Politik in der IT-Branche


Versuche und nicht allein Versuche Kontrolle über den Informationsraum zu erlangen und diese zu legalisieren zeigen am besten, dass die heutige Regierung mit der jetzigen Situation in diesem Bereich nicht zufrieden ist.

Einerseits hat sie panische Angst vor dem Internet. Seine Gleichberechtigung und Unkontrollierbarkeit bringen sie aus dem Gleichgewicht. Das demoralisiert die Regierung. Unter solchen Umständen, wenn die Mehrheit der Massenmedien, Gerichte und Rechtschutzorgane absolut im Sinne der Regierung arbeiten, ergibt ein unabhängiges Internet für sie keinen Sinn.

Anderseits, versteht sie, dass sich im Internet eine Menge Geld und andere Ressourcen verstecken, die sie aus irgendeinem Grund immer noch nicht oder nicht vollständig kontrollieren. Es sieht so aus, dass das im Land, in dem die Mehrheit der Unternehmen, Finanzinstitutionen und Ländereien im Staatsbesitz sind und schon von dem Regime kontrolliert werden, noch ein Überbleibsel des nicht kontrollierten ist.

Die Regierung hat noch nicht entschieden, wer den Informationsraum „melken“ bzw. wie dies geschehen wird.

Falls das Projekt №6523, welches die Verfasser bis 16. Mai aus Angst um Verbreitung durch die Massenmedien zurückgehalten haben, verabschiedet wird, kann die heutige Mehrheit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Straffrei die Provider zu melken, indem sie ihnen drohen die Webseiten ihrer Kunden für eine Woche zu schließen und jede Internetkommunikation eines x-beliebigen Oppositionellen zu unterbinden, deren unbequemer Inhalt kurz vor einer Wahl stören würde.

Die Bürger können dann nicht nur die Meinungsfreiheit im Internet, sondern auch einen freien Zugang zum Datenaustausch vergessen.

Die einzige Hoffnung ist die Konkurrenz zwischen den Repräsentanten der Partei der Regionen (PR) – und denen, die sich auf diesem Gebiet bereichern wollen.

Ein Beispiel: Der jüngere Präsidentensohn von Janukowitsch kann Luzkyj die Laune verderben, indem er sich der der unzufriedenen Volksmasse anschließt und warnt, dass er gegen das Projekt „Luzkyj-Samojlyk-Sarubinskyj“ stimmen wird, da Ressourcen nicht ohne richterlichen Beschluss blockiert werden dürfen, genauso wie Provider nicht zum Filtern von Inhalten gezwungen werden können.

Im Großen und Ganzen wird vom Vertreter der Partei der Regionen anerkannt, dass das Projekt der „Gruppe um Luzkyj“ unnütz ist, das schon lange im Bildungsausschuss des Parlamentes (Werchowna Rada) von Luzkyj einem Vertrauten von Tabatschnyk vorangetrieben wird.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass mit Hilfe der Resonanz und Machtkämpfe in der Partei der Regionen der Informationsraum ein anderes Modell bekommt. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass Luzkyj ein Risiko eingehen wird, um seinen eigenen Entwurf durchzusetzen. Nach dem Prinzip: Wer zuerst kommt, der mahlt zuerst. Zumindest dieses zurzeit umstrittene Projekt wurde verschoben, was aber Tabatschnyk in dieser Situation zu machen befiehlt, ist noch nicht bekannt.

Schutz der Urheberrechte? Nein, der einfachen Händler

In diesem Zusammenhang, unter den grundlegenden Begründungen des „Luzkyj-Samojlyk-Sarubinskyj“ Projektes geht es um die Notwendigkeit der Urheberrechte im Internet. Dabei weisen die Experten auf einen anderen Personenkreis hin, der an der Verabschiedung des Projektes interessiert ist – die Zwischenhändler. Dadurch wird der Unabhängigkeit der Provider geschadet.

Es ist kein Geheimnis, dass in der Ukraine eine kleine Gruppe von Kleinunternehmern sich an dem Ankauf der Urheberrechte bereichert. Hinter diesen Gruppen stehen Familieninteressen von regimetreuen Unternehmensstrukturen.

Seinerzeit hat das Bildungsministerium versucht „Unser Geld“ auf den „rechten Weg“ zu bringen, in Verbindung mit Einkauf von Diplomen.

Und sie sind unerwartet zu dem Schluss gekommen, dass Tabatschnyk „gezwungen“ war einen Vertrag über 77 Mio. Hrywnja (ca. 7 Mio. Euro) abzuschließen, weil er auf Versuche Information und Teile des Computerprogramms IBC „Bildung“ (ukr. ОСВІТА) eines seiner Vorgänger – Mychajlo Shurowskoho – zu bearbeiten und auf monopolistische Eigentumsrechte „gestoßen“ ist.

Angesichts dessen, dass der Druck auf den Ex-Minister „ungesundes“ Interesse aus der Öffentlichkeit verursacht hat, hat Tabatschnyk die nächste potenzielle „Goldmine“ ins Visier genommen – die Zentrale Bildungsdatenbank (ukr. Єдину державну електронну базу з питань освіти (або ЄДАБО)).

Wozu braucht das Bildungsministerium die Daten der Bürger?

Noch letztes Jahr wurde die Mehrheit der Ukrainer vor die Tatsache gestellt, dass ihre Rechte schon alleine durch den Fakt der Erstellung dieser Datenbank auf Initiative des Bildungsministeriums entsprechend des Kabinetbeschlusses №753 vom 13.06.2011 verletzt werden. Anfang 2012 wurde diese Datenbank erstellt.

In diese Datenbank wurde Information erfasst, die normalerweise der Erstellung von Dokumenten über Bildung nach staatlichen Normen benutzt wurde, ‑ neue und alte, die ursprünglich in der Papierform aufbewahrt wurde, anders gesagt auch Information über Bürger, die an den Hochschulen noch vor der Unabhängigkeit der Ukraine, also während der UdSSR, aufgenommen wurden.

Das widerspricht zumindest dem Artikel 32 der Verfassung der Ukraine, dessen zweiter Teil verbietet das Sammeln von Information über Personen ohne deren Einverständnis. Und des Artikels 19 der Verfassung, nach dem das Ministerium ausschließlich auf Verdacht und im von der Verfassung vorgesehenen Rahmen handeln darf.

Tatsächlich gab es im Kabinettsbeschluss eine sehr musterhafte Verwarnung: „Im Fall des Sammelns von Daten über Privatpersonen – Teilnehmern des Bildungsprozesses – wird das Einverständnis auf Bearbeitung den entsprechenden Daten in der Datenbank zugesichert“.

Aber wozu dann die Präzisierung: „Teilnehmer des Bildungsprozesses“, wenn das gültige Gesetz „über den Schutz der persönlichen Daten“ besagt, dass es für alle ohne Ausnahme gilt?

Und was bedeutet zusichert? Freiwillige Willenserklärung?

Wer und wen hat man jemals um diese Erlaubnis gefragt?

Wozu werden Personendaten der Bürger unter Verletzung gültiger Gesetze gesammelt? Es stellt sich heraus, dass sie – wörtlich – „mit dem Zweck der Gewährleistung von Bedürfnissen privater und juristischer Personen“ gesammelt werden. Welche Bedürfnisse und welche Personen genau ist anscheinend ein strenges Staatsgeheimnis.

Dabei sollte man verstehen, dass die Detaillierung des Zieles, das an die Zentrale Bildungsdatenbank gestellt wurde, praktische Bedeutung für die Bürger hat, deren Personendaten Tabatschnyk ins Auge gefallen sind.

Wenigstens angesichts dessen, dass laut des Artikels 6 des oben genannten Gesetzes, „Inhalt und Bestand der Personendaten bezüglich dieses bestimmten Zweckes, deren Bearbeitung angemessen und nicht unverhältnismäßig sein sollte“.

Und ein „nicht übermäßiger“ Zweck für den Minister – wenn man dem Dokument glauben sollte – ist „Bedarfsversorgung“.

Luft zu Geld

Seinerzeit hat der legendäre Ostap Bender seinen Lebensunterhalt verdient, indem er Tickets für eine Steilwand verkaufte, zu der es einen absolut freien Zugang gab. Als ob er Geld „aus der Luft“ nahm – in der Realität aus der Tasche von naiven Touristen.

Dabei hatten die Touristen wenigsten eine Wahl – gehen oder nicht gehen. In unserem Fall hat Tabatschnyk sofort auf ein Monopol gesetzt.

Noch im Kabinettsbeschluss wurde die Funktion des Verantwortlichen (Leiter) der zentralen Bildungsdatenbank dem staatlichen Unternehmen „Informationsressourcen“ zugesprochen. Dieses Unternehmen gehört zu den Kreisen des Bildungsministeriums.

Nach den Angaben des Büros für journalistischen Recherchen „Swidomo“ (zu Deutsch „bewusst“) verbindet dieses Unternehmen rein „zufällig“ Leute, die dem Minister nahe stehen. Zu denen gehören auch der IT-Berater von Tabatschnyk und sein Bruder (Mychajlo Tabatschnyk), der die Geschlossene Aktiengesellschaft „Informations-technische Systeme“ leitet.

Zurzeit bietet „Inforessourcen“ allen Hochschulleitern ohne Ausnahme aufdringlich den sogenannten „Vertrag für technischen Service“ an.

Der Gegenstand des Vertrages zusammengefasst: Hochschulen bekommen den Zugang zu der zentralen Bildungsdatenbank (ukr. ЄДАБО) mit dem Ziel der Erfüllung des gültigen Gesetzes, als Gegenleistung für rechtzeitige Bezahlung für den Zugang zu den technischen Daten.

Können Sie sich das vorstellen?

Dafür, dass die Hochschulen die Anforderungen gültiger Gesetzes erfüllen, sollen sie dem Monopolisten für den Zugang 744 Hrywnja (ca. 74 Euro) und für die Freischaltung des Systems über den Interfacezugang noch 9.297 Hrywnja und 12 Kopeken (ca. 885 Euro) zahlen! Und das ist erst der Anfang!

Nach derselben Logik könnte die Verkehrspolizei (ukr. ДАІ) die Strafen für Fahrer und Fußgänger für die Einhaltung der Straßenverkehrsordnung eintreiben und die Höhe der Strafe nach Gutdünken festlegen.

Zu guter Letzt

Im Vertragstext wurden die oben genannten Zahlen überhaupt nicht begründet. Man kann die gesamte Summe berechnen. Aber das ist nicht der Sinn der Sache.

Wesentlich interessanter ist: Welchen Teil dieser Summe werden die Hochschulen den hochrangigen Amtspersonen für „ihren“ intellektuellen Besitz, den sie auf den staatlichen Posten bekommen haben, abgeben? Werden sie noch lange zahlen – auch nach deren Entlassung?

8. Mai 2012 // Lesja Orobez – Mitglied der Parlamentsfraktion “Unsere Ukraine – Nationale Selbstverteidigung”, Mitglied der Partei “Front Smin/der Veränderungen”

Quelle: Ukrajinska Prawda

Übersetzerin:   Shanna Dallmer  — Wörter: 1298

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