Puppentheater Kiew: der Ort, an dem Kinder Tablet-PCs vergessen
Sonderprojekt über die interessantesten Kulturorte der Hauptstadt. Heute machen wir uns mit einem Theater bekannt, in dem neben Puppen echte Schauspieler auftreten.
Die hauptstädtischen Theater erleben einen Boom: auf den Veranstaltungsankündigungen. Da in den letzten Jahren wenig berühmte Gastschauspieler in die Ukraine kommen, wurde das Publikum gezwungen, die Aufmerksamkeit auf das eigene kulturelle Geschehen zu lenken. Es stellte sich heraus, dass es bei uns auch Sehenswertes und Menschen gibt, die man bewundern kann. Zudem sind die Theatertickets wie seither nicht besonders teuer (durchschnittlich 30 – 200 Hrwynja, ca. 1- 7 Euro). Damit Sie sich wie echte Theaterliebhaber fühlen, wird „Westi“ für Sie zum Guide, der sie durch die bekanntesten Theaterplätze Kiews führt. Sie erfahren ihre Geschichte, Legenden, lernen die Stars kennen und vergleichen sogar die Preise am Buffet.
Das kommunale Puppentheater begann 1981 als Filiale des Akademischen Puppentheaters. Aber selbst einige Jahre, nachdem es die Selbstständigkeit erlangte, fuhr es zu Kindergärten und Schulen, bis es sich 1997 im ehemaligen Kinotheater „Rowesnik“ niederließ.
Der 78jährige Theatergründer musste vor nicht allzu langer Zeit aus alters- und gesundheitlichen Gründen zu Verwandten nach Russland ziehen, aber im Juli dieses Jahres kam er an seinem Geburtstag nach Kiew zurück und das Theater ehrte seinen “Vater”. Dennoch ist der Posten des künstlerischen Leiters bisher unbesetzt.
In den 35 Jahren seines Bestehens weilte das Theater zu Gastspielen in Jugoslawien, Polen, der Schweiz, Deutschland, Österreich, Portugal, Mexiko, Frankreich,… Heute sind im Stab 100 Personen, darunter 24 Schauspieler, die in 50 Stücken eingesetzt sind. (Tickets 40-45 Hrwynja)
Besonders erfolgreich für das Theater, in dem sowohl Puppen als auch “lebendige” Schauspieler auf der Bühne spielen, war dieses Jahr. Es wurde zum vierfachen Preisträger der „Kiewer Pektorali“. Seine neue Inszenierung „Oskar“ erhielt den Preis als „Beste dramaturgische Inszenierung“ und für die „Beste Regie“ (den erhielt der Regisseur Michail Urizkij). Und „Warum der Elefant eine lange Nase hat“ nach Kipling wurde „Beste Inszenierung für Kinder“, und der Künstler Nikolai Danko erhielt dafür die Nominierung für das „Beste Bühnenbild“.
“Vier “Pektorali” für ein Puppentheater, das ist natürlich Rekord”, sagt Urizkij, “das inspiriert uns zu neuen Ideen. Gerade bereiten wir eine Inszenierung zu den Sonetten Shakespeares vor. Und in jedem Sonett werden die Puppen aus verschiedenen Materialien sein: Papier, Zellophan usw. Die verschiedenen Szenen werden untereinander durch eine Witzfigur verbunden, die eine der populärsten Shakespeareschen Helden ist. Die Premiere ist in dieser Saison. Weiterhin werden wir eine Inszenierung nach Carlo Goldonis „Diener zweier Herren“ machen. Und für Kinder den „Bunten Fuchs“ und „Das Rübchen“ von Iwan Franko.“
Um Kinder zu gewinnen, die sich nicht von ihren Tablets mit Trickfilmen losreißen lassen wollen, und für die älteren aus den sozialen Netzwerken, muss man eine List anwenden, sagt der Regisseur: “Jedes Mal stellen wir uns die Frage: Womit werden wir heute die Zuschauer überraschen?“, erzählt Michail Urizkij. „ In der Inszenierung „Der Zinnsoldat“ nutzen wir zum Beispiel den Disco-effekt: die weißen Handschuhe und weißen Hüte der Schauspieler werden im ultravioletten Licht hellblau, und dann erreichen wir mithilfe der gleichen Beleuchtung, dass die Figur auf der Bühne auf riesige Größe anwächst. Das überrascht.“
In der Aufführung “Warum der Elefant eine lange Nase hat” erreichen wir einen 3D-Effekt: mit Hilfe weißer Zeichnungen auf schwarzem Hintergrund schaffen wir einen reichen Hintergrund, Palmen und Lianen. Die Jugend unterhalten wir mit der Originalität und Aktualität der Soundtracks. In der Inszenierung „Oskar“ hört man ganze 14 Kompositionen vom Semfira (russische Popsängerin, A.d.R.). Wir setzen auch auf interaktive Momente, denn der energetischen Austausch zwischen Zuschauer und Schauspieler ist nicht verloren gegangen!“
Hits des Theaters
Die älteste Aufführung des Theaters ist “Der Rabe” von Carlo Gozzi (Regisseur Sergej Jefremow), eine philosophische Märchen-Parabel über das nicht einfache Verhältnis zwischen König und Magier. Bei den kleinen Zuschauern ist die Inszenierung „Däumelinchen“ des Regisseurs Michail Urizkij gefragt, die er wie eine Geschichte über das Finden des Glücks gestaltet: „Selbst der allerkleinste Mensch ist für das große Glück geboren“. Und ebenso „Die Schneeblume“ von Sergej Koslow über den Igel (den gleichen, der „Im Nebel“ ist) und das Bärchen (Regie Jefremow und Urizkij).
Auch die neue Aufführung “Oskar”, die in diesem Jahr zwei „Pektorali“ erhielt, hat alle Chancen ein Hit zu werden. Es handelt von einem 10-jährigen Jungen, die an Leukämie erkrankt ist und dem noch zwölf Tage zum Leben bleiben. Und er verbringt jeden von ihnen wie ein Jahrzehnt, deren Erlebnisse er in Briefen an Gott beschreibt. Urizkij erzählte, dass ihm die Idee, „Oskar“ nach dem Buch des Franzosen Eric-Emmanuel Schmitt aufzuführen in Lettland kam: „Ich sah dort eine dramatische Aufführung, deren Sinn zu der Erkenntnis führte, wie schrecklich es für ein Kind ist, an Leukämie zu sterben. Ich war nicht einverstanden mit dieser Interpretation, weil ich denke, es ist umgekehrt, es geht nicht um den Tod, sondern um ein kurzes aber wundervolles Leben. Irgendwer sagte so schön: ‚Es ist nicht wichtig, wie viel Tage in deinem Leben sind, sondern wie viel Leben in deinen Tagen.“
Dekoration
“Das ungewöhnlichste, was ich machen musste, war für die Inszenierung “Däumelinchen” ein Flügel aus Acrylglas, in dem ein Aquarium mit Wasser steht“, erinnert sich die Theaterkünstlerin Wera Sadoroschnaja. „In der Überlegung des Regisseurs war dies ein vergessener, alter Flügel im Park. In ihm hat sich Regenwasser gesammelt, in dem sich Frösche angesiedelt haben. Schrittweise zogen im Flügel auch andere Figuren des Märchens ein. Dort wohnte auch Däumelinchen. Aber im Finale der Inszenierung, wenn sich das Schicksal für die Heldin glücklich fügt, erklingt der Flügel – eine fröhliche Melodie wird auf ihm gespielt.“
Legenden und Geschichten
Bjesbaschennaja Paschenka (kopflose Paschenka)
“Es scheint, dass der Charakter der Figur seinen Eindruck auch bei der Puppe selbst hinterlässt”, sagt der Schauspieler Jewgenij Newinskij. „Im Märchen „Morosko“ ärgerte Paschenka, dieses widerliche Mädchen, Väterchen Frost. Insgesamt kopflos. Einmal zerbrach während der Aufführung der Schauspieler einen Hebel – und … ihr fiel im wahrsten Sinne des Wortes der Kopf herunter. Wir machten eine Pause, während der ich sie mit flinker Hand reparierte, doch die Beweglichkeit des Kopfes hatte sich verringert, sodass Paschenka die Nase nicht mehr ganz so hoch trug.
“Morosko” bei Kerzenlicht
Zu der Aufführung “Moroko” gibt es noch eine andere Geschichte. „Einmal kamen wir mit dieser Aufführung in eines dieser Dörfer, und bei ihnen war der Strom ausgefallen“, erzählt uns die Schauspielerin Viktoria Sawgorodnjaja. „Es war dunkel. Die Zuschauer liefen nach Hause und holten Kerzen. Wir haben sie aufgestellt und angezündet, wie in der Kirche. Und weil wir die Musik nicht anschalten konnten, sangen wir Volkslieder. Stellen Sie sich vor, welch zauberhafte Atmosphäre entstand.“
“Aschenputtel, komm zu uns – wir spielen!”
Wir gaben Gastspiele in verschiedenen Ländern. Und die erwachsenen Zuschauer sind überall verschieden. Die Deutschen sind besonnener, die Mexikaner temperamentvoller“, sagt die Schauspielerin Aleksandra Losowskaja. „Dafür sind die Kinder verschiedener Nationen alle ähnlich in ihrem unmittelbaren Verständnis. Als wir in Deutschland zum Beispiel „Rotkäppchen“ zeigten, und ein Junge die Bösartigkeit des Wolfes sah, sprang er auf und schrie mutig: „Na los, den verprügeln wir!“ Und bei Aschenputtel, das wir hier auf der Bühne zeigten, schlug ihr, als die Stiefmutter mit den Schwestern zum Ball aufbrach und Aschenputtel allein mit der Hausarbeit zurückblieb eine kleine Zuschauerin vor sie zu begleiten: „Los, wir gehen zu mir spielen!“
Personen
Aleksandra Losowskaja, 62 Jahre
Verdiente Künstlerin der Ukraine. Die Schauspielerin spielt in Aufführungen wie „Aschenputtel“ oder „Rotkäppchen“ die Puppen. Obwohl sie 62 Jahre alt ist, bekommt sie Hauptrollen, denn die Stimme ändert sich nicht. Alle ihre Puppen gelingen, wie die Kritiker bemerken, zauberhaft, stark und mit scharf gezeichnetem Charakter. Wie in der genannten Puppenaufführung „Der Rabe“ (Zarentochter Armilla).
Wiktoria Sawgorodnjaja, 48 Jahre
Eine Puppenschauspielerin, deren Figuren begeisterte, zarte, poetische Darstellungen sind (häufig Vögel), sie geraten oft in schwierige Situationen, verlieren dabei aber nicht ihre optimistische Lebenshaltung. Mit ihrer Stimme spricht sie den Igel in der Inszenierung „Die Schneeblume“ und den kleinen Muck in der gleichnamigen Aufführung.
Jewgenij Newinskij, 43 Jahre
Jewgenij ist einzigartig darin, dass er sowohl Puppenschauspieler als auch Meister der Puppenfertigung ist. Außerdem baut er Puppen mit schwieriger Mechanik für Estraden und den Zirkus. Er hat eine große schauspielerische Bandbreite, er führt Puppen in „Doktor Aibolit“ – den bösen Barmalej, in „Buratino“ – den guten Papa Carlo und in „Natalka Poltawka“ eine Frauenrolle, die Terpilicha.
14. November 2016 // Konstantin Ryljow
Quelle: Westi Reportjor
Adresse des Theaters: 01001, м. Київ, вул. Грушевського, 1-а
Website: www.akadempuppet.kiev.ua