Schmuggel und Western in Mukatschewe: schuldig sind alle


Es gibt in Transkarpatien keinen Menschen, der nicht die Wahrheit über den Schmuggel und die Vorteile wüsste, die aus ihnen einheimische Kriminelle und Regierung ziehen. Diese Information ist so offenkundig, die Tatsachen liegen so klar an der Oberfläche, eine solche gewaltige Zahl von Menschen ist an all diesen Prozessen beteiligt – von den Kunden bis zu den Transporteuren – dass die Tatsache selber eines organisierten Schmuggels ein Pulcinella-Geheimnis ist.

Wer steht hinter den Schmuggelflüssen?

Zunächst muss man verstehen, dass das monatliche Einkommen vom Schmuggel, der über die europäische Grenzen geht, das jährliche Budget der Oblast Transkarpatien übersteigt. Zweitens muss man die Grenzgänger- oder Amateur-Versuche von den organisierten illegalen Strömen unterscheiden. Die Frauen vom Dorf, die über die Grenze einige Päckchen Zigaretten zwei-drei Liter Schnaps, bestimmte Sorten von Arzneimittel, Frauen-Strumpfhosen und anderes tragen, das sind keine Schmuggler. Ebenso sind es keine geschickten Aktionen, die von Zeit zu Zeit in den Nachrichten erscheinen, wenn man jemanden mit einem Gleitdrachen an der Grenze fängt, wenn jemand einer von ihnen Zigaretten in Fässern über das Wasser von Flüssen oder im Inneren seines Autos herüberbringt.

Der wirkliche große Schmuggel ist ein staatlich geführtes Business, organisiert von beinahe allen staatlichen Strukturen, also allen leitenden Beamten und Inspektoren, im Takt. Beginnen wir damit, dass es versteckte Werkstätten gibt, in denen sie alle Zigarettenmarken nachmachen, damit ohne Steuermarke die Ware noch billiger und profitabler für den Export nach Europa wird. Sie werden als normale Ware herübergebracht: In Fuhren über offizielle Übergangspunkte an der Grenze. Um eine Durchfahrt ohne Probleme zu gewährleisten, verdienen alle „auf die Kralle“: Die Polizei, der Zoll, jeder einzelne Zollbeamte und der Zoll insgesamt, die örtlichen politischen Bonzen, die alles aufteilen, und der Kiewer Deckel. Wenn beispielsweise in der Werchowna Rada sich irgendeine wichtige Vereinigung „Schmuggel-Stop“ bildet, dann können Sie sicher sein: Das sind auch die Hauptverbindungen zwischen den Chefs der Schmuggler und der Kiewer Regierung.

H2. Ein Teufelskreis

Im Laufe aller Jahre der Unabhängigkeit hatte der Schmuggel eine mächtige staatliche Lobby, die lokalen Politiker aber steckten ihre Claims dabei ab, weshalb kein Mensch und keine Institution auftauchten, die wirklich mit dieser Erscheinung kämpfte. Bestenfalls erschienen irgendwelche Nachrichten über die Entdeckung eines wichtigen Schmuggel-Deals oder die Entlassung eines Zoll-Chefs, allen wurde sofort klar, dass eine Umverteilung der Einflusssphären geschieht. Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Vorgänge in Mukatschewe am 11. Juli eines der Kettenglieder in diesem Prozess ist. Dieses Mal aber mit schlimmen Folgen für das gesamte Land und seine europäischen Perspektiven.

Der Rechte Sektor kam, um mit Mychajlo Lano zu sprechen, dem Rada-Abgeordneten und wie man sagt einer kriminellen Autorität. Sollte jemand an den kriminellen Fähigkeiten dieses Menschen zweifeln, dann suchen Sie nach Nachrichten aus dem Jahr 2012. Damals haben einige Autos von Lano auf einer Bergstraße die Kolonne des damaligen Ministers (!) Baloha angehalten, danach musste der Staatsschutz schießen. Die Kommentatoren der jetzigen Ereignisse weisen darauf hin, dass der transkarpatische Rechte Sektor von Wiktor Baloha finanziert wird, der Vorfall am Samstag ist bloß eine Demontage und eine Umverteilung der Einflusssphären zwischen zwei Parlamentsabgeordneten.

Ob der Rechte Sektor im Auftrag Balohas oder aus eigenen Interessen handelte, ist nicht so wichtig, denn das Problem ist eben ein anderes. Es geht darum, dass auf dem Schmuggelmarkt alle beteiligt sind, Oppositionelle, Regierung, Zoll und Banditen. Jemand bekommt einfach seinen Anteil, an jemandem hängt der Export von Zigaretten, andere beherrschen den Transport von Pakistanis über die Grenze, eine völlig andere Gruppe beschäftigt sich umgekehrt mit schwarzem Import von in der Ukraine populären europäischen Waren. Aber alle verdienen ihr Brot.

Die besten Startpositionen für den Schmuggel hat Wiktor Balaha, der nach dem Willen Petro Poroschenkos den Oblast absolut führt. Die alten Business-Partner Wiktor Iwanowytsch [Baloha] und Petro Oleksijowytsch [Poroschenko] vereinbarten wechselseitige Unterstützung noch vor den Präsidentenwahlen im letzten Jahr. Als Ergebnis erhielt Poroschenko von Baloha die transkarpatischen Stimmen, und Baloha vom Präsidenten den gesamten Oblast unter seine Verfügungsgewalt. Man sagt, der Leiter der transkarpatischen Regionalverwaltung Hubal ist eine Marionette Balohas, der Vorsitzende des Oblastrates Tschubirko, ein alter Mitarbeiter des Politikers aus Mukatschewe [Baloha], die Leiter der Staatsanwaltschaft, des SBU, der Polizei und des Zolls werden in Absprache mit Baloha ernannt. Es handelt sich um die Schaffung eines Vasallen-Oblast, in dem alles einem besonderen Feudalherren untergeordnet ist. Mit Korruption zu kämpfen oder Ordnung zu schaffen ist unter diesen Umständen unmöglich.

Vermutlich kam der Rechte Sektor wirklich zu Lano mit Forderungen nach finanzieller Unterstützung. Man kann das Überfall nennen, Erpressung, Bettelei oder einen Versuch, am Schicksal Anteil zu haben, das ändert wesentlich nichts: Es gibt ein kolossales Finanzbudget des Schmuggels, das auf verschiedene Weisen der Staat deckelt. Wenn sie nicht geschossen hätten und verschiedene Umstände zusammengekommen wären, dann hätten die Kämpfer mit dem Parlamentsabgeordneten eine Vereinbarung treffen können. und alles wäre weiter gegangen, zur Verteilung wären nur neue Taschen hinzugekommen. Es geht um zwei Verbrechen: 1) Ein unglaubliches Ausmaß von Schmuggelei, an dem alle Anteil haben; 2) ein wildes und verbrecherisches Verhalten der Kämpfer des Rechten Sektors in einer friedlichen Stadt. Dies ist eine Geschichte ohne positive Helden.

Wie geht es weiter?

Schon ist klar, dass die Ereignisse sich in zwei unterschiedliche Richtungen entfalten: separat werden die Fakten des Schmuggel untersucht und separat das Verhalten des Rechten Sektors (mit politischen Auswirkungen im gesamten Land).

Wenn es um Transkarpatien geht, dann kann es nur in einem Fall gewinnen, bei einem vollständigen Neustart des Systems. Die Chefs der Grenzsoldaten und des Zolls müssen entlassen und den Volksabgeordneten Lano und Baloha muss die parlamentarische Immunität entzogen werden, um eine Untersuchung durch unabhängige Untersuchungsorgane durchzuführen; zum Vorsitzenden der transkarpatischen Oblast-Verwaltung muss ein fremder und selbständiger Mensch ernannt werden, von der Art Saakaschwilis in Odessa; Gespräche über die Ernennung selbst eines ausländischen Managements im ukrainischen Zoll könnte endlich erfolggekrönt werden. In einem anderen Fall ändert sich nichts, außer den Nachnamen von Leuten, die die finanziellen Milliarden-Flüsse des Schmuggels kontrollieren. Und genau hierfür wurde der samstägliche Western organisiert.

12. Juli 2015 // Andrij Ljubka

Quelle: Radio Swoboda 12.7.2015

Anm. des Übers.: Anfang August erscheint in Czernowitz Andrij Ljubkas Roman „Karbid“, in dem der Autor, der in Wyhnohradiw aufwuchs und in Uschhorod lebt, unter anderem auch das Thema der transkarpatischen Schmuggler verarbeitet.

Zu den genannten Politikern geben ukrainische Wikipedia-Artikel erste Hinweise. Zur Karpatenregion ist Robert Magocsi/Ivan Pop (Hg.), Encyclopedia of Rusyn History and Culture. Toronto u.a. 2002 = Encyklopedia istoriï ta kul’tury karpatskych rusyniv. Užhorod 2010 gelegentlich nützlich

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