In Odessa wurden zwei Auftragsmörder durch Sondereinsatzkräfte getötet
Gestern begleiteten Mitarbeitern der Miliz von Odessa ihre Kollegen auf ihrem letzten Weg – den Angehörigen der Spezialeinheit des Innenministeriums „Berkut“ Wiktor Koshenko und den Mitarbeiter der Staatlichen Autoinspektion (GAI) Alexander Rosmariza. Diese kamen in der Nacht zum 30. September in einer Schießerei mit der kriminellen Autorität Aslan Dikajew und seinen Komplizen um, die man aufgrund des Verdachts von Auftragsmorden festzunehmen versucht hatte. Am Sonnabend entdeckte die Miliz die Verbrecher in einem privaten Hotel in Odessa. Nach einem fünfstündigen Kampf, der unter Anwendung von automatischen Waffen und Granatwerfern stattfand, wurden Dikajew und ein Komplize getötet. Ein weiteres Mitglied der Gruppe, Andrej Schemjatenkow, konnte entkommen und nach ihm wird derzeit gefahndet.
Autofahrer mit einem langen Weg
Die Ereignisse, die der Schießerei in Odessa voraus gingen, begannen sich in der Nacht auf den 30. September zu entfalten, als der Mitarbeiter der Staatlichen Autoinspektion/Verkehrspolizei (GAI) Alexander Rosmariza ein Auto des Typs Lada 2110 (WAS-2110) anhielt. Den Unterlagen nach befand sich in dem Auto der 29-jährige Aslan Dikajew, auf den die Miliz bei den Ermittlungen in einem Doppelmord kam, der am 29. Juni im Dorf Baraninzy in der Oblast Sakarpatija ausgeführt wurde. Wie dem “Kommersant-Ukraine” der Leiter der Inspektorengruppe der Ushhoroder Kreisabteilung der Miliz, Wassilij Bursta, mitteilte, wurden an diesem Tag der Besitzer des Restaurants „Oasis“, Artur Amirchanjan, und der Koch, Bebek Tschobanjan, erschossen. Den Mord vollzog ein „hagerer Mensch im Mantel mit Kapuze“. Bursta nach kam Amirchanjan aus Tschechien in die Ukraine, wo er ein eigenes Geschäft hatte und mit Vertretern der tschetschenischen Diaspora einen Konflikt hatte. Die Miliz ermittelte ebenfalls, dass Aslan Dikajew sich in einem schwarzen Lada 2110 bewegte, eben jenem, der im Bereich des Dorfes Koschary angehalten wurde.
Am Lenkrad war Dikajew selbst. Er überreichte Alexander Rosmariza die Papiere, wonach er aus dem Auto ausstieg und den Kofferraum für eine Überprüfung öffnete. In diesem Moment versuchte, den Angaben des Innenministeriums nach, der sich nicht weit entfernt befindende Mitarbeiter der Spezialeinheit „Berkut“ den Verdächtigen festzunehmen. Völlig unerwartet warf Aslan Dikajew zwei Granaten auf die Milizionäre und sein Komplize eröffnete das Feuer aus einer Kalaschnikow. Einer der „Berkut“-Leute verletzte den Schützen, jedoch wurde er von einem weiteren Passagier, der sich im Auto befand, ins Innere gezogen. Die Verbrecher konnten entkommen. Bei dem Feuergefecht starben der 40-jährige Alexander Rosmariza und der 21-jährige „Berkut“-Angehörige Wiktor Koshenko. Weitere vier Milizionäre wurden dabei verletzt.
Die Miliz setzte unverzüglich den Plan zur Festnahme „Sirena“ in Kraft, sandte dabei detaillierte Anweisungen mit einer Beschreibung von Aslan Dikajew aus – „ein hagerer junger Mann mit einer Größe von 160-165 cm und kurzen dunklen Haaren und dünnen Lippen“. Ebenfalls wurde angegeben, dass Dikajew in Wolgograd geboren wurde und in der Hauptstadt der Tschetschenischen Republik in Grosnyj registriert ist.
Die Verluste beim ersten Festnahmeversuch erklärte man bei der Miliz mit dem unerwarteten Widerstand, den Dikajew und seine Komplizen zeigten. Wie dem “Kommersant-Ukraine” bekannt wurde, wurden die Banditen nicht speziell erwartet und das Auto von Dikajew wurde von einem gewöhnlichen Streifenmilizionär der GAI angehalten. Die Mitarbeiter der „Berkut“ befanden sich daneben für eine Verstärkung im Falle unvorhergesehener Zwischenfälle während des Nachtdienstes. Doch auf eine so entschiedene Abwehr von Seiten der Verbrecher waren die Milizionäre einfach nicht vorbereitet.
300 kamen zu zweien
Für die Suche nach den Mördern war das Personal der Hauptverwaltung des Innenministeriums der Oblaste Odessa, Nikolajew und Cherson, sowie der Krim aktiviert worden. Am Freitag standen in Odessa praktisch an jeder Kreuzung verstärkte GAI-Posten, an allen Ausfahrten der Stadt und der Oblaste standen Mitarbeiter der Rechtsschutzorgane und überprüften fast jedes Auto. Den Aufenthaltsort der Verbrecher festzustellen gelang der Miliz, wie ein Informant bei den Rechtsschutzorganen dem “Kommersant-Ukraine” mitteilte, erst am Sonnabendmorgen. Aslan Dikajew mietete gemeinsam mit seinen Komplizen Zimmer im Park-Hotel „Ossobnjak“ im Bereich der 9. Station der Bolschoj Fontan, einem Hotelkomplex mit vieretagigem Gebäude, kleineren Einzelhäusern (in einem von diesem hielten sich die Verbrecher auf) und ebenfalls einem Parkplatz auf dem Territorium des ehemaligen Erholungshauses „Mirnyj“.
Ihr Auto, das der Miliz bereits gut bekannt war, verließen die Banditen offensichtlich irgendwo außerhalb der Stadt und gelangten im Taxi nach Odessa. Der Taxifahrer brachte Dikajew und seine Komplizen nicht direkt zum Hotel, sondern brachte sie einfach zur 9. Station der Bolschoj Fontan. Wie später Innenminister Anatolij Mogiljow mitteilte, gelang es über die Verfolgung einiger von ihnen ausgeführter Telefongespräche den genauen Aufenthaltsort der Verbrecher herauszufinden.
Den Angaben von Augenzeugen nach, die nicht weit vom Hotel wohnten, war vom Morgen an ein großer Bereich der Stadt zwischen den 7. und 10. Stationen der Bolschoj Fontan versperrt. Die Straßenbahn durchfuhr ihn ohne zu halten und andere Transportmittel wurden umgeleitet, wodurch sich in der Stadt Sonnabendmorgen Staus zu bilden begannen. „An allen Kreuzungen standen Mitarbeiter der Miliz mit Schusswesten. In ihrer Reichweite waren Autos, um die Verbrecher zu verfolgen, falls sie die Umzingelung durchbrechen“, sagte dem “Kommersant-Ukraine” einer der Augenzeugen.
„Wir haben anfänglich nicht begriffen, was vor sich geht. Wir sind mit den Kindern aus dem Geschäft nach Hause gegangen, sahen ringsherum Unmengen an Milizionären. Die Leute ringsherum sprachen davon, dass irgendwelche Übungen begannen, doch mein Mann fand heraus, dass sie Terroristen festnehmen. Wir mussten drei Stunden auf der Straße stehen, da sie uns nicht zu unserem Haus ließen“, erzählte eine weitere Einwohnerin des Rajons.
An der Operation zur Festnahme nahmen mehr als 300 Angehörige der Spezialeinheiten des Innenministeriums „Berkut“ und „Sokol“, sowie ebenfalls der Spezialeinheit des Geheimdienstes „Alpha“ teil. Sie umringten das Haus, in dem sich die Verbrecher befanden und boten ihnen an sich zu ergeben. Im Gegenzug eröffneten die Banditen das Feuer aus automatischen Waffen. Der erste Schusswechsel fand laut Zeugen gegen 11.00 Uhr statt. Außer Dikajew und seinen Komplizen war auf dem Territorium des Park-Hotels niemand: die Einwohner der anliegenden Häuser waren von Angehörigen der Miliz evakuiert worden, mit Ausnahme der Menschen, die sich im 16-etagigen Gebäude des „Mirnyj“ Pensionats befanden, bei denen eine Evakuaierung nicht gelang. Eine von ihnen, die Journalistin Oxana Butuk, erzählte dem “Kommersant-Ukraine”, dass die Mitarbeiter der Miliz alle darum baten in ihr Zimmer zu gehen und nicht aus dem Fenster zu schauen. „Wir befanden uns in der 12. Etage und aus dem Fenster war der Ort des Geschehens eben gut zu sehen. Wir waren Zeugen zweier Sturmversuche und sahen, wie in eines der Häuser eine Rauchbombe geworfen wurde“, teilte Butuk mit.
Beide Eroberungsversuche wurde von den Spezialkräften zwischen 11.00 und 13.00 Uhr unternommen und waren erfolglos. Die Banditen wehrten sich hartnäckig, schossen aus Maschinenpistolen und angebauten Granatwerfern. Wie sich herausstellte, hatten sie in dem Haus viele Waffen und Munitionsvorräte. Die Spezialkräfte wurden auch durch das im Hof des Hotel stehende Motorboot behindert, in dessem Tank sich 400l Benzin befanden. Um das Boot zu beseitigen, musste ein gepanzertes Fahrzeug hergebracht werden und die Einwohner Odessas sahen, wie gegen 13.00 Uhr ein Militärfahrzeug auf der Bolschoj Fontan Straße zum „Ossobnjak“ raste.
Das Boot wegziehend, setzten die Spezialkräfte den Beschuss des Gebäudes fort, damit die Verbrecher so viel wie möglich Munition verloren. Gegen 16.00 Uhr gingen Dikajew endlich die Nerven durch. Er sprang aus dem Haus heraus und wurde sogleich von einem Scharfschützen getötet, von denen sich etwa zehn auf den Dächern der Nachbarhäuser befanden. In diesem Moment hatten sich die Spezialkräfte bereits auf den Entscheidungssturm vorbereitet. Eine Abteilung befand sich mit leichten Panzerbüchsen auf dem Dach des vieretagigen Gebäudes des „Ossobnjaks“ und eröffnete das Feuer aus den Panzerbüchsen auf das Dach des Hauses mit den Verbrechern. Danach begannen die Spezialeinheiten mit dem Sturm. In das Haus eindringend, entdeckten die Spezialkräfte den Körper eines weiteren Verbrechers. Es erwies sich als die Person, die am Vortag aus der Kalaschnikow auf den GAI-Posten schoss. Wie gestern Anatolij Mogiljow mitteilte, schaffte es der dritte Komplize vor dem Beginn der Operation aus dem Hotel zu gelangen und nach ihm wird derzeit gefahndet. „Am Ort des Geschehens gibt es nur zwei Tote – das sind diejenigen, die wir gesucht hatten“, unterstrich der Minister. „Geiseln gab es ebenfalls nicht. Ich danke den Einwohnern Odessas für dutzende Anrufe mit möglichen Informationen über die Verbrecher“.
Gestern verschickte das Innenministerium Angaben zum dritten Komplizen Dikajews. Es ist der 34-jährige gebürtige Simferopoler Andrej Schemjatenkow. Dabei wird mitgeteilt, dass Schemjatenkow ein Mann mittlerer Statur ist, 1,7 bis 1,75 m groß mit kurzen mittelblonden Haaren. Er war mit einer hellbraunen Lederjacke, eine schwarzem Pullover mit hellen Streifen, dunklen Jeans und dunklen Schuhen mit langer Spitze bekleidet. Er könnte sich mit einem schwarzen Lada 2115 (Kennzeichen AK0928BP) oder einem Lada 2109 (Kennzeichen 955-94KP) fortbewegen.
Das Gelände um das Hotel war gestern weiter von der Miliz umstellt. Vor Ort arbeiteten Experten. Während der Kampfhandlungen am Sonnabend erlitten die Häuser und die unweit geparkten Autos Schäden. Vertreter des Hotels weigerten sich gestern strikt gegenüber dem “Kommersant-Ukraine” die Situation zu kommentieren, darunter, ob sie für den erlittenen Schaden Kompensationszahlungen fordern werden.
Gestern fand im Odessaer Offiziershaus die Abschiednahme von den beim freitäglichen Schusswechsel getöteten Alexander Rosmariza und Wiktor Koshenko statt. An der Trauerzeremonie nahmen etwa tausend Angehörige der Miliz und der Innenminister Anatolaij Mogiljow teil, der die getöteten Milizionäre post mortem mit der Milizauszeichnung „Gesetz und Ordnung“ und die Verwundeten mit der Auszeichung „Ruhmeskreuz“ auszeichnete. „Am letzten Freitag starben bei uns Menschen. Wir werden Änderungen in die Befehle und Instruktionen einbringen, damit sich zukünftig derartiges nicht wiederholt. Die Jungs haben mit ihrem Körper das ukrainische Volk geschützt und wir werden eine normale Gewährleistung der Miliz anstreben, da sich in den letzten Jahren die Ressourcen, die aus den Zeiten der Sowjetunion übrig blieben, erschöpft haben“, erklärte Anatolij Mogiljow gestern Journalisten.
Alexej Tkatschenko, Irina Sawtschina, Dennis Popowitsch
Quelle: Kommersant-Ukraine