Ukraine vor Währungskrise?


Die gestrige Panik auf dem Interbanken-Währungsmarkt erlaubte es dem Dollar sich auf 5,25 Hrywnja/$ zu verteuern. Dies ging aufgrund des Geldabzuges von Nichteinwohnern vor sich, die sich an den Credit Default Swaps für ukrainische Staatsanleihen orientierten. Diese sprangen gestern auf rekordhafte 770 Punkte. Die Situation verschärft sich auch durch die Vertrauenskrise zwischen den ukrainischen Banken, die begonnen haben sich gegenseitig die Limits zu schließen. Jetzt kann man einen Anstieg des Tauschkurses auf 5,5 Hrywnja/$ und mehr bereits in der nächsten Woche erwarten, denken Banker.

Der mittlere Kurs für den Kauf/Verkauf von Dollar sprang gestern auf dem Interbanken-Währungsmarkt auf 5,19/5,22 Hrywnja/$, wo er sich noch am Vortag in den Grenzen von 5,11/5,12 Hrywnja/$ bewegte und am Montag bei 5,045/5,055 Hrywnja/$, teilte der “Ukrainskij Finansowij Server” mit. Im Laufe des Tages stieg der Dollarkurs noch höher. Am Morgen öffnete der Dollarhandel auf einem Niveau von 5,075/5,160 Hrywnja/$, bis 11:00 Uhr erhöhten sich die Preise auf 5,165/5,25 Hrywnja/$, bis Mittag etwas gewinnend – 5,13/5,19 Hrywnja/$, festgestellt vom Informationshandelssystem UkrDealing.com. Ungeachtet des Austritts des Kurses der Hrywnja zum Dollar auf dem Interbankenmarkt weit jenseits der Grenzen des Währungskorridors, der von der NBU für 2008 festgelegt wurde, – 4,85 Hrywnja/$ +/- 4%,- verzichtete die Zentralbank auf auf Kursstützungen. Anstelle dessen erklärte diese in der Mitte des Handels, dass sie nicht beabsichtigt in das Fahrwasser der Spekulanten zu geraten und Valuta verkaufen wird.

“Die Zentralbank erklärt, dass sie einen Verbrauch der Währungsreserven für die Befriedigung von spekulativen Operationen von Teilnehmern des Währungsmarktes nicht zulassen wird und wird in Abstimmung mit den Reserven eine Politik der Unterstützung der Binnen- und Außenstabilität der Hrywnja, der Sicherstellung der Abrechnung/Bezahlung des kritischen Imports und der Bezahlung der Außenzahlungsverpflichtungen des Staates und eine Stützung der Konkurrenzfähigkeit durchführen.”, versprach die Zentralbank (NBU). “Die im Besitz befindlichen Reserven (38 Mrd. $) erlauben es sogar bei einem Preisanstieg für Gas alle Erfordernisse, für mehr als für ein Jahr, zu decken.”

Dies destabilisierte den Interbankenmarkt noch mehr. “Solche Erklärungen regen den Markt zum Wachstum an.”, erklärte der Schatzmeister einer der Banken. Im Ergebnis sprang der Kurs bis zum Ende des Handelstages erneut auf 5,10/5,24 Hrywnja/$. Händler erzählten dem “Kommersant-Ukraine“, dass die Hauptgeschäfte im Bereich von 5,18-5,21 Hrywnja/$ abliefen. “Es gab Geschäfte zu 5,25 Hrywnja/$. Ich habe eines davon gemacht.”, gab einer der Schatzmeister der ausländischen Banken zu. “Wenn die NBU keinerlei Maßnahmen auf dem Markt ergreift, dann wird der Kurs in nächster Zeit bei 5,25 Hrywnja/$ liegen.”, warnt Wladislaw Anisimow, der Kassenwart der OTP Bank. Der Euro gab seine Position auf dem Interbankenmarkt nur unbedeutend auf: 7,13/7,22 Hrywnja/€ bei Handelsschluss im Vergleich zu 7,21/7,28 Hrywnja/€ am Mittwochabend.

Bei der NBU konnte man dem “Kommersant-Ukraine“ nicht sagen, welche Schwelle der Kurs überschreiten muss, damit der Regulierer mit Interventionen eintritt – gestern lag der Kurs 8,25% über dem offiziellen. Der stellvertretende Vorsitzende der NBU, Alexander Sawtschenko, sagte lediglich, dass “die Leitung eine Entscheidung treffen wird”. Banker sagen, dass in dieser Situation der Kurs auch weiter steigen wird. “Morgen kann der Markt bei 5,35 Hrywnja/$ eröffnen und ich sehe keine Grenzen für den Anstieg.”, betonte der Kassendirektor der “Tochterbank der Sberbank Russlands” Dmitrij Solotko. “Daher wird in den Wechselstuben der Kurs bereits bei 5,2/5,5 Hrywnja/$ sein.” Gestern wertete die NBU den Kurs der Hrywnja zum US-Dollar etwas ab, um lediglich 0,0082 Hrywnja auf 4,8697 Hrywnja/$.

Die Händler nennen die Situation auf dem Interbankenmarkt eine Panik. Als deren Grund sehen sie nicht “das Spiel der Spekulanten”, wie es die Zentralbank sagt, sondern den Abzug des Geld durch nichtansässige Devisenausländer. “Nun, wie viel kann man spekulieren?”, erregt sich einer der stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden einer der großen Banken. “Nun, eine Woche, vielleicht auch zwei. Doch, dass was vor sich geht, nennt man Währungskrise.” Die Kassenverwalter bekräftigen, dass innerhalb der letzten Woche sehr viele Geldmittel von Nichtresidenten abgezogen wurden, welche insbesondere ihre Hrywnjaeinlagen auflösten und eine aufgeregte Nachfrage nach Valuta auslösten. Das Volumen des gestrigen Handels veröffentlicht die NBU am Montag (am 30. September lag es bei 672,1 Mio. $).

Bleibt anzumerken, dass die panische Stimmung der Investoren in den letzten Tagen des Septembers die Notierungen von Euroanleihen der Ukraine abfallen ließ. Der Index EMBI+ Ukraina, der den Spread zwischen der Rentabilität von Staatsanleihen der USA (US Treasury) und Euroobligationen der Ukraine anzeigt, erhöhte sich täglich um 30-50 Basispunkte. Zum 1. Oktobererreichte der Index 860 Punkte, ein Rekordniveau seit Dezember 2002. Dies bedeutet, dass die Devisenausländer sich entschieden haben Wertpapiere der Ukraine nur mit einer Rentabilität von 12,32% zu kaufen. Für den Anstieg des Spreads liegt der Hauptgrund im Verzicht des Finanzministeriums auf dem Auslandsmarkt mit 1 Mrd. $ aufzutreten, um das Defizit des Budgets zu finanzieren.

Oleg Ustenko, Senior Economist des Fonds SigmaBleyzer, erklärt den Abzug durch Nichtresidenten mit der scharfen Erhöhung der Credit Default Swaps (CDS) für fünfjährige Eurobonds der Ukraine. Ein CDS stellt einen Mechanismus der Absicherung des Risikos des Nichterhalts von Auszahlungen bei Standardanleihen. Wenn gestern Morgen die ukrainischen CDS, den Angaben von Bloomberg nach, bei 715 Punkten lagen, dann erreichten sie am Abend den absoluten Rekord von 770 Punkten. Noch im März lagen die CDS bei 250 Punkten. “Das ist ein großes Risiko des Zahlungsausfalls beim Emittenten.”, sagt der Experte. “Wenige Tage vor dem Krach der Banken Bear Stearns und Lehman Brothers erreichten deren CDS 740 und 724 Punkte. Wenn Investoren solche Werte sehen, dann entscheiden sie sich niemals in solche risikoreichen Aktiva zu investieren. Eine scharfe Erhöhung der Gaspreise oder der Zusammenbruch irgendeiner Bank kann die Entwicklung eines negativen Szenarios provozieren, wie in Mexiko im Jahre 1994.”

Damals kostete der US-Dollar in Mexiko 3,1 Peso/$, die Reserven der Zentralbank betrugen 25 Mrd. $ und die Außenschuld 78 Mrd. $. Doch nach dem Beginn der politischen Krise begannen die Investoren ihr Geld abzuziehen, damit die Landeswährung auf 5,3 Peso/$ abwerten. Die Zentralbank verringerte ihre Reserven auf 6 Mrd. $, dabei versuchend die Währung zu retten. Doch dies stoppte nicht den Bankrott einiger Banken.

Bislang demonstriert die Zentralbank den Wunsch diesen Pfad nicht zu beschreiten. Doch auch in der Ukraine übersteigt die Höhe der Fremdwährungsverschuldung um einiges die Fremdwährungsreserven. Zum 1. Januar 2008 erreichte die Bruttoaußenverschuldung er Ukraine 84,551 Mrd. $, wodurch kritische 59,9% des nominalen BIP von 2007 erreicht wurden. Zum 1. Juli stieg die Außenverschuldung bereits auf 100,062 Mrd. $, von denen die Unternehmens- und Bankensektoren 81,172 Mrd. $ inne hatten.

Den Worten von Oleg Ustenko nach, sind die Investoren beunruhigt über die Schwäche des Bankensektors. “In der Ukraine begann bereits eine Vertrauenskrise – die Banken verringerten sich gegenseitig die Limits auf ein Minimum.”, erzählte dem “Kommersant-Ukraine“ einer der Kassenverwalter. “Die Krise wird davon charakterisiert, dass die Probleme nicht bei den kleinen Banken, sondern bei den großen und größten liegen, welche sich am Interbankenmarkt refinanzieren. Momentan stehen sie vor dem Fakt, dass sie sich nicht refinanzieren können.” “Die operative Einmischung der NBU in die Probleme bei der PromInvestBank redet davon, dass sie bereit ist die Systembanken zu unterstützen. Und das flößt dahingehend Sicherheit ein, dass es keine großen Zahlungsausfälle auf dem Markt geben wird.”, ist sich Solotko sicher.

Quelle: Kommersant-Ukraine

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 1259

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Vielleicht sollten Sie eine Spende in Betracht ziehen.
Diskussionen zu diesem Artikel und anderen Themen finden Sie auch im Forum.

Benachrichtigungen über neue Beiträge gibt es per Facebook, Google News, Mastodon, Telegram, X (ehemals Twitter), VK, RSS und per täglicher oder wöchentlicher E-Mail.