Der Ukraine steht wahrscheinlich ein kalter Winter bevor


Gestern wurde im Präsidialamt verkündet, dass die Mehrzahl der Oblaste des Landes nicht bereit sind für die Heizsaison. Kohlemangel, Unklarheit bei den Eigentumsrechten für Gas, welches in den unterirdischen Speichern angespart wurde und die Instabilität bei den Arbeitsbedingungen der erdölverarbeitenden Unternehmen bedingen einen Mangel an Treibstoff, der für die kommunalen Energieversorger und die Kraftwerke geliefert werden muss. Um die Probleme mit der Treibstofflieferung zu lösen, sind Reformen der kommunalen Energieversorgungsunternehmen, eine Privatisierung der Schachte und in kurzfristiger Perspektive die Einführung von protektionistischen Maßnahmen für den Erdölproduktmarkt nötig, sind sich Experten sicher.

Kohle enttäuscht Hoffnungen

Jedes Jahr am Vorabend des Beginns der Heizsaison (15. Oktober) erinnert man sich in der Ukraine an die Schwierigkeiten mit der Ansammlung von Brennstoff. Dieses Jahr wurde nicht zur Ausnahme. Der Meinung des stellvertretenden Leiters des Präsidialamtes, Roman Bessmertnyj, droht die Situation, welche sich in den Speichern der Kraftwerke und kommunalen Energieversorger eingestellt hat, dieses Mal mit der Abschaltung ganzer Oblaste von der Wärme- und Energieversorgung. Anfänglich war geplant etwa 4 Mio. t Kohle anzusammeln. Doch zum 1. September betrugen die Vorräte in den Lagern der Kraftwerke lediglich 2,4 Mio. t und diese verringerten sich zum 15. September auf 2,1 Mio. t. Außerdem übersteigen die Zahlungsverpflichtungen der kommunalen Energieversorger für den Verbrauch von Erdgas gerade 1,8 Mrd. Hrywnja (ca. 257 Mio. €) und der Brennstofflieferant, das Unternehmen “Gas Ukrainy”, beabsichtigt nicht Verträge mit den Versorgern abzuschließen, welche nicht die 100prozentige Abrechnung für das Gas aus der Heizsaison 2007-2008 sicherstellen.

Wie der stellvertretende Vorsitzende des Energieauschusses der Werchowna Rada, Jurij Bojko, erzählte, genehmigte das Energieministerium bereits den Start von zwei Gas-Masut (Rückstand bei der Destillation russischen Erdöls) Blöcken von jeweils 800 MW (Uglegorsker und Saporosher Kraftwerke) und ebenfalls dreier Gas-Masut Blöcke von jeweils 300 MW (im Tripolsker und Ladyshinsker Kraftwerk). Bleibt anzumerken, dass die Elektroenergie, welche unter Nutzung von Erdgas und Masut hergestellt wird, ist um 25-30% teurer als diejenige, welche durch Verbrennung von Kohle erzeugt wird. “Tatsächlich führt ein Übergang zu Masut und Gas zu einem weiteren Anstieg der Großhandelspreise für Elektroenergie, welche auch ohne dies im laufenden Jahr um 37% angestiegen ist, dabei die Marke von 370 Hrywnja/MWh (ca. 52,86 €) erreichend.”, sagt Bojko. Seinen Worten nach, wird das Elektroenergiedefizit noch mehr verstärkt von der Wiederaufnahme der Lieferungen an Polen und Moldawien zu niedrigeren Preise, als den auf dem Binnenmarkt geltenden.

Um wenigstens das Problem mit dem Elektroenergiemangel zu lösen, begann das Energieministerium Strom aus Russland zu importieren. So hat die Ukraine zum ersten Mal in der Geschichte im September begonnen, aus Russland 500 MW zu importieren. “Im Endeffekt bewegt sich das Land, anstelle des in jedem Programmdokument der Regierung erwähnten Punktes zur Überwindung der Energieabhängigkeit der Ukraine von Russland bei der Lieferung von Erdöl und -gas, zur Errichtung einer neuen Abhängigkeit in den Beziehungen, im Bereich des Imports von Elektroenergie und sogar von Kohle.”, unterstreich Bojko.

Die Gefahren sind eingetreten

In der letzten Woche stellte zum ersten Mal aufgrund von Lieferproblemen beim Gas ein großes ukrainisches Unternehmen seine Produktion ein. Am Donnerstag stellte “Naftogas Ukrainy” die Gaslieferungen für das Kraftwerk in Kalusch (Oblast Iwano-Frankiwsk) ein, infolge dessen erhielt “Karpatneftechim” keinen Dampf mehr und die Produktion musste eingestellt werden. Die Abschaltung betraf nicht nur die Industrie, sondern auch die Unternehmen der Kommunalwirtschaft. Es wurden das “Charkower Wärmenetz” abgeschalten, welches “Gas Ukrainy” 331,5 Mio. Hrywnja (ca. 47,36 Mio. €) schuldet. Im Endergebnis wurde in Charkow am Wochenende die Versorgung mit warmem Wasser eingestellt. Am Freitag hat “Naftogas Ukrainy” in Form von Ultimaten weitere Schuldner vor einer möglichen Abschaltung gewarnt. Unter ihnen waren “Donezkteplokommunenergo” (106,7 Mio. Hrywnja/ca. 15,24 Mio. €), das “Dnepropetrowsker städtische Wärmenetz” (79,2 Mio. Hrywnja/ca. 11,3 Mio. €), das Kriwoj Roger Kraftwerk (55,4 Mio. Hrywnja/ca. 7,9 Mio. €) und der Saporosher Konzern “Städtisches Wärmenetz” (55 Mio. Hrywnja/ca. 7,9 Mio. €).

Jurij Korowin, Generaldirektor des Gashandelsunternehmens “Olgas-Invest”, erinnert daran, dass “Naftogas Ukrainy” auch früher Nichtzahlern gedroht hatte. “Doch zum ersten Mal ist das Unternehmen zu den äußersten Maßnahmen übergegangen. Wahrscheinlich ist, dass ‘Naftogas Ukrainy’ auf diese Weise versucht die Entnahme aus den unterirdischen Gas-Speichern zu verringern, die heute einen undefinierten Status haben.”, sagt er. Bei den Verhandlungen in Moskau hatte “Naftogas Ukrainy” “Gasprom” vorgeschlagen die 14 Mrd. Kubikmeter Gas, die sich in den unterirdischen Speichern von “UkrGas-Energo” befinden, unter den Aktionären gemäß ihren Anteilen (jeweils 50% gehören “Naftogas Ukrainy” und RosUkrEnergo) aufzuteilen, (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“ vom 8. September). Auf diese Weise, sollten 7 Mrd. Kubikmeter an “Naftogas Ukrainy” gehen und an das Unternehmen “Gasprom Sbyt Ukraina” (“Gasprom”-Tochter) und an die Strukturen von Dmitrij Firtasch und Iwan Fursin jeweils 3,5 Mrd. Kubikmeter Erdgas.

Übrigens, der Meinung des Direktors des Unternehmens “Objedinjennaja Gasowaja Gruppa”, Daniil Schewelews, nach, wird “Naftogas Ukrainy” im Notfall trotzdem beginnen Gas zu entnehmen, welches sich noch in der Bilanz von “UkrGas-Energo” befindet. Janosch Petöfi, Generaldirektor des Unternehmens Magyr GT, betont, dass wenn es trotzdem zu einer Entnahmen kommt, dann befindet sich “Naftogas Ukrainy” in einer schwierigen Situation: es benutzt Gas, welches es nicht gekauft hat und wofür kein Preis festgelegt wurde. “Im Resultat werden entweder ‘UkrGas-Energo’ oder die Aktionäre die Forderung aufstellen das Gas zum Spotmarktpreis von 500-600$ je tausend Kubikmeter kaufen.”, betont Petöfi.

Hunger nach Masut

In diesem Jahr könnte die Ukraine zum ersten Mal mit einem Mangel am teuersten Brennstoff für Kraftwerke konfrontiert sein – Masut. Am Mittwoch verkündete die Regierung Russlands die Absicht ab Oktober die Exportzölle für Erdölprodukte bedeutend zu senken. Im Endeffekt befinden sich die ukrainischen erdölverarbeitenden Betriebe, welche 82% des im Lande verbrauchten Masuts liefern, am Rande der Schließung: ihre Produktion kann nicht mit dem billigen russischen Benzin konkurrieren. Der Meinung von Experten nach, wird sich, falls die Raffinerien ihre Produktion einstellen, am Vorabend der Heizsaison ein Defizit dieser Treibstoffart einstellen. “Masut wird in den Kraftwerken hauptsächlich für so genannte ‘Pilotlichter/подсветки’ genutzt, das heißt für das Anheizen von heizschwacher Kohle. Daher droht mit einem realen Mangel an Masut der Stopp der Kraftwerke und der Wärmeversorger sogar bei Vorhandensein von Kohle.”, sagt das Energieausschussmitglied, Oleg Sarubinskij. Wiktor Martirosjan, der Generaldirektor des Tankstellennetzes “DonezkOilService”, geht davon aus, dass zur Verhinderung einer Verringerung der Masutproduktion, der Staat Maßnahmen zum Schutz des Binnenmarktes vor aus Russland importierten Erdölprodukten ergreifen muss.

Branchenperspektiven

Den Worten des Parlamentsabgeordneten Wassilij Kisseljow (Partei der Regionen) nach, versucht das Energieministerium bislang, anstelle einer Reform des Marktes zu initiieren, Sanktionen einzuführen, welche, nur geeignet sind die Situation in der Branche zu verschlechtern. So, schlug der Energieminister Jurij Prodan vor, die energieerzeugenden Unternehmen zu bestrafen, welche nicht genügend Elektroenergie produzieren. Dabei verkündete Prodan die Absicht mit der Lieferung von Elektroenergie an Georgien, die Länder des Baltikums und sogar Israel zu beginnen. “Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Ukraine an einem Überproduktion an Elektroenergie leidet und bereit ist diese praktisch allen ihren Nachbarn zu schenken.”, endete Oleg Sarubinskij.

Sarubinskijs Meinung nach, muss man dafür, um die Situation zur Vorbereitung der Heizsaison zu verbessern, eine Großreform des Brennstoff- und Energiekomplexes vornehmen. “Der Erfahrung Ungarns nach, möchte ich anmerken, dass Privatisierungen sowohl der energieerzeugenden Unternehmen, als auch der kommunalen Versorger notwendig ist. Und ebenfalls ein Anstieg der Tarife, der Investitionen in diesem Sektor attraktiv macht.”, sagt Petöfi. Wassilij Kononow, Generaldirektor von Coalimpex, ist sich sicher, dass ohne eine weiträumige Privatisierung der Schachte es nicht gelingen wird, das Kohledefizit zu beheben. “Die staatliche Verwaltung der Kohlebranche erwies sich als äußerst ineffektiv: die Förderung sinkt, die Preise steigen. Dort, wo es einen privaten Eigentümer gibt, steigen, im Gegenteil, die Kohlefördermengen und die Preise bleiben niedrig.”, betont er. Vorher hatte die staatliche Aktienfirma “Ugol/Kohle Ukrainy” die Absicht verkündet, die Preise zu erhöhen, wogegen die Energieerzeugerfirmen auftraten.

Quelle: Kommersant-Ukraine

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 1355

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