten; Putin ist am 2. Oktober 2015 in Paris seinem taktischen Ziel (siehe unten), der Legitimierung seiner beiden Marionetten-Regime im Donbass näher gekommen. Der russische Präsident hält die Ukraine – und ihre europäischen Schutzmächte – mit dem verweigerten Abzug der russischen regulären und irregulären Truppen aus dem Donbass und durch die Konzentration russischer Truppen nahe der Ostgrenze der Ukraine – also mit der Drohung eines erneuten Ausbruchs der Gewalt im Donbass und einer offenen Invasion der russischen Armee – in Schach.

Wahl-Imitationen in den „russischen Enklaven“

Am 22. September 2015 brachte der Vertreter der „Besatzungsmacht“ in den „okkupierten Territorien“ in der Trilateralen Kontaktgruppe, Vladislav Dejnego, ein brisantes Dokument ein.81 Roman Bezsmertnyj, der Vertreter der Ukraine in der politischen Subgruppe, nannte es ein „Ultimatum“. Darin wird festgestellt, dass die selbst-proklamierten „Volksrepubliken“ im Donbass beabsichtigen, am 18. Oktober 2015 („DNR“) bzw. am 1. November 2015 („LNR“) ihre „eigenen“ Wahlen zu einem Teil der Organe der lokalen Selbstverwaltung abzuhalten – nicht auf der Basis der Gesetzgebung der Ukraine, sondern „nach ihren eigenen Bestimmungen und Regeln“, wie Bezsmertnyj sagte. Von der Ukraine werde in dem Dokument gefordert, das Gesetz über die „Besondere Ordnung der lokalen Selbstverwaltung“ in den „gesonderten Rajons“ in Kraft zu setzen; ferner eine (gesetzliche Regelung) der Modalitäten der (Lokal-)Wahlen (also ein neues Gesetz) zu verabschieden – und zwar in der Fassung, die von den Vertretern der „DNR“ und „LNR“ bereits am 13. Mai 2015 vorgelegt wurde;82 des Weiteren ein Amnestie-Gesetz83 in Kraft zu setzen, sowie erneut über die Änderung der Verfassung abzustimmen, ebenfalls in der von den Vertretern der sogenannten „Volksrepubliken“ am 13. Mai vorgelegten Fassung. Nach Erfüllung dieser vier Forderungen würden dann am 21. Februar 2016 Wahlen zu den verbleibenden (am 18. Oktober bzw. 1. November noch nicht gewählten) lokalen Organen abgehalten werden.

Der „Premierminister“ der selbst-proklamierten „DNR“, Aleksandr Zacharčenko, hatte bereits am 16. September einen „Erlass“ unterzeichnet, mit dem er die Abhaltung von Wahlen zu den Organen der lokalen Selbstverwaltung (aus Haushaltsgründen) in Etappen verfügt hatte – beginnend mit der Wahl der Bürgermeister der Städte (glava goroda) und Rajon-Chefs (glava rajona) „unseres jungen Staates“ am 18. Oktober 2015.84 Die Wahl der Chefs der niedrigeren Verwaltungsebenen sollten im Verlauf des ersten Halbjahres 2016 abgeschlossen werden. In der selbst-proklamierten „LNR“ bestimmte „Staatschef“ („glava gosudarstva“) Igor’ Plotnickij per Erlass den 1. November 2015 für die „erste Etappe“ der lokalen „Wahlen“.85

Tana de Zulueta, die Leiterin der Wahlbeobachter-Mission des Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR / ODIHR) der OSZE für die ukrainischen Regional- und Lokal-Wahlen am 25. Oktober 2015, erklärte auf einer Pressekonferenz am 9. September 2015 in Kiew, dass sich das BDIMR nicht an der Beobachtung der angekündigten „Wahlen“ in den nicht anerkannten „Volksrepubliken“ beteiligen werde. „Wir können nicht die Einladung irgendeiner Entität annehmen, die nicht Mitgliedsstaat der OSZE ist, und die nicht die erforderlichen Bedingungen (für die Abhaltung von Wahlen) gewährleisten kann.“86 Separate Wahlen in den „gesonderten Rajons“ des Donbass hält Kiew für einen so gravierenden Bruch des Minsker Abkommens, dass er dessen Scheitern bedeute. Damit „sprengen Moskau und seine Marionetten demonstrativ die Minsker Vereinbarungen“, erklärte der Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates87 der Ukraine, Oleksansdr Turčynov.

Der „Morel-Plan“: ein fauler Kompromiss?

Serhij Rachmanin, der Stellvertretende Chefredakteur der renommierten Wochenzeitung „Dzerkalo Tyžnja“ (russ.. Ausgabe: „Zerkalo nedeli“) berichtete in einem (am 18. September veröffentlichten) Artikel, dass seit dem Treffen der Außenminister des „Normandie-Quartetts“ am 12. September 2015 in der Trilateralen Kontaktgruppe in Minsk mit erhöhter Intensität über den Entwurf eines Sondergesetzes für die Abhaltung von Wahlen in den „gesonderten Rajons“ diskutiert werde.88 In der Erklärung des Auswärtigen Amtes, die nach dem Berliner Treffen der Außenminister veröffentlicht wurde, heißt es, dass die „Bedingungen und der Zeitplan für diese Wahlen in der politischen Untergruppe der Trilateralen Kontaktgruppe erarbeitet“ würden – und zwar auf Basis des Vorschlags des Leiters dieser Arbeitsgruppe, des französischen Diplomaten Pierre Morel.89 Außenminister Steinmeier selbst sagte dazu in einem Kommentar am 19. September in Magdeburg,90 zwar bleibe die Frage der Abhaltung lokaler Wahlen in der Ukraine (gemeint sein können nur die „gesonderten Rajons“ im Donbass) „kompliziert“, doch bei der „Überwindung der Krise“ im Donbass gebe es Fortschritte. Steinmeier drückte seine Hoffnung91 aus, dass die strittigen Punkte vor dem Gipfeltreffen im Normandie-Format am 2. Oktober 2015 in Paris gelöst sein würden, auf dem eine endgültige Entscheidung getroffen werden solle. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sah bezüglich der lokalen Wahlen in den Gebieten, die nicht unter der Kontrolle der ukrainischen Zentralregierung stehen, eine neue “Gelegenheit, gemeinsamen Boden zu finden”. Pierre Morel habe Lösungen („razvjazki“) vorgeschlagen, die “nicht ganz die ukrainische Seite und nicht ganz die Vertreter der selbst-proklamierten DNR und LNR befriedigen. Aber nach unserer gemeinsamen Meinung (Russland, Frankreich, Deutschland) können die abweichenden Lesarten überwunden werden“.

Der “Morel-Plan”92 trägt den Titel „Elemente für ein temporäres Gesetz über die lokalen Wahlen in einigen Rajons der Oblaste Donezk und Lugansk“. Wie die Deutsche Welle unter Bezug auf diplomatische Quellen in Paris berichtete, sei der „Morel Plan“ von Victoria Nuland und Grigorij Karasin bereits Ende Juli 2015 entworfen worden.93 Der „Kompromiss“ bestehe darin, dass diese Wahlen als de jure dem ukrainischen Wahlrecht entsprechend ausgegeben werden sollen, die „DNR“ und „LNR“ aber die Möglichkeit erhalten würden, diese de facto nach ihren eigenen Regeln durchzuführen – ein durch und durch fauler Kompromiss, der ein Glanzstück bilateraler russisch-amerikanischer Diplomatie darstellen würde – wenn denn die Autorenschaft Nulands und Karasins stimmt. Unter Bezug auf eine Quelle im Auswärtigen Amtes in Berlin berichtete die Deutsche Welle, dass Berlin den „Morel-Plan“ als Grundlage für die weitere Regulierung der Krise im Donbass betrachte.94

Rachmanin mutmaßt, dass die deutsche Kanzlerin Merkel von der Ukraine die Anerkennung von Wahlen in den „gesonderten Rajons“ verlangt, damit sich der Konflikt im Donbass von einem internationalen, russisch-ukrainischen in einen inner-ukrainischen Konflikt verwandelt, und sich damit die Gefahr einer militärischen Konfrontation der NATO mit Russland verringert. Genau so will Putin diesen Konflikt interpretiert wissen, als einen ukrainischen Bürgerkrieg, um sich der russischen Verantwortung für den Krieg und seine Folgen zu entledigen. In den ukrainischen Medien wird diese Interessen-Koinzidenz, die für die Ukraine nichts Gutes verheißt, sehr wohl gesehen: Tatsächlich einigten sich die Teilnehmer des Vierergipfels in Paris am 2. Oktober 2015 auf einen Katalog von Forderungen, der Kiew unter Druck setzt, und der u. a. die Verabschiedung eines „Sondergesetzes“ für die Abhaltung von lokalen Wahlen in den „gesonderten Rajons“ des Donbass (das per definitionem von dem ukrainischen Wahlrecht abweicht) enthält, sowie die Verabschiedung eines Amnestie-Gesetzes, das den separatistischen Kandidaten Immunität sichert. In dieser Liste könnten sich Personen verstecken, die verdächtigt werden, Kriegsverbrechen bzw. Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Dieser Punkt stellt die Vermittler in Minsk vor ein besonderes Problem, da die Ukraine das „Rom-Statut“ (Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs / IStGH, Den Haag) nicht unterzeichnet hat.

Moskau betreibt die Anerkennung von (lokalen) Wahlen in der „DNR“ und „LNR“ durch Kiew, um im ukrainischen Staat einen Hebel zur Destabilisierung der Kiewer Regierung zu haben – und um die Last der Finanzierung dieser „Volksrepubliken“ auf die ohnehin wirtschaftlich geschwächte Ukraine abwälzen zu können. Sollten in der „DNR“ und „LNR“ von der OSZE als gültig erkannte und von Kiew anerkannte lokale Wahlen stattfinden, dann wäre die Ukraine verpflichtet, die beiden russischen Enklaven zu unterhalten, ohne den geringsten administrativen Einfluss auf sie zu haben.

In der Ukraine wurde der „Morel-Plan“ als ein Ultimatum aufgefasst. Marija Zolkina, Analytikerin der „Il’ko Kučeriv Stiftung ‚Demokratische Initiativen’“, erklärte gegenüber der Deutschen Welle, dass die westlichen Partner die Ukraine – unter Ausnutzung der wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeit des Landes – zu einem Kompromiss nötigen würden.95 Die ukrainische Seite, die in Berlin am 12. September 2015 durch Außenminister Pavlo Klimkin vertreten war, hat – laut Rachmanin – dem Morel-Plan zugestimmt, und Klimkin tue nichts ohne Wissen des Präsidenten Poroschenko. Doch in einem Interview mit mehreren Fernsehsendern am 21. September 2015 sagte Poroschenko auf die diesbezügliche Frage eines Journalisten, der Morel-Plan sei die „persönliche Meinung“ seines Autors. „Die Position der Ukraine bezüglich der Implementierung der Minsker Vereinbarungen ist absolut klar […] Wahlen werden entsprechend der ukrainischen Gesetzgebung abgehalten, und sollten irgendwelche Änderungen notwendig sein, dann müssen diese im ukrainischen Parlament behandelt werden.“

Die in den „gesonderten Rajons“ des Donbass verbliebene, „pro-russisch gestimmte Bevölkerung ist von ihren separatistischen Politikern – und von Russland – laut Erkenntnissen ausländischer Journalisten so enttäuscht ist wie die ukrainische Bevölkerung in anderen Landesteilen von der Regierung in Kiew. Vermutlich würden bei Wahlen im Rahmen von “Minsk II“ („Minsker Wahlen“) in der „DNR“ und in der „LNR“ nur ein Viertel bis ein Drittel zur Wahl gehen, doch würden durch sie die gegenwärtigen, selbst-ernannten Machthaber halbwegs demokratisch „legitimiert“ werden. Außenminister Pavlo Klimkin appellierte denn auch an die Abgeordneten der Verchovna Rada, in dem „Sondergesetz über die Wahlen in den gesonderten Rajons“ den „vorübergehend umgesiedelten Personen“ (den 1,5 Millionen Binnenflüchtlingen – „Internally Displaced Persons“ / IDP), die also nicht im Wahlgebiet wohnen, das aktive und passive Wahlrecht einzuräumen.96 Allerdings ist so gut wie sicher, dass die von Flüchtlingen eventuell gewählten Bürgermeister und Gemeinderäte in den von einheimischen Separatisten und Russen kontrollierten Gebieten ihr Mandat nicht ausüben können werden.

Am 6. Oktober traten die Trilaterale Kontaktgruppe und ihre drei Untergruppen97 in Minsk zusammen. Die Vertreter der „DNR“ und „LNR“, Denis Pušilin und Vladislav Dejnego, verkündeten die Verschiebung der angekündigten lokalen Wahlen in ihren „gesonderten Rajons“ auf den 21. Februar 2016. Darüber hinaus erklärten sie: „Wir sind bereit, mit allen Teilnehmern an den Minsker Verhandlungen über die Vereinbarung eines Gesetzentwurfs über die Wahlen zusammenzuarbeiten.“ Doch könne diese Arbeit nur nach der offiziellen Bestätigung eines Reglements der (Trilateralen) Kontaktgruppe und ihrer Arbeitsgruppen fortgesetzt werden. Sowohl die Meinungsverschiedenheiten wie auch die Kompromisse müssten protokolliert werden. Und es sei klar zu vermerken, welche Entscheidung als vereinbart gelten solle. Weil dies bisher nicht geschehen sei, sei die „politische Regulierung seit Februar (2015) keinen Schritt vorangekommen“.98

Der Vertreter Kiews in der politischen Arbeitsgruppe, Roman Bezsmertnyj, nannte die Verschiebung eine „Erpressung“. Vereinbart worden sei in Paris die Absage, nicht die Verschiebung von separaten Wahlen. Und der ukrainische Außenminister Pavlo Klimkin nannte in seinem Bericht über das Pariser Gipfeltreffen an die Abgeordneten der Verchovna Rada am 7. Oktober die Verschiebung der Wahlen in den besetzten Gebieten ein „schmutziges Spiel“.99 Ob die Abhaltung von Wahlen in dem besetzten Teil des Donbass möglich sei, hänge von der Beurteilung der Voraussetzungen vor Ort – einschließlich der Sicherheitslage – durch das Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR / ODIHR) der OSZE ab. Klimkin wiederholte die ukrainische Forderung, dass Wahlen erst nach Abzug der „ausländischen“, d. h., der russischen Truppen und Militärtechnik stattfinden könnten. Diese Bedingung bedeutet, dass „Minsker Wahlen“ in absehbarer Zeit nicht stattfinden werden, da Russland Vorwände finden wird, den Abzug seiner Soldaten aus der Ukraine hinauszuschieben bzw.auf Dauer abzulehnen.

Im Auswärtigen Amt in Berlin wurde die Verschiebung für eine gute Nachricht gehalten: “Moskau hat tatsächlich geliefert”.100 Auch der Stellvertretende Außenminister der USA, Deputy Secretary of State Anthony Blinken, lobte Russland dafür, dass es die „DNR“ und „LNR“ zur Verschiebung ihrer ‘eigenen’ Wahlen veranlasst habe.101 Abgesehen davon, dass die Verschiebung der Wahltermine durch die Machthaber in Donezk und Lugansk beweist, dass Moskau in der „DNR“ und in der „LNR“ regiert, ist die diesbezügliche „Einflussnahme“ Moskaus nicht Beweis für Moskaus Aufrichtigkeit in den Verhandlungen, sondern dafür, dass der Kreml ein eigenes, verdecktes Interesse an „legitimierten“ Wahlen in den russischen Enklaven hat (siehe unten). Der französische Präsident Hollande nannte das Gipfeltreffen in Paris deshalb “besonders effektiv, weil die Separatisten ihre Wahlen verschoben haben.“ Dies zeige, dass der Minsker Prozess verlängert zu werden verdiene.102

Am 2. November 2015 präsentierte die Ukraine der Trilateralen Kontaktgruppe den Entwurf eines Wahlgesetzes für die Abhaltung von Lokal-Wahlen in den „gesonderten Rajons“ des Donbass. Der Entwurf wurde gleichzeitig in die Verchovna Rada eingebracht. Während der Morel-Plan die technische Details von lokalen Wahlen in der „DNR“ und „LNR“ zu regeln versucht, soll mit dem ukrainischen Gesetzentwurf sichergestellt werden, dass Wahlen in diesen Territorien nach ukrainischem Verfassungs- und Wahlrecht abgehalten werden – die Voraussetzung für die Anerkennung ihrer Legitimität durch die Ukraine. Zu den politischen Bedingungen gehört, dass nur das ukrainische Parlament den Wahltermin festlegen kann, und die Zentrale Wahlkommission (Central’na vyborča komisija) der Ukraine für die Bildung der lokalen Wahlausschüsse die oberste zuständige Instanz ist.

Die Minsker Vereinbarungen – „alternativlos“103

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Minsker Vereinbarungen „vollständig umgesetzt“ werden, wie von allen Seiten gefordert wird. Moskau wird sicher nicht zwei wichtige Verpflichtungen erfüllen, die unmittelbar Russland betreffen, nämlich die Rückübertragung der Kontrolle über die russisch-ukrainische Grenze im Bereich des von Russland kontrollierten Teils des Donbass104 (Minsk II, Punkt 9) an die ukrainische Regierung, und ebensowenig den Rückzug russischer Soldaten und russischer Militärtechnik aus diesem Gebiet (Minsk II, Punkt 10), deren Anwesenheit auf ukrainischem Territorium Moskau beharrlich – auf geradezu alberne Weise – leugnet. Und die ukrainische Regierung wird nicht in einen „direkten Dialog“ mit den Vertretern der „Marionetten-Regierungen“ in Donezk und Lugansk eintreten, den Moskau ebenso beharrlich fordert.

Weder Moskau noch Kiew hatten beim Abschluss von „Minsk II“ die Absicht, alle Punkte des „Maßnahmenpakets“ zu erfüllen. Die Ukraine unterzeichnete das Minsker Abkommen vom 15. Februar 2015 in erster Linie wegen der Punkte 1 bis 3, die den Waffenstillstand betreffen, um sich eine Atempause in dem Kampf mit den (vereinten einheimischen und russischen) Sezessionstruppen zu verschaffen. Den politischen Teil des Abkommens unterzeichnete sie mit innerem Vorbehalt. Der ukrainische Präsident Poroschenko verteidigte das Minsker Abkommen gegen die zunehmende Kritik; es habe in den vergangenen sechs Monaten den Blutzoll erheblich gesenkt. Doch nicht nur deswegen: „Die (kritisierten) Minsker Vereinbarungen verschafften uns […] Zeit für die Stärkung der ukrainischen Verteidigungsfähigkeit […] sie erlaubten uns […] unsere offenkundige militärisch-technische Rückständigkeit gegenüber Russland zu überwinden.105 Auch der Kanzlerin Merkel und dem Präsidenten Hollande ging es in Minsk – wie dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko – angesichts der drohenden Eskalation der Kämpfe vornehmlich um einen Waffenstillstand. In den politischen Punkten haben sie sich von Präsident Putin über den Verhandlungstisch ziehen lassen – insbesondere bezüglich des Abzugs der „ausländischen“, d. h., der russischen Truppen nach der politischen Regulierung, und nach lokalen Wahlen in den Sezessionsterritorien, von denen klar war, dass an ihnen der eingeleitete Minsker Prozess scheitern könnte­ bzw. wahrscheinlich scheitern würde. In seinem politischen Teil ist „Minsk II“ eher Putins Diktat als ein Verhandlungsergebnis, auch wenn der russische Präsident nicht sein ursprüngliches Konzept – Russland als „neutraler“ Vermittler in einem „Bürgerkrieg“ – durchsetzen konnte. Die „politischen“ Punkte 9 und 11 reflektieren die Essenz der Diplomatie des Moskauer Kreml: Kompromisslose Durchsetzung eigener Ziele durch Täuschung am Verhandlungstisch und militärische Drohung im Hintergrund.

Der erste Teil des Abkommens, der den Waffenstillstand betrifft, erwies sich von Anfang an als „brüchig“, wie westliche Diplomaten den tatsächlichen Kriegszustand verharmlosten. Bis Ende August 2015 verging kaum ein Tag, an dem nicht durch Beschuss über die Demarkationslinie hinweg Soldaten und Zivilisten auf beiden Seiten zu Tode kamen.106 Allerdings war die Zahl der Kriegsopfer wahrscheinlich geringer, als sie es ohne das Waffenstillstandsabkommen gewesen wäre; insofern hatte „Minsk II“ einen positiven Effekt.

Der politische Teil von „Minsk II“ war von Anfang an Makulatur, weil er ein maliziöses Moskauer Projekt ist: Die Implementierung der politischen Maßnahmen kann von keiner ukrainischen Regierung durchgesetzt werden, ohne einen „dritten Majdan“ zu riskieren, der sie mit Waffengewalt hinwegfegen würde.107 In dem zu erwartenden Chaos hätte der russische Präsident Putin einen Vorwand, zu intervenieren und die Kontrolle über die ganze Ukraine wieder zu gewinnen, die er durch die Flucht seines Statthalters, des Präsidenten Janukowytsch, verloren hat.

„Wenn uns an den Minsker Vereinbarungen etwas nicht passen würde, dann hätten wir sie nie unterzeichnet, sagte Präsident Putin auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö am 16. Juni 2015.108 Die Schlüsselelemente (von „Minsk II“) seien die Vereinbarungen über die politische Regulierung, die Putin in fünf Punkten zusammenfasste:

  1. Die Änderung der Verfassung der Ukraine mit Gewährung autonomer Rechte für diese Territorien (die „DNR“ und die „LNR“);
  2. die Annahme eines Amnestiegesetzes bezüglich einer Reihe von Personen der Donezker und Lugansker Republiken;
  3. die Umsetzung des Gesetzes über den Sonderstatus des Donbass – Lugansk und Donezk;
  4. die Annahme des Gesetzes über die lokale Selbstverwaltung und über die Abhaltung von (lokalen) Wahlen;
  5. die Beendigung der wirtschaftlichen Blockade dieser Territorien.

Die Zuständigkeit für diese Fragen liege vornehmlich bei den Kiewer Behörden, behauptete Putin.

Es bleibt der deutschen Kanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Hollande nichts anderes übrig, als an dem von ihnen zustande gebrachten Minsker Abkommen vom 12. Februar 2015 („Minsk II“) festzuhalten; es für gescheitert zu erklären, wäre das Ende der diplomatischen Regulierung des Konflikts. Minsk ist – in der Sprache Merkels – „alternativlos“. Unisono betonten Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande wie auch der ukrainische Präsident Poroschenko bei ihrem Dreier-Treffen am 24. August 2015 in Berlin, dass die „vollständige Umsetzung der Minsker Vereinbarungen“ die einzige Möglichkeit zur Lösung des Konflikts in der Ostukraine sei. „Es gibt keine Alternative zum Minsk-Prozess“, sagte Poroschenko.109 Auch der Sprecher des Kreml, Dmitrij Peskov, erklärte, es gebe „keine vernünftige Alternative“ zu den Minsker Vereinbarungen.110 Und Putin selbst sagte, dass es „seiner Meinung nach zur Erfüllung der Minsker Vereinbarungen keinerlei Alternative gebe“.111
Das Minsker Abkommen vom 12. Februar 2015 ist bis zum Ende des Jahres 2015 befristet. Der Vertreter der Ukraine in der Trilateralen Kontaktgruppe, der ehemalige Präsident Leonid Leonid Kutschma, deutete bereits Anfang September 2015 eine mögliche Fortsetzung des Minsker Prozesses nach dem 31. Dezember 2015.112 Präsident Putin sagte, er sei bereit, über eine Verlängerung der Fristen für die Erfüllung der Minsker Vereinbarungen nachzudenken.113

Die tabuisierte „Patent“-Lösung des Konflikts: Trennung von den „okkupierten Territorien“

Nur hinter vorgehaltener Hand wird eine „Patent-Lösung“ des Konflikts im Donbass ausgesprochen: Es sei das Beste, argumentieren auch „Patrioten“, die Sezession der „okkupierten Territorien“ anzuerkennen und diese sich selbst – und Russland – zu überlassen. Dies würde den ukrainischen Staat konsolidieren und ihn von der Last des Wiederaufbaus des zerstörten Kriegsgebietes befreien. Doch diese Lösung des Konflikts ist in Kiew nicht durchsetzbar. Für Präsident Poroschenko und die Regierung Jazenjuk sowie für die Regierungsparteien wäre ein solcher Vorschlag, sollte er offizielle Politik werden, politischer Selbstmord.

Darüber hinaus birgt diese scheinbar „optimale“ Lösung“ ein hohes Risiko, nämlich die unvorhersehbare Reaktion des russischen Präsidenten. Putin will nicht die Loslösung des von Russland kontrollierten Teils des Donbass von der Ukraine. Er hat die Sezessionsregime „DNR“ und „LNR“ dazu „überredet“, unter den Bedingungen von „Minsk II“ nominell Teil des ukrainischen Staates zu bleiben. Das Risiko einer offenen Invasion der russische Armee besteht nicht nur dann, wenn die Ukraine versuchen sollte, die „okkupierten Territorien“ gewaltsam zu befreien, sondern auch dann, wenn sie diese in die Unabhängigkeit entlassen würde. Denn dann würde dem russischen Präsidenten Putin erneut ein Hebel aus der Hand geschlagen, mit dem er die Kontrolle über die Ukraine wiederzugewinnen hofft. Putins Reaktion auf einen solchen „Schlag“ ist unvorhersehbar; doch abfinden würde er sich damit sicherlich nicht.

Im August 2015 brachen der erste Präsident der unabhängigen Ukraine, Leonid Kravčuk, und sein ehemaliger Wirtschaftsminister (1992) Volodymyr Lanovyj, dieses Tabu; sie sprachen offen aus, was ein – demoskopisch unbestimmter –Teil der Bevölkerung denkt: Lanovyj erklärte am 3. August in der Internet-Zeitung „Ekonomična Pravda“, durch die Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Beziehungen zu den okkupierten Territorien würde Kiew den Feind finanzieren, der täglich ukrainische Soldaten töte. „…die Krim und die Donezk-Lugansk Enklaven [haben] faktisch aufgehört, innere Gebiete der Ukraine zu sein.“ Die Ukraine habe keine Kontrolle über die dortigen Behörden. Deshalb sei „das Gerede“ über den Handel mit ihnen, über die Subventionierung des dortigen Kohlebergbaus, über Renten an die dortige Bevölkerung usw. unangebracht.114 Und Ex-Präsident Kravčuk erklärte am 17. August in einem Interview mit unverblümter Offenheit: „Alles Gerede darüber, dass in den okkupierten Territorien unsere Menschen („naši ljudi“) leben, dass ihnen irgendwie geholfen werden müsse, muss von der Tagesordnung gestrichen werden. […] Leider zeigen Analysen und soziologische Umfragen, dass ein beträchtlicher Teil der Menschen, die in den okkupierten Territorien leben, sich auch heute (noch) nach Russland orientieren.“115

Der Chef der „militärisch-zivilen Verwaltung“ der Oblast Donezk (ukr.: Oblasna vijs’kovo-civil’na administracija / OVCA, russ.: Voenno-Graždanskaja Administracija / OVGA), Pavlo Žebrivs’kyj, verurteilte die Einstellung, wie sie von Kravčuk zum Ausdruck gebracht wurde. „Mögen diejenigen, die für einen völligen Bruch plädieren, eine (Flüchtlings-)Familie bei sich aufnehmen und ihr Arbeit verschaffen. Dort (in den okkupierten Territorien) gibt es viele Patrioten – ich kenne sie: Die Regierung (vlast’) reicht den Ukrainern, die in den okkupierten Territorien geblieben sind, die Hand und sagt ihnen, dass die Ukraine sie liebt…“,116 erklärte Žebryvskyj.

Kravčuk dagegen fordert einen klaren Schnitt: „Unter dem Einfluss Russlands hat sich heute auf diesem Territorium eine Krebsgeschwulst gebildet. Dieser Tumor lässt sich nur durch einen chirurgischen Eingriff beseitigen […] Wir müssen endlich eine wichtige politische Entscheidung treffen. Wir müssen sagen, dass die Demarkationslinie (ukr.: linija rozmežuvannja; russ.: linija razmeževannija) im Donbass eine Linie geworden ist, die die okkupierten Territorien in den Oblasten Donezk und Lugansk von der Ukraine trennt.“ (Er nannte sie eine „Scheidelinie zwischen Gut und Böse.“) „Wir müssen alle ökonomischen und politischen Beziehungen mit diesen Regionen, die unter der Kontrolle der (einheimischen separatistischen) Kämpfer und Russlands stehen, beenden. […] Wir müssen […] ein neues Leben aufbauen, dessen Sinn in der ‘Europäischen Wahl’ (in der Entscheidung für Europa) liegt. Dies ist der richtige Weg.”117

Präsident Poroschenko hat sich nicht zu dem Vorschlag seines Vorgängers geäußert; ihm beizupflichten wäre für ihn politisch tödlich. Für den Stellvertretenden Chefredakteur der renommierten Wochenzeitung „Dzerkalo tyžnja“ (ukr.) / Zerkalo nedeli (russ), Serhij Rachmanin, ist es aber offensichtlich, dass auch Präsident Poroschenko den Donbass (d. h., den nicht von Kiew kontrollierten Teil des Donbass) für immer loswerden möchte.118 Doch weder Moskau noch Berlin wollen diesen Teil des Donbass von dem ukrainischen Staat abtrennen. Putin und Merkel werden – aus völlig unterschiedlichen Gründen – dem Präsidenten der Ukraine nicht erlauben, auf ein Teil des ukrainischen Territoriums zu „verzichten“.

Sollte es aber tatsächlich zu einem offiziellen „Verzicht“ auf die okkupierten Territorien kommen, was höchst unwahrscheinlich ist, dann würden sich „Minsk“ und weitere Verhandlungen mit Russland erübrigen. Der Passus bezüglich der „Besonderheiten der lokalen Selbstverwaltung in den „gesonderten Rajons“ („ORDO“ und „ORLO“) könnte wieder aus der Verfassung gestrichen werden (falls er darin überhaupt Aufnahme findet119) und die Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden.

Putins Ziele – aktualisierte Kremlinologie

Das Meta-Ziel: Auf Augenhöhe mit dem amerikanischen Präsidenten

Es ist das offenkundige Meta-Ziel der „Geopolitik“ des russischen Präsidenten Putin, von den USA als ebenbürtiger Partner ernst genommen zu werden. Nach einer anfänglichen „werbenden“ Phase schlugen Putins Avancen zur Erreichung dieses übergeordneten Ziels, die in Washington (und in Brüssel) in kurzsichtiger Überheblichkeit missachtet wurden, im Jahre 2008 (russisch-georgischer Krieg) in Aggressivität um. Dieses persönliche Ziel Putins, das den Phantom-Schmerz der russischen Macht-„Elite“ über den Untergang des russischen Imperiums reflektiert, hat Präsident Putin durch die Kombination von Aggression in der Ukraine und deklarierter Bereitschaft zur Kooperation mit den USA in Nahost gepaart mit konkurrierender militärischer Intervention in Syrien erreicht. Mit dem Besuch des amerikanischen Außenministers John Kerry in Sotschi am 12. Mai 2015 erhielt der russische Präsident Putin von den USA ein erstes Zeichen seiner Akzeptanz als „unentbehrlicher geopolitischer Partner“ bei der Regelung der Konflikte in der Welt. Mit seiner Initiative zur Bildung einer „neuen internationalen Koalition“ gegen die terroristische Organisation „Islamischer Staat“ versuchte Putin, Russland (wieder) als einen – den USA ranggleichen – Machtfaktor in Nahost zu etablieren. Durch seine Luftangriffe zur Unterstützung des syrischen Präsidenten Assad hat Präsident Putin dieses regionale strategische Ziel erreicht: Die USA gaben ihren Widerstand auf und akzeptierten die Teilnahme des Iran, neben Russland der wichtigste Verbündete des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, an der Syrien-Konferenz am 30. Oktober 2015 in Wien.120

Das strategische Ziel: „Konsolidierung“ des postsowjetischen Raumes unter Moskaus Führung

Putins strategisches Ziel, die Wiederherstellung einer russischen Interessenssphäre, dokumentarisch deklariert als „Konsolidierung“ des postsowjetischen Raumes unter Moskaus Führung, ergibt sich aus den „eurasischen“ Integrationskonstrukten vom „Einheitlichen Wirtschaftsraum“ (Edinoe ėkonomičeskoe prostranstvo), über die „Zollunion“ (Tamožennyj sojuz), die „Eurasische Wirtschaftsunion“ (Evrazijskij ėkonomičeskij sojuz) bis zur angestrebten „Eurasischen Union“ (Evrazijskij sojuz). Bereits zu Beginn seiner ersten Amtszeit als Premierminister artikulierte Wladimir Putin das Ziel der faktischen ‚Re-Union’ der ehemaligen Sowjet-Republiken: In der „Mittelfristigen Strategie für die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und der Europäischen Union für die Jahre 2000 bis 2010“, die im November 1999 verabschiedet wurde, heißt es unter Punkt 1.8: „ …die Entwicklung der Partnerschaft (der Russländischen Föderation) mit der Europäischen Union sollte dazu beitragen, Russlands Rolle als führende Macht bei der Gestaltung eines neuen Systems zwischenstaatlicher politischer und ökonomischer Beziehungen im GUS-Raum zu konsolidieren.“121 Putins strategisches Ziel, die Hegemonie über den gesamten Raum der ehemaligen Sowjetunion, insbesondere aber über „Zwischeneuropa“, d. h., über die ehemaligen Sowjetrepubliken Ukraine, Belarus und Moldawien, ist ein anhaltender Faktor europäischer Unsicherheit.122

Das strategische Teilziel: Moskaus Kontrolle über die ganze Ukraine

Ein strategisches Teilziel des russischen Präsidenten ist die Kontrolle über die ganze Ukraine, über ihre auswärtige Orientierung, über ihre innere Ordnung und über ihr wirtschaftliches Potenzial. Ohne die Ukraine bleibt Putins geopolitisches Projekt „Eurasische Union“ ein Torso. Auch wenn für viele Neo-Kremlinologen Putins Ziel in der Ukraine („was will Putin ?“) nicht auszumachen ist, so erscheint klar, was er nicht will: Er will nicht den Donbass annektieren; im Gegenteil, er will, dass die selbst-proklamierten „Volksrepubliken“ zwar faktisch „unabhängig“, nominell aber Teil des ukrainischen Staates bleiben. Bezüglich der (angeblichen) Appelle aus dem Donbass an den Kreml, die „DNR“ und die „LNR“ mit der Russländischen Föderation zu vereinigen, sagte Putin: „Unser Herz und unsere Seele sind mit dem Donbass…“. Doch sei dies eine ernste Frage, … die „nicht auf der Straße entschieden“ werde.123

Es geht nicht mehr – wie zu Beginn der separatistischen Bewegung im Osten und Süden der Ukraine – darum, „Neurussland“ (Novorossija) von der Ukraine abzuspalten.124 Nunmehr geht es dem Kreml „nur“ noch um die Implantation eines malignen Tumors in den ukrainischen Staatskörper, und zwar mittels der Anerkennung der russischen Enklaven „DNR“ und „LNR“ durch die ukrainische Regierung, die in Putins Intention den ukrainschen Staat von innen destabilisieren und somit die Bedingungen für Moskaus kontrollierenden Einfluss auf die ukrainische Politik schaffen sollen. Durch „Scheinwahlen“ („fejkovye vybory“) legitimierte lokale Statthalter Moskaus in den „okkupierten Territorien“ sollen in Kiew die Orientierung der Ukraine nach Westen sabotieren, wobei Putins Minimalziel die Verhinderung des NATO-Beitritts der Ukraine ist. Sie sollen die wirtschaftliche Integration der Ukraine in die Europäische Union behindern, die Stabilisierung der politischen Lage sabotieren, und die wirtschaftliche Erholung bremsen – auch durch die Belastung mit dem Wiederaufbau der russischen Enklaven im Donbass. Die militante Animosität von amnestierten Vertretern der „DNR“ und „LNR“ gegenüber dem ukrainischen Staat im nationalen Parlament der nächsten Legislaturperiode und in anderen zentralstaatlichen Gremien garantiert ein bedrohliches „Störpotenzial“. Die anhaltende Gefahr eines Wiederausbruchs von Gewalt, die öffentlich verkündete, sicher nicht aufgegebene Absicht der „Besatzungsbehörden“ in den besetzten Gebieten des Donbass, den unter Kiewer Kontrolle stehenden Teil des Donbass zu erobern, sowie die auf dem benachbarten russischen Territorium aufrecht erhaltene militärische Bedrohung (zusätzliche Truppen-Stationierungen und ständige Manöver) bleiben ein andauerndes Erpressungspotenzial. Die an faktische Unabhängigkeit grenzende Autonomie, die „Minsk II“ für die „gesonderten Rajons“ im Donbass vorsieht, u. a. die Legalisierung ihrer bewaffneten Kämpfer in einer eigenen „Volksmiliz“ („Narodnaja milicija“), der völlig selbstbestimmte Außenhandel mit Russland etc., macht die ins Minsk vereinbarte „Erhaltung der territorialen Integrität“ der Ukraine und die „Wiederherstellung der ukrainischen Souveränität“ über die abtrünnigen Gebiete zu einer Fiktion.

Seit Anfang September 2015 wird zum ersten Mal seit der Vereinbarung des Waffenstillstands am 12. Februar 2015 in Minsk dieser auch weitgehend eingehalten; doch sicher nicht wegen eines „Fortschritts“ im „Minsker Prozess“.125 Die russische Politikwissenschaftlerin Lilia Shevtsova sieht in der Waffenruhe nur einen – Putins Gesicht wahrenden – Ausweg aus der misslichen Lage im Donbass, in die er sich selbst gebracht habe.126 Für den Stellvertretenden Chef der Sonderbeobachtungsmission der OSZE, Alexander Hug, ist denn auch der militärische Konflikt „nur vordergründig zu Ende“, wie er am 13. Oktober in Kiew sagte.127

Offensichtlich verfolgt Moskau mit der Absenkung des Konfliktniveaus in der Ukraine zwei Zwecke: Einerseits die Ausräumung eines Hindernisses für eine Verständigung mit Washington über eine internationale anti-terroristische Koalition, die ihr – zusammen mit der militärischen Intervention in Syrien – „Ebenbürtigkeit“ mit den USA in Verhandlungen über eine „Nachkriegsordnung“ im Nahen Osten (nach dem Vorbild von Jalta 1945) sichert; andererseits die Aufhebung der Sanktionen und die stillschweigenden Anerkennung der Annexion der Krim – und letztlich die Akzeptanz der ganzen Ukraine als Russlands Einflussbereich. Ohne Zweifel sorgte Präsident Putin auch deshalb für die Einstellung des Beschusses aus dem von Russland kontrollierten Teil des Donbass, um auf die im Dezember 2015 fällige Entscheidung der Europäischen Union über die Verlängerung (bzw. Milderung) der Sanktionen gegen Russland Einfluss zu nehmen. In dieser Frage zeigt Kanzlerin Merkel Standfestigkeit: Anders als Vizekanzler Gabriel128 widersteht Merkel der Versuchung eines „Deals“ mit Russland „Ukraine gegen Syrien“. In der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Premierminister Jazenjuk am 23. Oktober 2015 in Berlin129 antwortete Kanzlerin Merkel auf die diesbezügliche Frage eines Journalisten: „Die Sanktionen sind gekoppelt an die Umsetzung des Minsker Abkommens, das haben wir immer gesagt. Wenn diese Umsetzung länger dauert, dann werden wir auch weiter Sanktionen in Verbindung mit dem Minsker Abkommen sehen.“130

Präsident Putin will keinen echten Frieden im Donbass. Die westlichen Protagonisten des Minsk-Prozesses müssen so tun, als ob auch Putin guten Willens sei, damit ihre Appeasement-Diplomatie Sinn macht. Doch Putin ist nicht guten Willens; er ist ein Neo-Imperialist, der Geopolitik in dem – im Nachkriegsdeutschland tabuisierten – ideologisch kompromittierten Sinne Karl Haushofers versteht. Putin selbst bestreitet Weltmacht-Ambitionen. In einem Interview mit Wladimir Sobol’ëv im Kanal „Rossija I“ erklärte Putin am 11. Oktober 2015, dass er „nicht den geringsten Wunsch“ hege, das Imperium oder die Sowjetunion wiederherzustellen, „aber wir müssen unsere Unabhängigkeit und Souveränität schützen“131 – eine sinnlose Erklärung, da die russische Unabhängigkeit und Souveränität von niemandem bedroht wird. „Wir sind nicht davon besessen, eine Supermacht in der internationalen Arena zu sein,“ sagte er in dem Interview mit dem amerikanischen Journalisten Charlie Rose.

Seine Sozialisation im sowjetischen KGB hat der russische Präsident Putin zutiefst verinnerlicht. In dem Interview zitierte Charlie Rose – rhetorisch fragend – eine russische „Volksweisheit“: „Es gibt keinen ehemaligen KGB-Mann; einmal KGB-Mann, immer KGB-Mann“, worauf Putin antwortete: „Jede Phase Deines Lebens hat einen prägenden Einfluss auf Dich. Was immer wir tun, all die Kenntnisse, all die Erfahrungen behalten wir; wir tragen sie weiter, benutzen sie auf die eine oder andere Weise. Ja, in diesem Sinne haben Sie Recht.“132 In facto: „Mentality matters“. Putin hat die Methoden des KGB, des Repressionsapparates mit angeschlossener Mordabteilung, internalisiert und in seiner Funktion als Präsident – entgegen dem demokratischen Leumundszeugnis des deutschen Ex-Kanzlers Gerhard Schröder – nicht hinter sich gelassen. Für den ehemaligen KGB-Offizier Putin besteht Politik aus „Sonderoperationen“ („Specoperacija“, special’naja operacija – geheimdienstlicher Jargon). Geradezu klassisch in diesem Sinne war seine „Specoperacija Krim“.

Die ersehnte Anerkennung seiner „Gleichheit“ mit dem amerikanischen Präsidenten hält Putin nicht davon ab, sein strategisches Ziel, die Kontrolle über die Ukraine als dem wichtigsten Teil der von ihm beanspruchten Einflusssphäre, aufzugeben. Die Ukraine ist für Russland von zentralem Interesse; sie gehört nach Putins Vorstellungen zum Kernbestand seines „eurasischen“ Integrationsprojektes. Es sei reine Selbsttäuschung zu glauben, dass die Bedrohung der Ukraine durch Putins Russland nachgelassen habe, meint Lilia Shevtsova: „Niemand soll sich täuschen lassen, […] Für Moskau bleibt die Ukraine Teil der internen Agenda seines Russlands.“ Die im Verhältnis zu den vorangegangenen Monaten ruhige Lage in der Konfliktzone im September 2015 bedeute „nur eine Änderung der Taktik des Kreml, nicht aber seiner Strategie“.133

Das taktische Ziel Moskaus in der Ukraine: Legitimierung der Marionetten-Regime in den russischen Enklaven des Donbass

Das aktuelle taktische Ziel des russischen Präsidenten Putin in den Verhandlungen über den Ukraine-Konflikt im Normandie-Format und in der Trilateralen Kontaktgruppe mit den Europäern, sowie bilateral mit den USA, ist die Legitimierung seiner Marionetten-Regimes im Südost-Donbass durch lokale Wahlen, die von der OSZE als hinreichend demokratisch anerkannt werden, und denen Kiew seine Anerkennung nicht verweigern kann. Würden Europäer und Amerikaner dem russischen Präsidenten – durch Druck aus Berlin, Paris und Washington auf Kiew – die Erreichung dieses Ziels ermöglichen, dann hätte Putin damit zwei taktische Teilziele erreicht: Die dann zu erwartende allseitige Erklärung der „vollständigen Erfüllung der Minsker Vereinbarungen“ würde der Europäischen Union und den USA die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland „erlauben“; gleichzeitig würde der Kreml die russische Enklave im Donbass als „trojanisches Pferd“ nominell in den ukrainischen Staat re-integrieren, während er faktisch die Kontrolle über diesen Teil des Donbass behielte.

Konträr zum Minsker Prozess vollzieht sich mit Duldung Moskaus (oder von Moskau gefördert) eine offene Russifizierung der besetzten Gebieteim Donbass: Ablösung der ukrainischen Hryvnja durch den russischen Rubel,134 Einführung russischer Lehrbücher135 an den Schulen, Übernahme russischer Lehrpläne, Austausch ukrainisch-sprachiger Straßenschilder gegen russisch-sprachige u. a. m. Noch werden in den russischen Enklaven keine russischen Pässe ausgestellt; doch im benachbarten (russischen) Rostow am Don (Rostov-na-Donu) soll der Tausch der Staatsangehörigkeit möglich sein. Nicht auszuschließen ist, dass es sich bei dieser „leisen Abspaltung“ (Roman Goncharenko, Deutsche Welle136) um Moskaus „Plan B“ handelt – für den Fall, dass „Minsk II“ im Sinne des Kreml scheitert, d. h., die Legitimierung der Marionetten-Regime in der „DNR“ und „LNR“ nicht gelingt. Ein solcher „Plan B“, der auf eine „Einfrierung“ des Konflikts hinaus liefe, wäre für Präsident Putin eine Notlösung, weil damit die Hebelwirkung für die Einflussnahme auf Kiew herabgesetzt wäre.

Zum Ordinarium der russischen Diplomatie gehören gewisse stereotype Sprachregelungen, die von Präsident Putin und seinem Außenminister Lawrow bei jeder Gelegenheit wiederholt werden: Eine davon ist der „direkte Dialog Kiews mit dem Donbass“. Dies sei der allerwichtigste Punkt, wie Präsident Putin auf der Pressekonferenz im Rahmen des „Östlichen Wirtschaftsforums“ am 4. September 2015 in Wladiwostok erklärte.137 Moskau will partout die Anerkennung seiner Marionetten-Regierungen in den selbst-proklamierten „Volksrepubliken“ durch die Kiewer Regierung erreichen, und besteht deshalb auf direkten Verhandlungen zwischen Kiew einerseits und den „Hauptstädten“ der abtrünnigen Gebiete des Donbass, Donezk und Lugansk andererseits138 – „wie in den Minsker Vereinbarungen niedergelegt“. Zu jedem Punkt (des Minsker Maßnahmen-Komplexes) sei schriftlich vermerkt worden: „in Übereinkunft mit Donezk und Luhansk“, erklärte Präsident Putin auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Finnlands Präsident Sauli Niinistö. „Einen anderen Weg gibt es nicht.“139

Putin besteht darauf, dass die Ukraine Änderungen ihrer Verfassung sowie ein Gesetz über die „Besondere Ordnung der lokalen Selbstverwaltung in gesonderten Rajons der Oblaste Donezk und Lugansk“140 nicht mit ihm, dem russischen Präsidenten abstimmt, sondern „mit den Territorien der nicht anerkannten DNR und LNR“, wie er selbst auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Finnlands Präsident Sauli Niinistö am 16. Juni sagte.141 Es finde keinerlei Abstimmung statt, wirft Putin Kiew vor.142 Dies stimmt insofern nicht, als an den Verhandlungen in Minsk, in der Trilateralen Kontaktgruppe und in ihren Subgruppen Vertreter der beiden selbst-proklomierten „Volksrepubliken“ mit am Verhandlungstisch sitzen – und zwar Denis Pušilin (ukr.: Denys Pušylin)143, der „ständige bevollmächtigte Vertreter der (nicht anerkannten) „Donezker Volksrepublik“ („DNR“), sowie Vladislav Dejnego144 in Vertretung der „Lugansker Volksrepublik“ („LNR“). Der ukrainische Präsident Poroschenko selbst allerdings will nicht mit den Puppen, sondern nur mit dem Puppenspieler (Putin) verhandeln.145 Ob Poroschenko um den “direkten Dialog“ mit den „Staatschefs“ der „Volksrepubliken“, Aleksandr Zacharčenko („DNR“) und Igor’ Plotnickij („LNR“) herumkommt, bleibt abzuwarten.

In der Tat versucht Kiew, sich aus den „Minsker Vereinbarungen“, die es angesichts der Gefahr einer offenen russischen Invasion im Februar 2015 unterzeichnet hat, herauszuwinden. Präsident Putin hat nicht ganz Unrecht, wenn er wiederholt erklärt – zuletzt in seiner Rede auf der Tagung des Valdai-Clubs am 22. Oktober 2015 in Sotschi146 – dass Kiew die Minsker Vereinbarungen zwar der Form nach erfülle, was sich aber in der Sache wie Hohn („izdevatel’stvo“) ausnehme. Die Kiewer Regierung versichere, dass sie die geplante Verfassungsänderung mit der „Venedig-Kommission“147 abgestimmt habe; doch in den Minsker Vereinbarungen sei von der Venedig-Kommission nicht die Rede. Zudem sei diese Verfassungsänderung unter der Rubrik „Übergangsbestimmungen“ in den Reformentwurf aufgenommen worden – als eine einstweilige Maßnahme. Die den Donbass betreffende Verfassungsreform müsse jedoch von dauerhafter Natur sein. Ferner besagten die Minsker Vereinbarungen, dass das Gesetz über die Wahlen in der „DNR“ und der „LNR“ mit diesen abgestimmt werde müsse. Da dies nicht geschehen sei, hätten „DNR“ und „LNR“ die Abhaltung eigener Wahlen verkündet. Darüber hinaus sei in den Minsker Vereinbarungen die Inkraftsetzung eines Gesetzes über den besonderen Status der sogenannten „Volksrepubliken“ – im Verlauf von 30 Tagen nach Unterzeichnung – vorgeschrieben worden. Zwar habe die Verchovna Rada diesen Punkt formal erfüllt, doch gleichzeitig mit diesem Gesetz einen Artikel angenommen, laut welchem dieses Gesetz erst nach lokalen Wahlen in diesen nicht anerkannten „Volksrepubliken“ in Kraft treten soll; damit hätte sie die Inkraftsetzung (auf unbestimmte Zeit) verschoben. Präsident Putin bezeichnete diese juristischen Umgehungsversuche als „Manipulation“ – eine Handlungsweise, in der er selbst ein Meister ist.

Eine andere stereotype Forderung, die Putin allerdings unisono mit der deutschen Kanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten erhebt, ist die „vollständige Erfüllung der Minsker Vereinbarungen“ – eine Beschwörungsformel, die von allen am Minsker Prozess beteiligten Politikern einschließlich des ukrainischen Präsidenten Poroschenko, sowie auch von dem amerikanischen Präsidenten Obama und seinem Außenminister Kerry mantrisch wiederholt wird. Auf die Frage des amerikanischen Journalisten Charlie Rose, was er bezüglich der Ukraine zu tun bereit sei, antwortete Putin: „…sowohl Russland als auch die anderen internationalen Akteure […] die sogenannten Normandie-Vier, (und) sicherlich, mit dem starken Engagement der Vereinigten Staaten – wir haben unseren Dialog über die Frage intensiviert“, beeilte er sich hinzuzufügen – „wir sollten uns alle verpflichten, auf der vollen und bedingungslosen Umsetzung der Vereinbarungen zu bestehen, die in Minsk erreicht wurden.“148 Es gebe keinen anderen Weg als die Erfüllung der Minsker Vereinbarungen, „wenn wir langfristigen Frieden im Südosten der Ukraine und die Wiederherstellung der territorialen Integrität des Landes erreichen wollen“. (Die Krim klammerte Putin bei der „Wiederherstellung der territorialen Integrität“ der Ukraine aus.) Die regierenden Politiker (“lidery”) Deutschlands und Frankreichs würden die Situation um den Konflikt in der Ukraine „hinreichend objektiv“ einschätzen, obwohl sie die Kiewer Regierung unterstützten. „Ohne Beteiligung Europas und der USA wird die Regulierung der Situation kaum gelingen“, sagte Putin.149

Abgesehen davon, dass Moskau für die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Minsker Abkommen, die den Marionetten-Regimen in den „russischen Enklaven“ obliegen, verantwortlich ist, ist Russland selbst in Minsk unmittelbar zwei Verpflichtungen eingegangen: Abzug aller ausländischen Truppen, d. h., Abzug der russischen Söldner und regulären Soldaten der russischen Armee vom Territorium der Ukraine (Minsk II, Punkt 10)150, und die Wiederherstellung der vollen Kontrolle der ukrainischen Regierung über die Grenze mit Russland in der gesamten Konfliktzone (Minsk II, Punkt 9)151. Der Pressesekretär des Präsidenten Putin, Dmitrij Peskov, nannte die Forderung, Moskau solle seine Verpflichtungen aus den Minsker Vereinbarungen erfüllen, „absurd“ – und wiederholte Putins Urlüge, dass Moskau nicht Partei in dem „inner-ukrainischen Konflikt“ sei, die die Minsker Vereinbarungen zu erfüllen habe.152

Russland will nicht als Kriegspartei gesehen werden, sondern als „Vermittler“ im Minsk-Prozess – wie Deutschland und Frankreich. Deshalb gibt der Kreml seine Aggression im Donbass vor der Weltöffentlichkeit als „inner-ukrainischen Konflikt“, als „Bürgerkrieg“ aus – eine weitere Moskauer Sprachregelung. Eindeutig und eindringlich verwahrte sich der ukrainische Präsident Poroschenko auf der Jahrestagung der „Yalta European Strategy“ am 11. September 2015 gegen diese russische Schutzbehauptung: „Wir haben keinen Bürgerkrieg; wir haben keinen internen Konflikt. […] Wir haben es mit einer Aggression gegen die Ukraine zu tun, mit einer Okkupation der unabhängigen Ukraine. Und es ist absolut klar, dass Russland der Aggressor ist.“153

Die russische Verpflichtung zum Abzug der russischen Soldaten ist allerdings bedingt: Sie soll am ersten Tag nach (kursiv WS-D) lokalen Wahlen in den „gesonderten Rajons“ beginnen – und nach (kursiv WS-D) der „umfassenden politischen Regelung (lokale Wahlen in den gesonderten Rajons…“; diese wiederum sollen auf der Grundlage des „Gesetzes über die besondere Ordnung (Zakon pro osoblyvyj porjadok) und nach einer einschlägigen Reform der ukrainischen Verfassung stattfinden (Minsk II, Punkt 9). „Diese Regelung soll bis Ende 2015 zum Abschluss gebracht werden, vorausgesetzt, dass Absatz 11 in Absprache und im Einvernehmen mit Vertretern der gesonderten Rajons …im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (kursiv WS-D) umgesetzt wird.“ Das geschieht bereits; von einem „direkten Dialog“ des ukrainischen Präsidenten mit den „Staatschefs“ der selbst-proklamierten und nicht anerkannten „Volksrepubliken“ ist in den Minsker Vereinbarungen nicht die Rede.

„Syrien“ – die Entlastungsfront

Mit seiner militärischen Intervention in Syrien hat Moskau – nach der militärischen Aggression im ukrainischen Donbass – eine zweite Front eröffnet. Es ist nicht abwegig, darin einen direkten Zusammenhang mit der Reduktion der Kampfhandlungen im Donbass zu sehen. Als Motiv für Präsident Putins neue „Specoperacija“ wird von Beobachtern entweder politische „Ablenkung“, oder militärische „Entlastung“154 oder beides vermutet.

Ob aus diplomatischer Opportunität oder aus verfehlter Beurteilung bestritten sowohl Angela Merkel als auch François Hollande einen Zusammenhang zwischen Syrien und der Ukraine, während russische Experten, die den russischen Präsidenten Putin und die Mentalität seiner Entourage („okruženie“) besser kennen als das Bundeskanzleramt und der Elysée-Palast, sehr wohl diese Verbindung sehen. Der russische Militärexperte Pavel Felgenhauer verkürzt sogar Moskaus jüngstes militärisches Abenteuer in Syrien auf dessen Zusammenhang mit der Ukraine: Die Ukraine sei für Russland um ein Vielfaches wichtiger als Syrien. Der Aufbau einer konkurrierenden Interventionskapazität Russlands in Syrien diene dem Zweck, von den USA ihren eventuellen Abbau im Gegenzug für freie Hand gegenüber der Ukraine zu erreichen.155 Auch Richard Haass, der Präsident des „US Council on Foreign Relations“, sieht den Hauptgrund für die militärische Intervention Russlands in Syrien darin, die Aufmerksamkeit der Welt von der Ukraine abzulenken.156 Es verwundert nicht, dass auch der ukrainische Premierminister Jazenjuk derselben Meinung ist: “Syrien ist ein Teil von Putins Strategie, die westliche Welt von der Ukraine abzulenken (und sich auf die Weltbühne zurückzubringen”).157 Dagegen meinte die deutsche Kanzlerin in einem Interview mit dem Deutschlandfunk am 4. Oktober 2015: „Nein, also diesen Zusammenhang sehe ich überhaupt nicht. Der einzige gemeinsame Nenner ist sozusagen, dass sowohl im Syrienkonflikt als auch im Ukrainekonflikt der russische Präsident, Wladimir Putin, eine Rolle spielt. […] der Syrienkonflikt ist ein anderes Thema, über das ich mit dem russischen Präsidenten natürlich im bilateralen Gespräch auch gesprochen habe (am 2. Oktober in Paris) – aber das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun.“158

Der russische Außenminister Lawrow tat die Vermutung, ein sekundäres Ziel der militärischen Intervention Russlands in Syrien könnte sein, von Russlands militärischem Engagement in der Ukraine abzulenken, mit der Bemerkung ab, er könne sich nicht zu dem, was „kranke Geister“ in den Medien erzählten, äußern.159 Es versteht sich von selbst, dass auch Präsident Putin einen Zusammenhang leugnet. Eine diesbezügliche Frage des amerikanischen Journalisten Charlie Rose präzisierend – „meinen Sie, dass unsere Aktionen in Syrien die Aufmerksamkeit von der Ukraine ablenken sollen ?“, sagte Putin: „Nein, das ist falsch. Die ukrainische Frage ist ein separates […] Problem für uns.“160

Unmittelbar dient die „syrische Front“ sicherlich der Wahrung der strategischen Interessen Russlands in Nahost, der Projektion russischer Seemacht im Mittelmeer und der Rückgewinnung politischen Einflusses in diesem Raum. Doch über dieses regionale strategische Ziel hinaus verfolgt Putin mit dem Einsatz der russischen Luftwaffe im syrischen Bürgerkrieg sein „Metaziel“ – die Wiederbesetzung der verlorenen Rolle Russlands als ein den USA ebenbürtiger „Spieler“ auf der Weltbühne, als „global player“. Gleichzeitig meint Putin, durch die geopolitische Verständigung mit Washington sein strategisches Ziel, die „Konsolidierung“ des postsowjetischen Raumes unter Moskaus Kontrolle – wohl mit Ausnahme des Baltikums, aber unter Einschluss der Ukraine – erreichen zu können.

Der „Islamische Staat“ – der vorgeschobene Feind

Am 30. September – kurz nachdem der Föderationsrat der Russländischen Föderation den Antrag des Präsidenten auf Einsatz russischer Streitkräfte im Ausland einstimmig genehmigt hatte161 – flog die russische Luftwaffe ihren ersten Einsatz in Syrien162 und bombardierte Objekte, von denen das russische Verteidigungsministerium behauptete, dass es sich um Befehlsstände und Waffenlager der Kämpfer des „Islamischen Staates“ in den Bergen gehandelt habe, die „zielgenau“ zerstört worden seien.163 Prompt erschienen in den Medien Video-Aufnahmen, die belegen sollten, dass die historische Stadt Hama (Ḥamāh) bombardiert worden sei, wobei zwischen 30 und 60 Zivilisten zu Tode gekommen sein sollen. Auf der Sitzung des russischen „Rates für die Entwicklung der bürgerschaftlichen Gesellschaft und für Menschenrechte“ (Sovet po razvitiju graždanskogo obščestva i pravam čeloveka) nannte Präsident Putin Informationen über zivile Opfer der russischen Luftangriffe „Informationsattacken“.164 Der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian sagte (in einer Fragestunde der Assemblée nationale), dass die russischen Luftschläge nicht Objekten des sogenannten „Islamischen Staates“ gegolten hätten.165 Der amerikanische Verteidigungsminister Ashton Carter meinte, dass die russischen Luftschläge „wahrscheinlich“ („probably“) nicht Ziele des „Islamischen Staates“ angegriffen hätten, sondern in Regionen erfolgt seien, in denen sich keine Streitkräfte des „IS“ befänden.166 John Kirby, der Sprecher des State Department, erklärte nach einer Woche russischer Bombardierungen am 7. Oktober, über 90 Prozent der russischen Luftangriffe in Syrien seien gegen Truppen der syrischen Opposition geflogen worden, nicht gegen den „IS“ und al-Quaida- nahe Gruppen.167

Der Vertreter des russischen Verteidigungsministeriums, Generalmajor Igor’ Konašenkov, verkündete in einem Presse-Briefing, dass alle Angriffe nach genauer Luftaufklärung erfolgt seien – und nach präziser Verifizierung der Ziele, die vom Stab der syrischen Armee geliefert wurden (!).168168 Die von Seiten der syrischen Armee vorgegebenen Ziele waren mit Sicherheit nicht (nur) „IS“-Stellungen, sondern vornehmlich Stützpunkte der – vom Westen unterstützten – bewaffneten Opposition gegen das Assad-Regime.169 Der Sprecher des Kreml, Dmitrij Peskov gab zu, dass nicht nur der „IS“ das Ziel russischer Angriffe sei. Es gebe eine russische Liste „terroristischer Organisationen“ in Syrien. Die Positionen dieser Kräfte würden in Abstimmung mit den Streitkräften des Assad Regimes identifiziert!170

Der Kreml habe gar nicht die Absicht und vor allem aber nicht die Fähigkeit, den „Islamischen Staat“ in Syrien zu besiegen, argumentiert der Militärexperte im European Council for Foreign Affairs, Gustav Gressel.171 Wie die von den USA seit zwei Jahren geflogenen Luftangriffe zeigten, lasse sich die jihadistische Terrororganisation „Islamischer Staat“ mit Luftschlägen allein nicht zurückdrängen.172 Aber Afghanistan ist in Moskau nicht vergessen: Präsident Putin selbst schloss den Einsatz von russischen Bodentruppen kategorisch aus – „was auch immer geschehen mag…“.173 Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der Gosudarstvennaja Duma, Admiral Wladimir Komoedov, schloss allerdings nicht aus, dass in der syrischen Armee ein „russsiches Freiwilligen-Bataillon auftauchen“ könnte, darunter Soldaten, die im Donbass Kriegserfahrung erworben hätten.174 Wie die Hauptabteilung Aufklärung des ukrainischen Verteidigungsministeriums am 22. Oktober meldete, seien in dem von Russland kontrollierten Teil des Donbass Erfassungsstellen für die Rekrutierung von Freiwilligen eingerichtet worden, mit denen ein internationales Bataillon namens „Kreuzfahrer“ („Krestonosec“) aufgestellt werde.175

Partnerschaft mit den USA – Putins diplomatische Offensive

Russlands militärische Intervention in Syrien wurde durch eine diplomatische Offensive eingeleitet. Die jihadistische Terror-Organisation „Islamischer Staat“ kam dem Kreml dabei gelegen. Unter dem Vorwand seiner Bekämpfung versucht Präsident Putin sich den USA als globaler Partner in einer multipolaren Ordnung (eine Rückkehr zur Bipolarität ist angesichts Chinas Aufstieg nicht mehr möglich) zu empfehlen. Auf der Website des russischen Außenministeriums erklärte Minister Lawrow bereits am 14. Juli 2015, dass das Nuklear-Abkommen mit dem Iran den Weg für eine breite Koalition im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ frei gemacht habe.176 In seiner Rede vor der 70. Vollversammlung der Vereinten Nationen177 am 28. September 2015 – und in seinem Gespräch mit dem amerikanischen Präsidenten Obama am Rande der Vollversammlung in New York – warb der russische Präsident für eine neue internationale Koalition gegen den Terror: “Wir müssen eine wirklich breite, internationale Koalition gegen den Terrorismus schaffen – und zwar auf der Basis des Völkerrechts, erklärte der Völkerrechtsbrecher Putin.

In dem der Ukraine gewidmeten Teil seiner Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen178 wiederholte Putin seine stereotypen Forderungen an die Regierung in Kiew: „Vollständige Erfüllung der Minsker Vereinbarungen“ – und „direkter Dialog zwischen Kiew und den nicht anerkannten Republiken“. Letzteres sei das „Hauptproblem“. Er forderte die Berücksichtigung der Interessen und Menschenrechte der Bewohner des Donbass, die Respektierung ihrer Wahl. In Wahrheit waren die „Menschenrechte“ der russisch-sprachigen Bevölkerung in der Ukraine nie im Geringsten beeinträchtigt; und nach der gewaltsamen, von russischen Agenten organisierten Machtübernahme der Separatisten, und infolge der Gehirnwäsche durch die russische Propaganda, sind die wahren Interessen, Präferenzen – und Sentiments – der Bevölkerung in den besetzten Gebieten wohl nicht mehr feststellbar.

Weder von amerikanischer noch von russischer Seite wurde nach dem 90-minütigen Gespräch der beiden Präsidenten Barrack Obama und Wladimir Putin am 28. September 2015 eine offizielle Erklärung herausgegeben. Der ehemalige Wirtschaftsberater russischer Regierungen Andrej Illarionov, zog aus zwei Interviews des amerikanischen Außenministers John Kerry am Morgen des 29. Septembers179 und aus dessen Rede bei einem Außenministertreffen am 30. September in New York,180 sowie aus der Pressekonferenz des russischen Präsidenten Putin am Abend des 28. Septembers,181 den Schluss, die beiden Präsidenten hätten sich darauf verständigt, die Erfüllung der Minsker Vereinbarungen als eine gemeinsame Aufgabe Russlands und der USA anzusehen.182 Anders als Illarionov behauptet, verlautete aus diplomatischen Kreisen nach dem Gespräch der beiden Präsidenten, dass sich Obama und Putin in Sachen Syrien leicht verständigt hätten, in Sachen Ukraine aber Obama – sehr zum Ärger Putins – hart auf der amerikanischen Position bestanden habe.183 In seiner Ansprache an die 70. Vollversammlung der Vereinten Nationen am 28. September 2015 hatte der amerikanische Präsident Obama zum Thema Ukraine klare Worte gefunden: „Annexion der Krim“ und „Aggression in der Ostukraine“ seien der Grund für die gegen Russland verhängten Sanktionen: „Wir können nicht beiseite stehen, wenn Souveränität und territoriale Integrität auf ungeheuerliche Weise verletzt werden.“184

Präsident Putin: Schirmherr der Konterrevolution

Um den russischen Luftangriffen zur Unterstützung des mörderischen Regimes des Präsidenten Assad, das er eine „legitime Regierung nannte, einen (völker-)rechtlichen Mantel umzuhängen, und gleichzeitig die militärische Unterstützung der USA für den Kampf der syrischen Opposition gegen das Assad-Regime als Verletzung der UN-Charta zu brandmarken,185 betonte Präsident Putin, dass Moskau in Syrien auf der Basis des Völkerrechts handele „in Beantwortung eines offiziellen Hilfsgesuchs des Präsidenten der Syrischen Arabischen Republik“.186

Präsident Putin pflegt ein antiquiertes Verständnis des internationalen Rechts. In seiner Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen187 pochte er auf das Prinzip der Nichteinmischung. Das moderne Konzept der „Schutzverantwortung“ (Responsibility to protect), das von der Internationalen Kommission zu Intervention und Staatensouveränität (International Commission on Intervention and State Sovereignty / ICISS) entwickelt und auf dem Gipfeltreffen der Vereinten Nationen (World Summit) im Jahre 2005 in New York von fast allen Mitgliedsstaaten anerkannt wurde, ist ihm fremd. Seine militärische Intervention in der Ukraine, sowohl auf der Krim als auch im Donbass, zum „Schutz der russisch-sprachigen Bevölkerung“ begründete Putin mit völkischen Argumenten, nicht mit der völkerrechtlichen Maxime der Schutzverantwortung.

Der Grund für Putins Bekenntnis zum Artikel 2 der Satzung der Vereinten Nationen (Nichteinmischung) ist offensichtlich: Die westliche Unterstützung oppositioneller Bewegungen gegen undemokratische Regime konterkarieren die Interessen des Kreml in den betreffenden Ländern. Darüber hinaus muss Putin eine “Farbenrevolution” in seinem eigenen Land fürchten – und deren Unterstützung von außen. Der „Export von Revolution“ resultiere in „Gewalt und sozialen Katastrophen“, nicht in einem “Triumph der Demokratie“. Die Versuche westlicher Staaten, Demokratie zu oktroyieren – siehe Irak und Libyen – habe zu dem Chaos im Nahen Osten und in Nordafrika geführt188 – womit Putin allerdings nicht Unrecht hat. Revolutionären Protest gegen diktatorische Regime hält Präsident Putin für illegitim. In New York gerierte er sich als „Stabilisator“, als Schutzherr der Konterrevolution. So wie die USA früher lateinamerikanische Diktatoren unterstützten („…but he’s our son of a bitch“189), unterstützt der russische Präsident Putin heute diktatorische Regime, die sich durch Repression und durch verfassungsrechtliche Tricks an der Macht halten, und einer Opposition keine Chance auf einen friedlichen Machtwechsel lassen. Putins Berufung auf “das Volk“ – „nicht die USA, sondern nur das syrische Volk hat über die Zukunft Assads zu entscheiden“ – ist reine Heuchelei: „Das Volk“ hat in Diktaturen nichts zu entscheiden. Der Verweis auf das Volk ist ein typisch sowjetisches Pseudo-Argument. Weder Assad Junior (Baschar al-Assad) noch Assad Senior (Hafiz al-Assad)190 sind durch freie Wahlen an die Macht gekommen. Bei seinem Besuch in Moskau am 21. Oktober 2015 erklärte sich der syrische Präsident Assad mit Präsident Putin darin einverstanden, dass dem militärischen Sieg ein politischer Prozess folgen – und dass „das Volk entscheiden“ müsse – eine zynische Formel aller Diktatoren.

Sicher respektiere er die Souveränität der Ukraine, antwortete Putin auf eine diesbezügliche Frage des amerikanischen Journalisten Rose; aber er wünsche dies auch von anderen Ländern (und meinte die USA). „Souveränität respektieren heißt Staatsstreiche verhindern, verfassungswidrige Aktionen und den illegitimen Sturz von legitimen Regierungen“, erklärte Putin. „Der Staatsstreich in der Ukraine führte zu einem Bürgerkrieg, weil […] viele Ukrainer dem Präsidenten Janukowytsch (zugegebenermaßen) nicht mehr vertrauten. Doch sie hätten […] einen anderen Staatschef wählen sollen, anstatt einen coup d’état zu verüben.“191 Putins „Rat“ ist blanker Zynismus: Der erfahrene Wahlfälscher192 Janukowytsch hätte mit Sicherheit alle „administrativen und juristischen Ressourcen“ mobilisiert, um seine Wieder-„Wahl“ sicherzustellen – und Rache zu nehmen.

Die Zukunft des „Südost-Donbass“ – ein „eingefrorener Konflikt“?

Die Lösung der „Krise in der Ukraine“ sei noch weit entfernt, erklärte Präsident Putin am 1. Oktober 2015 auf der Sitzung des russischen „Rates für die Entwicklung der bürgerschaftlichen Gesellschaft und für Menschenrechte“ ( Sovet po razvitiju graždanskogo obščestva i pravam čeloveka).193

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der russisch-ukrainische Konflikt von der militärischen Intervention Russlands in Syrien sowie dem sie begleitenden diplomatischen „Wiener Prozess“ zur Regulierung des Syrien-Konflikts für einige Zeit überlagert bleiben; doch der „Südost-Donbass“ wird dadurch kein „eingefrorener Konflikt“ nach dem Muster der russischen Exklave Transnistrien.194 Vorläufig ausgesetzt bleiben vermutlich schwere militärische Übergriffe vonseiten der Kämpfer in dem von Russland kontrollierten Teil des Donbass, von „gelegentlichen“ Provokationen abgesehen (die Anfang November 2015 zugenommen haben); nicht beendet aber werden die politischen Angriffe Russlands auf die Ukraine, denn der russische Präsident Putin wird sein strategisches Ziel, nämlich die Kontrolle über die ganze Ukraine, nicht aufgeben, auch wenn er sein operatives Ziel, die Legitimierung seiner Statthalter in den russischen Enklaven „DNR“ und „LNR“ durch international anerkannte Wahlen nicht erreichen wird.

Die in den Minsker Vereinbarungen vorgesehenen – lokalen – Wahlen in den „gesonderten Rajons“ des Donbass, d. h., der Bürgermeister und Gemeinderäte, wurden zum Dreh- und Angelpunkt des Minsker Prozesses. Doch die „zentralen Organe“ der beiden selbst-proklamierten „Volksrepubliken“, der „Staatschef“ („glava gosudarstva“), der „Premierminister“, der „Volksrat“ („Narodnij sovet“) finden in den Minsker Vereinbarungen keinerlei Erwähnung; sie bleiben von Lokalwahlen in der „Donezker Volksrepublik“ („DNR“) und der „Lugansker Volksrepublik“ („LNR“) unberührt. Die Annullierung der „Präsidentschafts- und Parlamentswahlen“ vom 2. November 2014 in den beiden „Volksrepubliken“ ist nicht vorgesehen – sowie auch nicht der Widerruf der Unabhängigkeitserklärung der „DNR“195 vom 7. April 2014, und der Unabhängigkeitserklärung der „LNR“ vom 27. April bzw. 12. Mai 2014. Wie mit den Exponenten der beiden separatistischen Regime nach der Wiederherstellung der Souveränität der Ukraine über die „gesonderten Rajons“ des Donbass zu verfahren ist, wird in dem „Maßnahmen-Komplex zur Erfüllung der Minsker Vereinbarungen“ mit keinem Wort angesprochen. Sie werden wahrscheinlich nach lokalen Wahlen, sofern diese überhaupt stattfinden, unabhängig von Kiew und in Abhängigkeit von Moskau, weiter „regieren“ wie zuvor. Die Anerkennung eines „Sonderstatus“ – einer „besonderen Ordnung der lokalen Selbstverwaltung“ nach Kiewer Sprachregelung196 – für die „gesonderten Rajons“ („Okremi rajony“, russ.: otdel’nye rajony) bedeutet, dass sie nicht wieder in die ukrainischen Oblaste Donezk (Donec’ka oblast’) und Lugansk (Luhans’ka oblast’) eingegliedert werden, sondern „separate“ Entitäten bleiben. Die Ausklammerung der Frage nach dem „Schicksal“ der „zentralen Behörden“ der abtrünnigen Gebiete bei den Verhandlungen in Minsk hat zur Folge, dass der Konflikt durch die Minsker Vereinbarungen nicht gelöst, sondern nur verlängert werden – was im Interesse des Kreml liegt.

Für Moskau machen Wahlen, und seien es „nur“ lokale Wahlen, in der “DNR” und “LNR” nur dann Sinn, wenn sie von Kiew – wie unwillig auch immer – akzeptiert werden. Die Zuerkennung eines „Sonderstatus“ (einer „besonderen Ordnung der lokalen Selbstverwaltung“) für die selbst-proklamierten „Volksrepubliken“ aufgrund von (halbwegs) demokratischen Wahlen würde zum einen Russland von seiner Verantwortung für die kriegsbedingten Zerstörungen auf ukrainischem Territorium befreien – und zum anderen den von Moskau kontrollierten Teil des ukrainischen Territoriums pro forma in den ukrainischen Staat re-integrieren, ohne dass die ukrainische Souveränität über diese russischen Enklaven wiederhergestellt würde.

In der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Premierminister Arsenij Jazenjuk am 23. Oktober 2015 in Berlin sagte Angela Merkel: „Wir arbeiten ja gerade daran, dass die territoriale Integrität (der Ukraine) möglichst (kursiv WS-D) wiederhergestellt wird.197 Die deutsche Kanzlerin, die Initiatorin des „Minsker Prozesses“, wird sich mit der nominellen Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine begnügen müssen. An der faktischen Unabhängigkeit der russischen Enklaven von Kiew – und an ihrer faktischen Abhängigkeit von Moskau – wird sie nichts ändern können. Der Preis für die von der Europäischen Union angestrebte „Normalisierung“ der Beziehungen zu Russland geht auf Kosten der Ukraine; Die Wiederherstellung der Souveränität der Ukraine über die „gesonderten Rajons“ im Donbass ist fiktiv; in der Realität wird die Existenz einer von Moskau kontrollierten Region innerhalb des ukrainischen Staates legitimiert.

Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass in der „DNR“ und der „LNR“ tatsächlich Wahlen stattfinden werden, die Kiew anzuerkennen bereit sein wird, auch wenn ihnen das BDIMR der OSZE eine ausreichende Note erteilen würde. Aus Kiewer Sicht sind in der Konfliktzone – die offiziell immer noch „ATO-Zone“ (ATO: Anti-Terroristische Operation) genannt wird – angesichts der Omnipräsenz bewaffneter Kämpfer „freie“ Wahlen gar nicht möglich, sondern nur „Scheinwahlen“ („fejkovye vybory“ von engl. fake). Wahlen können keine Legitimität beanspruchen, wenn bewaffnete Kämpfer für die „Sicherheit“ sorgen. Deshalb verlangt die Ukraine den vorherigen Abzug aller “ausländischen bewaffneten Formationen“ („Minsk II, Punkt 10; sprich: der russischen Söldner und regulären Soldaten) und die „Entwaffnung aller ungesetzlichen Gruppen“. Premierminister Jazenjuk erklärte auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Kanzlerin Merkel am 23. Oktober 2015 in Berlin, Wahlen könnten den Standards der OSZE bzw. seines BDIMR nur dann entsprechen, wenn sie nicht unter den Augen „bewaffneter russischer Soldaten“ stattfänden. Ferner müssten die 1,5 Millionen Binnenflüchtlinge das Recht erhalten, an den Wahlen in den „gesonderten Rajons“ des Donbass teilzunehmen.198 Die Sicherheit von Kandidaten, von Wahllokalen und der Stimmenauszählung kann nur von ukrainischen Sicherheitskräften gewährleistet werden. Es ist vorhersehbar, dass sich die „DNR“ und die „LNR“ auf diese Bedingungen nicht einlassen werden; folglich werden in diesen „Volksrepubliken“ auch keine lokalen Wahlen nach ukrainischem Recht stattfinden.

Der politische Beobachter Vladimir Socor (Jamestown Foundation) hält nicht für ausgeschlossen, dass die OSZE „mitspielt“ und lokale Wahlen in den beiden „Volksrepubliken“ – bei aller „Unvollkommenheit“ für „akzeptabel“ erklärt (mit den üblichen Empfehlungen für „Korrekturen“ in der Zukunft).199 Socor sieht in der bei dem letzten Gipfeltreffen des Normandie-Quartetts (am 2. Oktober in Paris) akzeptierten Verschiebung von Wahlen in dem abtrünnigen Teil des Donbass auf einen unbestimmten Termin im Jahre 2016 die Möglichkeit, diese so „vorzubereiten“, dass sie von dem BDIMR der OSZE für gültig erklärt werden können.200 Dies ist eine Unterstellung, die bei allem „unguten Willen“ sicher nicht zutrifft. Im Jahre 2016 hat Deutschland den Vorsitz in der OSZE inne. Berlin wird sicher nicht zulassen, dass das BDIMR / ODIHR der OSZE unter dem Druck Russlands (oder auch Frankreichs) seine Standards aufweicht, um Wahlen in den „gesonderten Gebieten“ den Anschein von Legitimität zu geben.

Nicht nur Paris, auch Berlin ist an Wahlen in den nicht von Kiew kontrollierten Territorien des Donbass interessiert, um die politischen Bedingungen von „Minsk II“ als erfüllt ausgeben – und damit den Ukraine-Konflikt für „gelöst“ – erklären zu können. Im Verein mit Washington werden die Europäer deshalb Druck auf Kiew ausüben, lokale Wahlen in den „gesonderten Rajons“ als gültig anzuerkennen, wenn sie nur halbwegs den Minsker Vereinbarungen entsprechen, d. h., wenn das ukrainische Wahlrecht wenigstens pro forma beachtet wird, und wenn sie den Segen des Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR / ODIHR, Warschau) der OSZE erhalten. Die wiederholte Ankündigung – und Verschiebung – von separaten Wahlen durch die Machthaber in den abtrünnigen Gebieten ist sicher nicht ohne das Plazet des Kreml erfolgt; da der Kreml nicht an separaten Wahlen interessiert ist, handelt es sich dabei um einen Bluff, um Berlin und Paris zu bewegen, mehr Druck auf Kiew auszuüben – wenn nicht um eine hinhaltende Taktik, um den „Minsker Prozess“ langsam auslaufen zu lassen, ohne dass er für gescheitert erklärt werden kann.

Wahlen in Feindesland – nach ukrainischem Wahlrecht, mit Beteiligung ukrainischer Parteien und unter Beobachtung durch ukrainische Medien – erscheinen unwahrscheinlich. Doch Michael Link, der Direktor des BDIMR / ODIHR, hält die Abhaltung von gültigen Wahlen in diesen Gebieten für möglich, allerdings unter der strikten Voraussetzung, dass internationale Wahlbeobachter ungehinderten und unangemeldeten Zugang erhalten, und dass – vor allem – Langzeitbeobachter zugelassen werden. Selbstverständliche Bedingung ist die vollständige Einhaltung der Waffenruhe.201 Es sei noch zu früh, um sagen zu können, dass die Seiten nicht zu einer Einigung kommen könnten, antwortete der Chef der Sonderbeobachter-Mission (SMM) der OSZE, Martin Sajdik202 auf eine diesbezügliche Frage der Agentur Interfax.203

Sollte sich der – diplomatische – Optimismus des Generalsekretärs der OSZE, Lamberto Zannier204 bewahrheiten, und der Minsker Prozess nicht scheitern, d. h., sollten „Minsker Wahlen“ wider Erwarten zustandekommen, dann hätte Präsident Putin sein taktisches Ziel in der Ukraine erreicht: Die legalisierte Etablierung einer russischen Enklave im ukrainischen Staat, die ihm erlaubt, von innen Einfluss auf die Politik in Kiew zu nehmen. Selbst wenn Präsident Poroschenko zur Anerkennung dieser Wahlen in den „gesonderten Rajons“ bereit sein sollte – im Parlament würde sich dafür keine Mehrheit finden, und eine „patriotische außerparlamentarische Opposition“ könnte in einem „dritten Majdan“ die Regierung, die durch den „Majdan“205 im Winter 2013 / 2014 an die Macht gekommen ist, hinwegfegen. Das „patriotische Lager“ – im Parlament, in der Bevölkerung und in der kämpfenden Truppe – würde in radikale und moderate „Patrioten“ gespalten; die „janukowistische“ Opposition bekäme Oberwasser und Präsident Putin erhielte die Möglichkeit, politisch einzugreifen, wenn nicht gar einen Vorwand, in Kiew militärisch zu intervenieren.

Doch auch wenn „Minsk“ scheitert, d. h., wenn lokale Wahlen im Sinne der Minsker Vereinbarungen nicht stattfänden, stünde Präsident Putin auf der Gewinnerseite. Wenn „Minsker Wahlen“ nicht zustandekommen, dann stagniert der Minsker Prozess. Der Konflikt friert an der Oberfläche ein; doch unter dem „Eis“ schwelt der Konflikt weiter – wobei ständig die Gefahr eines erneuten Ausbruchs von Gewalt droht. Auch in diesem Fall droht die Spaltung des „patriotischen Lagers“; radikale Kräfte könnten versucht sein, die durch den Krieg in Syrien abgelenkte Weltöffentlichkeit zu nutzen und den Waffenstillstand zu brechen, um den abtrünnigen Teil des Donbass zurückzuerobern. Mit Sicherheit würden sie eine militärische Reaktion Russlands provozieren. Es ist ungewiss, ob es den moderaten Kräften mit Appellen an die Vernunft, oder ob es der Regierung durch den Einsatz loyaler Streitkräfte gelingen würde, ein solches abenteuerliches Unterfangen zu unterbinden.

Die anhaltende Waffenruhe im Donbass setzt die Dringlichkeit einer Lösung des Ukraine-Konflikts herab. Wahrscheinlich ist, dass der Minsk-Prozess stagniert, und der Ukraine-Konflikt im Schatten des Syrien-Konflikts allmählich „einfriert“. Russland wird seine militärische Präsenz auf ukrainischem Territorium nicht beenden; es wird seine schweren Waffen – um 15 Kilometer von der „Kontaktlinie“ zurückgezogen – sowie ein Kontingent russischer Truppen auf ukrainischem Territorium belassen. Und der Kreml wird die Kontrolle über die (rund 300 Kilometer lange) ukrainische Grenze mit Russland in dem Abschnitt des von ihm kontrollierten Teils des Donbass nicht an Kiew übertragen. Gegen diese faktische Okkupation kann die Ukraine nichts unternehmen – und der Westen wird sie hinnehmen. Entlang der (rund 500 Kilometer lange) Grenze („Kontaktlinie“) zu den „okkupierten Territorien“ des Donbass wird von ukrainischer Seite ein “Ostwall“ errichtet werden. Faktisch wird sich die Ukraine von den „gesonderten Rajons“ des Donbass trennen, um sich gegen die destabilisierenden Einflüsse, die von ihnen ausgehen, zu schützen – ohne allerdings den Anspruch auf sie aufzugeben.

Der denkbare Einsatz von Friedenstruppen der Vereinten Nationen zur Sicherung der Waffenruhe würde erfahrungsgemäß den Status des „Südost-Donbass“ als eines „eingefrorenen Konflikts“ besiegeln. In einem Interview mit ukrainischen Fernsehsendern, das am 18. Oktober ausgestrahlt wurde, sagte Präsident Poroschenko, die Ukraine werde ihre Mitgliedschaft im Weltsicherheitsrat206 nutzen, um die Lage im Donbass zu stabilisieren. Er schließe nicht aus, dass die Ukraine ihren Vorschlag, UN-Friedenstruppen im Donbass einzusetzen, wieder aufgreife, insbesondere wenn die Minsker Vereinbarungen nicht entsprechend dem vereinbarten Zeitplan umgesetzt würden.207 Eine Beteiligung des „Aggressors“ an einer Friedensmission der Vereinten Nationen hatte Präsident Poroschenko in der Vergangenheit ausgeschlossen; doch Russland ist ständiges Mitglied mit Vetorecht im Weltsicherheitsrat, der über einen solchen Einsatz zu entscheiden hat.208 Die selbst-proklamierten „Volkrepubliken“ Donezk und Lugansk werden nicht in die Russländische Föderation eingegliedert werden; völkerrechtlich werden sie Teil des ukrainischen Staates bleiben, de facto aber von diesem völlig unabhängig sein; dafür werden sie gänzlich unter der Kontrolle Moskaus stehen.

Die Krim wird sich Moskau weder politisch abhandeln, noch durch Sanktionen abpressen – und schon gar nicht militärisch abnehmen lassen. Die Annexion wird aber international nicht anerkannt werden, sodass die Krim ein weiterer „eingefrorener Konflikt“ (neuer Art) sein wird.

Der Vertreter der Ukraine in der Trilateralen Kontaktgruppe, Ex-Präsident Leonid Kutschma, äußerte auf der Jahrestagung der „Yalta European Strategy“ („YES“) am 12. September 2015 die Meinung, die Lage im Donbass laufe auf einen „eingefrorenen Konflikt“ hinaus, weil eine solche Entwicklung im Interesse Russlands liege.209 Die „Einfrierung“ des Konflikts mag im Interesse Russlands210 liegen, nicht aber im Interesse seines Präsidenten Putin. Ein „eingefrorener Konflikt Südost-Donbass“ wahrt möglicherweise – propagandistisch entsprechend interpretiert – Putins Gesicht; Putins Ziel ist dies sicher nicht. Putin will höchstens vorübergehend Ruhe an der Donbass-Front, um die Aufhebung der Sanktionen zu erreichen211 und um sein Machtspiel mit den USA im Nahen Osten treiben zu können. Auf Dauer aber braucht Putin einen schwelenden Brandherd im ukrainischen Staat, der ihm Vorwände zur politischen, wenn nicht gar militärischen Intervention liefert – eine Neuauflage der klassischen bolschewistischen Nationalitätenpolitik des „Volkskommissars für Nationalitätenfragen“ Josef Stalin.

Winfried Schneider-Deters, Kiew und Heidelberg, Anfang November 2015

Fußnoten

1 Für die Umschrift der Namen von allgemein bekannten Personen und Orten wurde im laufenden Text die Transkription nach Duden verwendet; ansonsten und in den Fußnoten nach DIN 1460. Die (im Ukrainischen und Russischen gleichen) Bezeichnungen für die territorialen Verwaltungseinheiten „oblast’”, Pl. „oblasty“ (entspricht dem „Bezirk“ in der ehemaligen DDR) und „rajon“, Pl. „rajony“ (entspricht dem deutschen Stadt- bzw. Land-Kreis) wurden (nach Duden) in der Form „Oblast“, Pl. Oblaste bzw. „Rajon“, Pl. Rajons“ übernommen.
Dmitrij Kamyšev: Začem gossekretar‘ SŠA Džon Kerri ezdil v Soči. In: Vedemosti, 17.05.2015; http://www.vedomosti.ru.

2 In einem Gespräch mit dem Autor am Rande der XI. „Kiewer Gespräche“ am 13. Oktober 2015 in Kiew. (XI. Kiewer Gespräche / Kyïvs’kyj dialoh: Zwischen Krise und Reformen: Menschenrechte und Justiz in der Ukraine, Kiew, 12. / 13. Oktober 2015).

3 laut der „ungeglätteten“ Abschrift und englischen Übersetzung des Mitschnitts der Pressekonferenz, die vom amerikanischen State Department veröffentlich wurde: U.S. Department of State, Press Availability With Russian Foreign Minister Sergey Lavrov; Remarks, John Kerry, Secretary of State, Sochi, Russia, May 12, 2015; http://www.state.gov.

4 Da’ish (arabisch; (pejorative ?) Abkürzung von: ad-daula al-islāmiyya fī l-ʿIrāq wa-š-Šām (Umschrift Deutsche Morgenländische Gesellschaft / DMG) Islamischer Staat im Irak und in der Levante). Seit Juni 2014 ist die Selbstbezeichnung: Islamischer Staat / IS (arabisch, DMG: ad-daula al-islāmiyya). Kerry benutzte dieses arabische Acronym für IS / ISIL / ISIS (engl. Umschrift: Da’eesh, Daesh), dem Beispiel des französischen Präsidenten François Hollande folgend.

5 RIA Novosti, 18.05.2015; http://ria.ru .

6 U.S. Department of State, Press Availability With Russian Foreign Minister Sergey Lavrov; Remarks, John Kerry, Secretary of State, Sochi, Russia, May 12, 2015; http://www.state.gov .

7 In Anspielung auf den „Restart“ in den amerikanisch-russischen Beziehungen, den die damalige Außenministerin Hillary Clinton nach der Ära George W. Bush verkündete.

8 Gazeta Kommersant’, 12.05.2015: Džon Kerri vybil putevku v Soči. V otnošenijach SŠA I Rossii načinaetsja novyj sezon; http://www.kommersant.ru .

9 in einem Interview mit dem französischen Fernsehsender “France 24”, 14.05.2015; http://www.france24.com.

10 Victoria Nuland selbst offenbarte die Geburt dieser Konstruktion. In einem Interview mit dem russischen Hörfunksender „Echo Moskvy“ am 2. Juli 2015 verriet sie, dass der amerikanische Außenminister Kerry dem russischen Präsidenten Putin eine diesbezügliche Frage gestellt habe; und Putin habe gemeint, dass es gut sei, einen zweiseitigen Kanal zu haben.

11 Rossijskaja Gazeta, Wien, 30.06.2015; RG.RU: http://www.rg.ru .

12 Offizieller Titel: U.S. Assistant Secretary of State for European and Eurasian Affairs, vergleichbar mit „Ministerialdirektor“ im Auswärtigen Amt. Ihre Vorgesetzte ist “Under Secretary of State for Political Affairs”, Wendy Sherman. Nulands Berufung in dieses Amt galt als eine Verschärfung der „anti-russischen“ Politik Washingtons. In Washington ist Nuland wegen ihrer aggressiven Rhetorik und ihrer „tough love“ im Umgang mit den Europäern populär. Die Falken im Kongress schätzen die „undiplomatische Diplomatin“; der republikanische Senator McCain bewundert sie.

13 TASS, 17.05.2015; http://tass.ru .

14 http://de.sputniknews.com.

15 http://de.sputniknews.com . Der vorangegangene Besuch Nulands in Kiew sollte die Unterstützung der USA für die Ukraine bekräftigen, wie Jeff Rathke, der Pressesprecher des Weißen Hauses, in einem Presse-Briefing am 15. Mai 2015 erklärte: „Der zur Zeit stattfindende Besuch von Assistant Secretary Nuland in Kiew […] bekräftigt die volle und unverbrüchliche Unterstützung für die Regierung der Ukraine, ihre Souveränität und territoriale Integrität. Wir stehen weiterhin Schulter an Schulter mit dem Volk der Ukraine und wiederholen unser tiefes Engagement für eine einheitliche ukrainische Nation, die Krim eingeschlossen, ….“. Jeff Rathke, Director of the U.S. Department of State’s Press Office on May 15. Interfax-Ukraine, 16.05.2015; http://en.interfax.com.ua/ .

16 Matthias Gebauer, Holger Stark: Victoria Nuland – „Amerikas Krawall-Diplomatin, in: Der Spiegel, 10.02.2015;
http://www.spiegel.de .

17 Staatlicher TV-Kanal “Rossija 1”, 20.06. 2015, Vesti v subbotu, Video-Interview: Sergej Ivanov ob ideal’nom
Rešenii ukrainskogo krizisa. http://russia.tv.

18 Russischer Ökonom, bis Dezember 2005 Wirtschaftsberater russischer Regierungen. Gegenwärtig: Center for Global Liberty and Prosperity (Cato Institute), Washington D. C.

19 Zerkalo nedeli, Internet-Ausgabe ZN.UA (russ. Ausgabe), 16.07. 2015; http://zn.ua . Andrej Illarionov: Sočinsko-mjunchenskaja sdelka Putina I Obama po Ukraine. In: livejournal, July16th, 2015; http://aillarionov.livejournal.com .

20 Illarionovs Blog-Eintrag stammt aus der Zeit vor dem Abschluss des Abkommens über das iranische Nuklearprogramm.

21 Das Joint Comprehensive Plan of Action / JCPOA wurde am 14. Juli 2015 zwischen dem Iran und den P 5 + 1 (den fünf Ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates plus Deutschland) sowie der Europäischen Union unterzeichnet.

22 Thomas L. Friedman: Obama Makes His Case on Iran Nuclear Deal. In: The New York Times, July 14, 2015; http://www.nytimes.com .

23 Am 28. Juni 2015 telefonierte Putin erneut mit Obama, um Einzelheiten des Abkommens mit dem Iran zu erörtern.

24 Lilia Shevtsova: Cena pobedy. Skoro my uvidim, čto vozobladaet v amerikanskoj politike – interes ili princip. Kasparov,ru, 16.07.2015; http://www.kasparov.ru . Shevtsova ist seit 2014 “nonresident senior fellow” an der Brookings Institution im Center on the United States and Europe (CUSE).

25 The White House, Office of the Press Secretary, July 15, 2015: Readout of the President’s Call with President Wladimir Putin of Russia; “https://www.whitehouse.gov”:https://www.whitehouse.gov/the-press-office/2015/07/15/readout-president’s-call-president-Wladimir-putin-russia .

26 Die Bundesregierung, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 14. Juli 2015, Pressemitteilung 259; http://www.bundesregierung.de.

27 Oksana Syroïd, Ehemalige Leiterin der „Ukrainischen Rechtsstiftung” (Ukraïns’ka pravnyča fundacija).

28 Konrad Schuller: Westliche Einflussnahme. Der Albtraum ukrainischer Politiker, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.08.2015; http://www.faz.net .

29 Von 2014 und 2015 Stellvertretender Chef der Administration des Präsidenten Poroschenko. Čalyj war Mitglied des „Majdan-Rates“ (Hromads’ka Rada Majdanu), des Koordinierungsorgans der diversen bürgerschaftlichen Initiativen, die den Volksaufstand unterstützten.

30 http://gazeta.zn.ua .

31 Nuland ist “Assistant Secretary of State, auf der dritten Ebene nach Secretary of State, John Kerry und Undersecretary of State, Wendy Sherman. Dass eine in der Hierarchie des State Department drittrangige Beamtin ausgesandt wurde, den ukrainischen Präsidenten auf die neue Linie des Weißen Hauses zu bringen, ist ein Indiz für den enormen Einfluss der USA in Kiew. Dem Besuch Nulands in Kiew wurde allerdings durch einen Anruf des amerikanischen Vizepräsidenten Joseph Biden Nachdruck verliehen. The White House, Office of the Vice President, Press release, July 17, 2015, Readout of the Vice President’s Call with Ukrainian President Petro Poroshenko, Ambassy of the United States, Kyiv, Ukraine, http://ukraine.usembassy.gov .

32 „Dezentralisierung der (Staats-)Macht“, ukr. „decentralizacija vlady“, russ. decentralizacija vlasty.

33 Mit diesem legalistischen Trick entwand sich der ukrainische Präsident dem diplomatischen Druck. Der renommierte russische Wissenschaftler und Oppositionspolitiker Andrej Piontkovskij ist der Meinung, dass Poroschenko in dem diplomatischen Krieg mit dem russischen Präsidenten Putin geschickt taktiere. Punkt 18 steht in den Übergangsbestimmungen, nicht im Korpus der reformierten Verfassung. Während der russische Präsident Putin den am 31. August 2015 in erster Lesung angenommen Gesetzentwurf heftig kritisierte, konstatierten die maßgeblichen westlichen Politiker, dass Kiew seine diesbezügliche Verpflichtung aus dem Minsker Abkommen erfüllt habe.

34 Zerkalo Nedeli (russ. Ausgabe), 16.07.2015. META Novyny, 16.07.2015;
http://news.meta.ua . Und: Agentur Interfaks-Ukraina, 16.07.2015.

35 Patrick Bahners: Wie weit im Westen liegt Kiew? (Streitgespräch der Historiker Jörg Baberowski und Heinrich August Winkler). In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.08.2015; http://www.faz.net .

36 „Yalta European Strategy“ (YES), („Jaltinskaja Evropejkaja Strategija“), die im Jahre 2004 von dem ukrainischen Multimilliardär Viktor Pinčuk ins Leben gerufene „Platform publičnoj diplomatii“ zur Unterstützung der europäischen Integration der Ukraine und der Realisierung der Idee eines „Größeres Europa“ (Širokaja Evropa). Vorsitzender des Aufsichtsrates ist der ehemalige polnische Präsident Aleksander Kwaśniewski. Die Jahrestagungen der „YES“-Initiative fanden bis zur Annexion der Krim im Levadia-Palast nahe Jalta statt.

37 Daryna Krasnolutska: Russia Still Poses Threat to Ukraine, U.S. Official Nuland Says. Bloomberg, 12.09.2015; http://www.bloomberg.com .

38 Ukrinform, 07.10.2015; http://www.ukrinform.net.

39 Im Budapester Memorandum, unterzeichnet am 5. Dezember 1994 in Budapest, verpflichteten sich die Signaturstaaten, die Russländische Föderation, die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich gegenüber der Ukraine, als Gegenleistung für den Verzicht auf den Besitz der im Lande lagernden (ehemals sowjetischen) Nuklearwaffen die Souveränität und die bestehenden Grenzen (Art. 1) sowie die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit der Ukraine (Art. 2 f.) zu achten.

40 Der unseriöse Vorschlag, China hinzuzuziehen, lässt die Vertretung der ukrainischen Interessen durch Kučma, der keinen Rückhalt in der ukrainischen Gesellschaft hat, noch dubioser erscheinen, als sie bereits ist.

41 Europäische Kommission für Demokratie durch Recht, eine Einrichtung des Europa-Rates.

42 Nataliya Pysanska: EU and Moscow “consult” on Ukraine’s Constitution, Euromaidan Press, 22.08.2015; http://euromaidanpress.com.

43 Die Verchovna Rada hatte am 16. Juli 2015 die Verweisung des vom Präsidenten eingebrachten Gesetzentwurfs zur Verfassungsänderung an das Verfassungsgericht gebilligt.

44 Oksana Syroyid: Ukraine’s Constitution and the “experts”. Facebook posting, übernommen von Euromaidan Press, 22.08.2015; http://euromaidanpress.com.

45 Die Bundesregierung, Mitschrift (anhand der Simultanübersetzung) der Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, des französischen Präsidenten Hollande und des ukrainischen Präsidenten Poroschenko, Berlin, 24.08.2015; http://www.bundesregierung.de .

46 RIA Novosti, Sevastopol’, 19.08.2015;
http://ria.ru .

47 Die Bundesregierung, Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel…; Berlin, 24.08.2015; siehe Fußnote 45.

48 Ebenda.

49 Élysée, Présidence de la République: Conférence de presse conjointe avec Mme Angela Merkel et M. Petro Porochenko, 24.08.2015; http://www.elysee.fr.

50 Die Bundesregierung, Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel…; Berlin, 24.08.2015; siehe Fußnote 45.
Matthaeus 5:17: „… ich bin nicht gekommen [das Alte Testament] aufzulösen, sondern es zu erfüllen.“

51 Website des Präsidenten Petro Poroschenko, 09.09.2015; http://www.president.gov.ua.

52 Deutsche Welle, 12.09.2015; http://www.dw.com.

53 Ukrainskaja Pravda (russ. Ausgabe), 13.09.2015; http://www.pravda.com.ua.

54 Ukrainskaja pravda (russ. Ausgabe), 13.09.2015, unter Bezug auf die Agentur „Ukrinform“; http://www.pravda.com.ua.

55 Auswärtiges Amt, Pressemitteilung, 12.09.2015; Außenminister Steinmeier zu den Ergebnissen des Außenministertreffens im Normandieformat; http://www.auswaertigesamt.de .

56 Moskovskij gusudarstvennyj institut meždunarodnych otnošenij

57 „U diplomata slova dolžni raschodit’sja s delom, – inače kakoj on diplomat ? Slova – ėto odno, delo – soveršenno drugoe. Chorošie slova – maska dlja prikritija skvernych del. Iskrennij diplomat – ėto suchaja voda, derevjannoe železo.” Biblioteka Michaila Gračeva, Stalin I. V., Sočinenija Tom 2, 1913, Vybory v Peterburge (Pis’mo iz S.-Peterburga), I. Raboča kurija, 3. Edinstvo kak maska i vybory deputata;
http://grachev62.narod.ru.

58 In einer Bemerkung, die Frank-Walter Steinmeier vor dem Treffen der vier Außenminister am 12. September 2015 machte, scheint er seinem Kollegen Lawrow zu widersprechen, der beharrlich leugnet, dass Russland Konfliktpartei ist: “Wir wollen vor allem erreichen, dass heute von den Konfliktparteien Ukraine und Russland (!) der Waffenstillstand über einen längeren Zeitraum stabilisiert wird”.

59 Interview mit dem französischen Außenminister Laurent Fabius, in: Le Journal du Dimanche (JDD), 23.08.2015; http://www.lejdd.fr .

60 François Hollande hielt dem russischen Präsidenten vor, dass nach Erkenntnissen der französischen Aufklärung nur einer der russischen Luftschläge dem „Daesh“, dem „Islamischen Staat“ galt (deren Stützpunkt Roqqa), alle anderen in Sektoren erfolgten, die von der bewaffneten Opposition gegen Assad gehalten werden. Auch Merkel, die von Hollande das arabische Wort „Daesh“ übernahm, bemerkte dazu: „Wir haben klar gesagt, nur der „Daesh“ solle angegriffen werden“. Unfolgsam, wie er ist, hat Putin nicht auf sie gehört.

61 In ihrer Telefon-Konferenz am 9. September 2015 hatten die vier Staats- bzw. Regierungschefs ein Treffen im Normandie-Format für den 2. Oktober 2015 in Paris vereinbart.

62 Benoît Vitkine: Ukraine : le sommet de Paris acte le report de l’application des accords de Minsk, in: Le Monde (lemonde.fr), 02.10.2015; http://www.lemonde.fr .

63 TV-KANAL „112.ua“, 02.10.2015, unter Bezug auf Interfax-Ukraina; http://112.ua, und: http://112.ua .

64 Präsident Hollande ignoriert, dass das offizielle Kiew den Terminus „Sonderstatus“ aus innenpolitischen Gründen meidet und stattdessen von den „Besonderheiten der kommunaken Selbstverwaltung in gesonderten Rajons der Oblast Donetsk und Luhansk“ (kurz: in den „gesonderten Rajons“) spricht.

65 Die Bundesregierung, Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel…; Berlin, 24.08.2015; siehe FN 45.

66 Ukrainskaja pravda (russ. Ausgabe), 03.10.2015; http://www.pravda.com.ua.

67 Ukrainskaja pravda (russ. Ausgabe), 07.10.2015; http://www.pravda.com.ua.

68 Ukrainskaja pravda (russ. Ausgabe), 05.10.2015; http://www.pravda.com.ua.

69 Als ob lokale Wahlen in den „gesonderten Rajons“ des Donbass nach ukrainischem Wahlrecht und nach OSZE-Standards bereits sicher seien, ließ der Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission der Ukraine (Central’na vyborča komisija / CVK), Michajlo Ochendovs’kij, verlauten, für deren Abhaltung sei ein Sondergesetz zur Schaffung der Voraussetzungen – wie Wahlregister, Wahlkommissionen, Wahllokale etc. – nötig. Ochendovs’kij forderte freie Betätigung der ukrainischen Parteien und Medien in den „gesonderten Rajons“.

70 Ukrainskaja pravda (russ. Ausgabe), 05.10.2015; http://www.pravda.com.ua.

71 Vor seinem Treffen mit dem deutschen Außenminister Steinmeier bezeichnete der amerikanische Außenminister Kerry den Ukraine-Konflikt als einen „der Konflikte, der so viel Zeit und Kraft und Anstrengung von anderen Bemühungen abzieht.“ U.S. Department of State, Remarks John Kerry, Secretary of State, Remarks Before Meeting With German Foreign Minister Frank-Walter Steinmeier, Berlin, Germany, October 22, 2015; http://www.state.gov .

72 UNIAN: http://www.unian.ua, und: (Fernsehsender) „112 Ukraïna“; http://112.ua .

73 RIA Novosti, Moskau, 02.10.2015; http://ria.ru, und:
„112 Ukraïna“; http://112.ua .

74 Espreso.TV, 04.10.2015, unter Bezug auf RIA Novisti vom 03.10.2015; http://ria.ru . Espreso.TV, 04.10.2015; http://espreso.tv/ .

75 Wie der Sondervertreter der OSZE, Botschafter Martin Sajdik (offizielle Bezeichnung: “Special Representative of the OSCE Chairperson-in-Office in Ukraine and in the Trilateral Contact Group on the implementation of the peace plan in the East of Ukraine”), den Medien am 29. September mitteilte, unterzeichneten er und der Vertreter der Ukraine, Ex-Präsident Leonid Kutschma, sowie der Sondervertreter der Russländischen Föderation, Botschafter (und Nahost-Experte) Azamat Kul’muchametov in der Trilateralen Kontaktgruppe ein Abkommen über den schrittweisen Abzug von Waffen mit einem Kaliber von unter 100 Millimetern auf eine Entfernung von 15 Kilometern beiderseits der „Kontaktlinie“, eine „Ergänzung zum „Maßnahmen-Komplex“ von „Minsk II“. (Im Minsker Abkommen vom 12. Februar 2015 war der Abzug von schweren Waffen mit einem Kaliber von über 100 Millimetern vereinbart worden.) Ukrainskaja pravda (russ. Ausgabe), 29.09.2015, unter Bezug auf Interfaks (Russland); http://www.pravda.com.ua.
Der Vertreter der „Volksrepublik Donezk“, Aleksandr Zacharčenko, unterzeichnete nach eigner Aussage das Dokument am 30. September. Novoe Vremja, 30.09.2015; http://nv.ua .

76 Die Bundesregierung, Pressekonferenz (im Wortlaut, Ausschrift anhand der Simultanübersetzung) von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Hollande am 02.10.2015 in Paris; http://www.bundesregierung.de .

77 Auch Dmytrij Travin, Professor an der „Europäischen Universität“ in Sankt Petersburg, unterstellt Putin, dem amerikanischen Präsidenten Obama in New York einen „Deal“ angetragen zu haben: Russische Kooperation im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ und den syrischen Präsidenten Assad für die Anerkennung der Aufnahme der Krim in die Russländische Föderation.

78 In der Podiumsdiskussion der XI. „Kiewer Gespräche“ (Kyïvs’kyj dialog), Zwischen Krise und Reformen: Menschenrechte und Justiz in der Ukraine. Kiew, 12. / 13. Oktober 2015.

79 In der Podiumsdiskussion der XI. „Kiewer Gespräche“ am 13. Oktober 2015.

80 Euromaidan Press, 11.09.2015; http://euromaidanpress.com.

81 Agentur “Lugans’kinformcentr“; http://lug-info.com . Vladislav Dejnego ist „Stellvertretender Vorsitzender“ des „Volksrates“ (Narodnij sovet) der „LNR“.

82 Im Mai 2015 überraschten die beiden selbst-proklamierten „Volksrepubliken“ mit Vorschlägen für den Status der von ihnen kontrollierten Teile des Donbass. Ein Dokument enthält Änderungsvorschläge für die ukrainische Verfassung, ein weiteres einen Gesetzentwurf mit dem Titel: „Gesetz der Ukraine ‘Über die Besonderheiten der Abhaltung von lokalen Wahlen, vorgesehen in dem Maßnahmen-Komplex zur Erfüllung der Minsker Vereinbarungen vom 12. Februar 2015’“. Der Text wurde auf der Website der „Doneckoe agenstvo novostej“ (DAN, „Donezker Nachrichten-Agentur) am 13.05.2015 veröffentlicht. Die Dokumente wurden an den Ukrainischen Verfassungsausschuss und an die Trilaterale Kontakt-Gruppe geschickt. Die Autoren der Dokumente sind nicht bekannt; sie sitzen vermutlich in Moskau. Sie waren bemüht, Kiew keine formalen Gründe für die Zurückweisung der Dokumente zu liefern. Die Formulierungen „DNR“ und „LNR“ kommen in den Dokumenten nicht vor, ebensowenig der Begriff „Autonomie“. Leonid Bershidsky: Putin Tries to Freeze the Ukraine Conflict, in: Bloomberg View, 15.05.2015; http://www.bloombergview.com .

83 Die Identifikation der Ausnahmen von einer Amnestie (Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit) ist nicht nur ein Politikum ersten Ranges, sondern ein kompliziertes juristisches Problem, weil die Ukraine bis heute das „Rom-Statut“ (Römisches Statut des Internationalen Gerichtshofes / IstGH, Den Haag) nicht unterzeichnet hat.

84 „Doneckoe agenstvo novostej“ / DAN, Donec’k, 16.09.2015; http://dan-news.info .

85 Korrespondent.net, 21.09.2015, unter Bezug auf „Luganskij informacionnij centr“; http://korrespondent.net, und:
http://lug-info.com .

86 Nachrichtenagentur UNIAN, 09.09.2015; http://www.unian.net .

87 Ukr.: Rada nacional’noï bezpeky i oborony Ukraïny / RNBOU; russ.: Sovet nacional’noj bezopasnosti I oborony / SNBOU.

88 Serhij Rachmanin: Morel’skie tezisy, in: Zerkalo nedeli, Internet-Ausgabe ZN,UA, (russ. Ausgabe), 18.09.2015; http://gazeta.zn.ua . Rachmanin beruft sich auf Informationen von Personen, die in den Minsk-Prozess involviert sind.

89 Der 70-jährige Botschafter Pierre Morel ist Frankreichs erfahrenster Sowjetunion-Experte und Mediator in postsowjetischen Sezessionskonflikten.

90 Deutsche Welle, 19.09.2015; http://dw.com .

91 Das „Prinzip Hoffnung“ erscheint generell die treibende Kraft der westlichen Verhandlungs-„Partner“ Russlands.

92 Der „Morel-Plan“ liegt der Redaktion der Wochenzeitung „Dzerkalo Tyžnja“ / „Zerkalo nedeli“ vor. Laut Johannes Regenbrecht, dem Leiter des Arbeitsstabes Ukraine im Auswärtigen Amt, Berlin, ist der „Morel-Plan“ eine Sammlung von Stichworten, der die Ergebnisse vorangegangener Sitzungen resumiert. Regenbrecht im Gespräch mit dem Autor am Rande der „XI. Kiewer Gespräche“ am 13. Oktober 2015 in Kiew.

93 Deutsche Welle, 26.09.2015; http://dw.com . Laut der Deutschen Welle, 02.10.015, soll Morel die Details des Plans ausgearbeitet haben; http://www.dw.com.

94 The Morel Plan: Will Kyiv swallow the bitter pill? Deutsche Welle, 02.10.2015; http://www.dw.com.

95 Ebenda.

96 Ukrainskaja pravda (russ. Ausgabe), 07.10.2015; http://www.pravda.com.ua, und: http://www.pravda.com.ua.

97 Die Vertreter der Ukraine in den drei Arbeitsgruppen sind Evgenij Marčuk (Sicherheit), Roman Bezsmertnyj (Politik) und Iryna Heraščenko (Humanitäre Angelegenheiten).

98 Doneckoe agenstvo novostej / DAN, 6.10.2015; http://dan-news.info .

99 Ukrainskaja pravda (russ. Ausgabe), 07.10.2015; http://www.pravda.com.ua, und: http://www.pravda.com.ua.

100 Reuters Deutschland, 06.10.2015; http://de.reuters.com .

101 Radio France Inter, 28.10.2015.

102 Ukrainskaja pravda (russ. Ausgabe), 07.10.2015; http://www.pravda.com.ua.

103 Das politische (Tot)Schlagwort „alternativlos“, vergleichbar dem Akronym „TINA“ im englischen Sprachraum („there is no alternative“), wurde von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Unwort des Jahres 2010 gekürt.

104 Die russische Kontrolle über die ukrainische Seite der Grenze mit Russland in der Konfliktzone „DNR“ und „LNR“ macht diese faktisch zu russischen Enklaven.

105 Präsident der Ukraine Petro Porošenko, Offizielle Internet-Repräsentanz: Rede des Präsidenten vor Soldaten in der Garnisionsstadt Čuhuïv (am Ufer des Donec), 22.08.2015, http://www.president.gov.ua .

106 Alexander Hug, „Deputy Chief Monitor of the OSCE Special Monitoring Mission to Ukraine”, bestätigte in der Podiumsdiskussion der “XI. Kiewer Gespräche“ am 13. Oktober 2015, dass der gegenseitige Geschützbeschuss aus bewohnten Gebieten heraus geführt wurde, weshalb es so viele zivile Opfer gegeben habe.

107 Ein Vorgeschmack war der Protest am 31. August 2015 von – mit Knüppeln bewaffneten – nationalistischen Demonstranten gegen den vom Parlament in erster Lesung angenommenen Gesetzentwurf zur Einführung von Änderungen in die Verfassung. Aus dem gewaltbereiten Haufen heraus wurde eine Handgranate in die Reihen der (nach dem „Majdan“ neu aufgestellten) Nationalgarde geworfen; ein Gardist starb vor Ort, drei weitere im Krankenhaus, über Hundert wurden verletzt. Präsident Poroschenko beschuldigte in einem Interview den russischen Geheimdienst der Organisation des gewalttätigen Protests. Innenminister Arsen Avakov dagegen gab die Schuld dem Vorsitzenden der nationalistischen Partei „Svoboda“, Oleh Tjahnybok. Die seit Jahren kursierenden – allerdings durch nichts bewiesenen – Gerüchte über die „Hintermänner“ Tjahnyboks erhielten neue Nahrung.

108 Gemeinsame Pressekonferenz mit Finnlands Präsident Sauli Niinistö, Website des Präsidenten der Russländischen Föderation, Pressekonferenz, Novo-Ogarëvo, 16. Juni 2015; http://kremlin.ru .

109 “There is no alternative to the Minsk process”. Statement by President of Ukraine Petro Poroshenko following the negotiations with Chancellor of Germany Angela Merkel and President of France Francois Hollande, August 24, 2015, Berlin; http://www.president.gov.ua .

110 RIA Novosti, 11.09.2015; http://ria.ru .

111 Bei der Einschätzung des Lösungswegs aus der aussichtslos erscheinenden Lage im Donbass als „alternativlos“ haben offenbar alle Seiten bei Angela Merkel eine sprachliche Anleihe gemacht.

112 Präsident Poroschenko „bat“ ihn in seiner Rede am Eröffnungstag der „YES“-Konferenz am 11. September 2015, diese Erklärung zurückzunehmen.

113 RIA Novosti, 12.09,2015; http://ria.ru .

114 Volodymyr Lanovyj: Die Wirtschaft eines sinnlosen Krieges (Ėkonomika bessmyslennoj vojny), in: Ekonomična Pravda (russ. Version), 03.08.3025;
http://www.epravda.com.ua.

115 Elena Kovalenko, Interview mit Leonid Kravčuk, in dem Internet-Magazin „Fraza.jua“ – Nachrichten und Autoren-Artikel, (http://fn.fraza.ua/), 17.08.2015:
http://fn.fraza.ua/ ferner:
http://news.siteua.org.

116 Interfaks-Ukraina, 28.08.2015; http://interfax.com.ua .

117 Rund 500 000 ehemalige Bewohner des Donbass haben Zuflucht vor dem Krieg in Russland gefunden. Es ist anzunehmen, dass die Flüchtlinge aus dem Donbass (und von der Krim), die in andere Gebiete der Ukraine geflohen sind („Binnenflüchtlinge“, Internally Desplaced Persons / IDP), eher nicht „pro-russisch“ eingestellt sind, sondern „in der Ukraine“ bleiben wollen. Das ukrainische Ministerium für Sozialpolitik registrierte per 28. August 2015 nahezu 1 460 000 Flüchtlinge. Die wahre Anzahl ist erheblich höher, weil ein großer Teil bei Verwandten untergekommen ist. Die NGO „Crimean Diaspora“ schätzt, dass nach der Annexion durch Russland (per August 2015) rund 50 000 Menschen die Krim verlassen haben; von diesen ließen sich laut dem „Staatlichen Notstandsdienst“ (im Jahre 2014) rund 20 000 als Flüchtlinge registrieren. UN Flüchtlingswerk / UNHCR; http://unhcr.org.ua .

118 Serhij Rachmanin: Morel’skie tezisy, in: Zerkalo nedeli, Internet-Ausgabe ZN,UA, (russ. Ausgabe), 18.09.2015; http://gazeta.zn.ua .

119 Die nötige Zweidrittelmehrheit in der noch ausstehenden 2. Lesung ist höchst unsicher.

120 An der Konferenz nahm neben den fünf ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates – wie von Moskau verlangt – der Außenminister des Iran, Mohammed Sarif teil; ferner nahmen – wie von Moskau angeregt – die Außenminister der Nahost-Staaten mit Interessen in und an Syrien teil: Saudi-Arabiens (Adel bin Ahmed Al-Jubeir), Ägyptens (Sameh Shoukry), der Türkei (Feridun Sinirlioglu) und des Irak (Ibrahim Al-Jaafari) u. a. Am Verhandlungstisch in Wien saßen auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier und die Außenbeauftragte der Europäischen Union, Federica Mogherini. Nicht eingeladen waren Vertreter des syrischen Präsidenten Assad und Vertreter der Opposition gegen sein Regime.
Bereits vor seinem Auftritt in der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York hatte Präsident Putin seinen – wiedergewonnenen – Einfluss im Nahen Osten durch die Bildung eines gemeinsamen „Zentrums für den Austausch von Informationen und zur Koordination von Kampfeinsätzen“ gegen den „Islamischen Staat“ demonstriert, an dem sich neben Russland, Syrien und dem Iran auch der Irak beteiligt, der sogar in den ersten drei Monaten den Vorsitz des Zentrums übernommen hat, und stellte damit Washington vor ein fait accompli. Zweimal telefonierte Putin zuvor mit dem König Saudi-Arabiens, Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud, dem engsten Verbündeten der USA in der arabischen Welt, über die Lage in Syrien. Durch die militärische Intervention Russlands nötigte Präsident Putin alle Staaten des Nahen Ostens, die in Syrien eigene Interessen verfolgen, von Saudi-Arabien über Israel bis zur Türkei und Ägypten, zum „Dialog“ mit ihm; er hat sich sozusagen „mit Gewalt“ aus seiner Isolation herauskatapultiert.

121 Strategija razvitija otnošenij Rossijskoj Federacii s Evropejskim Sojuzom na srednesročnuju perspektivu (2000 – 2010), in: Diplomatičeskij Vestnik, Nr. 11, November 1999. S. 20 ff.

122 Siehe Winfried Schneider-Deters: Die „Putin-Doktrin” – das Ende europäischer Sicherheit, in: Erich Reiter (Hg.): Die strategische Lage im Osten der EU, Wien, Mai 2014, S. 73 ff.

123 „My s dušoj i serdcem s Donbassom“. RIA Nowosti; 12.09.2015; http://ria.ru .

124 Dem russischen Präsidenten scheint klar zu sein, dass er das Ziel der Abspaltung von „Neurussland“ durch seine militärische Aggression im Donbass selbst konterkariert hat, falls er dieses Ziel denn je gehabt haben sollte – und die Förderung dieser Bestrebung nicht nur Propaganda war, mit der Absicht, den in der Ost- und Südukraine existierenden latenten in einen virulenten Separatismus zu verwandeln, um die „Junta“ in Kiew (eine andere Moskauer Sprachregelung) zu Fall zu bringen. Doch die völkische Ideologie der „Russischen Welt“ („Russkij mir“) beherrscht nach wie vor das Russland des Präsidenten Putin. Anlässlich des V. „Weltkongresses der im Ausland lebenden Landsleute“ am 5. November 2015 in Moskau schrieb der russische Außenminister Lavrov in einem Artikel für die „Russkaja Gazeta“, die Unterstützung der „Russischen Welt“ habe absolute Priorität in der russischen Außenpolitik. (Sergej Lavrov: Russkij mir na puti konsolidacii, in: Rossijskaja Gazeta, Internet-Ausgabe RGRU, 02.11.2015; http://www.rg.ru). Laut Lavrov leben 30 Millionen Russen im Ausland; davon infolge der Auflösung der Sowjetunion 25 Millionen Russen in den ehemaligen Sowjetrepubliken. Russland werde auch in Zukunft „die Rechte der Landsleute energisch verteidigen – mit dem ganzen Arsenal der Mittel, die das Völkerrecht vorsieht“. Zu den „Errungenschaften“ der russischen „Diaspora“ (Lavrov) gehören 3000 russischsprachige Medien weltweit. Für die Koordinierung der Aktivitäten zum „Erhalt der ethnokulturellen Identität“ (Lavrov) ist die „Regierungskommission für Fragen der Landsleute im Ausland“ („Pravitel’stvennaja komissija po delam sootečestvennikov za rubežom“) zuständig. Gegen „antirussiche Aktionen“ – wie die von Washington und Brüssel eingeführten einseitigen Restriktionen (Lavrov) – hilft der „Fond zur Unterstützung und für den Schutz der Rechte der Landsleute im Ausland“. Dank des „Staatlichen Programms zur Unterstützung der freiwilligen Umsiedlung von Landsleuten (die bislang im Ausland lebten) in die Russländische Föderation“ („Gosudarstvennaja programma po okazaniju codejstvija dobrovol’nomu pereseleniju v Rossijskuju Federaciju sootečestvennikov, proživajuščich za rubežom“) seien
357 000 Russen ‚heim ins Reich’ zurückgekehrt. Durch den „von Kiew im Donbass entfachten Krieg“ seien 1,2 Millionen Ukrainer ins Land gekommen. Dabei werden auch russisch-sprachige, ethnische Ukrainer von Moskau als ‚Auslandsrussen’ vereinnahmt. Die geistige Verwandtschaft mit deutschen organisierten Bestrebungen, die Deutschen außerhalb des Mutterlandes „… dem Deutschtum zu erhalten und sie nach Kräften in ihren Bestrebungen, Deutsche zu bleiben oder wieder zu werden, zu unterstützen“ (Paragraph 1 der Gründungssatzung des „Allgemeinen Deutschen Schulvereins“ (Berlin 1881) springt ins Auge. Die Zwecke, dem diese russischen Institutionen für die ‚Auslandsrussen’ gleichen dem Zweck des Schulvereins und seinen Nachfolgeorgansationen mit der Abkürzung VDA (Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland (VDA), Verein für das Deutschtum im Ausland, 1933: Volksbund für das Deutschtum im Ausland; (1938: Gleichschaltung und Unterstellung unter die „Volksdeutsche Mittelstelle“ der SS); 1998: „Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland e. V. (VDA)“. Der geistige Sprung von den „Volksdeutschen“ zu „Volksrussen“ ist nicht weit.

125 Noch im August hatten die Gefechte zwischen den ukrainischen Streitkräften und den Sezessionstruppen stark zugenommen. An einem einzigen Tag Mitte August gab es neun Todesopfer. Beide Seiten machten die jeweils andere dafür verantwortlich; sie beschuldigten sich gegenseitig, eine neue Offensive vorzubereiten.

126 Lilia Shevtsova: Putin changing tactics in Ukraine but not strategy, in: Euromaidan Press, 14.09.2015;
http://euromaidanpress.com.

127 „XI. Kiewer Gespräche“, Podiumsdiskussion, Kiew, 13.10.2015.

128 Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und Vizekanzler Sigmar Gabriel erklärte, die Spannungen zwischen Berlin und Moskau wegen des Ukraine-Konflikts dürften nicht die Bemühungen überschatten, mit Russland zu einer gemeinsamen Lösung des Syrien-Konflikts zu kommen.

129 anlässlich der Konferenz „Wirtschaftspartner Ukraine: Potenziale – Reformen – Zusammenarbeit“, Berlin, 23.10.2015, die auf Initiative und mit Teilnahme von Kanzlerin Angela Merkel und Premierminister Arsenij Yatseniuk stattfand. Organisiert wurde sie von dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag e.V., dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, der Delegation der Deutschen Wirtschaft in der Ukraine, der Botschaft der Ukraine in Berlin und dem ukrainischen Ministerium für Wirtschaft und Handel.

130 Die Bundesregierung, Mitschrift Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem ukrainischen Ministerpräsidenten Jazenjuk im Bundeskanzleramt, 23. Oktober 2015; http://www.bundesregierung.de .

131 RIA Novosti, 11.10.2015; http://ria.ru .

132 Harrison Koehli: Full unedited text of Wladimir Putin’s interview with Charlie Rose: What CBS left out, Sott.net, 29.09.2015; http://www.sott.net .

133 Lilia Shevtsova: Putin changing tactics in Ukraine but not strategy, in: Euromaidan Press, 14.09.2015;
http://euromaidanpress.com.

134 Am 1. September wurde der russische Rubel zur Hauptwährung in der „LNR“ erklärt. Foreign Policy News, 19.08.2015; http://foreignpolicynews.org.

135 Ende August sollen 500 Tonnen russischer Schulbücher per LKW mit einem der sogenannten “humanitären Konvoi” in das Sezessionsgebiet geschafft worden sein.

136 Roman Goncharenko: Leise Abspaltung der Ostukraine geht weiter, in: Deutsche Welle. 20.10.2015; http://www.dw.com .

137 „Erstes Östliches Wirtschaftsforum“ (Pervyj Vostočnyj ėkonomičeskij forum) vom 3. bis 5. September 2015 in Vladivostok. RIA Novosti, Vladivostok, 04.09.2015; http://ria.ru .

138 Die Hauptstädte der beiden Oblaste des Montanreviers „Donbass“ sind auch die „Hauptstädte“ der beiden selbst-proklamierten „Volksrepubliken“, die rund ein Drittel der gesamten Fläche des Donbass unter ihrer (und russischer) Kontrolle haben.

139 Gemeinsame Pressekonferenz mit Finnlands Präsident Sauli Niinistö, Website des Präsidenten der Russländischen Föderation, Pressekonferenz, Novo-Ogarëvo, 16. Juni 2015; http://kremlin.ru .

140 Ukr.: Zakon pro osoblyvyj porjadok miscevoho samourjaduvannja v okremych rajonach Donec’koï ta Luhans’koï oblastej; russ.: Zakon ob osobom porjadke mestnogo samoupravlenija v otdel’nych rajonach Doneckoj i Luganskoj oblastej.

141 Gemeinsame Pressekonferenz mit Finnlands Präsident Sauli Niinistö, Website des Präsidenten der Russländischen Föderation, Pressekonferenz, Novo-Ogarëvo, 16. Juni 2015; http://kremlin.ru .

142 Ebenda.

143 Pušilin ist seit dem 11. September 2015 Vorsitzender des sogenannten „Volksrates“ (Narodnyj Sovet) der nicht anerkannten „DNR“. Pušilin steht seit April 2014 auf der Sanktionsliste der Europäischen Union und wurde im Mai 2014 von der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine zur Fahndung ausgeschrieben – unter dem Verdacht des gewaltsamen Umsturzes der verfassungsmäßigen Ordnung (Art. 109, Absatz 1 des Strafgesetzbuches der Ukraine). Gerüchten nach wurde Pušilins Vorgänger in diesem Amt (und als Vertreter der „DNR“ in der Trilateralen Kontaktgruppe), Andrej Purgin, wegen seiner Ablehnung der Minsker Vereinbarungen, laut Pušilin wegen „politischer Erklärungen, die der Politik des ganzen Staates zuwiderliefen“, abgesetzt (Pušilin „abgewählt“). Il’ja Barabanov: Andrej Purgin ne ustojal na svoej pozicii, in: “Kommersant’”, № 162, 07.09.2015, S. 6; http://kommersant.ru .

144 Dejnego ist Stellvertretender Vorsitzender des sogenannten „Volksrates“ (Narodnyj sovet) der nicht anerkannten „Lugansker Volksrepublik“ („LNR“).

145 In der Trilateralen Kontaktgruppe und in ihren Untergruppen sitzen die Vertreter der Ukraine sehr wohl Vertretern der „Gesonderten Rajons der Donezker Oblast“ (okremi rajony Donec’koï oblasti, „ORDO“) und der Lugansker Oblast (okremi rajony Luhans’koï oblasti, „ORLO“) gegenüber; doch der Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, will sich nicht mit den „Staatschefs“ der selbstproklamierten „Volksrepubliken“ Aleksandre Zacharčenko (ORDO) und Igor’ Plotnickij (ORLO) an einen Tisch setzen.

146 12th Annual Meeting of the Valdai Discussion Club: Societies Between War and Peace: Overcoming the Logic of Conflict in Tomorrow’s World. Sotschi, 19.—22.10.2015. Vladimir Putin Meets with Members of the Valdai Discussion Club. Transcript of the Final Plenary Session of the 12th Annual Meeting. October 22, 2015; http://valdaiclub.com- transcript-of-the-final-plenary-sess/.

147 Europäische Kommission für Demokratie durch Recht, eine Einrichtung des Europa-Rates.

148 Harrison Koehli: Full unedited text of Wladimir Putin’s interview with Charlie Rose: What CBS left out, Sott.net, 29.09.2015; http://www.sott.net .

149 12th Annual Meeting of the Valdai Discussion Club, Sotschi, 19.-22.10.2015.

150 Punkt 10: „Abzug aller ausländischen bewaffneten Formationen, militärischen Ausrüstung und Söldner aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine…“.

151 Punkt 9: „Wiederherstellung der vollen Kontrolle über die Staatsgrenze durch die ukrainische Regierung im gesamten Konfliktgebiet, die am ersten Tag nach den lokalen Wahlen beginnen soll, und nach der umfassenden politischen Regelung (lokale Wahlen in den gesonderten Regionen (Rajons) der Oblaste Donec’k und Luhans’k auf der Grundlage eines (entsprechenden) Gesetzes der Ukraine und nach einer Verfassungsreform) bis Ende 2015 abgeschlossen sein soll – vorausgesetzt, dass Punkt 11 in Absprache und im Einvernehmen mit Vertretern der gesonderten Regionen der Verwaltungsgebiete Donec’k und Luhans’k im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe umgesetzt ist.“

152 http://ria.ru .

153 Reuters, 11.09.2015; http://finance.yahoo.com .

154 Präsident Putin brauche wegen der neuen Stoßrichtung seiner Aggression militärische Entlastung im Donbass, meint der ukrainische Journalist und politische Analyst Vitalij Portnikov. Laut dem Stellvertretenden Stabschef der Antiterroristischen Operation (ATO), Oberst Kostjantyn Sokolov, haben private Militär-Firmen (private military company / PMC), Rekrutierungszentren in der „DNR“ und „LNR“ eröffnet, die für einen Sold von 200 000 Rubel Söldner anwerben (während der Verdienst in der „Armee“der „DNR“ nur 20 000 Rubel beträgt). Pressekonferenz in Kramators’k, am 29. Oktober 2015, TV-Kanal „112“.

155 Pavel Felgenhauer (Fel’gengauėr): Moskau Ups the Stakes in the Syrian Conflict, in: Eurasia Daily Monitor, Volume 12, Issue 162, 10.09.2015. http://www.jamestown.org.

156 Richard Haass: Putin is exploiting a vacuum left by the west, in: Financial Times, 28.09.2015;
http://www.ft.com.

157 Nachrichtenmagazin Focus 44 / 2015, Ukrainischer Regierungschef warnt den Westen vor Putin, 23.10.2015; http://www.focus.de . Jazenjuk warnte vor dem „ausgefuchsten“ Politiker Putin, der leicht jeden westlichen Politiker „austricksen“ könne.

158 Die Bundesregierung, (Radio-)Interview mit Angela Merkel im Wortlaut (Quelle Deutschlandfunk / DLF), 04.10.2015; http://www.bundesregierung.de .

159 Nicole Gaouette, Margaret Talev: Russia’s Quick Jump Into Syria Leaves Obama With Few Options, in: Bloomberg, 02.10.2015; http://www.bloomberg.com .

160 „Die Ukraine ist das uns am nächsten stehende Land. Wir haben immer gesagt, die Ukraine ist unser Bruderland (bratskaja strana)…“, fügte Putin hinzu. Offenbar zieht er daraus den Schluss, über die Ukraine bestimmen zu dürfen.

161 RIA Novosti, 30.09.2015: Sovet Federacii razrešil ispol’zovat’ VS Rossii za rubežom; http://ria.ru . Siehe auch: TASS, Moskau, 30.09.2015; http://tass.ru . Im März 2014 hatte der Föderationsrat einstimmig den Einsatz russischer Streitkräfte auf ukrainischem Territorium gebilligt – in ungeheuerlicher Anmaßung „bis zur Normalisierung der gesellschaftlich-politischen Umstände in diesem Land.“

162 Wie der Stellvertretende Verteidigungsminister der USA, Robert Work, in einer Anhörung im Verteidigungsausschuss des Repräsentanten-Hauses nach dem Beginn russischer Luftangriffe in Syrien erklärte, seien zwischen den beiden Präsidenten Kontakte zwischen den Militärs vereinbart worden, um unbeabsichtigte Zusammenstöße zu vermeiden („de-conflict operations“). “Ich glaube, dies ist eine aggressive Aktion Russlands – jetzt vor den Gesprächen zwischen unseren beiden Streitkräften.” Reuters, 30.09.2015; http://mobile.reuters.com .

163 Interfax.Ru, Moskau, 30.09.2015; http://www.interfax.ru sowie: RIA Novosti, 30.09.2015; http://ria.ru

164 RIA Novosti, 01.10.2015; http://ria.ru . Offenbar wird der Kreml nun Opfer einer medialen Propaganda-Offensive, wie er sie selbst gegen die Ukraine losgetreten hat.

165 Le Figaro / LE FIGARO.fr, 30.09.2015; http://www.lefigaro.fr .

166 The Guardian, 30.09.2015; http://www.theguardian.com und: http://news.yahoo.com .

167 The Guardian, Washington, 07.10.2015, unter Bezug auf Agence France Press; http://www.theguardian.com .

168 RIA Novosti, 30.09.2015; http://ria.ru.

169 In kriegerischen Auseinandersetzungen im postsowjetischen Raum, der von russischen Geheimdiensten durchdrungen ist – wie Georgien und die Ukraine – können sich die russischen Streitkräfte auf ihre eigenen, in Russland installierten Aufklärungskapazitäten verlassen, argumentiert der Militärexperte Gustav Gressel; in Syrien sind sie, wie von Generalmajor Igor’ Konašenkov selbst zugegeben, auf Zielvorgaben der syrischen Armee angewiesen. Gustav C. Gressel: Russia does not have the means or desire to defeat Isis in Syria and Wladimir Putin knows it, in: International Business Times, 17.09.2015; http://www.ibtimes.co.uk .

170 http://ria.ru.

171 Gustav C. Gressel: Russia does not have the means or desire to defeat Isis in Syria and Wladimir Putin knows it, in: International Business Times, 17.09.2015; http://www.ibtimes.co.uk . Gustav C. Gressel, visiting fellow, European Council on Foreign Relations; Experte für Sicherheitspolitik. Von 2006 bis 2014 österreichisches Verteidigungsministerium.

172 Die von den USA geführten „Koalitionskräfte“ fliegen seit einem Jahr rund 2000 Einsätze pro Monat – und sind trotz ihrer effektiveren Systeme nicht in der Lage, den „IS“ aus der Luft zurückzudrängen. Siehe Gustav Gressel, FN 170.

173 RIA Novosti, 11.10.2015; http://ria.ru .

174 Interfaks-AVN, Moskau, 05.10.2015. In den Medien wird ein Sold von 50 USD pro Tag genannt. Für den Krieg in der Ukraine konnten russische Soldaten durch massive Propaganda dazu bewegt werden, sich freiwillig für den Kampf gegen „ukrainische Faschisten“ zu melden und Zivilisten als Söldner angeworben werden. Im Fall von Syrien funktioniert dieses Mobilisierungsmotiv nicht. Das Internet-Magazin „Gazeta.Ru“# berichtete am 19. September über den Fall einiger Zeitsoldaten (inoffiziell russ.: „kontraktniki“) in Novorossijsk, die sich weigerten, ohne schriftlichen Befehl nach Syrien versetzt zu werden. In den Fall wurden die Militärstaatsanwaltschaft und der Inlandsgeheimdienst FSB (Federal’naja služba bezopasnosti) eingeschaltet. Den Soldaten droht ein Strafverfahren wegen Landesverrat („gosudarstvennaja izmena“ / „gosizmena“, Staatsverrat“), wie ihr Menschenrechtsanwalt Ivan Pavlov vom „Komanda 29“ („Team 29“, eine informale Vereinigung von Juristen und Journalisten, benannt nach Art. 29 der russländischen Verfassung, Informationsfreiheit) mitteilte.

175 Glavnoe upravlenie pazvedki Ministerstva oborony Ukrainy (GUR MOU); Ukrainskaja pravda (russ. Ausgabe), 22.10.2015; http://www.pravda.com.ua.

176 AFP, Moskau, 14.07.2015; http://news.yahoo.com . Am 24. August 2015 sagte der russische Außenminister Lavrov , die USA hätten “signalisiert”, dass sie ihre Beziehungen zu Russland reparieren wollten, wenn auch die Signale bislang nicht ganz klar seien. Moskau sei offen für eine Fortsetzung des Dialogs, würde jedoch nicht um bessere Beziehungen betteln. „Doch wenn wir (von Seiten der USA) das Angebot erhalten sollten, […] (nämlich) die Kanäle und die Mechanismen für Dialog und Kooperation, die von unseren amerikanischen Partnern eingefroren wurden, wiederherzustellen, dann werden wir – und da bin ich sicher – damit einverstanden sein.“ Der russische Präsident Putin würde jedes Ersuchen um ein Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten Obama anlässlich seiner Reise nach New York zur Vollversammlung der Vereinten Nationen (Ende September 2015) „konstruktiv erwägen“, fügte Lavrov hinzu. Reuters, 24.08.2015; http://www.reuters.com.

177 Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der 70. Sitzung der Vollversammlung der UNO, New York, 28.09.2015; Website des Präsidenten: http://www.kremlin.ru .
Russia Today, 28.09.2015; https://russian.rt.com.

178 Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der 70. Sitzung der Vollversammlung der UNO, New York, 28.09.2015; Website des Präsidenten: http://www.kremlin.ru .
Russia Today, 28.09.2015; https://russian.rt.com.

179 John Kerry, Secretary of State, New York City, September 29, 2015: Interview With Elise Labott of CNN; Website U.S. Department of State, 29.09.2015; http://www.state.gov .
John Kerry, Secretary of State, New York City, September 29, 2015, Interview With Nicolle Wallace, Mike Barnicle, Mark Halperin, Richard Haass, and Katty Kay of MSNBC’s Morning Joe; Website U.S. Department of State, 29.09.2015; http://www.state.gov .

180 Thema des Treffens: „International Peace and Security and Countering Terrorism”, einberufen von dem russischen Außenminister Sergej Lavrov am Rande der 70. Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York am 30. September 2015.

181 Website des russischen Präsidenten, 29.09.2015; http://kremlin.ru .

182 Andrej Illarionov: O čem dogovorilis’ Putin i Obama, in: Novoe Vremja, 01.10.2015; http://nv.ua .

183 Johann Regenbrecht im Gespräch mit dem Autor am Rande der XI. Kiewer Gespräche am 13. Oktober 2015 in Kiew.

184 The White House, Office of the Press Secretary, September 28, 2015: Remarks by President Obama to the United Nations General Assembly Headquarters, United Nations, New York, New York; https://www.whitehouse.gov.

185 Interview mit dem amerikanischen Journalisten Charlie Rose; siehe FN 1.

186 TASS, Novo-Ogarevo, 30.09.2015; http://tass.ru .

187 Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der 70. Sitzung der Vollversammlung der UNO, New York, 28.09.2015; Website des Präsidenten: http://www.kremlin.ru . Siehe auch:
Russia Today, 28.09.2015; https://russian.rt.com .

188 Interview mit dem amerikanischen Journalisten Charlie Rose; siehe Fußnote 1.
TASS, Novo-Ogarevo, 30.09.2015; http://tass.ru .

189 Die Aussage wird mehreren amerikanischen Präsidenten (namentlich Franklin D. Roosevelt) zugeschrieben und betrifft deren Beziehungen zu lateinamerikanischen Diktatoren.

190 DMG: Baššār al-Asad; Ḥāfiẓ al-Asad.

191 Interview mit dem amerikanischen Journalisten Charlie Rose; siehe Harrison Koehli: Full unedited text of Wladimir Putin’s interview with Charlie Rose: What CBS left out.

192 Die von Janukovyč organisierte Wahlfälschung im Jahre 2004 löste die „Orangene Revolution“ aus.

193 RIA Novosti, 01.10.2015; http://ria.ru.

194 Eigenbezeichnung russ.: Pridnestrov’e, rum. Transnistria. „Offizielle“ Eigenbezeichnung des völkerrechtlich nicht anerkannten de facto Staates: russ.: Pridnestrovskaja Moldavskaja Respublika; rum.: Republica Moldovenească Nistreană; ukr.: Prydnistrovs’ka Moldavs’ka Respublika.

195 Erklärung der Unabhängigkeit durch eine Gruppe bewaffneter und maskierter Männer, angeführt von dem russischen Oberst Igor’ Girkin, alias Strelkov.

196 Ukr.: „osoblyvyj porjadok miscevoho samovrjaduvannja“; russ.: „Osobennyj porjadok mestnogo samoupravlenija“.

197 Die Bundesregierung: Mitschrift der Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem ukrainischen Ministerpräsidenten Jazenjuk im Bundeskanzleramt;
http://www.bundesregierung.de.

198 Die Bundesregierung: Mitschrift der Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem ukrainischen Ministerpräsidenten Jazenjuk im Bundeskanzleramt;
http://www.bundesregierung.de.

199 Vladimir Socor: Minsk Process Refloats Donetsk-Luhansk Election Plans, in: Eurasia Daily Monitor, Volume 12, Issue 198, 02.11.2015; http://www.jamestown.org

200 Wladimir Socor: Russian Hybrid War, Euro-Hybrid Democracy in Ukraine’s East (Part One), in: Eurasia Daily Monitor, Volume 12, Issue 183, October 9, 2015;
http://www.jamestown.org.

201 Antwort auf eine diesbezügliche Frage des Autors; XI. Kiewer Gespräche, 13. Oktober 2015.

202 Offizielle Funktionsbezeichnung: Special Representative of the OSCE Chairperson-in-Office in Ukraine and in the Trilateral Contact Group on the implementation of the peace plan in the East of Ukraine.

203 Ukrainskaja pravda (russ. Ausgabe), 27.10.2015; http://www.pravda.com.ua.

204 “Ich verspüre vorsichtigen Optimismus bezüglich der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen“, sagte Zannier am 12. Oktober in einem Interview mit der russischen Zeitung „Kommersant“. Kommersant.ru, 12.10.2015; http://kommersant.ru .

205 Die Orangene Revolution im Jahre 2004 wäre nach dieser „Rechnung“ der „erste Majdan“ gewesen.

206 Die Ukraine wurde am 15. Oktober für zwei Jahre – beginnend am 1. Januar 2016 – als nicht-ständiges Mitglied in den Weltsicherheitsrat gewählt.

207 Ukrainskaja pravda (russ. Ausgabe), 18.10.2015; http://www.pravda.com.ua.

208 Auch weil laut Artikel 27 (3) der Charta der Vereinten Nationen ein Mitglied des Sicherheitsrates sich der Stimme zu enthalten hat, also sein Vetorecht nicht ausüben kann, wenn es um die Beilegung eines Konflikts geht, in welchem das Mitglied Partei ist, leugnet Moskau beharrlich, dass Russland im Ukraine-Konflikt Partei ist.

209 Ukrainskaja pravda (russ. Ausgabe), 12.09.2015; http://www.pravda.com.ua.

210 Argumentierbar auch im Interesse der Ukraine.

211 Die Sanktionen der Europäischen Union wurden im Juni 2015 bis Ende Januar 2016 verlängert; im Dezember 2015 wird darüber entschieden, ob sie darüber hinaus verlängert werden.

Autor:   Winfried Schneider-Deters  — Wörter: 24111

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