Es ist soweit: Die ukrainische Wirtschaft hat die Grenze der Dummheit und Gier erreicht
Nachdem die politische Situation an einem sogenannten Scheideweg (einem kritischen Zustand des Systems, in welchem dieses äußerst instabil und abhängig vom Einfluss kleiner Faktoren geworden ist) gelangt ist, hat auch die ukrainische Wirtschaft diesen Punkt erreicht. Ihre seit Langem angehäuften Probleme haben in den letzten zwei Wochen die politische Instabilität dramatisch erhöht. Die Zuspitzung ist anhand des Sprungs des Dollarkurses über neun Hrywnja, des starken Anstiegs der Renditen für Staatsanleihen, des faktischen Einfrierens der Geschäfts- und Investitionstätigkeit, das zu einem weiteren unvermeidlichen Einnahmeausfall für den ohnehin unausgeglichenen Haushalt führen wird, erkennbar.
Und auch wenn der Devisenmarkt bis Ende der Woche noch teilweise stabilisiert werden konnte, sind einfache und schmerzlose Lösungen gegen die wachsende Staatsverschuldung und für eine makroökonomische Stabilisierung, wie auch für die politische Krise, nicht in Sicht. Das offizielle Kiew vertraut auch weiterhin zum Stopfen der Haushaltslöcher auf die „brüderliche“ Hilfe Russlands mit allen daraus resultierenden Risiken. Im Übrigen konnten Sergej Arbusow und Jurij Kolobow am Donnerstag bei Medwedew weder Geld, noch das Entfernen des Schlagbaums an den Grenzen erreichen: Diese Probleme werden von den Präsidenten hinter verschlossen Türen gelöst…
Die einzige sinnvolle Alternative zur wachsenden Abhängigkeit vom „Wohlwollen“ des Kremls besteht in einer Einigung mit der EU/den USA/dem IWF über eine Finanzierung, für welche sich anscheinend am letzten Wochenende ein mögliches Fenster geöffnet hat. Allerdings setzt dies schwierige und unpopuläre Entscheidungen voraus, die angesichts der anstehenden Präsidentschaftswahlen kaum von der Regierungsspitze noch von der parlamentarischen Opposition getroffen werden sollten.
Die Symptome
Die Bilder zur Eskalation der Gewalt im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt und deren Opfer, die zu den Top-News in den internationalen Medien wurden, wirkten sich nicht auf die Finanzmärkte und das Bankensystem aus, die bis zum jetzigen Zeitpunkt vergleichsweise immun auf die Ereignisse auf dem Maidan und die Geschehnisse um diesen herum reagierten. Zumindest konnte de facto bis zur letzten Januarwoche kein ernstzunehmender Abfluss von Bankeinlagen beobachtet werden.
Die Meldung, dass Russland sich weigerte, fristgerecht eine weitere Tranche von zwei Milliarden Dollar. der im Vorfeld versprochenen 15 Milliarden Dollar zu zahlen, katalysierte die Instabilität Marktinstabilität zusätzlich stark, da die russischen „Doping“-Injektionen momentan fast die einzige Finanzierungsquelle für die ukrainische Staatskasse darstellen. Bereits am 31. Januar übersteigen die 5-Jahres-CDS (Credit Default Swap, vereinfacht: Kreditausfallversicherung) die Marke von 1000 Basispunkten (1053, zum Vergleich: am 17. Januar betrugen diese noch 693 Basispunkte).
Am Montag, den 3. Februar, hat eine TV-Übertragung der (In-)Aktivität im Parlament endgültig die Hoffnung auf eine schnelle Kompromisslösung für die politische Krise ausgeräumt. Die bereits in der letzten Woche beginnende Kapitalflucht (Schwarzgeld eingeschlossen) aus dem Land (ZN.UA Nr. 3 vom 31. Januar 2014, „Der unfreiwillige Fall”) hat offenbar Charakterzüge einer Panik bekommen. Genau diese Entwicklung, und nicht die Panik der Bevölkerung, provozierte den unerwarteten und von Beobachtern nicht vorhergesehenen Anstieg des Handels auf dem Interbankenmarkt.
Hierbei befand sich die Nationalbank lange Zeit eher unter de Beobachtern, und nicht unter den aktiven Partizipanten an diesem Prozess, was nämlich erst diese Kursentwicklung ermöglichte.
Eine solche Position lässt sich hier kaum alleinig durch den Wunsch des Bankenregulators, die schrumpfenden Reserven zu schonen, erklären. Immerhin stehen diesem jederzeit ein paar gewichtige administrative Hebel zur Verfügung, die mittel- und langfristig schädlich, kurzfristig aber sehr effektiv sind, wenn es vor allem darum geht, frühzeitig die Brennherde einer aufkeimenden Panik zu löschen.
Momentan kursieren zwei inoffizielle Erklärungen dafür, dass die Nationalbank das Problem im Keim „vertrocknen“ ließ. Zum einen liegt letzten Endes eine moderate und kontrollierte Abwertung der Hrywnja (um zehn Prozent, bis zu neun Hrywnja pro Dollar) nicht nur im Interesse der ukrainischen Wirtschaft, sondern auch der ukrainischen Machthaber sowie des diese an den Finanzmärkten repräsentierenden Bankenregulators.
Eben genau deshalb war dieser (der Regulator) weit davon entfernt, die ersten Anzeichen einer Abwertung im Keim zu ersticken, sondern stimulierte diese sogar durch die weitere Refinanzierung seiner Schützlinge. So wurde Anfang der Woche (am 3. Februar) gemeldet, dass die Nationalbank die Aufhebung der im Dezember des letzten Jahres ausgesetzten Restriktionen zur Refinanzierung (bis zu 50 Prozent des Eigenkapitals) für Banken verlängern möchte.
Von dieser Entwicklung kann auch die zweite, unter Marktteilnehmern äußerst beliebte Erklärung dessen, was gerade passiert, abgeleitet werden. Hier muss angemerkt werden, dass das formale Verfahren zur Bankenrefinanzierung bei Weitem nicht nur die oben genannten Restriktionen beinhaltet (diese tangieren vor allem auch die Qualitätskriterien der Sicherheiten, welche die Banken im Gegenzug bieten können). Entsprechend lässt sich praktisch immer eine Begründung für die Ablehnung einer Zurverfügungstellung von liquiden Mitteln finden, wenn dies gewünscht wird. Deshalb haben Marktteilnehmer viele Jahre die Selektivität und den nicht paritätischen Zugang zur Refinanzierung beklagt. Diesen erhielten die ganze Zeit über insbesondere Vertreter regierungsnaher Finanzinstitute. Die aktuelle Situation stellt keine Ausnahme dar. Angeblich erhielten jetzt nach einigen Quellen 21, nach anderen 60 Banken eine Refinanzierung. Eine Pause ermöglichte – genau wie im Herbst 2008 unter Wladimir Stelmach – einigen wenigen Auserwählten Kapital in das bevorzugte Ziel auszuführen (mithilfe sämtlicher erdenklicher fiktiver Außenhandelsverträge).
Ob dem wirklich so ist, werden die Zeit und die zukünftig von der Nationalbank veröffentlichten Statistiken zeigen. Momentan ist lediglich klar, dass die Lage, als der Dollarkurs am Dienstag neun Hrywnja überstieg, außer Kontrolle geraten ist. Nachdem die Schlangen an den Bankschaltern und in den Wechselstuben bereits in der letzten Woche plötzlich sehr lang wurden (bis zur letzten Januardekade konnte dies nicht beobachtet werden), entstand die reale Gefahr einer ausgewachsenen Panik aufseiten der Bevölkerung. Erst im Anschluss hieran ergriff der Bankenregulator Notfallmaßnahmen (weitere Einzelheiten können Sie in „Devisen-Blitzkrieg der Nationalbank“ lesen).
Wenn man weiter schaut
Natürlich kann für die aktuelle Situation nicht nur die politische Krise verantwortlich gemacht werden. Über die zahlreichen strukturellen und systemimmanenten Probleme der stagnierenden ukrainischen Wirtschaft weiß jeder Bescheid, der sich wenigstens ein bisschen für ihre Lage interessiert. Selbst wenn man an das vom Statistikamt veröffentlichte Null-Wachstum des BIP im vergangenen Jahr glaubt, sollte sich kaum irgendjemand an der Stagnation einer Wirtschaft erfreuen, für die aktuell selbst eine Wachstumserholung unerreichbar scheint.
Falsch wäre in diesem Zusammenhang auch ein Außerachtlassen der Wirkung externer Faktoren wie die ziemlich angespannte Lage auf den globalen Schwellenmärkten sowie die zuletzt beobachtete Abwertung der Währung einer Reihe von Ländern, unter welchen auch einige der bedeutendsten Handelspartner der Ukraine, insbesondere Russland und die Türkei, zu finden sind.
Die äußerst starke Abhängigkeit von der globalen Konjunktur ist auch eines der strukturellen Schlüsselprobleme der ukrainischen Wirtschaft. Und in den letzten Jahren hat sich die Situation trotz der ganzen proklamierten Programme zur Importsubstitution und des Geredes über die notwendige Entwicklung des Binnenmarktes nicht grundlegend geändert. Der Außenhandelsumsatz belief sich bei Waren und Dienstleistungen nach Schätzungen der Zentralbank im vergangenen Jahr auf 186 Mrd. Dollar (bzw. 1,487 Trillionen Hrywnja basierend auf dem offiziellen Kurs der Zentralbank des letzten Jahres von 7,993 Hrywnja/Dollar), was mehr als das vorläufig geschätzte nominale BIP des letzten Jahres (1,444 Mrd. Dollar) ist.
Und die internen Faktoren? Allgegenwärtige Korruption, Plünderungen, gerichtliche Willkür, Willkür der Sicherheitskräfte (einschließlich der Versuche über administrative Wege verschiedene Märkte umzustrukturieren, um die zentral gesteuerte Erhebung von Korruptions-Renten voranzutreiben) – das sind nur einige der hervorstechenden Charakteristika der ukrainischen Kontextbedingungen, die die Wirtschaft von innen abwürgen und gleichzeitig jeglichen Wunsch, von außen in die Ukraine zu investieren, im Keim ersticken. Ein sichtbarer Indikator ist der mehr als zweifache Rückgang der Direktinvestitionen 2013 (insgesamt 3,27 Mrd. Dollar im Vergleich zu 6,63 Mrd. im Vorjahr) sowie der Rückgang der Kapitalinvestitionen (166,9 Mrd. Dollar in drei Quartalen 2013 gegenüber 177,5 Mrd. im gleichen Zeitraum in 2012).
Der vielleicht schmerzvollste Schlag gegen das Investitionsklima der Ukraine und ihre Kreditwürdigkeit ist das permanente Defizit der öffentlichen Finanzen, das eine wachsende Staatsverschuldung mit allen daraus resultierenden Konsequenzen bedingt. Und dies ist das Hauptcharakteristikum des Erbes des ehemaligen Ministerpräsidenten Nikolaj Asarow, der bevorzugt die „Vorgänger“ beschuldigte.
Bis Ende 2013 erreichte die staatliche und staatlich verbürgte Verschuldung der Ukraine 584 Mrd. Hrywnja (bzw. 73 Mrd. Hrywnja), d.h. 40,5 Prozent des BIP. Zum Vergleich: Noch Ende 2011 betrug diese 473 Mrd. Hrywnja (59,2 Mrd. Dollar) bzw. 36,3 Prozent des BIP. Insgesamt ist das ein Anstieg von mehr als 111 Mrd. Hrywnja innerhalb von nur zwei Jahren (und dies ohne Berücksichtigung der neusten offiziellen Wechselkursschwankungen).
Man kann nicht darauf hoffen, dass sich die Situation in diesem Jahr verbessern oder zumindest stabilisieren wird. Tatsächlich sieht das aktuelle Haushaltsgesetz ein reales BIP-Wachstum von drei Prozent vor (nominell soll dieses auf 1,653 Billionen Hrywnja bei einem Anstieg der Steuereinnahmen um 11,5 Prozent, und der Zolleinnahmen um ein Drittel (!) ansteigen).
Natürlich ist ein solcher Haushalt zum chronischen Scheitern verurteilt, was durch die traurige Realität der letzten Jahre bestätigt wird. So besteht mittlerweile die wichtigste und dringlichste Aufgabe der Regierung darin, die Verbindlichkeiten zu bedienen und neue Finanzierungsquellen, darunter auch ausländische, ausfindig zu machen.
Gemäß den jüngsten veröffentlichen Daten des Finanzministeriums beträgt die prognostizierte Bedienung und Tilgung bestehender Kredite und Schulden 125,5 Mrd. Hrywnja. Das sind beinahe 28 Prozent der geplanten Haushaltsausgaben (447 Mrd. Hrywnja), was sicherlich auch nicht realisiert werden kann. Das heißt für die Bedienung der Schulden wird faktisch fast jede dritte Hrywnja des Haushalts aufgewendet.
Und da die ausländischen Märkte aus nachvollziehbaren Gründen für das Finanzministerium verschlossen sind, zieht Kiew es vor, sich allein auf den guten Willen des Kremls zu verlassen, dessen „süße Kuchenstücke“ (Senkung der Gaspreise und versprochene Kredite in Höhe von 15 Mrd. Dollar, von welchen bereits 3 Mrd. erhalten und von diesen ein Drittel erfolgreich „durchgebracht“ worden ist) Ende letzten Jahres mit großem Vergnügen verschlungen worden waren.
Und da die Stimmung in Moskau (wie dies auch die Ereignisse der letzten Woche bestätigten) äußerst unbeständig sein kann, besteht die Priorität und dringlichste Aufgabe mittlerweile – wie vollkommen richtig Beobachter angemerkt haben – im Erhalt und in der Erweiterung der Vereinbarungen mit Moskau. Diese Aufgabe erhält im Zusammenhang mit diesen Vereinbarungen eine immer wichtigere und spielverlängerndere Bedeutung. So fahren ukrainische Abgesandte, einschließlich des Präsidenten selbst, immer häufiger als Bittsteller nach Moskau oder Sotschi. Was die schnell anwachsende und bereits zu beobachtende Gefahr eines weiteren faktischen Verlustes der Souveränität bedeutet, bei welchem der eigentliche Hausherr auf ukrainischem Boden (ein unabhängiges Land kann dies schwerlich genannt werden) bereits in wenigen Jahren nicht mehr die heutigen politischen Eliten und Oligarchen sein werden.
Diese Probleme sind die direkten Folgen aus der Unzulänglichkeit des ukrainischen Wirtschaftsmodells, die wenn auch nicht hervorgebracht, so doch in den letzten vier Jahren unter der jetzigen Regierungsspitze unter Vermittlung ihrer Amtsträger weiterentwickelt und zementiert wurden. Ausgehend von ihren eigenen sozusagen soziopolitischen Überzeugungen sowie „familiären“ Interessen und Werten.
Gibt es Alternativen?
Die am vergangenen Wochenende erschienene Meldung, dass Kiew unter bestimmten Bedingungen trotz allem mit einer koordinierten Finanz- und Wirtschafthilfe seitens der USA und der EU rechnen kann, konnte die progressiv gestimmten Schichten der ukrainischen Bevölkerung nicht begeistern.
Zumal diese Information nicht nur aus Richtung Arsenij Jazenjuks und Poroschenkos kam (als Ergebnis der am Samstag, den 1. Februar, stattfindenden Münchener Konferenz), sondern auch in den Montagsausgaben des Wall Street Journals und der New York Times veröffentlicht wurde.
Insbesondere unter Berufung auf die EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton wurde bekannt gegeben, dass die Länder des Westens einen Plan für Finanzhilfen für die Ukraine ausarbeiten, und es werde „um nicht geringe Summen gehen“. Die an die Finanzhilfen geknüpfte Bedingung sei, so Ashton, die Zusage der Regierung zu wirtschaftlichen und politischen Reformen sowie die friedliche Lösung des Konflikts.
Diese Informationen wurden am Montag, den 3. Februar, vom Präsidenten der Europäischen Kommission, Jose Manuel Barroso, bestätigt, der sagte, dass die Europäische Union in der Tat mit seinen Partnern finanzielle Hilfen für die Ukraine diskutiere, sowie auch von der Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki. Wobei Letztere vorbehaltlich sagte, dass eine endgültige Entscheidung hinsichtlich einer finanziellen Unterstützung für die Ukraine erst nach der Bildung des Kabinetts getroffen werden könne.
Das Wall Street Journal meldete unter Berufung auf eine nicht genannte hochrangige US-Quelle, dass „niemand Kiew Geld geben würde, wenn dieses keine ökonomischen und politischen Reformen durchführt, da dieses Geld genauso gut aus dem Fenster geworfen werden könnte“. Quellen aus der amerikanischen Verwaltung erklärten, dass ein Hilfsplan für die Ukraine innerhalb von zwei Wochen ausgearbeitet werden könne, allerdings müsse hierzu die Zusammensetzung der Übergangsregierung bekannt und diese zur Zusammenarbeit mit dem IWF autorisiert sein.
Diese Randbemerkung des Kreditgebers der Kreditgeber ist meines Erachtens richtungsweisend, denn mit Blick auf die Schwerfälligkeit der europäischen Bürokratiemaschinerie in Bezug auf solche Entscheidungen kann unmittelbare Hilfe, als Alternative zu russischen Doping-Injektionen, lediglich von dort kommen.
Vor allem im IWF müssen die „spezifischen Bedingungen“, unter welchen eine Finanzierung möglich ist, geklärt werden.
Leider reagierte weder die Vertretung des Fonds in der Ukraine noch in Washington auf die Bitte von ZN.UA um eine Klärung genau dieser Fragen. Zudem erklärte der Pressesprecher des IWF, Jerry Rice, am Donnerstag, den 6. Februar, dass, wenngleich der Fonds bereit sei, die Ukraine bei der Herstellung makroökonomischer Stabilität zu unterstützen, ein neues Kreditprogramm nicht diskutiert werde, da die ukrainische Führungsspitze diese Angelegenheit nicht thematisiert habe.
Bekanntermaßen führten die früheren Verhandlungen zwischen dem Fonds und dem offiziellen Kiew in eine Sackgasse, weil Letzterer die Schlüsselbedingungen des IWF nicht erfüllen wollte. Genauer: Ergreifung von Maßnahmen zur Erhöhung der Flexibilität des Wechselkurses (sprich: Zulassen eines freien Floatens); ambitionierte Bemühungen zur Konsolidierung der fiskalen Situation (Reduzierung des Haushaltsdefizits, wofür Löhne und Renten eingefroren und der Verwaltungsapparat gekürzt werden müsste); Erhöhung der inländischen Energiepreise. Und schließlich die „Implementierung umfassender Strukturreformen, die auf eine Verbesserung des Geschäftsklimas abzielen und das Wirtschaftswachstum unterstützen“.
Bislang hat die Ukraine lediglich die erste Bedingung erfüllt. Hinzu kommt, dass dank der Reduzierung der Importpreise für russisches Gas die Haushaltskonsolidierung weniger schwierig wurde, während die Erhöhung der Energiepreise weniger schmerzhaft ausfällt.
Das heißt, es gibt eine gewisse Basis für die Wiederaufnahme von Gesprächen. Wenngleich bei Weitem nicht nur der Verfasser dieser Zeilen davon überzeugt ist, dass Vereinbarungen mit dem IWF den einzigen adäquaten und strategisch richtigen Weg für die ukrainische Wirtschaft und einen Ausweg für ihr Finanzsystem aus der aktuellen Lage darstellen, ist ein solches Szenario allerdings momentan höchst zweifelhaft.
Selbst im Falle der Bildung irgendeiner Koalitionsregierung (die zum jetzigen Zeitpunkt kaum ernsthaft in Betracht gezogen wird, auch wenn dies noch in der vergangenen Woche anders aussah). Dasselbe gilt auch für die Bildung irgendeiner „Regierung aus Technokraten“, die die Verantwortung für die Situation im Land und die Umsetzung der notwendigen Reformen übernimmt.
In diese Richtung weisen die „Besonderheiten der ukrainischen politischen Tradition“, die dermaßen vom Populismus vergiftet ist, dass jeder noch so hehre Standpunkt im aktuellen Parlament (egal ob regierungs- oder oppositionsseitig) als „nicht ehrenhaft“ bezeichnet wird. Und Mahnrufe wie der eines Wiktor Pinsenyk, „das Land sollte nicht über seine Mittel leben“, erinnern mehr an einen Schreienden in der Wüste. Dies wird dadurch untermauert, dass vor allem die Opposition beispielsweise als Hauptinitiator bei der Abschaffung der „kriminellen Rentenreform“ auftrat. Diese wurde auf Empfehlung des IWFs als Möglichkeit, die immer katastrophaler werdenden Probleme des Rentenversicherungssystems zu reduzieren, initiiert. Und wenn diese Reform die Bezeichnung „kriminell“ verdient, dann lediglich deshalb, weil diese nicht zu ihrem logischen und vernünftigen Abschluss gebracht worden war. Und in diesem Fall hätte eine verantwortungsvolle Opposition diese weiterentwickelt, und nicht komplett abgeschafft.
Die aktuelle Situation bedarf, wie Experten wiederholt betonten, einer dringenden Revision sowie einer Haushaltssperre, um den wichtigsten Etat des Landes auszugleichen. Allerdings würde dies eine Kürzung vieler Ausgabeposten, insbesondere auch sozialer, erfordern. Die Übernahme der Verantwortung für die Umsetzung korrespondierender Maßnahmen würde das Ende der politischen Zukunft für die Initiatoren bedeuten. Auch wenn es genügend Kandidaten gibt, die auf den Präsidentschaftsposten wollen, kann eine ernsthafte Opferbereitschaft in der aktuellen ukrainischen Politriege – sowohl aufseiten der Regierung als auch der Opposition – nicht beobachtet werden. “Sägen” – nicht schneiden …
Es gibt übrigens noch eine Alternative. Diese beinhaltet neben Sparmaßnahmen ein Stopfen der Haushaltslöcher durch eine 7 Milliarden schwere Mineralölsteuer (aber wer wird sich selbst benachteiligen). Und auch die Suche nach neuen Einnahmequellen für den Haushalt (worunter sicher auch die Interessen der dann beinahe revoltierenden „Parteimitglieder und Gesinnungsgenossen“ leiden werden). Na, wer wird sich dafür hergeben?
7. Februar 2014 // Jurij Skolotjanij
Quelle: Serkalo Nedeli