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Minsk II – Die gefährliche Lösung des Ukraine-Konflikts

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Petro Poroschenko und Angela MerkelPräsident Petro Poroschenko und Bundeskanzlerin Angela Merkel am 1. Februar 2016 in Berlin, Quelle: president.gov.ua
Bei dem letzten Treffen des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin am 1. Februar 2016 haben sie sich für die Umsetzung des Friedensfahrplans von Minsk als die einzige Alternative für die Lösung des Ukraine-Konflikts stark gemacht. Doch ein Jahr nach dem Minsker Abkommen treffen die mit ihm verbundenen Hoffnungen auf eine bittere Realität. Die Kämpfe gehen weiter, die Flüchtlingszahlen wachsen, die humanitäre Lage der betroffenen Bevölkerung verschlimmert sich und es wurden erneut Todesopfer gemeldet.

Jedoch passierte nichts Ungewöhnliches bei dem Treffen in Berlin. Wie bisher auch stärkte die Bundeskanzlerin dem ukrainischen Präsidenten den Rücken und gab ein wichtiges Versprechen – Deutschland wird die Sanktionen gegen Russland nicht aufheben, solange Moskau seinen Teil des Minsker Abkommens nicht umgesetzt hat. Doch der Rest der EU gibt der Ukraine gefährliche Signale. Für viele EU-Länder sind die wirtschaftlichen Verluste, die aufgrund der Sanktionen auftreten, wichtiger als eine nachhaltige Lösung des Ukraine-Konflikts. Selbst Frankreichs Staatspräsident François Hollande, dessen Unterschrift unter dem Minsker Abkommen steht, sprach sich vor kurzem für einen Stopp der gegen Russland gerichteten Sanktionen aus. Seine Begründung bezieht sich auf eine fehlende Wirkung der Maßnahmen auf Putins aggressive Außenpolitik.

Doch abgesehen davon, wie sich die Stimmung in der EU weiter entwickelt, ist eines klar – von der Lösung des Ukraine-Konflikts werden alle Parteien, Russland, die EU und die Ukraine, profitieren. Das wesentliche Problem daran ist, dass die Beteiligten sich nicht auf gleichartige Maßnahmen einigen können, die zu einer Beendigung des Konflikts führen. Das ist auch der wichtigste Grund, warum das Minsker Abkommen bisher nicht umgesetzt ist.

Die Regierung in Kiew ist ohne jeden Zweifel sehr daran interessiert, schnellstmöglich eine Lösung für den Konflikt zu finden, da er die Entwicklung des Landes stark behindert. Von der Ukraine wird eine Änderung der Verfassung erwartet, welche den separatistischen Regionen einen „Sonderstatus“ garantiert. Obwohl die ukrainische Delegation in Minsk die Umsetzung dieser Maßnahme versprochen hat, lassen weitere Entwicklungen bisher auf sich warten. Ohne den Abzug der russischen Kämpfer, die nach Putins Äußerung „russische Interessen in der Ukraine durchsetzen“, besteht die Gefahr, dass Moskau den „Sonderstatus“ ausnutzt und die Ukraine weiter destabilisiert.

Russlands Staatschef Putin sieht in den Minsker Vereinbarungen ein „Window of Opportunity“ für seine Separatisten. Viele Analytiker in der EU täuschen sich grundsätzlich, indem sie die sinkenden Ölpreise und die wirtschaftliche Krise in Russland als ein Beginn für das Abweichen von der aggressiven Politik Putins in der Ukraine ansehen. Für Putin spielt der Wohlstand der Bevölkerung eher eine unbedeutende Rolle. Alles, was zählt, ist die Machtposition Russlands. Die manipulierten stattlichen Medien liefern starke Überzeugungskraft, die die schlechten wirtschaftlichen Entwicklungen als Schuld der EU und der USA präsentiert. Infolgedessen wird nicht der wertlose Rubel oder mangelnde Lebensmittel auf dem Markt als ein Rückschlag für die Unterstützung Putins im Land bewertet. Aber die an den Westen verlorene Ukraine kann ein Zeichen von Schwäche sein, die das wichtigste Vermögen der Herrschaft Putins zerstört – die in der Bevölkerung gestärkte Überzeugung, Russland sei eine Weltmacht.

Die Zeit und die letzten Entwicklungen in der EU spielen dem Kreml-Chef in die Hand. Die Flüchtlingskrise riss nicht nur den Zusammenhalt der Union auseinander, sondern liefert nützliche Grundlagen für die russische Propaganda. Der islamische Terrorismus lenkt von dem Ukraine-Konflikt stark ab und in der Zwischenzeit präsentiert sich Putin als Partner in der Syrien-Frage. Die russische Diplomatie leistet ihre Arbeit in der EU, indem sie auf die negativen wirtschaftlichen Folgen der Sanktionen für die EU-Länder aufsetzt. Diese Ereignisse stärken den Willen vieler politischer Akteure den Konflikt im Donbass lieber zu einem inneren Problem der Ukraine zu machen, als ihn weiter durch die ungünstigen Sanktionen gegen Russland gemeinsam zu bewältigen.

Darüber hinaus sehen die Minsker Vereinbarungen vielversprechender für Putin aus als für die EU oder die Ukraine. Hierbei spielen drei Forderungen eine entscheidende Rolle. Erstens sollen alle Kämpfer ohne Ausnahme Amnestie bekommen. Daraus folgend könnten sie problemlos an Wahlen teilnehmen und die destabilisierende Politik Moskaus weiter vorantreiben. Zweitens muss es eine Quote im Parlament für die Vertreter der Separatisten geben. Zusätzlich verlangt der Kreml ein Veto-Recht für sie, was am Ende den Reformprozess und die Annäherung an die EU und NATO sehr schwer behindern kann. Drittens soll die Region eine erweiterte Autonomie bekommen. Obwohl das nicht die Unabhängigkeit von der Ukraine bedeutet, wird Kiew unmöglich irgendeine Art von Kontrolle über das Gebiet ausüben können, solange die Separatisten in den lokalen Verwaltungen bleiben. Außerdem wird die Grenze weiterhin für die russischen „freiwilligen Kämpfer“, Panzer, Munition und Schmuggelwaren offen sein.

Ob dieses Horror-Szenario tatsächlich in der Ukraine stattfinden wird, kann derzeit nur spekuliert werden. Doch ein Jahr nach dem Minsker Abkommen kommen keine positiven Signale aus der EU, außer die bisher festgelegte wörtliche Unterstützung für Kiew. Sie ist wichtig, aber nicht entscheidend.
Die Unfähigkeit der OSZE- Beobachter ein vollständiges Bild der Kämpfe in der Ostukraine wiederzugeben, schafft einen gefährlichen Interpretationsspielraum, den Russland für seine eigene Ziele mittels Propaganda erfolgreich ausnutzt. Außerdem ist es völlig unmöglich festzustellen, welche Seite die Verantwortung für die unterbrochene Waffenruhe trägt. In dieser Situation ist eine einseitige Umsetzung des Minsker Friedensplans für die Ukraine undenkbar, da die Gefahr, dass Russland sich nicht an eigene Versprechen hält, sehr hoch bleibt.

Darüber hinaus kann man feststellen, dass die nachhaltige Lösung des Konflikts in der Ostukraine stark von außenpolitischen Entscheidungen in der EU oder Russland abhängig ist. Das Minsker Abkommen wird nun dann Erfolg haben, wenn entweder Russland selbst entscheidet Truppen und Waffen aus der Ukraine abzuziehen und die Unterstützung der Separatisten aufgibt oder die EU stärkere Maßnahmen ergreift, um den Kreml unter höheren Druck zu setzen. Doch die heutige Ukraine-Krise wird mehr zu einem „eingefrorenen Konflikt“, da beide Akteure nicht bereit sind, derartig bahnbrechende Schritte durchzuführen. Deswegen entfernen sich die Vereinbarungen von Minsk immer stärker von der Realität.

Doch es gibt andere Wege die Situation in der Ukraine zu stabilisieren. Die größte Niederlage für Russland trägt keinen militärischen Charakter und ist nicht mit dem Donbass oder der Krim verbunden. Eine stabile, westlich-orientierte und wohlhabende Ukraine kann für die Kremlchefs das Ende bedeuten. Eine solche Ukraine würde eine gefährliche Botschaft an die russische Bevölkerung senden, nämlich dass eine alternative demokratische Regierung in der Region existieren kann. Durch eine gestärkte Ukraine würde ein Umsturz des oligarchischen und autoritären Regimes möglich. Für die EU ist es selbstverständlich, für die russische Führung inakzeptabel.

Die Ukraine aber ist weit weg von einer Stabilität im wirtschaftlichen und politischen Sinne. Die schleppende Reformierung des Staates sorgt für eine sinkende Unterstützung der Regierung in Kiew. Aber auch viele Fortschritte wurden erreicht. Vor allem hat die neue ukrainische Führung Russland ein wichtiges Druckmittel genommen – die Energieabhängigkeit. Früher konnte der Kreml durch das Zudrehen des Gashahnes die politische Entwicklung in dem Nachbarland aus der Ferne steuern. Heute kann die Ukraine ihren Gasbedarf durch Importe aus der EU decken und die wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland ist nicht mehr so hoch. Das seit 2016 in Kraft getretene Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine öffnet neue Perspektiven für das Land und dient als Alternative für den Handel mit Russland.

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Es ist sehr wichtig, dass die EU nicht aufhört die Ukraine zu unterstützen. Ohne ausländisches Kapital und eine Assistenz in Form von Beratungen wird sich die post-revolutionäre Ukraine schwertun aus der Krise heraus zu kommen. Es ist an der Zeit zu erkennen, dass die Östliche Partnerschaft als Rahmen für die Beziehungen mit den post-sowjetischen Ländern deutlich versagt hat. Die EU muss viel mehr Druck auf die Korruptionsbekämpfung und den Reformprozess ausüben, statt die bedrohliche, einseitige Umsetzung des Minsker Abkommen zu verlangen.

Nataliia Brehmer

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