Timoschenko-Prozess: Julia Timoschenko machte ihre Aussagen


Die Ex-Premierin Julia Timsochenko machte gestern Aussagen in der Strafsache der Überschreitung der Amtsbefugnisse bei der Unterzeichnung der Gasabkommen mit Russland im Jahre 2009. Dabei bezichtigte sie Ex-Präsident Wiktor Juschtschenko der Falschaussage und erzählte, dass sie auf Bitte des ehemaligen Leiters der NAK (Nationalen Aktiengesellschaft) „Naftogas Ukrainy“, Oleg Dubina, die Direktiven für die Verhandlungen angefertigt hat. Die ehemalige Premierin entrüstete besonders, dass sie, der Version der Ermittlung nach, den für die Ukraine unvorteilhaften Gaslieferbedingungen zustimmte, da sie „für sich ein positives Images einer effektiven Führerin schaffen wollte“.

Darüber, dass Julia Timoschenko Aussagen vor Gericht machen wird, erfuhren die Einwohner des beim Gericht aufgeschlagenen Zeltlagers, das von Parlamentsabgeordneten nicht verlassen wird, noch vor dem Beginn der Gerichtsverhandlung. Von diesen konnten die zur Verhandlung eilenden Journalisten erfahren, dass die Ex-Premierin, die sich vorher mehrfach weigerte Aussagen zu machen und dabei die Prüfung aller Anträge forderte (siehe gestriger “Kommersant-Ukraine”), entschieden hatte, auf die Fragen des Gerichts zu antworten. Später wurde im Zeltlager eine Übertragung der Audioaufzeichnungen der Aussagen Julia Timoschenkos organisiert, die sie im Verlaufe der Gerichtsverhandlung machte.

Gleich nach dem Beginn der Gerichtsverhandlung verkündete Julia Timoschenko den Wunsch Aussagen zu machen. Im Gegenzug erinnerte Richter Rodion Kirejew daran, dass sie dabei stehen soll. „Sie sollten sich mit Ehrerbietung auf die Ausdrucksform meines Protestes beziehen. Dies ist die Form meines Protestes“, beharrte die Ex-Premierin hart auf ihrer Position, sich strikt weigernd aufzustehen.

Von den ersten Worten an wurde klar, dass Timoschenko nicht beabsichtigte sich zu verteidigen, sondern anzugreifen. Sie begann damit, dass in der Anklageschrift keine Angaben zu konkreten von ihr verübten Rechtsverstöße enthalten sind. „Weder der Ermittler, noch der Richter konnten mir die Substanz der mir gegenüber vorgebrachten Anschuldigungen begreiflich machen“, unterstrich die Ex-Premierin. Es empörte sie, dass die Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft keine unstrittigen Beweise vorlegten (auch wenn sie dazu verpflichtet sind), die davon zeugen, dass die Bestätigung der Gasdirektiven ausschließlich in der Kompetenz der Regierung liegen und sie, als Regierungschefin, diese nicht unterzeichnen konnte. „Und wenn die Generalstaatsanwaltschaft dies nicht bewiesen hat, dann existiert kein Verbrechen“, fasste Julia Timoschenko zusammen.

Dabei hielt es die Ex-Premierin für möglich, dass das Direktivenexemplar, welches den Materialien der Strafsache beigefügt wurde, sich als gefälscht erweisen könnte. „Dort könnten Worte umgestellt worden sein. Ich erinnere mich des Inhalts nicht mehr genau, doch bekräftige ich, dass ich meine Anweisung mit meiner Unterschrift übergab“, erklärte Timoschenko. Ihren Worten nach steht auf dem beigelegten Exemplar der Direktiven eine Faksimile und nicht ihre originale Unterschrift.

„Ich werde nicht dessen beschuldigt, dass die Verträge ineffizient sind, sondern dessen, dass ich anstelle des Kabinetts die Direktiven unterzeichnet habe. Und dafür möchte man mir zwischen 7 und 10 Jahren geben“, setzte Julia Timoschenko fort. Die Ex-Premierin unterstrich, dass ihre Anweisungen, die an den ehemaligen Minister für Brennstoffe und Energiewirtschaft, Jurij Prodan, gingen, von der Sache her, keine Regierungsdirektiven waren und beliebig benannt werden können. „Als ein kollegiales Organ, ist das Kabinett nicht mit den Vollmachten ausgestattet, um Direktiven für Wirtschaftssubjekte zu bestätigen. Und meine Anweisungen konnten eine unterschiedliche Form und verschiedene Bezeichnungen haben“, erklärte Timoschenko. Sie unterstrich, dass die Direktiven für sich die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen den Premierministern der Ukraine und Russlands darstellten, die dem Minister für Brennstoffe und Energiewirtschaft zur Kenntnisnahme vorgelegt werden mussten.

Die Ex-Premierin empörte besonders die Formulierung aus der Anklageschrift, gemäß der sie handelte, da sie „für sich ein positives Images einer effektiven Führerin schaffen wollte“.

„Verdammt, dann sperren Sie doch alle Premierminister ein! Und sperren Sie sich selbst ein, denn Sie gehen ebenso für Ihre PR zur Presse!“, hielt es Julia Timoschenko nicht aus. „Was habe ich dem Staate schlechtes getan? Von welcher Straftat reden Sie überhaupt? Ja, Sie sollten sich mir gegenüber entschuldigen und dafür danken, dass die Gaskrise derart gelöst wurde, wie sie gelöst wurde!“

Damit fortsetzend, dass sie „vorsätzlich und aus persönlichen Interessen“ handelte, lachte Timoschenko schlussendlich auf. „Als Politikerin bin ich dazu verpflichtet ein positives Image zu schaffen, das kann nicht als Straftat angesehen werden“, betonte sie. „Zumal die Zustimmung zu für die Ukraine unvorteilhaften Bedingungen kein positives Image einer guten Staatsführerin geben kann“.

„All das steht in keiner Beziehung zur Befragung, das ist eine politische Erklärung in reiner Form“, unterbrach die Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft Julia Timoschenko.

„Es gibt keine Übertragung, daher macht es keinen Sinn von politischen Erklärungen zu reden“, antwortete ihr der Anwalt Alexander Plachotnjuk. „Und ich bitte darum nicht zu unterbrechen, denn damit verzögern Sie den Prozess.“

Julia Timoschenko machte mehr als acht Stunden lang Aussagen. Im Verlaufe des Auftritts betonte sie, dass der ehemalige Präsident Wiktor Juschtschenko unter Eid unrichtige Angaben machte, indem er während der Befragung vor Gericht von seiner Nichtbeteiligung am Rückruf der Delegation während der Unterzeichnung der Gasabkommen im Dezember 2008 berichtete. Timoschenkos Worten nach ist eben er am Scheitern der für das Land vorteilhaften Verträge schuld. „Als die Dokumente bereits fertig waren, hatte Dubina (der ehemalige Leiter der NAK „Naftogas Ukrainy“) ein Telefongespräch mit Wiktor Juschtschenko, der verbot diese Verträge zu unterzeichnen und sagte, dass er in die Ukraine zurückkehren soll. Auf diese Art entstand die Krise“, sagte die Ex-Premierin. Bleibt anzumerken, dass sich Timoschenko nicht dazu entschloss ihre Entrüstung gegenüber Wiktor Juschtschenko direkt zu äußern; am 17. August, als dieser als Zeuge befragt wurde, weigerte sie sich ihm Fragen zu stellen.

Timoschenko erläuterte, dass sie die Direktiven für die Führung der Gasverahandlungen auf Bitte von Dubina hin ausfertigte. „Ich habe die Direktiven nicht einfach so geschrieben, ich habe ihm den Text zur Kenntnisnahme vorgelegt, um zu erfahren, ob ihn zufrieden stellt, was dort geschrieben stand. Er sollte einfach nur schauen, ob ich alles berücksichtigt habe“, erklärte die Ex-Premierin. Dabei unterstrich sie ein weiteres mal, dass sie derart in schriftlicher Form die Ergebnisse der Verhandlungen mit dem Premierminister der Russischen Föderation festgehalten habe. „Jeder Bürokrat möchte Papiere haben. Sind Papiere notwendig? Ich habe sie in schriftlicher Form ausgefertigt. Das bezeichnet man als Formalisierung.“

Ihre Aussagen beendend, unterstrich Julia Timoschenko ein weiteres Mal, dass sie ihre Vollmachten nicht überschritten hat und gab zu verstehen, dass, falls die Präsidentschaftswahlen 2010 mit ihrem Sieg geendet hätten, dann wäre ein solcher Prozess nicht möglich gewesen. „Ehrlich gesagt, hoffte ich darauf, dass die Präsidentschaftswahlen ein wenig anders enden, daher gaben sowohl die Direktiven, als auch die Konzeption der Kooperation im Gasbereich eine hinreichend hoffnungsvolle Perspektive und Strategie für die Zusammenarbeit von Russland und der Ukraine im Gasbereich. Ich hätte der Zukunft der Ukraine in keiner Weise Schaden zufügen können“, unterstrich die Ex-Premierin.

Jelena Geda

Quelle: Kommersant-Ukraine

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 1082

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